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ID0724304500

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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 243. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Mai 1976 Inhalt: Regelung für die Fragestunde der nächsten Woche 17185 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 17185 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 (Haushaltsgesetz 1976) — Drucksachen 7/4100, 7/4629 — Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 7/5041 — Grobecker SPD 17185 D Katzer CDU/CSU 17187 C Arendt, Bundesminister BMA 17194 B Franke (Osnabrück) CDU/CSU 17202 B Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . 17204 A Krampe CDU/CSU 17209 A Glombig SPD 17211 C Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 7/5045 - Carstens (Emstek) CDU/CSU 17215 C Dr. Sperling SPD 17217 B, 17242 A Frau Lüdemann FDP . . . . . . . . 17223 D Frau Dr. Focke, Bundesminister BMJFG . . 17226 C Frau Dr. Wex CDU/CSU 17233 A Frau Eilers (Bielefeld) SPD 17236 D Frau Stommel CDU/CSU 17239 D Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 17241 D Haushaltsgesetz 1976 — Drucksachen 7/5058, 7/5104 —Leicht CDU/CSU 17243 A Namentliche Abstimmung 17244 A Behrendt SPD (Erklärung nach § 36 GO) . 17243 B Nächste Sitzung 17245 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17247* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 243. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1976 17185 243. Sitzung Bonn, den 14. Mai 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 241. Sitzung, Seite 16969 C, Zeile 6, ist statt „Freizeit" zu lesen: „Freiheit". Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode 243. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1976 17247* Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Abelein 14. 5. Dr. Achenbach * 14. 5. Adams * 14. 5. Dr. Aigner * 14. 5. Dr. Artzinger * 14. 5. Dr. Bangemann * 14. 5. Dr. Bayerl * 14. 5. Behrendt * 14. 5. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld * 14. 5. Prof. Dr. Burgbacher * 14. 5. Dr. Corterier * 14. 5. Entrup 14. 5. Fellermaier * 14. 5. Flämig * 14. 5. Frehsee * 14. 5. Dr. Früh * 14.5. Gerlach (Emsland) * 14. 5. Gewandt 14. 5. Dr. Gradl 14. 5. Dr. Hauser (Sasbach) 14. 5. Härzschel * 14. 5. Hussing 21.5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 5. Dr. Kempfler 14. 5. Dr. Klepsch * 14. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Krall * 14. 5. von Kühlmann-Stumm 14. 5. Lampersbach 14.5. Lange * 14. 5. Lautenschlager * 14. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 14. 5. Lücker * 14. 5. Memmel * 14. 5. Mick 14. 5. Milz 14. 5. Müller (Mülheim) * 14. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 5. Dr. Narjes 14. 5. Niegel 14. 5. Rosenthal 14. 5. Roser 21.5. Sauter (Epfendorf) 14. 5. Seibert 21.5. Schmidt (München) * 14. 5. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 5. Schwabe * 14. 5. Dr. Schwörer * 14.5. Seefeld * 14. 5. Springorum * 14. 5. Dr. Starke (Franken) * 14. 5. Strauß 14. 5. Suck * 14. 5. de Terra 14. 5. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 5. Walkhoff * 14. 5. Walther 14. 5. Frau Dr. Walz * 14. 5. Dr. Warnke 14. 5. Dr. von Weizsäcker 14. 5. Wende 21. 5. Zeyer 14. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hansheinrich Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Die Vereinbarung war anders, aber ich habe es ja gern getan, ich bin sogar froh darüber, weil ich dadurch auf Sie beide antworten kann, auf Herrn Kollegen Katzer als den Senior in diesen Fragen und auf Sie als den Juniorpartner in diesen Fragen in der CDU/CSU.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Es waren ja sehr verzweifelte Bemühungen, Herr Kollege Katzer und Herr Kollege Franke, hier in sozialpolitischen Fragen irgendwelche Gegensätze in die jetzige Koalition zwischen FDP und SPD zu bringen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dazu einiges sagen.
    Zuerst aber dieses, Herr Kollege Katzer: Ich habe Sie schon besser gehört.

    (Katzer [CDU/CSU]: Ich Sie auch!)

