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ID0724218000

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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 242. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Mai 1976 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Müller (Remscheid) 17033 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 17033 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und des Gesetzes über das Branntweinmonopol —Drucksache 7/4518—, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/5096 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes — Drucksache 4428 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses —Drucksache 7/5149 — in Verbindung mit Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 (Haushaltsgesetz 1976) — Drucksachen 7/4100, 7/4629 —, Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 7/5038 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 7/5053 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 7/5057 — Dr. Becker (Mönchengladbach) CDU/CSU . 17034 B Dr. von Bülow SPD 17035 A Dr. Althammer CDU/CSU . . . . . . 17043 B Kirst FDP 17050 C Dr. Apel, Bundesminister BMF . 17058 C, 17122 B Strauß CDU/CSU 17068 B Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 17080 D Dr. Häfele CDU/CSU 17092 A Frau Huber SPD 17099 A Frau Funcke FDP . . . . . . . . . 17105 A Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . 17107 D Bremer CDU/CSU 17109 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Mai 1976 Dr. Böhme (Freiburg) SPD 17111 D Schinzel SPD 17113 C Wohlrabe CDU/CSU 17115 B Dr. Dübber SPD 17118 A Dr. von Bülow SPD . . . . . . . . 17118 D Pieroth CDU/CSU 17119 A Frau Renger, Präsident . . . . . . . 17076 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 7/5039 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1976 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1976) — Drucksache 7/4513 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 7/5135 — Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 17123 C Dr. Ehrenberg SPD 17126 C Dr. von Bismarck CDU/CSU 17131 B Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . 17134 D, 17145 B Höcherl CDU/CSU . . . . . . . . . 17141 B Frau Dr. Glotz-Martiny SPD 17145 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 7/5042, 7/5085 — in Verbindung mit Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 7/5043 — Müller (Nordenham) SPD 17148 A Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/CSU . 17150 C Ollesch FDP 17153 A Dr. Jobst CDU/CSU 17157 D Gscheidle, Bundesminister BMV/BMP . 17161 C, 17179 B Lemmrich CDU/CSU . . . . . . . . 17168 C Wrede SPD 17170 B Dr. Dollinger CDU/CSU . . . . . . . 17172 C Wuttke SPD 17174 C Hoffie FDP 17176 D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 7/5044 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 7/5055 — 17180 A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 7/5051 — in Verbindung mit Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Haenschke, Konrad, Schäfer (Appenweier), Dr. Ehrenberg, Junghans, Kern, Liedtke, Reuschenbach, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Hirsch, Dr. Wendig, Kleinert, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Graf Lambsdorff, Zywietz und der Fraktionen der SPD, FDP betr. friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr.-Ing. Laermann, Hoffie, Dr. Graf Lambsdorff, Frau Schuchardt, Kern, Wolfram (Recklinghausen), Flämig, Dr. Jens, Kaffka, Dr. Lohmar, Reuschenbach, Scheu, Schwedler, Stahl (Kempen) und der Fraktionen der SPD, FDP betr. rationelle und sparsame Energieverwendung und zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Haenschke, Konrad, Schäfer (Appenweier), Dr. Ehrenberg, Junghans, Kern, Liedtke, Reuschenbach, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Hirsch, Dr. Wendig, Kleinert, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Graf Lambsdorff, Zywietz und der Fraktionen der SPD, FDP betr. friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 7/4600, 7/4607, 7/4948 — . . 17181 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 7/5052 — 17181 D Nächste Sitzung 17182 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17183* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Mai 1976 17033 242. Sitzung Bonn, den 13. Mai 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 240. Sitzung, Seite 16922 C, Zeile 24, ist statt „einer Gegenstimme" zu lesen: „zwei Gegenstimmen" ; 241. Sitzung, Seite 17026 C, Zeile 2, ist statt „3,3 Millionen DM" zu lesen: „3,3 Millionen Bürger". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Achenbach * 14. 5. Adams * 14. 5. Dr. Aigner * 14. 5. Dr. Artzinger * 14. 5. Dr. Bangemann * 14. 5. Dr. Bayerl * 14. 5. Behrendt * 14. 5. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld * 14. 5. Frau von Bothmer ** 13. 5. Prof. Dr. Burgbacher * 14. 5. Dr. Corterier * 14. 5. Dr. Enders ** 13. 5. Entrup 14. 5. Fellermaier * 14. 5. Flämig * 14. 5. Frehsee * 14. 5. Dr. Früh * 14. 5. Gerlach (Emsland) * 14. 5. Gewandt 14. 5. Härzschel * 14. 5. Hussing 21.5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 5. Dr. Kempfler 14. 5. Dr. Klepsch * 14. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Krall * 14. 5. von Kühlmann-Stumm 14. 5. Lange * 14.5. Lautenschlager * 14. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 14. 