Rede:
ID0800701600

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Metadaten
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  • date_rangeDatum: 19. Januar 1977

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Inhalt: Begrüßung von Mitgliedern der türkischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates . . . . . . 152 D Nachricht vom Tode des früheren Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm 201 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen im Ältestenrat — Drucksache 8/32 — . . . . . . . . 127 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 127 B Dr. Ehmke SPD 133 B Dr. Bangemann FDP 140 C Genscher, Bundesminister AA 145 A Dr. Marx CDU/CSU 149 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 159 D Hoppe FDP 167 D Graf Stauffenberg CDU/CSU 171 C Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . 176 A Dr. Kohl CDU/CSU 186 C Leber, Bundesminister BMVg 191 B Dr. Wörner CDU/CSU . . . . 195 D, 197 A Spitzmüller FDP 196 D Möllemann FDP 197 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 201 D Pawelczyk SPD 206 D Jung FDP 212 B Lorenz CDU/CSU 214 D Mattick SPD 218 C Dr. Czaja CDU/CSU 221 B Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 225 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 8/35 — . . . . . . . . 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 8/36 — 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Parlament — Drucksache 8/47 — 166 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats — Drucksache 8/48 — 167 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 8/49 — 167 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 141 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung — Drucksache 8/10 — 167 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 8/11 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit — Drucksache 8/12 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit (Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit) — Drucksache 8/13 — 167 C Nächste Sitzung 227 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 229* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 127 7. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1977 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 229* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 20.1. Dr. Aigner * 21. 1. Arendt 21. 1. von Hassel* 19. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) 21. 1. Lücker * 21. 1. Lange * 19. 1. Müller (Mülheim) * 21. t. Richter *** 21. 1. Schulte (Unna) 19. 1. Dr. Schwencke ** 21. 1. Dr. Schwörer * 21. 1. Dr. Staudt 21. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Mertes, könnten Sie mir gleich einmal bestätigen, daß wir beide uns jetzt einig sind, daß alle darauf zielen, zu einem Erfolg zu kommen, daß Verhandlungen fortgeführt
    I werden und daß in diesen Verhandlungen kein Vorschlag gemacht wird, der nicht mit allen unseren Verbündeten abgestimmt ist?

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das war keine Antwort! — Dr. Marx [CDU/ CSU] : In den Verhandlungen! Aber was hat denn der Brandt gesagt!)

    — Ich weiß ja, daß Sie einen Gegensatz zu konstruieren versuchen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Der ist doch da, spürbar!)

    — Nein, es ist ganz vergeblich; der ist nicht da. Aber ich werde das Detail dieser Darlegung meinem Kollegen Pawelczyk überlassen, der auf diesen Punkt noch speziell eingehen wird.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Marx [CDU/ CSU])

    Wir hoffen jedenfalls, daß es dem neuen amerikanischen Präsidenten gelingt, SALT II zum Abschluß zu bringen, und sich daran eine neue, eine politische MBFR-Runde anschließen kann. Die Weltwirtschaftskrise, die unsere übrigen Probleme alle so unendlich erschwert hat, hat vielleicht auch das eine gute, daß nämlich bei Erfüllung der sonstigen dringenden Aufgaben auch im Osten nicht mehr soviel Geld für Rüstung da ist.
    Fortschritte beiden MBFR-Verhandlungen könnten zugleich Gewicht haben für den Fortgang der Entspannungspolitik, insbesondere für die KSZE-Zwischenkonferenz. Es hat seine Bedeutung, daß diese Konferenz in Belgrad stattfindet. Sind doch die Selbständigkeit und die Unabhängigkeit des blockfreien jugoslawischen Staates — um Präsident Giscard d'Estaing zu zitieren — ein vitales Element des Gleichgewichts und der Entspannung in Europa. Es wird in Belgrad darum gehen, eine nüchterne Bestandsaufnahme nicht nur dessen zu machen, was seit Helsinki geschehen ist, sondern auch dessen, was nicht geschehen ist.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Es wird weiter darum gehen, praktische Schritte zur Verwirklichung des in Helsinki Beschlossenen zu diskutieren, nicht etwa nur noch einmal das, was in Helsinki schon beschlossen worden ist, zu wiederholen. Ich nenne beispielsweise als zwei wichtige Punkte zunächst die Frage der Familienzusammenführung, in der Fortschritte gemacht worden sind, aber in der es immer noch, wie jeder Abgeordnete aus seinem eigenen Wahlkreis weiß, unendliches menschliches Elend gibt, während auf der anderen Seite diese Frage doch nicht grundsätzliche Interessen der betroffenen Staaten berührt. Wer hat denn etwas davon, daß Eheleute, daß Eltern und Kinder oder Verlobte nicht zusammenkommen?

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU] : So sollte man meinen!)

    Ich nenne aber auch die Frage der Pressearbeit, in der wir in den hinter uns liegenden Wochen so viele Enttäuschungen erlebt haben. Wir wissen selbst, daß Pressearbeit manchmal für Regierungen sehr unbequem sein kann. Aber sie ist eine Voraussetzung dafür, daß die Information ausgetauscht und verbreitet wird, die Voraussetzung für eine bessere Verständigung zwischen Ost und West ist.
    Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, waren seinerzeit gegen Helsinki, wobei Sie sich übrigens nicht in der besten Gesellschaft befanden. Heute drängen Sie mit Ungeduld auf die Verwirklichung der Beschlüsse von Helsinki. Dabei muß aber doch jedem klar sein, daß in Helsinki hohe Maßstäbe aufgestellt worden sind, die nur mit großer Geduld zu verwirklichen sein werden. Die Beschlüsse von Helsinki sind zwei Jahre alt. Die EWG-Verträge sind 20 Jahre alt, und selbst mit diesen Verträgen sind wir noch nicht einmal durch. Helsinki ist kein juristischer Titel, aus dem wir zwangsvollstrecken können. Helsinki ist der Anfang eines schwierigen europäischen politischen Prozesses. Ich freue mich übrigens darüber, daß die amerikanische Kongreßdelegation, die in Sachen KSZE Europa bereist hat, zu einem so positiven Votum in ihrem Bericht gekommen ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Ernst will doch auch niemand von Ihnen hinter das zurück, was wir durch die Ostpolitik, durch die Berlin-Regelung, durch die KSZE an menschlichen Erleichterungen erreicht haben. Ohne die Politik der Entspannung wären auch die sowjetischen Dissidenten heute nicht im Westen, die hier, was ihr gutes Recht ist, die Entspannungspolitik teilweise scharf kritisieren. Diese Politik hat mehr bewirkt,