    Ich war eigentlich überrascht, wie Sie hier so in Moll über die Dinge hinweggegangen sind. Ich hatte Sie aggressiver erwartet und hatte mir eigentlich für die Antwort viel mehr vorgenommen. Es reicht aber trotzdem.
    Wenn Sie am Schluß Ihrer Ausführungen sozusagen als das große Konzept der Opposition sagen: „Wir wollen den Aufschwung sicherer machen und das soziale Netz sicherer machen", Herr Kollege Katzer, so haben Sie doch genau wie in den letzten sieben Jahren gerade noch den Aufschwung auf das Trittbrett des sozialliberalen Zuges in der Sozialpolitik geschafft. Denn diesen Aufschwung, den Sie sicherer machen wollen, haben wir ja geschafft.

    (Katzer [CDU/CSU] : Den Abschwung haben Sie geschafft!)

    Vor einem Jahr haben Sie noch gesagt, es gebe ihn nicht, jetzt wollen Sie ihn mitmachen. Dieses soziale Netz, das in den letzten Jahren sicherer wurde und über das der Bundesarbeitsminister jetzt noch einmal in sehr eindrucksvollen Zahlen zu den einzelnen Gesetzen diesem Hohen Hause genügend gesagt hat, haben Sie bei jedem Einzelgesetz mitgestrickt, Herr Kollege Katzer. Immer im letzten Moment waren Sie da und haben gesagt: Natürlich machen wir auch mit. Heute tun Sie plötzlich so, als ob das alles nichts gewesen wäre, meine Damen und Herren.
    Ich möchte hier für die Freien Demokraten zunächst einmal klar sagen, daß wir die Leistungen der sozialliberalen Koalition zugunsten der sozialen Sicherheit in den letzten vier oder, besser gesagt, sieben Jahren als ein Ergebnis sozialliberaler Arbeit ansehen, das von Schwerpunkten getragen wurde, die wir Freien Demokraten für sozialliberale Aufgaben in unserer Gesellschaft gesetzt haben. Bei allen Gesetzen stand der Mensch und nicht das System oder die Institution im Mittelpunkt. Ich denke hier an die Humanisierung der Arbeitswelt, ich denke an das Betriebsverfassungsgesetz, ich denke an die flexible Lösung des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Bei allen Gesetzen standen im Mittelpunkt wieder die Mitwirkung, die Mitbestimmung, die Eigenbestimmung des Menschen am Arbeitsplatz, nicht die irgendwelcher Funktionäre oder Organisationen. Auch hier nenne ich wieder das Betriebsverfassungsgesetz, das Personalvertretungsgesetz, die Mitbestimmung. Die gruppenspezifischen Probleme unserer Gesellschaft wurden in allen Gesetzen — Betriebsverfassungs-, Mitbestimmungs-, Personalvertretungsgesetz — durch die entsprechenden Wahlverfahren nach Gruppenrechten und durch die klare Verankerung des leitenden Angestellten in der Mitbestimmung berücksichtigt.
    Für den Bereich der Minderheiten, dem wir Freien Demokraten immer ein großes Gewicht beigelegt haben, konnten wir hervorragende Gesetze für Behinderte durch Rehabilitationsmöglichkeiten und auch im Bereich der Familienpolitik durch die Aus-



    Schmidt (Kempten)

    weitung des Kindergeldes auf alle Kinder schaffen. Die freiheitlichen Verfahren unseres Sozialsystems wurden mit Selbstverwaltungsgliederungen erhalten. Bei Gesetzesmaßnahmen wie der betrieblichen Altersversorgung blieb die Freizügigkeit dieses Systems erhalten. Bei der Krankenversicherung der Studenten wurden Wahlfreiheit und Befreiungsmöglichkeiten wie in der Vergangheit gewährt.
    Herr Kollege Katzer, ich habe Verständnis für Ihre etwas schwierige Situation und auch Verständnis dafür, daß Sie versucht haben

    (Katzer [CDU/CSU] : Ich habe nur zitiert!)

    — dazu komme ich noch —, Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Koalitionspartnern heraufzubeschwören, und zwar deshalb, weil einiges bei dieser Opposition merkwürdig ist. Als der Herr Kollege Carstens — er ist, glaube ich, im Moment nicht anwesend — am Dienstag seine Rede hielt,

    (Katzer [CDU/CSU] : Wo ist denn der Bundeskanzler?)

    haben mich zwei Dinge sehr beeindruckt.

