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ID0800701400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Inhalt: Begrüßung von Mitgliedern der türkischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates . . . . . . 152 D Nachricht vom Tode des früheren Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm 201 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen im Ältestenrat — Drucksache 8/32 — . . . . . . . . 127 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 127 B Dr. Ehmke SPD 133 B Dr. Bangemann FDP 140 C Genscher, Bundesminister AA 145 A Dr. Marx CDU/CSU 149 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 159 D Hoppe FDP 167 D Graf Stauffenberg CDU/CSU 171 C Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . 176 A Dr. Kohl CDU/CSU 186 C Leber, Bundesminister BMVg 191 B Dr. Wörner CDU/CSU . . . . 195 D, 197 A Spitzmüller FDP 196 D Möllemann FDP 197 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 201 D Pawelczyk SPD 206 D Jung FDP 212 B Lorenz CDU/CSU 214 D Mattick SPD 218 C Dr. Czaja CDU/CSU 221 B Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . 225 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 8/35 — . . . . . . . . 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 8/36 — 166 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Parlament — Drucksache 8/47 — 166 D II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats — Drucksache 8/48 — 167 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 8/49 — 167 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 141 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung — Drucksache 8/10 — 167 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Mai 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 8/11 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit — Drucksache 8/12 — 167 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit (Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit) — Drucksache 8/13 — 167 C Nächste Sitzung 227 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 229* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 127 7. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. Januar 1977 229* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 20.1. Dr. Aigner * 21. 1. Arendt 21. 1. von Hassel* 19. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) 21. 1. Lücker * 21. 1. Lange * 19. 1. Müller (Mülheim) * 21. t. Richter *** 21. 1. Schulte (Unna) 19. 1. Dr. Schwencke ** 21. 1. Dr. Schwörer * 21. 1. Dr. Staudt 21. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Gern.


Rede von Dr. Alois Mertes
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Ehmke, könnten Sie meiner Anregung folgen, daß Sie Ihrem Fraktionsvorsitzenden vorschlagen, er möge an das Rednerpult des Deutschen Bundestages treten und namens der SPD-Fraktion erklären, daß er die Erklärungen des Verteidigungsministers Leber und die Erklärungen des Außenministers Genscher zur Frage MBFR uneingeschränkt teilt? Dann wäre uns allen im Hohen Hause geholfen; denn ein wichtiger Konsens wäre wiederhergestellt.

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    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Mertes, könnten Sie mir gleich einmal bestätigen, daß wir beide uns jetzt einig sind, daß alle darauf zielen, zu einem Erfolg zu kommen, daß Verhandlungen fortgeführt
    I werden und daß in diesen Verhandlungen kein Vorschlag gemacht wird, der nicht mit allen unseren Verbündeten abgestimmt ist?

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das war keine Antwort! — Dr. Marx [CDU/ CSU] : In den Verhandlungen! Aber was hat denn der Brandt gesagt!)

    — Ich weiß ja, daß Sie einen Gegensatz zu konstruieren versuchen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Der ist doch da, spürbar!)

    — Nein, es ist ganz vergeblich; der ist nicht da. Aber ich werde das Detail dieser Darlegung meinem Kollegen Pawelczyk überlassen, der auf diesen Punkt noch speziell eingehen wird.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Marx [CDU/ CSU])

    Wir hoffen jedenfalls, daß es dem neuen amerikanischen Präsidenten gelingt, SALT II zum Abschluß zu bringen, und sich daran eine neue, eine politische MBFR-Runde anschließen kann. Die Weltwirtschaftskrise, die unsere übrigen Probleme alle so unendlich erschwert hat, hat vielleicht auch das eine gute, daß nämlich bei Erfüllung der sonstigen dringenden Aufgaben auch im Osten nicht mehr soviel Geld für Rüstung da ist.
    Fortschritte beiden MBFR-Verhandlungen könnten zugleich Gewicht haben für den Fortgang der Entspannungspolitik, insbesondere für die KSZE-Zwischenkonferenz. Es hat seine Bedeutung, daß diese Konferenz in Belgrad stattfindet. Sind doch die Selbständigkeit und die Unabhängigkeit des blockfreien jugoslawischen Staates — um Präsident Giscard d'Estaing zu zitieren — ein vitales Element des Gleichgewichts und der Entspannung in Europa. Es wird in Belgrad darum gehen, eine nüchterne Bestandsaufnahme nicht nur dessen zu machen, was seit Helsinki geschehen ist, sondern auch dessen, was nicht geschehen ist.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Es wird weiter darum gehen, praktische Schritte zur Verwirklichung des in Helsinki Beschlossenen zu diskutieren, nicht etwa nur noch einmal das, was in Helsinki schon beschlossen worden ist, zu wiederholen. Ich nenne beispielsweise als zwei wichtige Punkte zunächst die Frage der Familienzusammenführung, in der Fortschritte gemacht worden sind, aber in der es immer noch, wie jeder Abgeordnete aus seinem eigenen Wahlkreis weiß, unendliches menschliches Elend gibt, während auf der anderen Seite diese Frage doch nicht grundsätzliche Interessen der betroffenen Staaten berührt. Wer hat denn etwas davon, daß Eheleute, daß Eltern und Kinder oder Verlobte nicht zusammenkommen?