    Dr. Ehmke
    als hunderttausend Fackelzüge zu bewegen vermöchten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist ja gerade so, daß ein Teil der Probleme, die wir heute haben, gerade daher kommt, daß in so kurzer Zeit so viel bewegt worden ist, was übrigens niemandem von uns Grund zur Schadenfreude gibt.
    Lassen Sie mich dazu zwei Bemerkungen machen. Die erste betrifft die DDR. Wir haben keinen Grund, die Verletzung der in Helsinki bekräftigten Menschenrechte von seiten der DDR durch das sinnlose Schießen an der innerdeutschen Grenze, die Ausweisung von Regimekritikern etc. zu verschweigen. Darüber besteht im Westen Übereinstimmung bis in die Reihen der westeuropäischen Kommunisten hinein, auch über die empörenden Vorgänge in den letzten Wochen in der CSSR. Wir werden für die bessere Respektierung von Menschenrechten noch lange hart und umsichtig arbeiten müssen. Aber, Herr Kollege Kohl und noch mehr Herr Kollege Barzel, wir müssen uns davor hüten, in Rückkehr zu einer Politik des Alles oder Nichts die Menschenrechte zu einer Waffe oder auch nur zu einem Banner in der politischen Auseinandersetzung zu machen. Das könnte nämlich nur auf Kosten der Menschen im anderen Teil Deutschlands und im anderen Teil Europas geschehen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein [CDU/CSU] : Was heißt hier „Banner" ?)

    Zum zweiten besteht meines Erachtens ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Chance, den bisher erreichten Lebensstandard in den osteuropäischen Ländern weiter zu erhöhen und zu sichern, und den Chancen für eine breitere Respektierung von Menschenrechten. Jede Einschränkung oder Gefährdung des erreichten Lebensstandards hat jedenfalls bisher zu einer Zunahme politischer Repressionen geführt. Insofern besteht auch weiterhin, in der Terminologie von Helsinki gesprochen, ein enger Zusammenhang zwischen Korb II und Korb III. Wir müssen in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Osten sicher unsere eigenen Interessen wahren; wir haben nichts zu verschenken. Wir müssen dies aber auf dem Boden der Einsicht tun, daß eine Zusammenarbeit grundsätzlich beiden Seiten nützt, nicht etwa nur dem politischen Gegner, und daß sie im allgemeinen europäischen Interesse liegt.
    Das führt mich zu der allgemeinen Frage von Entspannungspolitik und Status quo. Die Entspannungspolitik dient dem Frieden zwischen den Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen und Ideologien. Sie geht vom territorialen Status quo aus und verzichtet auf Gewalt. Sie schreibt aber keinen ideologischen Status quo fest, etwa in dem Sinne, in dem die heute nicht mehr aktuelle Sonnenfeld-Doktrin verstanden oder auch mißverstanden worden ist, als ob es diesseits der durch Deutschland laufenden Grenze nur stramme Kapitalisten und jenseits nur stramme Kommunisten geben dürfte. Eine solche Vorstellung ist meines Erachtens für alle Europäer, nicht nur für die europäischen Sozialisten, unannehmbar, so unterstützenswert das Bestreben der Großmächte ist, das einmal erreichte Gleichgewicht nicht ins Rutschen kommen zu lassen.
    Die Entspannungspolitik will und kann die ideologische Auseinandersetzung nicht beenden. Sie hat im Westen wie im Osten sogar manche Kräfte freigesetzt, die der Kalte Krieg eingefroren hatte, was wir als Sozialdemokraten nur begrüßen können. Wir wissen aber auch, daß es sich hierbei bestenfalls um einen langwierigen Prozeß handeln kann, der sich um des Friedens willen nur innerhalb des bestehenden Macht-Status-quo abspielen kann. Wir alle sind uns dabei sicher — spätestens seit dem Prager Frühling — schmerzlich der Problematik bewußt, die darin liegt, anderen in Sachen Menschenrechte zur Geduld raten zu müssen, während man selbst in Freiheit lebt.
    Die Entspannungspolitik hat auch in Westeuropa — damit komme ich zu meinem letzten Punkt — neue Kräfte freigesetzt, die auch für die Direktwahlen zum Europäischen Parlament, das durch diese Wahlen politisch gestärkt werden wird, von Bedeutung sein werden. So hat der Abbau des ideologischen Drucks des Kalten Krieges zum Fall der faschistischen Diktaturen in Griechenland, Portugal und Spanien beigetragen. Um politische Ordnung im Westen zu legimitieren, reicht es heute glücklicherweise nicht mehr aus, nur antikommunistisch zu sein. Auf der Iberischen Halbinsel ist der demokratische Sozialismus eine entscheidende Kraft auf dem Weg zur Demokratie. Gleichzeitig hat die Entspannungspolitik in den kommunistischen Parteien Westeuropas eine Entwicklung eingeleitet, die man sehr ungenau mit dem Etikett „Eurokommunismus" versehen hat. Die kommunistische Orthodoxie wirft diesen Parteien vor, sich dem Gedankengut des demokratischen Sozialismus zu öffnen.
    In dieser Situation, meine Damen und Herren von der Opposition, schlägt Ihr Slogan „Freiheit oder Sozialismus" dem demokratischen Europa direkt ins Gesicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Glauben Sie denn, Europa ohne die demokratischen Sozialisten in der Bundesrepublik, in Frankreich, in Portugal, in Spanien, in Italien, in Skandinavien, in Großbritannien, in Osterreich, in den Benelux-Staaten oder in der Schweiz bauen zu können?
    Sie sollten aufmerksam die Kritik von Christdemokraten anderer europäischer Parteien zur Kenntnis nehmen. So hat der Vorsitzende der belgischen Christlichen Volkspartei, Wilfried Maertens, bei dem Herr von Hassel heute offenbar gerade zu Besuch ist, folgendes gesagt:
    Wir sind nicht einverstanden mit bestimmten Elementen der deutschen CDU. In diesem Sinne haben wir ein Problem. Und wir und die Nie, derländer, Luxemburger, Italiener — bald auch die Spanier — stellen so etwas wie den fortschrittlichen Flügel in der europäischen christdemokratischen Bewegung dar, jedenfalls diejenigen unter uns, die sich nicht einer Sammlung all dessen einverleiben lassen wollen, was nicht sozialistisch und was nicht links ist. Wir