    (Katzer [CDU/CSU] : Interessiert das den Kanzler eigentlich gar nicht?)

    Er hat an einer Stelle gesagt: „Keine Freiheit ohne soziale Sicherheit." Als Herr Strauß gestern sprach, hat er alle Dinge, die für die soziale Sicherheit notwendig sind, als Gratifikationen, die man eigentlich streichen müßte, bezeichnet.

    (Dr. Evers [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)

    — Gratifikationen sind etwas, was man gewähren oder nicht gewähren kann. Es besteht doch ein erheblicher Unterschied zwischen sozialer Sicherheit als Maßstab für Freiheit und Gratifikationen oder überspannten Situationen, wovon der Herr Kollege Strauß gesprochen hat.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Herr Kollege Carstens hat weiterhin etwas sehr Beeindruckendes gesagt.

    (Dr. Evers [CDU/CSU] : Es ist alles beeindruckend, was er sagt! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    — Na, das werden wir gleich sehen. Er hat erklärt: „Die Wähler haben Anspruch auf die ungeschminkte Wahrheit."

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Das ist richtig!)

    — Sehr richtig. Anschließend hat er die gesamte Entwicklung der sozialen Sicherheit für die CDU/ CSU vereinnahmt, indem er gesagt hat: Wir haben das alles gut gemacht, wir haben das alles gemacht

    (Katzer [CDU/CSU]: Sie waren ja zum Teil dabei!)

    — lassen Sie mich doch ausreden! —; all das, was jetzt läuft, ist bereits unter CDU-Kanzlern, unter CDU- oder CSU-Arbeits- und Finanzministern geschehen. — Nun, wie steht es denn um die Wahrheit dieser Äußerung des Kollegen Carstens? Herr Kollege Katzer, Sie haben in ähnlichen Worten gesagt,
    alle Grundtatsachen seien schon vorher geschaffen 1 worden. Hier zeigen sich die Spannungen, die es nun einmal bei Ihnen gibt. Herr Kollege Katzer, wie war es denn zur Zeit der Großen Koalition? Wie war es denn zu der Zeit, als der große Vorsitzende Franz Josef Strauß Finanzminister war?

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Ein guter Finanzminister!)

    Wie war es denn damals mit der Kriegsopferversorgung, Herr Kollege Katzer? Wie war es denn damals, als der große Vorsitzende Franz Josef Strauß Ihnen und dem sozialdemokratischen Partner sogar zumuten wollte, die Anpassungsklausel, die wenigstens im Versorgungsgesetz stand, zu streichen? Wie waren denn die Haushaltszahlen, die man Ihnen damals für die Fortführung der Kriegsopferversorgung aufs Auge drücken wollte, Herr Kollege Katzer? Haben Sie das alles vergessen? Sie wollten es nicht; ich gebe Ihnen das zu. Aber dann sollte man sich doch nicht hier herstellen und sagen: alles das haben wir gemacht. Wenn es damals nicht Ihrem damaligen sozialdemokratischen Partner gelungen wäre, wenigstens das Schlimmste zu verhindern, damit wir dann im Jahre 1969 als sozialliberale Koalition die Dynamisierung der Kriegsopferversorgung einführen konnten, wäre das doch geschehen. So waren doch die Dinge.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    — Herr Kollege Zink, Sie brauchen gar nicht den Finger zu heben; ich kann Ihnen die Zahlen vorlesen, die Herr Strauß damals in der mittelfristigen Finanzplanung in der Großen Koalition durchsetzen wollte. Da hätte es für die Kriegsopferversorgung auf Jahre keine Anpassung gegeben. Da hätte es nicht die Raten gegeben, die im Sozialbudget stehen und die auch Herr Bundesminister Arendt soeben noch einmal angesprochen hat. Alles das hätte es nicht gegeben, weil ein CSU-Finanzminister und ein CDU-Kanzler — gegen Ihren Willen, Herr Kollege Katzer — —

    (Katzer [CDU/CSU] : Es ist doch nichts passiert! Sie müssen von den Tatsachen ausgehen!)

    — Aber stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten damals keinen Partner gehabt wie unseren jetzigen Partner, die Sozialdemokraten!

    (Katzer [CDU/CSU] : Dann hätte ich doch Sie gehabt!)