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU] : So sollte man meinen!)

    Ich nenne aber auch die Frage der Pressearbeit, in der wir in den hinter uns liegenden Wochen so viele Enttäuschungen erlebt haben. Wir wissen selbst, daß Pressearbeit manchmal für Regierungen sehr unbequem sein kann. Aber sie ist eine Voraussetzung dafür, daß die Information ausgetauscht und verbreitet wird, die Voraussetzung für eine bessere Verständigung zwischen Ost und West ist.
    Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, waren seinerzeit gegen Helsinki, wobei Sie sich übrigens nicht in der besten Gesellschaft befanden. Heute drängen Sie mit Ungeduld auf die Verwirklichung der Beschlüsse von Helsinki. Dabei muß aber doch jedem klar sein, daß in Helsinki hohe Maßstäbe aufgestellt worden sind, die nur mit großer Geduld zu verwirklichen sein werden. Die Beschlüsse von Helsinki sind zwei Jahre alt. Die EWG-Verträge sind 20 Jahre alt, und selbst mit diesen Verträgen sind wir noch nicht einmal durch. Helsinki ist kein juristischer Titel, aus dem wir zwangsvollstrecken können. Helsinki ist der Anfang eines schwierigen europäischen politischen Prozesses. Ich freue mich übrigens darüber, daß die amerikanische Kongreßdelegation, die in Sachen KSZE Europa bereist hat, zu einem so positiven Votum in ihrem Bericht gekommen ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Ernst will doch auch niemand von Ihnen hinter das zurück, was wir durch die Ostpolitik, durch die Berlin-Regelung, durch die KSZE an menschlichen Erleichterungen erreicht haben. Ohne die Politik der Entspannung wären auch die sowjetischen Dissidenten heute nicht im Westen, die hier, was ihr gutes Recht ist, die Entspannungspolitik teilweise scharf kritisieren. Diese Politik hat mehr bewirkt,



    Dr. Ehmke
    als hunderttausend Fackelzüge zu bewegen vermöchten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist ja gerade so, daß ein Teil der Probleme, die wir heute haben, gerade daher kommt, daß in so kurzer Zeit so viel bewegt worden ist, was übrigens niemandem von uns Grund zur Schadenfreude gibt.
    Lassen Sie mich dazu zwei Bemerkungen machen. Die erste betrifft die DDR. Wir haben keinen Grund, die Verletzung der in Helsinki bekräftigten Menschenrechte von seiten der DDR durch das sinnlose Schießen an der innerdeutschen Grenze, die Ausweisung von Regimekritikern etc. zu verschweigen. Darüber besteht im Westen Übereinstimmung bis in die Reihen der westeuropäischen Kommunisten hinein, auch über die empörenden Vorgänge in den letzten Wochen in der CSSR. Wir werden für die bessere Respektierung von Menschenrechten noch lange hart und umsichtig arbeiten müssen. Aber, Herr Kollege Kohl und noch mehr Herr Kollege Barzel, wir müssen uns davor hüten, in Rückkehr zu einer Politik des Alles oder Nichts die Menschenrechte zu einer Waffe oder auch nur zu einem Banner in der politischen Auseinandersetzung zu machen. Das könnte nämlich nur auf Kosten der Menschen im anderen Teil Deutschlands und im anderen Teil Europas geschehen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein [CDU/CSU] : Was heißt hier „Banner" ?)