    Dr. Ehmke
    glauben, daß wir in Europa eine eigenständige, eine fortschrittliche Politik verfolgen müssen, mit einer anderen Einstellung gegenüber den nationalen Belangen. In diesem Sinne gibt es Meinungsverschiedenheiten gegenüber bestimmten Elementen in der CDU und der CSU von Strauß. Aber wir glauben, daß wir in der Europäischen Union die Mehrheit erlangen können.
    Wir wünschen das den fortschrittlichen Kollegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie, meine Damen und Herren von der Union, verwickelt die Straußsche Kreuzzugsideologie insofern doch ständig in Widersprüche. So messen Sie hinsichtlich einer demokratischen Entwicklung in Spanien — ich habe mit Herrn Kollegen von Hassel darüber gesprochen — einer Zusammenarbeit von Sozialisten und Christdemokraten grundsätzliche Bedeutung bei. Auch wir tun das. Aber was soll denn der reaktionäre Slogan „Freiheit oder Sozialismus"?

    (Beifall bei der SPD)

    Sie rufen danach, daß die italienischen Sozialisten in die christdemokratisch geführte Regierung eintreten, aber doch sicher nicht, um zusammen mit Herrn Andreotti die Freiheit zu beseitigen, sondern um sie zu retten. Das ist nun heute in Italien allerdings keine alleinige Frage prozentualer parlamentarischer Mehrheiten mehr; dazu geht die Krise zu tief.
    Der christdemokratische Ministerpräsident Italiens, den wir gerade zu einem Besuch hier in der Bundesrepublik begrüßen konnten, teilt doch offenbar die Meinung vieler seiner Landsleute, daß, so wie die Lage nun einmal ist, die Krise ohne die Mitarbeit der KPI nicht zu lösen ist. Und nicht wenige in Italien fürchten, daß die Alternative zu einer gemeinsamen Krisenbewältigung eine neue Form von Faschismus sein könnte.
    Damit, Herr Strauß, bin ich nun beim „Eurokommunismus". Zunächst eine Feststellung: Der Kommunismus ist in Westeuropa nur dort stark, wo in diesem Jahrhundert zu lange das innere Prinzip unserer Epoche „größere soziale Gerechtigkeit — mehr Chancengleichheit" mißachtet worden ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Wo es starke Sozialdemokratien gibt, haben wir kein kommunistisches Problem.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU] : Umgekehrt!)

    Im übrigen — das sage ich zu denen von Ihnen, die in früheren Zeiten so oft nach Griechenland, Spanien und Portugal gefahren sind — unterscheiden sich die westeuropäischen Kommunisten nicht nur von ihren kommunistischen Kollegen im Osten, sondern auch von den Faschisten, die so lange Jahre in Griechenland, Portugal und Spanien geherrscht haben, dadurch, daß ihre politische Macht auf dem Ergebnis freier Wahlen beruht.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Gründe, die zu der Bewegung geführt haben, die man Eurokommunismus nennt, habe ich an anderer Stelle eingehend zu analysieren versucht. Ich möchte das heute nicht wiederholen, sondern nur eines dazu sagen: Wir sollten uns nicht über die grundsätzliche Bedeutung dieses Vorgangs täuschen. Schließlich war es die Spaltung der Arbeiterbewegung durch die Bolschewisten, die vor einem halben Jahrhundert das Hochkommen des Faschismus mit ermöglicht hat. Wenn nach Jahrzehnten einer leidenschaftlichen und bitteren Auseinandersetzung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten – in deren Mittelpunkt die menschliche Freiheit stand — der westeuropäische Kommunismus wirklich den Weg zur Demokratie finden sollte, so wäre das ein bedeutender Vorgang. Ich teile allerdings Ihre Auffassung, daß heute keineswegs mit Sicherheit gesagt werden kann, daß sich die kommunistischen Parteien Westeuropas wirklich und endgültig für demokratische Grundrechte und demokratische Spielregeln entscheiden werden. Wir Sozialdemokraten nehmen die Möglichkeit nicht als Gegebenheit, wir sind skeptische und nüchterne Beobachter der Entwicklung. Aber auch Sie, meine Damen und Herren von der Union, dürfen die nüchterne Beobachtung und Beurteilung nicht durch ein Dogma von der Unmöglichkeit eines Wandels verstellen, es sei denn, Ihnen sei eine rechte Mehrheit in Europa auf jeden Fall mehr wert als die Lebensfähigkeit der europäischen Demokratie.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist eine Unterstellung!)

    Mit einer solchen rechten Politik würden Sie dann allerdings ungewollt zugleich der kommunistischen Orthodoxie in die Hände arbeiten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das war unter Niveau!)

    Eines sollten wir uns dabei alle zusammen vornehmen. Wir sollten nicht meinen, daß wir die Probleme der französischen, italienischen, spanischen oder portugiesischen Innenpolitik besser beurteilen könnten als die demokratischen Kräfte in jenen Ländern.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Sagen Sie das einmal dem Herrn Bundeskanzler!)

    — Ich sage es mir vor allen Dingen selbst, Herr Lenz, weil ich mich auch immer selbst in Versuchung finde, anderen Leuten zu raten, was sie machen sollen; aber Sie können dabei auch ruhig zuhören.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] :Das war der beste Satz dieser Rede!)