    Glauben Sie, daß Sie sich dann gegen Ihren Kanzler Kiesinger und gegen Ihren Finanzminister Strauß durchgesetzt hätten?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das war doch die Wahrheit. Da soll doch Herr Carstens nicht hier hergehen und sagen, wie er es wörtlich tat: Diese Kriegsopferversorgung haben wir so geschaffen. Diese Kriegsopferversorgung mit ihrer Dynamik und ihrem hohen Anteil am Bruttosozialprodukt, der jedes Jahr steigt, ist ein Ergebnis der sozialliberalen Koalition.

    (Abg. Burger [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)




    Schmidt (Kempten)

    — Na gut, machen wir zwischendurch eine Zwischenfrage! Ich wollte gerade zu einem anderen Thema kommen.


Rede von Albert Burger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Schmidt, haben Sie denn vergessen, daß in den Jahren, die Sie soeben angesprochen haben, unter Katzer das 3. Neuordnungsgesetz beschlossen worden ist — in einer Situation, die außerordentlich schwierig war? Als überall gespart wurde, haben wir das 3. Neuordnungsgesetz beschlossen. In den drei Neuordnungsgesetzen sind doch die wesentlichen strukturellen Verbesserungen geschaffen worden. Haben Sie das denn vergessen?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hansheinrich Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Das habe ich gar nicht vergessen, Herr Kollege Burger. Bloß ist das nicht unter einem großen Vorsitzenden und Finanzminister Strauß geschehen. Dieser große Vorsitzende bestimmt heute noch Ihre Politik mit. Sie können sich dann also nicht so hier hinstellen.

    (Beifall bei der FDP und SPD — Abg. Burger [CDU/CSU] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage)

    — Ich möchte jetzt fortfahren, sonst überziehe ich die Zeit zu sehr. Wir müssen ja heute einigermaßen im Zeitplan bleiben.
    Eine zweite Bemerkung: Der Kollege Carstens hat
    — und Sie haben es soeben noch einmal angesprochen — die Montan-Mitbestimmung als eine große Tat der CDU bezeichnet. Ich frage mich: Weshalb hat dann Ihr heutiger Generalsekretär in seinem Bericht diese Montan-Mitbestimmung mit sehr vielen Fragezeichen versehen, wenn das damals eine große Tat war? Und weshalb haben wir dann gemeinsam, zum Schluß auch mit Ihrer Zustimmung, etwas anderes geschaffen, wenn das wirklich eine so gute Sache war? Wir wollen das doch einmal ein bißchen näher durchleuchten und vielleicht auch der Öffentlichkeit klarmachen, wie die Dinge wirklich sind.
    Nun lassen Sie mich zum dritten Punkt kommen; damit muß ich mich wohl etwas länger aufhalten. Wie sieht es nun in der Rentenversicherung aus? Gibt es da Probleme, oder gibt es keine Probleme? Zunächst einmal möchte ich hier eine Feststellung treffen.
    Der Herr Bundesarbeitsminister hat völlig recht, wenn er hier feststellt, daß es für die Finanzierung der Rentenversicherung zur Zeit keine Probleme gibt. Das hat der Bundesarbeitsminister gesagt; dazu steht diese Koalition.
    Es muß aber einmal unterschieden werden — und das wird von Ihnen nicht gemacht —, inwieweit die Rentenentwicklung von der Beschäftigungsquote allein abhängig ist, d. h. von mehr oder weniger Arbeitslosen, Aufschwung usw., und inwieweit es einfach ein Problem der Struktur unserer Bevölkerung ist. Das muß man doch einmal klar sehen. Und so ist das zu verstehen, was Frau Funcke gesagt hat: daß trotz des zweifellos vorhandenen Aufschwungs, trotz der Tatsache, daß wir die Arbeitslosenzahlen konsequent abbauen werden, in der Rentenversicherung Fragen und Probleme bestehen. Aber sie bestehen nicht zur Zeit, und sie bestehen nicht für die Auszahlungsquote der Renten. Man sollte also nicht wie Sie einfach Panikmache betreiben, sondern konsequent unterscheiden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er ist eben am Telefon!)

