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ID0724306400

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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 243. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Mai 1976 Inhalt: Regelung für die Fragestunde der nächsten Woche 17185 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 17185 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 (Haushaltsgesetz 1976) — Drucksachen 7/4100, 7/4629 — Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/5041 — Grobecker SPD 17185 D Katzer CDU/CSU 17187 C Arendt, Bundesminister BMA 17194 B Franke (Osnabrück) CDU/CSU 17202 B Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . 17204 A Krampe CDU/CSU 17209 A Glombig SPD 17211 C Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 7/5045 - Carstens (Emstek) CDU/CSU 17215 C Dr. Sperling SPD 17217 B, 17242 A Frau Lüdemann FDP . . . . . . . . 17223 D Frau Dr. Focke, Bundesminister BMJFG . . 17226 C Frau Dr. Wex CDU/CSU 17233 A Frau Eilers (Bielefeld) SPD 17236 D Frau Stommel CDU/CSU 17239 D Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 17241 D Haushaltsgesetz 1976 — Drucksachen 7/5058, 7/5104 —Leicht CDU/CSU 17243 A Namentliche Abstimmung 17244 A Behrendt SPD (Erklärung nach § 36 GO) . 17243 B Nächste Sitzung 17245 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17247* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 243. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1976 17185 243. Sitzung Bonn, den 14. Mai 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 241. Sitzung, Seite 16969 C, Zeile 6, ist statt „Freizeit" zu lesen: „Freiheit". Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode 243. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1976 17247* Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 14. 5. Dr. Achenbach * 14. 5. Adams * 14. 5. Dr. Aigner * 14. 5. Dr. Artzinger * 14. 5. Dr. Bangemann * 14. 5. Dr. Bayerl * 14. 5. Behrendt * 14. 5. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld * 14. 5. Prof. Dr. Burgbacher * 14. 5. Dr. Corterier * 14. 5. Entrup 14. 5. Fellermaier * 14. 5. Flämig * 14. 5. Frehsee * 14. 5. Dr. Früh * 14.5. Gerlach (Emsland) * 14. 5. Gewandt 14. 5. Dr. Gradl 14. 5. Dr. Hauser (Sasbach) 14. 5. Härzschel * 14. 5. Hussing 21.5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 5. Dr. Kempfler 14. 5. Dr. Klepsch * 14. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Krall * 14. 5. von Kühlmann-Stumm 14. 5. Lampersbach 14.5. Lange * 14. 5. Lautenschlager * 14. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 14. 5. Lücker * 14. 5. Memmel * 14. 5. Mick 14. 5. Milz 14. 5. Müller (Mülheim) * 14. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 5. Dr. Narjes 14. 5. Niegel 14. 5. Rosenthal 14. 5. Roser 21.5. Sauter (Epfendorf) 14. 5. Seibert 21.5. Schmidt (München) * 14. 5. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 5. Schwabe * 14. 5. Dr. Schwörer * 14.5. Seefeld * 14. 5. Springorum * 14. 5. Dr. Starke (Franken) * 14. 5. Strauß 14. 5. Suck * 14. 5. de Terra 14. 5. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 5. Walkhoff * 14. 5. Walther 14. 5. Frau Dr. Walz * 14. 5. Dr. Warnke 14. 5. Dr. von Weizsäcker 14. 5. Wende 21. 5. Zeyer 14. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Manfred Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Recht schönen Dank, Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie argumentieren, Familienpolitik sei nicht nur ökonomisch und nicht nur aus der Sicht des Einzelplans 15 zu sehen, dann haben Sie zwar recht. Aber das trübe Bild, das Ihre Familienpolitik abgibt, können Sie dadurch nicht aufhellen. Ganz im Gegenteil! Vor allen wichtigen Fragen sind Sie ausgewichen. Ihre sogenannte Bilanz vom April 1976 ist in Wirklichkeit eine Bilanz Ihrer Unterlassungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ihre Beschlüsse etwa zur sogenannten Reform des § 218 StGB und zum Ehe- und Familienrecht können wohl schwerlich als politische Entscheidungen für die Familie angesehen werden. Und was die ökonomische Seite angeht, so kann man nicht gerade sagen, daß die Inflationspolitik, die Sie jahrelang betrieben haben, familienfreundlichen Charakter hatte. Hinzu kommt, daß von Ihnen ein Einfrieren der finanziellen Mittel, zum Beispiel des Kindergelds, des Wohngelds und der Mittel für den sozialen Wohnungsbau — sofern man ihn noch so bezeichnen kann — auf Jahre vorgesehen ist und somit ein ständiges Absinken der realen Familienförderung zu verzeichnen sein wird. Immer mehr Familien rutschen leider mit ihrem Einkommen unter die Sozialhilfeschwelle.
    Und was Sie von der SPD in Ihrer Wahlplattform zur Familienpolitik sagen, ist auch nicht gerade umwerfend. Das trifft übrigens auch für die Gesundheitspolitik zu, wo Sie sich mühsam angestrengt haben, fünf kleine Pünktchen zusammenzutragen; es sind zum Teil Auflistungen aus vergangenen Bundestagsperioden.
    Sehen wir uns nun Ihren Etat etwas näher an. 89 bis 900/0 entfallen auf das Kindergeld, 7 °/o auf das Krankenhausfinanzierungsgesetz, 2 bis 3 °/o auf internationale und gesetzliche Verpflichtungen, Personalkosten und sonstige faktisch gebundene Ausgaben an Zuwendungsempfänger.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wieviel auf Propaganda?)