    Ich bin der Meinung, die europäische Geschichte enthält wenig Anhaltspunkte dafür, daß andere europäische Völker politisch weniger begabt oder erfahren seien als unser eigenes Volk.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Die deutschen Sozialdemokraten haben keinerlei Interesse an einer Stärkung kommunistischer Parteien irgendwo in der Welt; sie haben jedes Interesse an der Stärkung der Kräfte des demokratischen Sozialismus. Weder ideologische Kreuzzüge noch rechte Sammlungsbewegungen können der Demokratie und den Menschen in Europa helfen. Diese



    Dr. Ehmke
    Überzeugung teilen wir mit den fortschrittlichen Kräften im liberalen wie im christdemokratischen Lager Europas; nur wir alle zusammen können Europa bauen.
    Wir halten die Europäer nicht für degeneriert, und wir halten Andersdenkende nicht für „geistige Pygmäen".

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wissen, daß die progressiven Kräfte in Europa, die gerade heute auf neue Unterstützung aus Nordamerika hoffen, mehrheitsfähig sind.
    Wir wissen auch, daß Außen- und Innenpolitik ein unteilbares Ganzes bilden. Ihr Parteifreund Leisler Kiep hat Ihnen zum Zusammenhang von Innen- und Außenpolitik einmal folgendes gesagt:
    Wer die Außenpolitik der Regierung insgesamt als eine Politik in Richtung sozialistische Volksfrontpolitik ansieht, der wird auch auf gesellschaftspolitischem Gebiet die totale Konfrontation suchen.
    Das ist das, was wir gerade erleben. Ich zitiere weiter Herrn Kiep:
    Die Union kann nicht die Gesellschaftspolitik von morgen mit der Außenpolitik von gestern koppeln. Deshalb gehört zur Neubesinnung auch eine Neubesinnung in außenpolitischen Fragen.

    (Beifall bei der SPD)

    — Ich finde es traurig, daß bei diesem Zitat nur meine Kollegen von der SPD klatschen. Diese Äußerung stammt aus dem Jahre 1973. Da Sie dem Ratschlag von Herrn Kiep nicht gefolgt sind, haben Sie heute weder eine Außen- noch eine Innenpolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    In unserer Sicht machen die Ihnen von Herrn Strauß oktroyierten rechten Klischees Sie unfähig,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Jetzt reden Sie ganz in Ihrem eigenen Klischee! Da kommen Sie gar nicht raus!)

    Ihre Aufgabe als Opposition zu erfüllen und damit auf Ihrem Platz die Interessen unseres Staates und unseres Volkes wahrzunehmen. Meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich habe darum an Sie eine Bitte — auch an Sie, Herr Kohl —, in der Sie auch ruhig ein Stück Abbitte für manches sehen dürfen, was sicher auch wir in den vergangenen Jahren — ich bin mir darüber völlig klar — Ihnen gegenüber falsch gemacht haben. Fehler hat es nicht nur auf einer Seite gegeben. Meine Bitte lautet: Bitte, befreien Sie sich von diesen Klischees, folgen Sie Herrn Strauß nicht noch weiter nach rechts, bleiben Sie bitte Christdemokraten!

    (Beifall bei der SPD — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU — Heiterkeit bei der SPD und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, darf ich vielleicht vorschlagen, daß diejenigen Kollegen, die Zeitung lesen möchten, es an anderer Stelle tun. Es erhöht die Aufmerksamkeit für den Redner nicht.

(Zustimmung)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bangemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Martin Bangemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt es, daß sich das Haus in der Fortsetzung der Debatte zur Regierungserklärung bis jetzt im wesentlichen mit europäischen Problemen befaßt hat. Denn wir sind der Meinung, daß das der Bedeutung dieser Politik entspricht. Wir sind auch nicht traurig darüber, daß die Opposition durch ihren Sprecher selber diesen Beginn der Fortsetzung gewählt hat. Denn sie hat ausgerechnet einen Teilbereich der Politik ausgewählt, in dem ernsthaft nichts an der Regierungserklärung auszusetzen ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Selbst wenn man sehr selbstkritisch der eigenen Arbeit gegenübersteht — und natürlich steht der Opposition mehr noch zu als bloße Selbstkritik, weil sie ja die Politik der Regierung zu kritisieren hat —, kann man doch nun eine Tatsache wirklich nicht übersehen, und das ist die Tatsache, daß es in ganz Europa nicht eine einzige Regierung gibt, die in den vergangenen vier Jahren sich so intensiv, so eindrucksvoll und ohne jeden Zweifel für den Bau Europas und der Europäischen Union eingesetzt hat wie unsere Bundesregierung.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Daß das nicht jeden Tag wieder von dieser Bundesregierung durch Worte wiederholt wird, daß nicht jede Selbstverständlichkeit wie z. B. ein Bekenntnis zur Europäischen Union in jeder Erklärung dieser Regierung auftauchen muß, meine Damen und Herren, das ist solange überhaupt nicht schädlich, solange diese Regierung mit Taten täglich unter Beweis stellt, daß sie europäisch gesinnt ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dafür gibt es wirklich Beispiele im Überfluß. Deswegen ist es nicht notwendig, daß die Gemeinschaft aus der Regierungserklärung erfährt, ob wir die Europäische Union wollen oder nicht. Sie erfährt es jeden Tag aus dem, was diese Regierung tut.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Aber nützlich wäre es gewesen!)

    Ich bin auch der Meinung, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Herr von Weizsäcker in der Betonung der Tatsache, daß man Politik nicht machen kann, ohne moralische Grundsätze zu verwirklichen oder verwirklichen zu wollen, etwas Richtiges gesagt hat. Nur: der Gegensatz zwischen dem, was immer dazu erklärt wird von der Union, und dem, was Sie uns an praktischen Beispielen in Ihrer eigenen Politik bieten, ist erstaunlich. Ich denke nur daran, welch eindrucksvolles Beispiel die Union in ihrer Auseinandersetzung um die gemeinsame Fraktion für die Identität von moralischen Grundsätzen und politischem Handeln und für christliche Bruderliebe gegeben hat.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ärgerlich allerdings, Herr von Weizsäcker, wird das, wenn Sie in Ihrem eigenen politischen Han-



    Dr. Bangemann
    dein in einem Wahlkampf so diametral den Grundsätzen zuwidergehandelt haben, die Sie in aller
    christlichen Unschuld hier dann wieder darstellen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Sie sagen — und das ist richtig —: Freiheit gehört nicht einer Partei allein. Das stimmt. Aber wie haben Sie sich denn, gemessen an diesem Grundsatz, in Ihrem zurückliegenden Wahlkampf verhalten?