    wenn es hier in Zukunft Probleme gibt. Denn — und deshalb sollte man die Dinge nicht durcheinanderbringen — nichts wäre ja leichter gewesen, als über hohe Inflationsraten und damit hohe Beitragseinnahmen das in Ordnung zu bringen. Aber weil die Stabilitätspolitik dieser Bundesregierung und die Vernunft der Gewerkschaften zu niedrigen Lohnerhöhungen und damit zu niedrigen Beitragsleistungen geführt haben, ist ein Problem aufgetaucht, das zu gewissen Rücklageabschwüngen führt. Es ist notwendig, hierüber nachzudenken. Darüber sind sich alle einig.
    Herr Kollege Franke, lassen Sie mich kurz sagen: Wenn wir als eine der Möglichkeiten die Aktualisierung der Anpassung ansehen und zur Diskussion stellen — wobei ich von dieser Stelle schon klar gesagt habe, daß das auch eine gewisse Belastung für die Rentner darstellt, allerdings keinen Rentenabschlag, sondern nur eine niedrigere, den Lohnkosten- und Preisentwicklungen entsprechende Anpassung —, dann deshalb, weil wir die Renten auch dann sicherer machen wollen — darüber werden wir uns alle unterhalten müssen —, wenn die Bevölkerungsstrukturen zu anderen Zahlen führen.
    Es ist ja etwas Gutes, daß unsere Menschen heute auf Grund des Fortschritts in der Gesundheitspolitik und auf Grund besserer Lebensmöglichkeiten länger leben. Das bedeutet aber auch, daß sich andere Verhältnisse zwischen Arbeitenden und aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedenen ergeben, die zu anderen Aufbringungsnotwendigkeiten führen. Wenn man sich einig ist, daß die Beiträge nur bis zu einer gewissen Grenze steigen können, muß man diese Fragen prüfen. So bitte ich das zu sehen.
    Man kann es sich nicht so leicht machen, Herr Kollege Franke,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber das ist doch das Problem!)

    hier das vorzulesen, was im Ausschuß anläßlich der Sachverständigenanhörung gesagt wurde, ohne auf diese Details hinzuweisen. Andererseits hätten Sie als einer der Experten in dieser Frage Ihren Bundeskanzlerkandidaten und Bundesvorsitzenden etwas besser beraten sollen, statt ihn in die Messer zu jagen. Er gibt ja leichtfertig eine Sozialgarantie, ohne gleichzeitig von einer Beitragsgarantie zu sprechen. Diese ist nur möglich, wenn Sie auch sagen, wie Sie die Belastungen sehen. Eine Beitragsgarantie haben der Kollege Katzer und vor allem seine Vorgänger gegeben. 1957 wurde in diesem Hause gesagt: Was wir wollen, nämlich die dynamische



    Schmidt (Kempten)

    Rente und die Bruttolohnbezogenheit — Ziele, die auch wir für richtig halten —, — —

    (Katzer [CDU/CSU]: Die Sie damals abgelehnt haben!)

    — Das habe ich nie bestritten; aber das ist inzwischen geklärt. Der Herr Kollege Spitzmüller hat von dieser Stelle die Überlegungen der FDP aus der neuen Sicht dargelegt.
    Aber Sie, Herr Kollege Katzer — und das vergessen Sie bitte nicht —, und Ihre Freunde haben damals gesagt: Mit 14 °/o Beitrag sind 60 °/o Rente zu erreichen. Wir wissen inzwischen — und ich habe, weil diese Strukturveränderungen in unserer Bevölkerung vorhanden sind, Verständnis dafür —, daß wir auf 18 °/o gehen mußten. Sie haben das unter Ihrer Regierungszeit tun müssen. Wir wissen inzwischen, daß damit 60 °/o des letzten Bruttoeinkommens nicht erreichbar sind. Aber wir haben auf der andern Seite erreicht — —

    (Zuruf des Abg. Katzer [CDU/CSU])

    — Sicher! Ich sage ja nur: Man soll mit Garantien vorsichtig sein — denn Sie haben auch einmal eine Beitragsgarantie gegeben —, wenn man nicht gleichzeitig alles prüft. Das wollen wir. Und daß Sie, Herr Kollege Katzer es uns und wahrscheinlich auch
    sich selber — nicht leichter gemacht haben, mit dieser Frage fertig zu werden als Sie damals das halbe Jahr — —

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Nein! Herr Kollege Katzer, sind wir uns bei diesen Fragen und Problemen, über die wir nachdenken müssen, nicht einig darin, daß die Gemeinsamkeit aller notwendig ist? Deshalb brauchen Sie sich nicht einzubilden — zumal ich keine Gedanken von Ihnen dazu kenne —, daß das irgend etwas mit unserer Koalition zu tun hat. Aber ich bin der Meinung, Sie müssen bei der Lösung dieser Fragen genauso mitarbeiten.