    Zu sagen, Sie hätten 1 °/o des Etats zu Ihrer freien Verfügung, scheint mir geprahlt zu sein.
    Aber was folgern Sie, Frau Ministerin, aus dieser Tatsache? Obwohl nicht einmal ein freier Finanzierungsraum von 1 °/o vorhanden ist, sahen Sie sich, Frau Focke, in der Lage — Herr Kollege Schröder, Sie machten mich darauf aufmerksam —, die Ansätze für Öffentlichkeitsarbeit im weiteren Sinn großzügig auf etwa 20 Millionen DM zu erhöhen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Unbedingt förderungswürdige Vereine und Verbände hingegen mußten erheblich Federn lassen. Auch hierbei scheute die Frau Ministerin davor zurück, Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen. Völlig einfallslos wurden die Zuwendungsempfänger mit mindestens 3,3 °/o über einen Kamm geschoren. Die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit aber wurden erhöht, und dies wurde mit sachlicher Notwendigkeit begründet.
    Es mutet komisch an, wenn bei der Titelgruppe „Maßnahmen für die ältere Generation" für 1976 und nur für 1976

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    eine Aufstockung um 1,5 Millionen DM vorgenommen wird und innerhalb dieser Titelgruppe der Ansatz für Herstellung, Ankauf und Verbreitung von Material um fast 25 °/o ansteigt.

    (Zuruf von der SPD: Fragen Sie mal Herrn von Eckhardt, was er gemacht hat!)

    — Wieviel werden wir davon wohl, Herr Kollege Zwischenrufer, im Laufe des Wahlkampfes, so in den Monaten August, September, wiedersehen?
    Ähnlich ging es mir, als ich mir die Einzelheiten zu der Fernsehserie „Elternführerscheine" ansah; im bürgerlichen Sprachgebrauch ist das die sogenannte Sesamstraße für Erwachsene. Kostenpunkt: 200 000 DM. Es wird doch wohl kein Zufall sein, daß Fragebogen-Timing, Auswertung und Verleihung der Führerscheine terminlich direkten Bezug zur Bundestagswahl haben.
    Oder wie steht es mit dem Thema gesundheitliche Aufklärung? Das ist ein interessanter Titel. Auch hier wurde der Mittelansatz für 1976 — und nur für 1976 — um 4 Millionen DM aufgestockt, und das wurde mit sachlicher Notwendigkeit begründet.

    (Zuruf von der SPD: Wollen Sie das bestreiten?)