5. Lenzer ** 13. 5. Lücker * 14. 5. Memmel * 14. 5. Mick 14. 5. Müller (Mülheim) * 14. 5. Müller (München) ** 13. 5. Müller (Remscheid) 13. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 5. Dr. Narjes 14. 5. Rosenthal 14. 5. Roser 21.5. Seibert 21.5. Schmidt (München) * 14. 5. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 5. Schwabe * 14. 5. Dr. Schwörer * 14. 5. Seefeld * 14. 5. Springorum * 14. 5. Dr. Starke (Franken) * 14. 5. Suck * 14. 5. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 5. Walkhoff * 14. 5. Walther 14. 5. Frau Dr. Walz * 14. 5. Dr. Warnke 14. 5. Wende 21.5. von Wrangel 13. 5. Zeyer 14. 5.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Abgeordneter von Bismarck, es ist unbestritten — das habe ich nie anders dargestellt —, daß da eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle spielt. Sie liegen zum Teil im verteilungspolitischen Bereich. Nicht zuletzt — ich möchte das hier nicht als alte Platte auflegen —, haben die festen Wechselkurse der 60er Jahre von dem Moment an, in dem sie den wahren Austauschrelationen nicht mehr entsprachen, falsche Wettbewerbssignale gesetzt. Für mich steht fest, daß wir bei freien Kursen in den 60er Jahren mit Sicherheit keine zwei oder zweieinhalb Millionen Gastarbeiter in dieses Land bekommen hätten. Wir hätten zum richtigen Zeitpunkt Produktionen dorthin verlagert, wo der Faktor Arbeit interessanter war als bei uns. Wir hätten uns das VW-Problem in Amerika viel leichter gemacht. Wir hätten die verteilungspolitischen Diskussionen im Inland anders gehabt, weil nämlich alle ihre tatsächliche Wettbewerbsfähigkeit vorher gesehen hätten, und zwar Unternehmen wie Tarifvertragsparteien. Das ist doch wohl unbestritten. Wenn Sie dann durch zu langes Festhalten an falschen Wechselkursrelationen falsche Signale setzen und damit der Gesamtheit der Bevölkerung eine nicht mehr vorhandene Wettbewerbsfähigkeit vortäuschen, dann darf man sich nicht wundern, wenn daraus im Innern falsche Konsequenzen gezogen werden. Dies ist geschehen. Ich will die Diskussion nicht noch einmal in Erinnerung rufen. Ich weiß, wie hart wir sie in der eigenen Partei und Fraktion geführt haben. Ich gebe das sehr gerne zu. Dann wurde sie öffentlich zwischen den damaligen Koalitionsparteien, zwischen den Sozialdemokraten und den Christlichen Demokraten, geführt. Lassen Sie mich gleich hinzufügen: Auch die deutsche Industrie, z. B. ihr Spitzenverband, hat in dieser Position nach meiner Meinung eine langfristig falsche egoistische Politik betrieben. Er wäre besser gefahren, wenn er sich volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten rechtzeitig eröffnet hätte. Wir hätten manche unserer Strukturprobleme erst gar nicht bekommen. Wir hätten uns die ganze Diskussion um die Gastarbeiter — Stopp oder Begrenzung der Hereinnahme oder gar das Rotationsproblem — erspart. Nach meiner Meinung hätten wir einen klassischen Beitrag zur Entwicklung der unterentwickelten Länder durch Investitionen geleistet. Das wäre auch menschlich ein sauberer Beitrag gewesen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dies hängt ja alles zusammen. Wir sollten hier gar
    nichts beschönigen. Selbst in einem Wahljahr —
    dies wäre gut — sind wir doch hoffentlich noch in der Lage, diese Fragen offen anzusprechen.
    Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen. Ich persönlich bin der Meinung — ich sage das als früherer Staatssekretär eines schwach strukturierten Landes , wir hätten uns auch einen Teil unserer regionalen Strukturprobleme vom Hals gehalten. Es ist doch an sich unsinnig, daß wir mit öffentlichen Mitteln permanent versuchen, in den schwach strukturierten Gebieten — in meinem Lande: Eifel, Hunsrück, Westerwald — eine aktive Sanierung durch Industrieansiedlung zu betreiben, aber es im gleichen Augenblick den Unternehmen in den Ballungsgebieten ermöglicht haben, zu relativ niedrigen Preisen den Faktor „Arbeit" von außen hereinzuholen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ein großer Teil der Zweigwerke wäre nach meiner Überzeugung schon in den 60er Jahren in andere Regionen gewandert, wenn wir den Förderanreiz —ob nun in der Form der Gemeinschaftsaufgabe oder nicht — mit einer anderen Beschäftigungspolitik kombiniert hätten und wenn es nicht zu all den Problemen, in München, Stuttgart, Frankfurt, Hamburg und dem Ruhrgebiet gekommen wäre, vor denen wir heute stehen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich sage dies aus folgendem Grunde. Wenn die Erholung jetzt in einen Aufschwung einmündet, sehe ich schon die ersten Branchen kommen, die sagen: Gebt wieder die Grenze für die Hereinnahme ausländischer Arbeitskräfte frei. Wir sollten uns sehr überlegen, ob wir diesen gesellschaftspolitischen Irrtum, der ökonomisch nicht einmal das gebracht hat, was man sich davon versprochen hat, noch einmal wiederholen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich sage Ihnen allerdings ganz offen, daß ich mich
    — im Gegensatz zu dem, was im Wahlkampf von
    Baden-Württemberg geschehen ist nicht hinstelle
    und dafür plädiere weil es von einer Minderheit oder vielleicht von einer Mehrheit beklatscht wird —, den Menschen, die damals zur Erhöhung unseres Sozialprodukts beigetragen haben, jetzt zwangsweise den Stuhl vor die Tür setzen. Dies darf es allerdings auch nicht geben.