    (Katzer [CDU/CSU]: Das haben wir ja in aller Form angeboten!)

    Sie hätten uns und sich selbst die Antwort auf diese Fragen sicher leichter gemacht, wenn Sie damals den Vorschlag, die Erhöhung der Renten um ein halbes Jahr vorzuziehen — aus wahltaktischen Gründen —, nicht gemacht hätten.

    (Katzer [CDU/CSU] : Das waren keine wahltaktischen Gründe!)

    Herr Kollege Katzer, das war die erste Durchbrechung des seinerzeit von Ihnen mit beschlossenen Systems.

    (Katzer [CDU/CSU] : Nein, das ist systemimmanent und keine Durchbrechung!)

    — Das war die erste Durchbrechung bezüglich des Drei-Jahres-Rhythmus, weil eben zweieinhalb Jahre herauskamen.
    Herr Kollege Katzer, wenn Sie das als sozial notwendig ansahen — darüber kann man reden —,

    (Katzer [CDU/CSU] : Haben Sie damals nicht zugestimmt?)

    müßten Sie heute allerdings auch die Überlegung anstellen, ob die gegensätzliche Entwicklung —5,5 °/o Lohnerhöhung, 6 °/o Preissteigerungsrate, 11 °/o Rentenerhöhung — nicht zu Schwierigkeiten der Beitragszahler führen kann, ob der Generationenvertrag auf Grund dieser Entwicklung nicht gegebenenfalls Probleme aufwirft, über die wir nachdenken müssen.
    Aber lassen Sie mich noch zu einigen weiteren Dingen kommen, die vielleicht noch etwas deutlicher machen, Herr Kollege Katzer, warum diese sozialliberale Koalition und wir Freien Demokraten in dieser Koalition glauben, in der Sozialpolitik in den letzten Jahren den besseren Weg gegangen zu sein und auch in der Zukunft gemeinsam gehen zu können. Sie haben am Schluß Ihrer Rede eine große Aufzählung von, na, sagen wir einmal: formalen Aussagen gemacht, wie Sie sich das alles vorstellen: von „keiner Feuerwehr" über die „gläsernen Taschen" bis zur „Reform mit Augenmaß". Wie sieht das denn nun wirklich bei der CDU/CSU aus?
    Erstes Thema: Betriebliche Altersversorgung.

    (Katzer [CDU/CSU]: Ist die Rente schon erledigt?)

    — Ich kann zum Schluß ja noch einmal kurz darauf zurückkommen. Ich glaube, ich habe deutlich genug gemacht, worum es geht. Ich kann gerne noch einmal darauf zurückkommen, ich kann Ihnen gerne noch einmal sagen: Wir halten die Aktualisierung für eine notwendige Angelegenheit. Wir sind uns klar darüber, daß auf Grund der Bevölkerungsstruktur — nicht wegen irgendeiner Arbeitslosenentwicklung, so oder so, sondern auf Grund der Bevölkerungsstruktur — nicht nur in der Rentenversicherung, sondern in allen Bereichen etwas geschehen muß.

    (Katzer [CDU/CSU]: Dabei bleibt es?!)

    — Hat in diesem Hause überhaupt schon einmal jemand behauptet, daß hierzu keine Notwendigkeit besteht? Zur Zeit ist die Rentenversicherung sicher. Die Strukturen müssen wir überprüfen. Das werden wir im Interesse all derer, die in diesem Netz der sozialen Sicherheit verankert sind, gemeinsam tun müssen.
    Herr Kollege Katzer, wie war es denn bei der betrieblichen Altersversorgung? Die CDU/CSU, die immer mit sehr grundsätzlichen Überlegungen zur Hand ist — und zwar in jeder Richtung, je nachdem —, wollte die Zwangsdynamisierung der betrieblichen Altersrenten. Ich erinnere an Ihren Antrag.

    (Zink [CDU/CSU] : Sie haben das doch im Ausschuß mitbeschlossen, Herr Schmidt!?)