    — Gesundheitliche Aufklärung ist sicher überaus wichtig. Aber sollte diese Erhöhung denn nur im Jahre 1976 nötig sein? Sind das alles nur Zufälle, gerade im Jahr 1976?
    Ich meine, wir sollten doch so ehrlich sein und einen gewissen Grund, eine gewisse Absicht seitens des Hauses dahinter sehen, daß diese Mittel nur im Jahre 1976 erhöht werden. Frau Ministerin Focke, wir werden die Aktionen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in diesem Jahr genauestens unter die Lupe nehmen. Vorsorglich bitten wir den Bundesrechnungshof, sich ebenfalls darum zu kümmern, ob die Ausgaben für Filme, Broschüren usw. wirklich sachlichen Notwendigkeiten entsprechen.
    Wenn ich den Begriff „sachlich notwendig" höre, dann frage ich mich, wie das im Zusammenhang mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung überhaupt der Fall sein kann, ist doch die Stelle des Leitenden Direktors schon seit 1975 nicht besetzt. Frau Focke, Sie erhöhen die Mittel erheblich, begründen das mit sachlichen Notwendigkeiten und wissen noch nicht einmal, wer die Leitung des Hauses übernimmt. Es ist bezeichnend, daß der von Ihnen von den Bewerbern gewählte, als sehr linkslastig angesehene Kandidat vom Bundespersonalausschuß nicht für fachlich qualifiziert gehalten wurde, eine B 3-Stelle auszufüllen.

    (Egert [SPD]: Es ist ja einfach nicht wahr, was Sie sagen! Absoluter Quatsch!)

    Wie paßt das eigentlich zusammen? Sie scheinen also auch bei Personalentscheidungen offensichtlich keine glückliche Hand zu haben, wie das ja schon die



    Carstens (Emstek)

    Berufung des Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes, Professor Fülgraff, gezeigt hat, zu dem Herr Professor Carstens bereits am ersten Tag der Haushaltsdebatte Ausführungen gemacht hat. Dieser Präsident ist in Ihrer Amtszeit, unter Ihrer Verantwortung, Frau Focke, in sein Amt gekommen.
    Als letztes noch einige Sätze zu einem Thema, das uns kostenmäßig sicherlich noch lange Zeit beschäftigen wird. Ich sage Ihnen das als Mitglied des Haushaltsausschusses und nicht als Gesundheitsexperte. Mir geht es — und da habe ich ernste Sorgen — um den Bereich des Gesundheitswesens, speziell aber um den Krankenhausbereich. Dazu haben wir den Bericht des Ministeriums vorliegen. Er enthält aber keine konkreten Vorschläge, sondern listet Zahlen über die Krankenhausverweildauer, über die Bettenzahl auf und macht eine Prognose des Bettensollbestandes. Das hilft uns nicht weiter. Hier müssen konkrete Vorschläge gemacht werden.
    Herr Minister Friderichs hat das Thema gestern auch angesprochen und weise über die Länder geredet, hat dann aber das Rednerpult verlassen und hat sich aus der Affäre gezogen, ohne dazu Aussagen zu machen.
    Ich will Ihnen dazu eines sagen: Das Hauptübel der Kostensteigerungen liegt darin begründet, daß es keinen Anreiz und auch keine Motivation zum wirtschaftlichen Handeln gibt. Der Gewinn- und Verlustausgleich — auch der Verlustausgleich — ist in vollem Umfang, bis auf den letzten Pfennig, gesichert. Das gilt auch für die Selbstkostendeckung. Alle sogenannten notwendigen Kosten werden im Pflegesatz untergebracht. Es kommt also nicht so sehr auf wirtschaftliches Handeln an, sondern lediglich darauf, daß die Notwendigkeit der angefallenen Kosten nachgewiesen wird. Das muß zwangsläufig dazu führen, daß eine besondere Geschicklichkeit entwickelt wird, die Notwendigkeit der Kosten nachzuweisen. Das Ziel müßte sein, wirtschaftliches Handeln zu bewirken. Dafür gibt es aber keinen Anreiz, keine Motivation. Selbst Krankenhäusern in freier Trägerschaft wurde zusätzlich noch diese Motivation zum wirtschaftlichen Handeln weitgehend genommen. Alles ist geregelt, alles scheinbar gut kontrolliert, alles muß genehmigt werden. Aber nichts, auch gar nichts, reizt zum wirtschaftlichen Handeln an. Diesen Punkt, meine Damen und Herren, sollten wir uns als Parlament vornehmen. Es ist ein wesentliches Thema. Die Regierung ist offensichtlich nicht in der Lage oder nicht bereit, dazu konkrete Vorschläge zu machen. Wir sollten diesen Punkt angehen, sobald wir die Möglichkeit dazu haben.
    Meine Damen und Herren, insgesamt entwickelt der Einzelplan falsche Vorstellungen zur Familie, zur Jugend, zur Gesundheit. Aus diesem Grunde werden wir von der CDU/CSU den Einzelplan 15 ablehnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Sperling.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dietrich Sperling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Carstens, der Versuch, hier als Berichterstatter zu sprechen, ist mißlungen. Es hätte wohl für Sie die Reise Ihres Namensvetters nach Angola bedeutet, wenn man von Ihnen erwartet hätte, Ihre Debattenredner-Rede in eine Berichterstatter-Rede umzuändern. Daß Ihnen dies nicht gelungen ist, tut mir leid. Sie haben sich hier auf diese Art und Weise das Erstgeburtsrecht erschlichen. Es steht Ihnen eigentlich nicht zu.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Ich weiß nicht, wie Sie dazu kommen!)