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir immer gesagt!)

    Haben Sie sich so verhalten? Haben Sie diesen Pluralismus in der Tat bewiesen? Dort im Wahlkampf vergessen Sie dann diese Identität von moralischen Grundsätzen und politischem Handeln,

    (Zustimmung bei der FDP)

    und das ist, nach moralischen Grundsätzen geurteilt, schlicht Heuchelei und nichts anderes.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Was haben wir denn anderes gesagt, als was Herr Genscher in Stuttgart gesagt hat? Das war doch genau dasselbe!)

    Meine Damen und Herren, wenn man Europapolitik in den nächsten Jahren voranbringen will und wenn man zu Resultaten kommen will, dann gilt es, eine Reihe von Grundsätzen zu beachten, die in diesem Zusammenhang nicht immer beachtet werden. Ich bin zunächst einmal der Meinung, daß es schädlich ist, falsche Gegensätze aufzubauen. Ich habe in zurückliegenden Debatten zur Europapolitik davor gewarnt, z. B. einen Gegensatz zwischen der Westpolitik, der Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten, und einer Europapolitik zu sehen, und habe für meine Fraktion unsere Meinung zum Ausdruck gebracht, daß solche falschen Prioritäten den Fortgang einer vernünftigen Europapolitik sehr behindern können, weil man nämlich nicht nur — aus zeitlichen Überlegungen heraus — nicht einen Monat lang Europapolitik und in einem anderen Monat partnerschaftliche Politik mit Amerika betreiben kann, sondern weil auch ein Sachzusammenhang zwischen diesen einzelnen Bereichen der Politik besteht.
    Und ein ebensolcher Sachzusammenhang besteht zwischen der Entspannungspolitik und der Europapolitik — nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang. Wir werden — wenn wir überhaupt eines bekommen — ein ganz anderes Europa in dem Augenblick bekommen, in dem wir die Entspannungspolitik aufgeben. Nur mit der Entspannungspolitik werden wir zu einem Europa kommen, das seine Kräfte auf die Entwicklung einer demokratischen Struktur, auf die Entwicklung von mehr Wohlstand für die Menschen in Europa verwenden kann und sich nicht in einem unsinnigen Rüstungskampf mit anderen Teilen der Welt verzettelt.

    (Zustimmung bei der FDP — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Wovon reden sie eigentlich? Von Ost-Berlin, von Prag, von Moskau?)

    Ich warne deswegen davor, weil Herr von Weizsäcker den Eindruck zu machen schien, daß er einen Gegensatz zwischen einer Priorität Entspannungspolitik und einer Priorität Europapolitik sieht.
    Er hat bemängelt, daß die Bundesregierung in ihrer Erklärung eine Priorität Entspannungspolitik gesetzt hat, und meinte, daraus, was die Europafreundlichkeit der Bundesregierung angeht, einen Vorwurf ableiten zu können. Das genau ist der falsche Gegensatz, vor dem ich jetzt warne.

    (Dr. von Weizsäcker [CDU/CSU]: Ich stelle nur fest, daß Herr Brandt und Herr Genscher die Prioritäten unterschiedlich gesetzt haben! — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Ja, Unterschiede zwischen Genscher und Brandt!)

    Zweitens bin ich der Meinung, daß wir — und zwar die Politiker in erster Linie — zunächst einmal den Pessimismus bekämpfen müssen, der weitgehend die europapolitische Szenerie zu beherrschen scheint. Zwar verstehe ich natürlich, daß viele Menschen auf Grund der Vorstellungen, die sie selber von einem Europa haben und die eine gewisse Ungeduld vermitteln, den Fortschritt als zu langsam empfinden. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir in vielen Bereichen bereits erhebliche Gemeinsamkeiten erreicht haben. Dafür gibt es eine ganze Reihe auch jüngster, auch aktueller Beispiele. Auch die angebliche Niederlage, was den Standort von JET angeht, ist doch, meine Damen und Herren, im Grunde genommen ein Beweis dafür, daß Europa zusammengewachsen ist. Denn wir werden eine "solche Entscheidung treffen, und wir können sie treffen, und daß sie noch nicht getroffen worden ist, ist ein Ergebnis der Tatsache, daß hier eben ganz normale nationale Interessen eine Rolle spielen, nicht aber eine Unfähigkeit der Europäer, zu einer solchen Entscheidung zu gelangen.
    Ein zweiter, meiner Meinung nach zu Recht auch von Herrn von Weizsäcker angeführter Grundsatz ist der, daß es nicht ein Europa einer politischen Richtung geben kann. Wir müssen vielmehr ein pluralistisches Europa aufbauen, und das gilt für Sozialisten wie für Konservative wie für Liberale, das gilt für jedermann in diesem Europa. Wer glaubt, daß allein seine politische Meinung den zukünftigen Kurs Europas bestimmen kann und bestimmen muß, der verhindert in Wahrheit Europa.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sie sprechen zur SPD hinüber!)

    — Ich spreche jetzt auch — das sage ich hier ganz deutlich — von einem Sozialisten, nämlich von dem französischen Sozialistenführer François Mitterrand, der in der Tat gesagt hat, für ihn sei Europa dann Europa, wenn es ein sozialistisches Europa sei.

    (Zuruf des Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU])

    Meine Damen und Herren, das gilt aber für Konservative oder Liberale in gleicher Weise, es gilt für jedermann. Dieses Europa muß ein pluralistisches Europa sein, wenn es lebendig und wünschenswert sein soll.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)




    Dr. Bangemann
    Sie müssen auch einem Sozialisten das Recht zubilligen, etwas zu sagen, was seiner Meinung entspricht, auch wenn es der Meinung von anderen nicht entspricht. Darüber kann man sich ja auseinandersetzen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das tun wir ja!)