    — Herr Kollege Zink, Sie wissen sehr genau, wie Ihr Antrag lautete und in welcher Fassung er dann angenommen wurde. Von einer Anpassungsüberlegung ist jetzt im Gesetz die Rede. Sie wollten die Zwangsdynamisierung der betrieblichen Altersversorgung und wollten damit praktisch alle weiteren Möglichkeiten der Ausweitung der betrieblichen Altersversorgung ausschließen; denn kein Betrieb Iwäre mehr den Weg der freiwilligen zusätzlichen



    Schmidt (Kempten)

    Altersversorgung gegangen, wenn sie unter diesen Dynamisierungszwang gefallen wäre.
    Wie war es denn bei der Krankenversicherung der Studenten? Sie haben im Bundestag den Vorschlag der Bundesregierung bzw. der sozialliberalen Koalition für richtig gehalten, und Herr Geißler, ebenfalls Mitglied der CDU, legte einen Entwurf vor, der die Pflichtversicherung für alle Studenten vorsah.
    Wie war es denn beim Kassenarztrecht? Die Bundesregierung, die sozialliberale Koalition, hat einen Entwurf vorgelegt, der im Rahmen des Sicherstellungsauftrags die ärztliche Versorgung besser regelt, aber das bisherige System weiter beinhaltet. Der zuständige bayerische Minister, Herr Pirkl, legte über den Bundesrat einen Entwurf vor, der den staatlichen dirgistischen Eingriff in die Versorgung mit Ärzten auf dem Lande vorsah. Daß der inzwischen gestorben ist

    (Spitzmüller [FDP] und Opitz [FDP] : Der Vorschlag! — Heiterkeit)