    (Allgemeiner Beifall)

    Wenn wir sie — gar mit Prämien — angelockt haben, dann haben wir ihnen gegenüber auch eine Verpflichtung. Es kann dann nicht heißen: Unsere Beschäftigungsprobleme lösen wir jetzt auf eurem Rücken, wohl wissend, daß für diese Menschen, wenn sie nach Hause kommen, ein Arbeitsplatz mit Sicherheit nicht zur Verfügung steht.

    (Beifall bei der SPD)

    Mich hat - ich möchte es so hart sagen - der
    Wahlkampf in Baden-Württemberg in diesem Punkt angewidert,

    (Dr. Jenninger [CDU/ /CSU] : Aber es hat doch niemand jemanden fortgejagt!)




    Bundesminister Dr. Friderichs
    weil er eigentlich eine unglaubliche Verhöhnung dieser Menschen war.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Gallus [FDP]: Das war unchristlich! — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Wer ist denn fortgejagt worden? — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Wer hat das verlangt?)

    — Der offizielle Vorschlag lautete, man solle jedem ausländischen Beschäftigten, der bereit sei, das Land zu verlassen, wenn ich mich recht entsinne, 8 000 DM in die Hand drücken. Wenn tatsächlich 1 Million gegangen wären — man kann das ja ausrechnen — —

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Freiwillig!)

    — Verehrter Herr Gerster, was heißt „freiwillig", wenn dem einzelnen gesagt wird: Erstens: Du bist von der Arbeitslosigkeit bedroht; zweitens: Wenn du jetzt freiwillig gehst, bekommst du 8 000 DM. — Das war doch die Methode.

    (Zuruf von der CDU/CSU: VW!)

    Es ist eigentlich unglaublich, daß zugleich nicht offen gesagt wurde, daß beim Weggang von 1 Million Arbeitskräften 8 Milliarden DM hätten gezahlt werden müssen.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Sie waren doch auch froh, daß wir die Probleme bei NSU auf diese Weise in Ordnung gebracht haben! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Reden Sie jetzt von VW oder wovon?)