    Zum zweiten besteht meines Erachtens ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Chance, den bisher erreichten Lebensstandard in den osteuropäischen Ländern weiter zu erhöhen und zu sichern, und den Chancen für eine breitere Respektierung von Menschenrechten. Jede Einschränkung oder Gefährdung des erreichten Lebensstandards hat jedenfalls bisher zu einer Zunahme politischer Repressionen geführt. Insofern besteht auch weiterhin, in der Terminologie von Helsinki gesprochen, ein enger Zusammenhang zwischen Korb II und Korb III. Wir müssen in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Osten sicher unsere eigenen Interessen wahren; wir haben nichts zu verschenken. Wir müssen dies aber auf dem Boden der Einsicht tun, daß eine Zusammenarbeit grundsätzlich beiden Seiten nützt, nicht etwa nur dem politischen Gegner, und daß sie im allgemeinen europäischen Interesse liegt.
    Das führt mich zu der allgemeinen Frage von Entspannungspolitik und Status quo. Die Entspannungspolitik dient dem Frieden zwischen den Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen und Ideologien. Sie geht vom territorialen Status quo aus und verzichtet auf Gewalt. Sie schreibt aber keinen ideologischen Status quo fest, etwa in dem Sinne, in dem die heute nicht mehr aktuelle Sonnenfeld-Doktrin verstanden oder auch mißverstanden worden ist, als ob es diesseits der durch Deutschland laufenden Grenze nur stramme Kapitalisten und jenseits nur stramme Kommunisten geben dürfte. Eine solche Vorstellung ist meines Erachtens für alle Europäer, nicht nur für die europäischen Sozialisten, unannehmbar, so unterstützenswert das Bestreben der Großmächte ist, das einmal erreichte Gleichgewicht nicht ins Rutschen kommen zu lassen.
    Die Entspannungspolitik will und kann die ideologische Auseinandersetzung nicht beenden. Sie hat im Westen wie im Osten sogar manche Kräfte freigesetzt, die der Kalte Krieg eingefroren hatte, was wir als Sozialdemokraten nur begrüßen können. Wir wissen aber auch, daß es sich hierbei bestenfalls um einen langwierigen Prozeß handeln kann, der sich um des Friedens willen nur innerhalb des bestehenden Macht-Status-quo abspielen kann. Wir alle sind uns dabei sicher — spätestens seit dem Prager Frühling — schmerzlich der Problematik bewußt, die darin liegt, anderen in Sachen Menschenrechte zur Geduld raten zu müssen, während man selbst in Freiheit lebt.
    Die Entspannungspolitik hat auch in Westeuropa — damit komme ich zu meinem letzten Punkt — neue Kräfte freigesetzt, die auch für die Direktwahlen zum Europäischen Parlament, das durch diese Wahlen politisch gestärkt werden wird, von Bedeutung sein werden. So hat der Abbau des ideologischen Drucks des Kalten Krieges zum Fall der faschistischen Diktaturen in Griechenland, Portugal und Spanien beigetragen. Um politische Ordnung im Westen zu legimitieren, reicht es heute glücklicherweise nicht mehr aus, nur antikommunistisch zu sein. Auf der Iberischen Halbinsel ist der demokratische Sozialismus eine entscheidende Kraft auf dem Weg zur Demokratie. Gleichzeitig hat die Entspannungspolitik in den kommunistischen Parteien Westeuropas eine Entwicklung eingeleitet, die man sehr ungenau mit dem Etikett „Eurokommunismus" versehen hat. Die kommunistische Orthodoxie wirft diesen Parteien vor, sich dem Gedankengut des demokratischen Sozialismus zu öffnen.
    In dieser Situation, meine Damen und Herren von der Opposition, schlägt Ihr Slogan „Freiheit oder Sozialismus" dem demokratischen Europa direkt ins Gesicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Glauben Sie denn, Europa ohne die demokratischen Sozialisten in der Bundesrepublik, in Frankreich, in Portugal, in Spanien, in Italien, in Skandinavien, in Großbritannien, in Osterreich, in den Benelux-Staaten oder in der Schweiz bauen zu können?
    Sie sollten aufmerksam die Kritik von Christdemokraten anderer europäischer Parteien zur Kenntnis nehmen. So hat der Vorsitzende der belgischen Christlichen Volkspartei, Wilfried Maertens, bei dem Herr von Hassel heute offenbar gerade zu Besuch ist, folgendes gesagt:
    Wir sind nicht einverstanden mit bestimmten Elementen der deutschen CDU. In diesem Sinne haben wir ein Problem. Und wir und die Nie, derländer, Luxemburger, Italiener — bald auch die Spanier — stellen so etwas wie den fortschrittlichen Flügel in der europäischen christdemokratischen Bewegung dar, jedenfalls diejenigen unter uns, die sich nicht einer Sammlung all dessen einverleiben lassen wollen, was nicht sozialistisch und was nicht links ist. Wir