    Normalerweise würden wir erwarten, daß Ihr Namensvetter Carstens (Fehmarn) das macht und nicht Sie.
    Ich möchte zu den Zahlen des Haushalts kommen. Die große Ziffer, die im Einzelplan 15 — Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit — steht, lautet auf 12,7 Milliarden DM. Diese 12,7 Milliarden DM sind das Kindergeld. Wenn man sich diese Zahlen im Rahmen der Diskussion, die wir hier geführt haben, genauer anschaut, dann ist das ein gutes Prozent des Bruttosozialprodukts und damit auch ein gutes Prozent Staatsquote. Alle diejenigen, die hier gegen die Höhe der Staatsquote zu Felde gezogen sind, sollten sich diesen Sachverhalt einmal überlegen: fast 8 % des Bundeshaushalts und 1 % Staatsquote. Vielleicht gelingt es Herrn Schröder (Lüneburg), Herrn Carstens (Emstek) oder auch dem Kollegen Blüm, der aber jetzt nicht da ist, es denjenigen in der Fraktion der „U"-Parteien klarzumachen, was es mit Staatsquote und Kindergeld auf sich hat, die dort eine Philosophie gegen die Staatsquote anwenden wollen und nicht merken, wie wenig Wirklichkeitsgehalt diese Philosophie hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und dies gilt bis zu dem Punkt, an dem hier mancher dargelegt hat, daß von den zusätzlich verdienten Mark-Stücken oder Hundert-Mark-Scheinen nur noch wenig in den Händen und Taschen der Bürger bleibe. Wesentliches von dem, was abgegeben wird, fließt zurück über die Staatsquote. Die zusätzlich verdienten Mark-Stücke oder Hundert-Mark-Scheinen kehren zum Teil, zu einem erheblichen Teil über Wohngeld, über Kindergeld und eine Vielzahl von anderen Leistungen zurück, die niemand missen möchte.
    Diese von meinem Kollegen von Bülow genannten Transferleistungen sind Ausdruck — und hier ist das zweite philosophische Problem, das Sie, wenn Sie es aufrühren, in diesem Zusammenhang behandeln müssen — von Solidarität, Solidarität der Starken mit den Schwachen. Dies ist wohl auch die Solidarität, die Sie eigentlich meinen, wenn es darum geht. Nur dann, bitte schön, führen Sie es durch und machen Sie keine allgemeine Philosophie darüber!
    Sie haben ja, wenn man Ihr Wahlprogramm liest, zu diesem Zweck auch ab und zu einmal vernünftige Sätze geschrieben. Es gibt einen Satz, der drückt die Philosophie der Mehrheitsparteien dieses Hauses und der Regierung präzise in Ihrem Programm aus. Ich mache Ihnen sogar das Lob: Den haben Sie in der Formulierung nicht bei uns abgeschrieben wie