    — Nein. Was mich gestört hat, war die wirklich unangenehme unterschwellige Tendenz, mit der dies in öffentlichen Kundgebungen betrieben worden ist. Diese Bewertung müssen Sie mir erlauben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wenn ich vorhin gesagt habe, daß wir nicht alle Probleme gelöst haben, so galt dies für den Aufschwung; es gilt auch für die nach meiner Meinung ganz entscheidende Frage, ob es uns gelingt, die Zunahme des Bruttosozialprodukts um meinethalben 6 % in diesem Jahr nicht von einer sich wieder erhöhenden Preissteigerungsrate begleiten zu lassen. Es ist wohl unbestritten, daß es auf Dauer hohen Beschäftigungsstand und kontinuierliches Wachstum nur bei Stabilität geben wird. Ich begrüße es ausdrücklich, daß die Deutsche Bundesbank das Ruder bis zur Stunde nicht herumgeworfen hat, daß sie aber gesagt hat: Das Mehr an Geld, das wir nicht wollen — was also über 8 % hinausgeht — und das in den letzten Wochen aus dem Ausland hereingeschwappt ist, saugen wir in zwei Mindestreserveerhöhungen ab. Ich halte das für richtig.
    Meine Damen und Herren, das beweist aber auch — oder Sie müßten die Bundesbank kritisieren —, daß der Aufschwung begonnen hat. Denn wenn Sie die Bundesbank wegen ihres Verhaltens nicht kritisieren, dann gestehen Sie doch zu, daß es aufwärts geht. Sonst müßten Sie sie kritisieren.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Sie haben sie nicht kritisiert; also bestreiten Sie hier nicht, daß dieses Wachstum da ist.
    Ich sage ganz offen: Es wird sehr schwierig werden — hier liegt meine wirkliche Sorge —, auch in einem Wahljahr zum richtigen Zeitpunkt die Überwälzungsspielräume so einzuengen, daß sich der Aufschwung selbst verstetigt, uns aber vermeidbare Überwälzungen von Preisen erspart bleiben. Das ist die Aufgabe der Zukunft. Wenn wir die Debatte über den Haushalt des Wirtschaftsministeriums führen, dann sollten wir doch vielleicht einmal über die Frage sprechen, welchen Beitrag wir leisten.
    Die deutschen Tarifvertragsparteien — sprich: Gewerkschaften und Arbeitgeber — haben sich mit ihren bisherigen Abschlüssen konsequent an die Linien des Jahreswirtschaftsberichts gehalten. Der heutige Abschluß liegt etwas oberhalb der im Jahreswirtschaftsbericht festgelegten Linie. Ich bedaure, daß es in diesem Bereich eine von beiden Seiten nicht verhinderte, aber nach meiner Meinung vermeidbare Eskalation gegeben hat; ich nehme hier keinen aus.
    Hoffentlich bleibt es hinsichtlich der übrigen Verteilungsbereiche, deren Abschlüsse wir hinter uns haben, bei dem Verabredeten. Das setzt voraus — das muß die deutsche Wirtschaft wissen , daß sie ihrerseits von den Preisspielräumen, die sie nun im Aufschwung hat, nicht das letzte nutzt. Neulich hat mir einer gesagt: Das ist aber doch nicht marktwirtschaftlich; ich muß doch in der Marktwirtschaft jeden Spielraum nutzen dürfen, der sich mir bietet. Darauf kann ich nur antworten: Dürfen — ja; aber dann nutzt auch die andere Seite jeden sich bietenden Spielraum aus.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Da sie es nicht getan hat, sollte es einen Solidarkonsens geben, damit es zu einer sauberen, ohne vermeidbare Inflationsschübe begleiteten Entwicklung kommt, die nach oben geht.
    Meine Damen und Herren, dann bleiben noch genug Probleme. Warum? Weil wir natürlich bei unserer extremen Abhängigkeit von draußen noch Probleme von draußen bekommen werden. Die Preissteigerungsraten in den Nachbarländern — das ist das eigentliche Problem — beginnen sich nämlich dort schon wieder zu beschleunigen, obwohl der Aufschwung da noch nicht so stark ist wie bei uns. Das ist die Lage. Frankreich hat im letzten Monat schon wieder eine Monatsrate von 1 % gehabt. Ich will von Italien und Großbritannien gar nicht erst sprechen, wobei Großbritannien die Entwicklung wahrscheinlich wegen bestimmter Maßnahmen nach unten drücken kann.
    Nun kann man die heutige deutsche Entwicklung bedauern und beweinen. Lassen Sie mich aber auch bezüglich der Struktur hier einmal hinter die Kulissen leuchten, so wie wir heute mittag über die Staatsquote gesprochen haben. Wir haben noch etwas über 5 % Preissteigerung. Ich hoffe — ich bin persönlich sogar ziemlich sicher —, daß wir spätestens Mitte des Jahres vorn eine 4 stehen haben. Ich betone: dies in einem Zeitraum, in dem die Zahl bei den meisten Nachbarn — nicht in der Schweiz — schon wieder zweistellig ist.