    Dr. Ehmke
    glauben, daß wir in Europa eine eigenständige, eine fortschrittliche Politik verfolgen müssen, mit einer anderen Einstellung gegenüber den nationalen Belangen. In diesem Sinne gibt es Meinungsverschiedenheiten gegenüber bestimmten Elementen in der CDU und der CSU von Strauß. Aber wir glauben, daß wir in der Europäischen Union die Mehrheit erlangen können.
    Wir wünschen das den fortschrittlichen Kollegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie, meine Damen und Herren von der Union, verwickelt die Straußsche Kreuzzugsideologie insofern doch ständig in Widersprüche. So messen Sie hinsichtlich einer demokratischen Entwicklung in Spanien — ich habe mit Herrn Kollegen von Hassel darüber gesprochen — einer Zusammenarbeit von Sozialisten und Christdemokraten grundsätzliche Bedeutung bei. Auch wir tun das. Aber was soll denn der reaktionäre Slogan „Freiheit oder Sozialismus"?

    (Beifall bei der SPD)

    Sie rufen danach, daß die italienischen Sozialisten in die christdemokratisch geführte Regierung eintreten, aber doch sicher nicht, um zusammen mit Herrn Andreotti die Freiheit zu beseitigen, sondern um sie zu retten. Das ist nun heute in Italien allerdings keine alleinige Frage prozentualer parlamentarischer Mehrheiten mehr; dazu geht die Krise zu tief.
    Der christdemokratische Ministerpräsident Italiens, den wir gerade zu einem Besuch hier in der Bundesrepublik begrüßen konnten, teilt doch offenbar die Meinung vieler seiner Landsleute, daß, so wie die Lage nun einmal ist, die Krise ohne die Mitarbeit der KPI nicht zu lösen ist. Und nicht wenige in Italien fürchten, daß die Alternative zu einer gemeinsamen Krisenbewältigung eine neue Form von Faschismus sein könnte.
    Damit, Herr Strauß, bin ich nun beim „Eurokommunismus". Zunächst eine Feststellung: Der Kommunismus ist in Westeuropa nur dort stark, wo in diesem Jahrhundert zu lange das innere Prinzip unserer Epoche „größere soziale Gerechtigkeit — mehr Chancengleichheit" mißachtet worden ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Wo es starke Sozialdemokratien gibt, haben wir kein kommunistisches Problem.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU] : Umgekehrt!)

    Im übrigen — das sage ich zu denen von Ihnen, die in früheren Zeiten so oft nach Griechenland, Spanien und Portugal gefahren sind — unterscheiden sich die westeuropäischen Kommunisten nicht nur von ihren kommunistischen Kollegen im Osten, sondern auch von den Faschisten, die so lange Jahre in Griechenland, Portugal und Spanien geherrscht haben, dadurch, daß ihre politische Macht auf dem Ergebnis freier Wahlen beruht.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Gründe, die zu der Bewegung geführt haben, die man Eurokommunismus nennt, habe ich an anderer Stelle eingehend zu analysieren versucht. Ich möchte das heute nicht wiederholen, sondern nur eines dazu sagen: Wir sollten uns nicht über die grundsätzliche Bedeutung dieses Vorgangs täuschen. Schließlich war es die Spaltung der Arbeiterbewegung durch die Bolschewisten, die vor einem halben Jahrhundert das Hochkommen des Faschismus mit ermöglicht hat. Wenn nach Jahrzehnten einer leidenschaftlichen und bitteren Auseinandersetzung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten – in deren Mittelpunkt die menschliche Freiheit stand — der westeuropäische Kommunismus wirklich den Weg zur Demokratie finden sollte, so wäre das ein bedeutender Vorgang. Ich teile allerdings Ihre Auffassung, daß heute keineswegs mit Sicherheit gesagt werden kann, daß sich die kommunistischen Parteien Westeuropas wirklich und endgültig für demokratische Grundrechte und demokratische Spielregeln entscheiden werden. Wir Sozialdemokraten nehmen die Möglichkeit nicht als Gegebenheit, wir sind skeptische und nüchterne Beobachter der Entwicklung. Aber auch Sie, meine Damen und Herren von der Union, dürfen die nüchterne Beobachtung und Beurteilung nicht durch ein Dogma von der Unmöglichkeit eines Wandels verstellen, es sei denn, Ihnen sei eine rechte Mehrheit in Europa auf jeden Fall mehr wert als die Lebensfähigkeit der europäischen Demokratie.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist eine Unterstellung!)