    Ich bin auch der Meinung, daß das pluralistische Europa mehr noch, als es für die Nationalstaaten gilt, den Grundsatz zu respektieren hat, daß ein demokratischer Staat dann existiert, wenn Minderheiten in ihm leben können;

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Natürlich! Das ist ein wesentliches Element der Demokratie!)

    denn das zukünftige Europa wird kein Europa von Mehrheiten sein. Die Parteien, die Völker, die politischen Auffassungen, die jetzt in einem nationalstaatlichen Rahmen noch Mehrheiten sind, werden in Europa alle zu Minderheiten. Deswegen wird die zukünftige Europäische Union sehr viel stärker den Gedanken des Minderheitenschutzes in jeder Form zu verwirklichen haben, weil sie erst dann in Wahrheit eine Europäische Union sein wird.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU])

    Das muß man auch einmal unseren britischen Freunden bei ihrer Auseinandersetzung um ein zukünftiges Wahlrecht sagen. Wer im Hinblick auf dieses zukünftige Europa schon im Wahlrecht verhindert, daß solche Minderheiten angemessen beteiligt werden, führt einen Angriff gegen dieses zukünftige Europa.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    In der Tat haben wir uns — auch das zählt für mich zu den Grundsätzen — in diesem Zusammenhang mit dem Eurokommunismus auseinanderzusetzen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Das Wort ist nicht sehr gut!)

    Ich sage hier für meine Fraktion, daß die Grundsätze, die für uns in der Entspannungspolitik gelten — ein friedliches Nebeneinander zwischen Staaten unterschiedlicher gesellschaftlicher Ordnung, der Versuch, menschliche Erleichterungen auf allen Gebieten zu schaffen, in denen der Mensch täglich leben muß —, für uns in gleicher Weise auch in der Auseinandersetzung mit anderen politischen Auffassungen gelten. Wir wollen keine gewaltsame Auseinandersetzung, auch nicht mit Kommunisten. Wir lehnen auch eine blinde Auseinandersetzung ab, die in dem anderen nur noch den Feind sieht und sich mit seinen Argumenten nicht auseinandersetzt.
    Wir lehnen aber, meine Damen und Herren, genauso jede ideologische Partnerschaft oder Nähe mit jedwedem Kommunismus ab, gleich, ob er nun „Eurokommunismus" genannt wird oder einen anderen Namen trägt.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD — Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    Hier muß ich für meine Fraktion ganz klar sagen: Es gibt für uns keinen Unterschied zwischen den
    Kommunisten in Westeuropa und den Kommunisten in Osteuropa. Einen einzigen Unterschied will ich gelten lassen: Die Kommunisten in Osteuropa sind an der Macht, und die Kommunisten in Westeuropa sind nicht an der Macht.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sie wollen an die Macht!)

    Das erklärt vieles von dem, was die Kommunisten in Westeuropa nach außen zu sein vorgeben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Ritz [CDU/CSU] : Völlig einig!)

    Es gibt, meine Damen und Herren, im Grunde auch keinen Unterschied zwischen Kommunisten und Faschisten, jedenfalls gibt es für einen Demokraten keinen Unterschied zwischen Kommunisten und Faschisten;

    (Dr. Ritz [CDU/CSU] : Auch richtig!)

    denn ein Demokrat wird in beiden Fällen damit rechnen müssen, daß er sich einem Regime ausgesetzt sieht, das Menschenrechte nicht achtet, das Minderheiten nicht schützt, das freie Wahlen nicht zuläßt.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Deswegen gibt es für Liberale in dieser Auseinandersetzung überhaupt keinen Zweifel daran, daß wir dafür sorgen müssen, und zwar alle gemeinsam, daß dieses zukünftige Europa denselben Grundsätzen und denselben demokratischen Freiheiten gerecht wird, denen wir in unseren Nationalstaaten selbst gerecht zu werden uns bemühen. Das wird ein Teil der Auseinandersetzung um Europa sein.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich noch einiges zu den Zielen und Inhalten dieser Politik sagen; denn wichtig ist natürlich auch, daß man bei dem, was man für diejenigen, die Europa in den Direktwahlen zu wählen haben, anzubieten hat, die Überzeugung vermitteln kann, daß es sich lohnt, für dieses Europa einzustehen, daß es sich lohnt, auch als Wähler sich darum zu bemühen, daß dieses Europa entsteht.
    Erstens. Für uns, für die Liberalen, steht dabei im Vordergrund, daß die Europäische Union die Bürgerrechte in der gleichen Weise, wenn nicht besser, schützen muß, wie das bisher die nationalen Mitgliedsländer in ihren Verfassungen tun. Deswegen ist es ganz wichtig, daß das Europäische Parlament und die politischen Öffentlichkeit den ersten Schritt zu einer europäischen Verfassung in den nächsten Jahren darin sehen, diese Bürger- und Verfassungsrechte in der Weise zu garantieren, wie wir das gewohnt sind, d. h.: mit individuellem Rechtsschutz. Wir begrüßen es ganz ausdrücklich, daß inzwischen alle Mitgliedsländer der Europäischen Konvention der Menschenrechte beigetreten sind. Aber das, meine Damen und Herren, ist noch nicht ausreichend. Unser Verfassungsgericht hat in einem in der Europäischen Gemeinschaft viel kritisierten Urteil klar dargelegt, daß wir nicht akzeptieren können, daß eine zukünftige europäische Verfassung einen



    Dr. Bangemann
    minderen Schutz für Grundrechte gewährt, als unsere eigene Verfassung dies heute tut.
    Zweitens. Eines der ganz wichtigen Gebiete, auf denen Europa für die Menschen in der Gemeinschaft glaubhaft werden kann, ist die Wirtschaftspolitik. Viele der Probleme, mit denen wir uns heute in diesem Bereich auseinandersetzen, sind ein Ausdruck der Unfähigkeit der Nationalstaaten, mit dieser Problematik fertig zu werden. Ich behaupte nicht, daß das Problem der Unterbeschäftigung, daß die Probleme der Energie- und Rohstoffversorgung, daß die Probleme, die bei der Verteidigung der Grundsätze der freien Marktwirtschaft entstehen, in dem Augenblick verschwinden, in dem wir zur Europäischen Union gekommen sind. Aber auf dem Weg dahin müssen wir unseren Bürgern sagen, daß Europa hinsichtlich des Problems der Unterbeschäftigung, hinsichtlich der Probleme der Energie- und Rohstoffversorgung, auch hinsichtlich der Verteidigung der Grundsätze der freien Marktwirtschaft eine größere Unterstützung sein wird, als jeder Mitgliedstaat sie heute seinen Bürgern anbieten kann. Das muß bezüglich der Direktwahl, die vor uns steht, in das Bewußtsein der Wähler eindringen. Dann werden sie auch erkennen, daß dieses Europa unmittelbare Vorteile für sie hat.
    Drittens. Wir müssen mit den Problemen der Agrarpolitik in Europa fertig werden. Das ist ein Problem der europäischen Politiker, aber nicht nur derjenigen, die Agrarpolitik machen.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    Denn auch hier gilt oft das, was in der Politik generell gilt: Es werden Lasten und Probleme auf Leute abgeladen, die dafür gar nicht können. Und die werden dann nachher noch dafür beschimpft, daß. diese Lasten auf sie abgeladen worden sind.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Ritz [CDU/CSU] : Genau das!)