    Bundesminister Dr. Friderichs
    Nun lassen Sie mich einmal ein Wort dazu sagen, was hinter den jetzt 5 oder dann 4,8 % oder wieviel steht. Dahinter steht doch, daß schon jetzt — das ist für die Tarifpolitik wichtig — das Preisniveau der gewerblich hergestellten Konsumgüter nur noch um 4,3 % gestiegen ist. Da zeigt sich doch, was sich an Produktivität und an Vernunft niederschlägt. Auf der anderen Seite gibt es im April 1976 im Vergleich mit April 1975 einen Anstieg bei den Preisen für saisonabhängige Nahrungsmittel von 16,4 %. Ich rüge das jetzt gar nicht, weil dann sofort wieder die Grüne Front aufsteigt. Aber man muß doch wissen, daß sich unser Preisindex aus einer Reihe von marktwirtschaftlich gebildeten Preisen, die unter dem Durchschnitt liegen, und von administrierten Preisen — kommunale Gebühren usw. — und auch aus Preisen zusammensetzt, die in Brüssel für die gesamte Gemeinschaft verabredet werden. Der deutsche Landwirtschaftsminister steht doch ewig in einer irrsinnigen Situation; er soll ein einheitliches Preissystem verabreden, während auf der anderen Seite die Inflationsraten um 20 % kreisen, wir aber in der Lage sind, auf eine Rate zurückzukommen, die vorn eine 4 hat. Das sind Probleme, mit denen wir fertig werden müssen — so wie wir, wenn ich an die Zukunft denke, mit Sicherheit damit rechnen müssen, daß die Inanspruchnahme unseres Sozialprodukts von außen nicht sinkt, sondern wächst.
    Meine Damen und Herren, wenn wir die Integration Europas im Wahlkampf auf den Lippen tragen — und wir alle tun das, weil wir politisch wissen, daß wir sie haben müssen —,

    (Maucher [CDU/CSU] : Glaubt ihr es denn wenigstens?)

    dann müssen wir auch bereit sein, zu sagen: wer in Rom einen Vertrag unterschreibt, in dem drinsteht „Herstellung gleicher Lebensbedingungen in allen Ländern", der muß wissen, daß das reichste Land einen Beitrag leisten muß, damit die Lebensbedingungen in den anderen sich verbessern.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das ist ein Faktum. Es soll doch niemand glauben, daß das, was wir nach draußen geben, drinnen noch einmal verteilt werden kann. Da liegt ein dickes Problem.
    Lassen Sie mich gerade aus der Diskussion in Nairobi mit einer Reihe von Kollegen etwas hinzufügen. In Wahrheit stehen wir doch vor folgender Situation. In den 60er Jahren hat die deutsche Wirtschaft einen ungeahnten Vorteil von der Integration Europas gehabt: Zölle weg, Mengenbeschränkungen weg. Ein gut Teil unseres Wachstums der 60er Jahre fand den Impuls aus einem einmaligen und für uns neuen großen Markt. Genau als wir den Vorteil hatten, haben wir die Zahlungen nicht geleistet. Da haben wir sie nämlich im Innern verbraucht, alle miteinander. Wir dürfen uns nicht wundern, daß uns jetzt in einem Zeitpunkt, in dem wir aus der Integration diesen Sprungvorteil nicht mehr haben, trotzdem die Rechnung präsentiert wird. Damit müssen wir leben. Ich will hinzufügen, daß ich davon überzeugt bin: Wie auch immer Nairobi ausgeht — ich sage: wie auch immer , es steht für mich fest, daß ein größerer Anteil des Zuwachses am Sozialprodukt auch für die Dritte und Vierte Welt zur Verfügung gestellt werden muß, ob wir wollen oder nicht. Die Frage kann doch nur sein: Nimmt man diesen Mechanismus oder jenen? Setzen wir es durch, daß der Weltmarkt frei bleibt von Reglementierungen, oder nicht? Nach der Eröffnungsrunde kann ich nur sagen: wir sind noch nicht ganz allein, aber fast! Denn hören Sie sich doch mal an, was unsere verehrten Nachbarn dort in öffentlichen Veranstaltungen sagen, zum Teil weil sie eine andere ordnungspolitische Vorstellung haben; bei anderen habe ich das Gefühl — —

    (Maucher [CDU/CSU]: Wem sagen Sie das?)