    Dr. Sperling
    die anderen Grundwerte, sondern dies ist nach meinem Eindruck in der Tat einmal eine gelungene Wortschöpfung der Arbeitsgruppe Semantik. Der Satz in Ihrem Programm, der haargenau — haargenau! — die Philosophie dieser Regierung und ihrer Mehrheit in diesem Hause ausdrückt, heißt: Der Rechtsstaat ermöglicht und der Sozialstaat verwirklicht die Freiheit. Genau dies glauben wir. Wenn Sie das genauso meinen, dann geben Sie bitte all die billige Polemik auf.
    „Der Sozialstaat verwirklicht die Freiheit" ; dies gilt auch, wenn der Sozialstaat in der Staatsquote gewisse Anstiegsziffern zu verzeichnen hat. Nun wollen wir einmal durchgehen, wie das beim Kindergeld aussieht. Herr von Weizsäcker sollte das wenigstens erfahren. Das Kindergeld betrug noch für den Haushalt 1973 oder 1974 — vor der Umstellung durch die Steuerreform — knapp ein Drittel der heutigen Summe. Heute beträgt die Summe 12,7 Milliarden DM; damals waren es gut 3,5 Milliarden DM. Das macht ein knappes drittel Prozent der Staatsquote aus, wenn man es auf das heutige Bruttosozialprodukt umrechnet.

    (Burger [CDU/CSU] : Die Freibeträge müssen Sie auch rechnen!)

    Ein zweites Drittel, sogar ein etwas größeres Drittel, stand in den Steuerfreibeträgen. Ein drittes Drittel dieses Prozents ist durch die Neuregelung hinzugekommen. Das zweite, etwas größere Drittel, das früher mit den Steuerfreibeträgen gewährt wurde, Herr Burger, war ein unsolidarisches Drittel, denn bei diesem System hatten diejenigen, die viele Kinder und wenig Einkommen hatten, gar nichts davon. Das haben wir geändert, mit Ihrer Zustimmung.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Diese Überlegungen sind aber nie von Ihnen gekommen. Was aber von Ihnen kommt, das ist der philosophisch-polemische Angriff. Setzen Sie sich einmal mit den Einzelheiten der Staatsquote auseinander, und Ihre ganze Philosophie bricht zusammen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — KrollSchlüter [CDU/CSU] : Sie haben sie nicht verstanden!)

    Dies gilt auch für das kleinere Bröckchen im Haushalt dieses Ministeriums, wenn der große Brocken das Kindergeld ist. Das kleinere Bröckchen betrifft die Krankenhausfinanzierung in Höhe von 1 Milliarde DM. Das ist ein knappes zehntel Prozent der Staatsquote. Gegen diese 1 Milliarde DM Krankenhausfinanzierung läßt sich nichts sagen. Wozu sich aber etwas sagen läßt, ist, ob diese Milliarde genutzt wird, um kostengünstige Zukunftsgestaltung im Gesundheitsvorsorgebereich zu erreichen. Hier muß man sagen: Dies geht nur über die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Da ist nicht die Bundesregierung allein dran, sondern auch die Länder, die Selbstverwaltungskörperschaften, die Verbände der Ärzte — auch ihre Kammern —, die Apotheker.
    Wenn man sich wie Herr Carstens (Emstek) mit dem Problem ein bißchen auseinandersetzen will, sollte man hinzufügen, Herr Kollege, daß, die Kostengünstigkeit im Gesundheitswesen herbeizuführen, sicher etwas mit der Motivation zur Wirtschaftlichkeit zu tun hat, daß dies aber nur gelingt, wenn man das Problembewußtsein aller Beteiligten fördert, nutzt und es in eigenes Verhalten umschlüsselt.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Da gebe ich Ihnen völlig recht!)