    — Das ist, meine Damen und Herren, ein allgemeiner Grundsatz, der selbst, Herr Kohl, auf die Auseinandersetzungen angewendet werden kann, in denen Sie vor kurzer Zeit standen. Auch auf Sie sind einige Lasten abgewälzt worden, für die Sie wirklich nichts konnten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Herr Bangemann, die allerletzten Lasten hatten ja Sie am Dreikönigstag zu tragen!)

    — Das sind die normalen Lasten eines Vorsitzenden einer liberalen Partei.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Es gehört zum Liberalismus, daß der Vorsitzende, der auch in einer liberalen Partei ein bißchen Macht ausübt, immer am schärfsten kritisiert wird. Das ist ein Ausweis für Liberalität

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Da haben wir doch Gemeinsamkeiten!)

    in meiner Partei.

    (Beifall bei der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Das gilt selbstverständlich auch von unserem Bundesvorsitzenden.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Im Verhältnis zu ihm befinde ich mich in der angenehmen Situation, daß ich auf der Seite derjenigen stehen kann, die Kritik üben. Ich bedaure nur, daß er uns so wenig Gelegenheit gibt, Kritik an ihm zu üben.

    (Beifall bei der FDP — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    In der Agrarpolitik sollten wir von den Belastungen der Währungspolitik wegkommen. Diese Agrarpolitik muß auch den Grundsatz verwirklichen, daß es einen Ausgleich zwischen Verbrauchern und Produzenten geben muß. Wir müssen von der Überschußproduktion wegkommen, die auch nicht damit gerechtfertigt werden kann, daß man sagt: Überall in der Welt herrscht Mangel, und nun laßt doch wenigstens uns — die Industriestaaten — dafür sorgen, daß wir mit unserer eigenen Produktion diesen Mangel beheben. Das wäre ein völlig falsches Konzept. Dieser Mangel kann dort, wo er entstanden ist, nur dadurch beseitigt werden, daß wir den Menschen, die dort leben, und den Ländern, die mit diesen Problemen zu kämpfen haben, die Möglichkeit geben, diesen Mangel durch ihre eigene Nahrungsmittelproduktion zu beseitigen.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU] : Wobei wir in der langen Phase beides tun müssen!)

    — Sicherlich gibt es Übergangslösungen. Ich meine nur, daß wir nicht zweierlei gleichzeitig machen können. Wir können nicht auf der einen Seite eine Gemeinschaft von Industrieländern sein, deren Lebensstandard und Existenz ganz wesentlich auf dem Export von Industriegütern beruhen, und auf der anderen Seite auch noch ein 120 %iger Selbstversorger in agrarischen Produkten sein. Das ist eine Gleichung, die nicht aufgehen wird. Deswegen müssen wir in Europa weiter an diesem Problem arbeiten.
    Wir müssen auch dafür sorgen, daß die regionalen und strukturellen Unterschiede in Europa weniger scharf werden.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    Dies ist eines der Hauptprobleme des Zusammenwachsens der Europäischen Union. Wir müssen unseren Wählern und den Bürgern in der Bundesrepublik klar und deutlich sagen, daß dieses Zusammenwachsen nicht möglich sein wird, ohne daß wir dafür selber Opfer bringen, ohne daß wir selber unsere Leistungen dafür bringen. Dies muß in unserem Lande verstanden werden, denn dieses Verständnis ist auch ein Zeichen für eine beginnende und wachsende Solidarität in Europa.
    Meine Damen und Herren, Solidarität in Europa im Blick auf die zukünftige Europäische Union bedeutet eben auch Solidarität der finanziell Starken mit denjenigen, die sich unverschuldet in einer Situation befinden, die weniger günstig als die unsrige ist. Solidarität bedeutet Solidarität mit Schottland und Solidarität mit Sizilien, bedeutet allerdings nicht Solidarität mit wirtschaftspolitischem Unsinn.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