    — der Vorschlag ist gestorben, nicht Herr Pirkl, das ist klar —, ist eine schöne Sache, aber jedenfalls kam der Vorschlag aus der CSU. Es wird nicht mehr darüber geredet.
    Wieso konnte es passieren, wie können Sie es mir erklären, Herr Kollege Katzer — Sie haben ja auch vorhin wieder von Selbstverwaltung, von Gliederung gesprochen —, daß hier am 6. Mai 1976 ein CDU-Sprecher einheitliche Honorarverhandlungen in der Krankenversicherung wollte, daß die Gesundheitsminister der CDU/CSU auf der Gesundheitsministerkonferenz die Forderung nach Einheitshonoraren aufgenommen haben? Auf der einen Seite stellen Sie sich hier her und bezeichnen den guten ersten Ansatz für finanzielle Regelungen in der Krankenversicherung, das in Selbstverwaltung und Partnerschaft entstandene Bündnis mit der Plafondierung von 8 % als etwas Gutes, während auf der anderen Seite von Mitgliedern Ihrer Partei von Einheitshonoraren und diesen Dingen gesprochen wird.
    Die Bundesregierung jedenfalls, die sozialliberale Koalition — und damit auch wir Freien Demokraten —, gedenkt diese Wege nicht zu gehen, wenn wir uns auch bewußt sind — lassen Sie mich einige wenige Sätze zum Krankenversicherungssystem und den sich hier ergebenden Entwicklungen sagen —, daß ähnlich wie im Bereich der Rentenversicherung Überprüfungen notwendig sind. Denn das soziale Netz, das wir in den letzten sieben Jahren verstärkt gewirkt haben, hängt nun einmal — und hier komme ich noch einmal auf die Belastungssituation zurück — von zwei Komponenten ab, es wird nun einmal von zwei Säulen getragen. Die eine Säule ist — solange wir das System, das gegliederte System, das freiheitliche System behalten — die Zahl derer, die Beiträge leisten, die Zahl derer, die im Arbeitsleben stehen. Die andere Säule ist die Bereitschaft dieser im Arbeitsleben Stehenden, auch so viel aufzubringen, wie bei den Strukturveränderungen unserer Bevölkerung notwendig ist. Hier müssen wir uns darüber im klaren sein — und das ist in diesem Hohen Hause ja schon mehrmals gesagt worden —,
    daß die Belastung mit Beiträgen einen Punkt erreicht hat, bei dem man sich fragen muß, ob — über Beitragserhöhungen oder Steuerzuschüsse — der Weg noch weiter gegangen werden kann. Hier müssen in den nächsten Jahren auf alle Fälle die Ansätze erfolgen. Hier, im Bereich des Gesundheitswesens, müssen alle mehr Verantwortung zeigen.
    Die Ärzte haben einen ersten Schritt getan. Wir hoffen, daß die pharmazeutische Industrie auf Grund der ihr auferlegten Verpflichtungen und Selbstverpflichtungen einen ähnlichen Weg geht.
    Wir erwarten, daß sich durch eine Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Pflegesatzverordnung Möglichkeiten ergeben, hier zu Pflegesätzen und damit zu Kosten zu kommen, die für die Zukunft tragbar sind. Wir gehen dabei davon aus, daß nicht unbedingt nur dem Großkrankenhaus die Zukunft gehört, sondern daß auch die kleineren, kostengünstigeren Krankenhäuser für die erste und zweite Versorgungsstufe notwendig sind.
    Wir gehen auch davon aus, daß dem Versicherten mehr Möglichkeiten zur Durchschaubarkeit des jetzt anonymen Systems gegeben werden, daß mehr Transparenz für den Versicherten und auch mehr Eigenverantwortungsmöglichkeiten eingebaut werden.
    In diesem Zusammenhang haben wir den von vielen Seiten noch kritisch betrachteten Wahltarif für Modellversuche angeboten, zur Verfügung gestellt. Wir halten ihn weiterhin für einen vernünftigen Weg, der allerdings modellmäßig geprüft werden muß.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus der Gesamtsituation heraus, aus der Situation der sozialen Sicherheit, ihrer Kosten und der Belastungsgrenzen heraus für die Freien Demokraten zusammenfassend folgendes sagen.
    Wir begrüßen noch einmal die klare Politik, die das Bundesarbeitsministerium in diesem gesamten Bereich zusammen mit der sozialliberalen Koalition und den Regierungsfraktionen in den letzten Jahren durchgeführt hat. Wir begrüßen, daß es trotz schwieriger Situation gelungen ist, weitere Maschen und weitere Möglichkeiten in das Netz der sozialen Sicherheit einzubauen. Wir sind uns aber darüber im klaren, daß Leistungsausweitungen im sozialen Bereich zunächst nicht möglich sein werden, um das Jetzige besser zu konsolidieren. Wir sind uns ferner darüber im klaren, daß in manchen Bereichen Anreize zu mehr Sparsamkeit und mehr Wirtschaftlichkeit auch im sozialpolitischen Bereich notwendig sind.
    Wir glauben, daß mehr Wettbewerb, und Eigenverantwortung und mehr Einschaltung des einzelnen Menschen auch mehr Engagement des einzelnen an diesem System ermöglichen. Wir sehen darüber hinaus die Erhaltung des jetzigen Systems unserer sozialen Sicherheit, des freiheitlichen Systems, als eine Voraussetzung für freiheitliche weitere Entwicklungen an. Systemveränderungen in irgendeiner Richtung halten wir für untragbar.
    Wir glauben, daß sich in den nächsten vier Jahren durch Überprüfung der Gesamtbereiche der sozialen



    Schmidt (Kempten)

    Sicherung ohne Leistungsabbau und ohne soziale Demontage Möglichkeiten der Einsparung ergeben, und zwar dort, wo manches durch Zeitabläufe nicht mehr die Wirksamkeit hat, die es einmal haben sollte. Wir halten den Generationenvertrag und die Solidarität für zwei Grundsätze dieses Systems, die aber nicht überfordert werden dürfen, weder von dem einen noch von dem anderen. Wenn wir diese Möglichkeiten erhalten wollen, müssen die Menschen dazu stehen, die zur Leistungserbringung, zur Beitragszahlung gebraucht werden und die demgemäß nicht durch zu hohe Beiträge die Lust an diesen Dingen verlieren dürfen.
    Wir sind der Auffassung, daß Selbstverwaltung und Partnerschaft, freie Wahl und Mitverantwortung Grundlagen dieses Systems bleiben müssen. Wir sehen sowohl in den Entwicklungen der letzten vier Jahre als auch im diesjährigen Etat eine gute Ausgangsbasis für eine Politik der sozialen Sicherheit, für mehr Sicherung, aber auch für mehr Konsolidierung im Rahmen der Fortsetzung dieser Koalition.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)