    Mit einer solchen rechten Politik würden Sie dann allerdings ungewollt zugleich der kommunistischen Orthodoxie in die Hände arbeiten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das war unter Niveau!)

    Eines sollten wir uns dabei alle zusammen vornehmen. Wir sollten nicht meinen, daß wir die Probleme der französischen, italienischen, spanischen oder portugiesischen Innenpolitik besser beurteilen könnten als die demokratischen Kräfte in jenen Ländern.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Sagen Sie das einmal dem Herrn Bundeskanzler!)

    — Ich sage es mir vor allen Dingen selbst, Herr Lenz, weil ich mich auch immer selbst in Versuchung finde, anderen Leuten zu raten, was sie machen sollen; aber Sie können dabei auch ruhig zuhören.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] :Das war der beste Satz dieser Rede!)

    Ich bin der Meinung, die europäische Geschichte enthält wenig Anhaltspunkte dafür, daß andere europäische Völker politisch weniger begabt oder erfahren seien als unser eigenes Volk.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Die deutschen Sozialdemokraten haben keinerlei Interesse an einer Stärkung kommunistischer Parteien irgendwo in der Welt; sie haben jedes Interesse an der Stärkung der Kräfte des demokratischen Sozialismus. Weder ideologische Kreuzzüge noch rechte Sammlungsbewegungen können der Demokratie und den Menschen in Europa helfen. Diese



    Dr. Ehmke
    Überzeugung teilen wir mit den fortschrittlichen Kräften im liberalen wie im christdemokratischen Lager Europas; nur wir alle zusammen können Europa bauen.
    Wir halten die Europäer nicht für degeneriert, und wir halten Andersdenkende nicht für „geistige Pygmäen".

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wissen, daß die progressiven Kräfte in Europa, die gerade heute auf neue Unterstützung aus Nordamerika hoffen, mehrheitsfähig sind.
    Wir wissen auch, daß Außen- und Innenpolitik ein unteilbares Ganzes bilden. Ihr Parteifreund Leisler Kiep hat Ihnen zum Zusammenhang von Innen- und Außenpolitik einmal folgendes gesagt:
    Wer die Außenpolitik der Regierung insgesamt als eine Politik in Richtung sozialistische Volksfrontpolitik ansieht, der wird auch auf gesellschaftspolitischem Gebiet die totale Konfrontation suchen.
    Das ist das, was wir gerade erleben. Ich zitiere weiter Herrn Kiep:
    Die Union kann nicht die Gesellschaftspolitik von morgen mit der Außenpolitik von gestern koppeln. Deshalb gehört zur Neubesinnung auch eine Neubesinnung in außenpolitischen Fragen.

    (Beifall bei der SPD)

    — Ich finde es traurig, daß bei diesem Zitat nur meine Kollegen von der SPD klatschen. Diese Äußerung stammt aus dem Jahre 1973. Da Sie dem Ratschlag von Herrn Kiep nicht gefolgt sind, haben Sie heute weder eine Außen- noch eine Innenpolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    In unserer Sicht machen die Ihnen von Herrn Strauß oktroyierten rechten Klischees Sie unfähig,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Jetzt reden Sie ganz in Ihrem eigenen Klischee! Da kommen Sie gar nicht raus!)

    Ihre Aufgabe als Opposition zu erfüllen und damit auf Ihrem Platz die Interessen unseres Staates und unseres Volkes wahrzunehmen. Meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich habe darum an Sie eine Bitte — auch an Sie, Herr Kohl —, in der Sie auch ruhig ein Stück Abbitte für manches sehen dürfen, was sicher auch wir in den vergangenen Jahren — ich bin mir darüber völlig klar — Ihnen gegenüber falsch gemacht haben. Fehler hat es nicht nur auf einer Seite gegeben. Meine Bitte lautet: Bitte, befreien Sie sich von diesen Klischees, folgen Sie Herrn Strauß nicht noch weiter nach rechts, bleiben Sie bitte Christdemokraten!

    (Beifall bei der SPD — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU — Heiterkeit bei der SPD und der FDP)