    Dr. Bangemann
    Deswegen dürfen wir uns auch nicht scheuen, offen zu kritisieren. Wenn man offene Kritik aussprechen darf, wenn offene Kritik als ein Ausweis von Solidarität auch akzeptiert wird, so ist dies seinerseits ein Zeichen dafür, daß wir uns im Prozeß eines Zusammenwachsens befinden. Kritik kann dann ausgesprochen werden und wird dann akzeptiert, wenn man sich der Basis der gemeinsamen Solidarität sicher weiß. Sie wird nur dann als Einmischung von außen empfunden, wenn man nationalstaatliche Grenzen noch nicht überschritten hat.
    Viertens. Ich glaube, daß eine wichtige Rolle der Europäischen Gemeinschaft heute schon darin besteht, daß wir in einem Gemeinschaftsrahmen mit dem Problem der Dritten Welt leichter fertig werden als im Rahmen der nationalstaatlichen Zuständigkeiten. Das beweist sich jeden Tag in der Entwicklungspolitik. Das, was die Gemeinschaft mit dem Abkommen von Lomé zur Bewältigung des Nord-Süd-Konflikts geleistet hat, hätte von keinem nationalen Mitgliedsland geleistet werden können. Das, was man bei den Entwicklungsländern an Bereitschaft vorfindet, sich in sachlichen Fragen gegenüber der Gemeinschaft zu öffnen, findet man nicht im Verhältnis der Entwicklungsländer zu den klassischen Nationalstaaten, was natürlich auch eine Reihe von geschichtlichen Gründen hat.
    Das Beispiel, das mit dem Abkommen von Lomé gegeben worden ist, was die Prinzipien der NordSüd-Politik angeht, ist ebenfalls wegweisend. Wir sind auf die Schwierigkeiten der Entwicklungsländer eingegangen, ohne die eigenen Prinzipien wirtschaftlichen Handelns, die wir für richtig halten, aufzugeben, ohne also in eine zentralistische Planwirtschaft zu geraten, die, wenn sie global ausgeübt würde, dieselben Fehler hätte wie jede zentrale Planwirtschaft, die aber viel katastrophalere Auswirkungen hätte, weil sie in der ganzen Welt Geltung hätte. Dies den Entwicklungsländern klarzumachen, ohne in den Fehler zu verfallen, uns als diejenigen zu empfinden, die dem Kapitän eines im Sturm befindlichen Schiffes vom sicheren Port aus gutgemeinte Ratschläge geben, ist die eigentliche Aufgabe der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft. Ich glaube, daß die Gemeinschaft hier sehr viel, mehr als jedes einzelne Land wird leisten können.
    Bevor ich zu dem Weg und zu der Frage der Instrumente, die angewandt werden sollten, einiges sage, möchte ich noch auf einen letzten Punkt zu sprechen kommen. Ich glaube, daß die Gemeinschaft sehr viel politischer werden muß, daß sie sich von der Zurückhaltung freimachen muß, es handle sich bei ihr um ein Gebilde, das in erster Linie für bestimmte Sachbereiche — für Wirtschaftspolitik, für Agrarpolitik oder für anderes — zuständig ist. Meine Damen und Herren, diese Gemeinschaft wird von außen ja sehr viel stärker als politisch handelnde Einheit angesehen, als wir selber bereit sind, es zuzugestehen und danach zu handeln. Deswegen glaube ich auch, daß die Mittelmeerpolitik der Gemeinschaft sehr viel stärker die politischen Komponenten aufnehmen muß, die im Mittelmeerraum vorgefunden werden, und zwar auch dann, wenn jene politischen Elemente kontrovers zu der Haltung der Gemeinschaft sind. Im Dialog mit arabischen Ländern kann man z. B. nicht nur über Wirtschaft, über joint enterprises oder irgend so etwas sprechen, sondern in diesen Dialog muß der Nahost-Konflikt einbezogen werden. Wir müssen unsere politische Kraft als Gemeinschaft politisch einsetzen, um zur Lösung dieser Konflikte beizutragen. Diese Aufgabe erfordert zunächst, die Scheu loszuwerden, die Europäische Gemeinschaft und ihre Kraft so einzusetzen, wie sie heute von anderen gesehen wird.
    Lassen Sie mich in einer letzten Bemerkung etwas zu der Frage sagen, wie man angesichts der vor uns stehenden Direktwahl zu dieser Europäischen Union kommen kann, wie die Instrumente aussehen und welche Wege man beschreiten muß. Es wäre völlig falsch, wenn wir uns in eine Auseinandersetzung über Modelle einlassen würden, die wir vorfinden und die weitgehend theoretischen Charakter haben. Ich halte zum Beispiel nichts von einer Diskussion darüber, ob die Europäische Union ein Bundesstaat oder ein Staatenbund sein soll und welche Elemente dieser Strukturen man akzeptieren kann. Denn diese Diskussion führt uns in eine große theoretische Auseinandersetzung, die dann politisch aufgebauscht wird und bei der jedermann fixierte Positionen bezieht.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Aber zwischen Bundesstaat und Staatenbund ist ein fundamentaler Unterschied!)

    — Wir sind uns ja über den Charakter dieser Europäischen Union einig. Es geht jetzt nur um den Weg dahin. Daß die Europäische Union, Herr Marx, eine politische Einheit sein soll, die in ihrer politischen Kompetenz und in ihrer institutionellen Struktur nicht nur eine Addition von nationalstaatlichen Kompetenzen sein darf, darüber sind wir uns ja einig. Es geht nur um die Instrumente dazu.
    Diese Diskussion halte ich also nicht für richtig. Ich bin der Meinung, man sollte die bestehenden Institutionen weiterentwickeln und von dem vorhandenen institutionellen Instrumentarium ausgehen, allerdings mit klaren Prioritäten, zum Beispiel mit der klaren Priorität der Stärkung der parlamentarischen Rechte in der Europäischen Union.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Jawohl; sehr gut!)

    Denn es kann ja nicht ein Ziel eines Demokraten in Europa sein, ein Gebilde zu schaffen, das von Bürokratie und Regierungsbürokratie beherrscht wird und in dem der Bürger nichts zu sagen hat. Das ist für mich und für meine Fraktion ein Grund, warum wir so sehr begrüßen, daß wir im Vorfeld des ersten europäischen Wahlkampfes stehen. Wir Liberalen sind auch ein bißchen stolz darauf, daß wir es als erste geschafft haben — wir freuen uns, daß die Christdemokraten und auch die Sozialisten auf diesem Weg ebenfalls vorangekommen sind —, eine europäische Föderation zu bilden, die in der klaren Absicht daran arbeitet, diesen Wahlkampf mit einem gemeinsamen Programm zu bestreiten. Es wird nicht so sein, daß wir ein FDP-Programm in der Bundesrepublik vertreten und die dänischen Liberalen ein dänisches Programm in Dänemark und die italienischen Liberalen ein italienisches Programm in Italien usw., sondern wir werden mit



    Dr. Bangemann
    einem gemeinsamen liberalen Programm von Schottland bis Sizilien einen gemeinsamen Wahlkampf bestreiten.

    (Beifall bei der FDP)

    Entsprechendes wünsche ich allen Parteien in Europa, weil in dieser Gemeinsamkeit und auch in der Auseinandersetzung, in die wir dann geraten, zum Ausdruck kommt, daß dieses Europa eine Wirklichkeit ist, die wir heute schon vorfinden und die wir nur noch entdecken müssen.
    Geben wir doch endlich den Pessimismus auf, der so viele Menschen beherrscht, wenn sie von Europa sprechen! Werden wir Realisten und erkennen wir die Wirklichkeit, die Europa heute schon bedeutet! Damit garantieren wir am besten seine Zukunft.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)