    Ich will dies an einem ganz kleinen Beispiel darlegen. Gehen Sie einmal in eine Apotheke und lassen Sie sich Arzneimittel vorlegen, die gegen eine beliebige Krankheit wirksam sein sollen. Da finden Sie immer mehrere und darunter mehrere, die eine identische Zusammensetzung haben. Wenn Sie auf das Preisschild schauen, finden Sie heraus, daß Sie bei zwei Arzneimitteln von unterschiedlichen Herstellern, aber bei gleicher Mengenabpackung und bei gleichem Inhalt für eine 50er Packung einmal 40,00 DM, das andere Mal 70,00 DM bezahlen müssen.
    Nun kommt das Problem. Ich hielte es für falsch, wenn den Ärzten ein Ukas ins Haus flatterte, in dem stünde: Ihr dürft nur noch das Arzneimittel X von der Firma Meier verwenden und verschreiben. — Das, was auf dem Rezept steht, bestimmt, was nachher verkauft wird. Es geht nicht, daß man den Ärzten einen Ukas ins Haus schickt. Aber die Ärzte müssen in der Tat preisbewußt werden, sie müssen wissen, was das Präperat kostet, das sie verschreiben. Sie müssen wissen, daß es einen Preiswettbewerb gibt. Ich wünschte es dem Deutschen Ärztetag, daß er etwas für das Preisbewußtsein der deutschen Ärzte und den Wettbewerb auf dem Arzneimittelmarkt tut; denn dieser funktioniert nur, wenn die Ärzte dabei mithelfen. Ohne deren Problembewußtsein geht es nicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/ CSU] : Nehmen Sie doch zur Kenntnis, daß das geschehen ist!)

    Ein zweites Beispiel. Die Kosten im Gesundheitswesen hängen von der Zusammenarbeit der daran Beteiligten ab. Die Schnittstellen, die wir heute haben, müßten zu Bandbreiten der Überschneidungen verändert werden. Es darf keine Schnittstelle der scharfen Trennung geben.
    Es gibt Kreise in der Bundesrepublik, in denen alle Facharztspezialisierung noch nicht dazu geführt hat, daß sie über einen Kinderarzt in ambulanter Praxis verfügen. Deswegen wird in solchen Kreisen die Behandlung von kranken Kindern auch im Krankenhaus vorgenommen; denn die Praxis des Kinderarztes ist im Krankenhaus, es sind dieselben Ärzte. Dort ist die Verweildauer um zehn Tage niedriger als im Durchschnitt des Bundesgebietes. Durchschnittsverweildauer eines kranken Kindes im Bundesgebiet ist knapp 17 Tage. In den Kreisen, in denen der Kinderarzt fehlt, kommt man, wenn das Krankenhaus gut funktioniert und die Ärzte kostenbewußt sind, mit 7 Tagen aus, weil das entlassene Kind von denselben Ärzten mit der entsprechenden psychologischen Einfühlung, die es vorher erlebt hat, weiterbehandelt wird. Dies ist eine Überlappung, für die wir mehr sorgen müssen. Dies



    Dr. Sperling
    geht aber nur bei gegenseitigem Verständnis von Krankenhäusern und Ärzten. Solange sie wie Katz und Maus gegeneinander stehen, wird dies nicht gelingen. Dennoch ist dies die Richtung, in die wir gehen müssen. Die Situation, die wir vorfinden, ist, daß manche Gruppen beinahe mit Fluglotsenmentalität eigentlich nur ihr Einkommen und nicht die Kostengünstigkeit des Gesundheitswesens im Auge haben, und andere — —

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Herr Sperling, wen meinen Sie da? Sagen Sie es doch!)

    Ich meine einige der Funktionärskader, gegen die auch Sie immer so viel haben, die Bürokratie der Ärzteverbände.

    (Beifall bei der SPD)