    — Ich sage es denen, Herr Abgeordneter, die permanent sagen: Wir brauchen die Integration, wir brauchen ein einheitliches Wirtschafts- und Währungssystem; und glauben, dann könnten sie unsere Grundprinzipien alle in voller Reinheit erhalten: autonome Notenbank und all das, was wir haben. Das sind die Probleme, die vor uns stehen. Ich habe es nur deswegen einmal erwähnt, weil ich der Meinung bin, daß wir das alles nur durchstehen werden, wenn wir mit einer kräftigen, wachsenden und gesunden Wirtschaft hineingehen und mit gesunden, kräftigen Staatsfinanzen. Darüber ist ja vorhin gesprochen worden.

    (V o r sitz: Vizepräsident Frau Funcke)

    Lassen Sie mich noch eine Zusatzbemerkung machen. Heute nachmittag wurde über die Staatsquote gesprochen. Ich habe versucht, nachzuweisen, warum sie gestiegen ist. Ich hoffe, es ist mir sogar gelungen, zu beweisen, daß Sie alle — ich kann nur sagen: wir alle — an diesem Anstieg munter beteiligt waren.

    (Maucher [CDU/CSU] : Glaubt das auch Herr Schmidt?)

    — Weil es um die Frage des Glaubens geht und vielleicht die Opposition aus verständlichen Gründen sagt: Wenn das von der Regierung kommt, sind wir etwas vorsichtiger mit dem Begriff „Glauben", als wenn es von uns selber kommt. Erlauben Sie mir, daß ich nur noch einen kleinen Satz zitiere. Ein früherer Abgeordneter dieses Bundestages, der der CDU-Fraktion angehört hat, hat vor wenigen Wochen geschrieben:
    Es ist das Glück der CDU, daß sich die Bürger dieser Verdienste erinnern.
    Er meinte die Verdienste der CDU als Regierungspartei. Und er fährt fort — ein früherer Abgeordneter! —:
    Denn als Opposition hat sie nichts geleistet,
    außer höhere Staatsausgaben zu bewirken.
    Ein Abgeordneter der CDU, wohlgemerkt, nicht etwa von uns! Er fährt fort:
    Wir brechen unter der Rentenlast zusammen. Die CDU hat 1972 die jährliche Erhöhung der Renten um 1/2 Jahr vorgezogen.
    Das koste soundso viel, Krankenversicherung soundso viel. Er führt alle Beschlüsse auf — alle! —, die



    Bundesminister Dr. Friderichs
    zur Steigerung der Staatsquote beigetragen haben. Er weist dort nach — ein früherer Abgeordneter Ihrer Fraktion! —, daß das alles entweder mitgemacht worden sei oder zum größten Teil, so meint er, sogar auf Ihr Betreiben zurückzuführen sei.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Lesen Sie doch einmal den Anfang vor! Lesen Sie doch nur die Überschrift mal vor, Herr Friderichs!)

    Letzte Bemerkung. Wenn Sie in Ihrem Wahlprogramm das kann man ja hineinschreiben - ein Erziehungsgeld verlangen,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    dann werden Sie mir zugestehen, Herr von Bismarck, daß auch die Einführung eines Erziehungsgeldes die Staatsquote wahrscheinlich nicht herabsetzt, sondern auch noch einmal erhöht. Es ist nun einmal das Schicksal von Staatsausgaben, daß sie staatsquotenerhöhend wirken.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es hat doch keinen Zweck, wenn wir so einfach und so billig über die Dinge sprechen. Ich glaube, wir täten uns allen einen größeren Gefallen — lassen Sie mich das noch einmal zur Vergangenheit sagen —, wenn wir uns endlich bereit finden könnten, wenigstens auf dem ökonomischen Gebiet, wo die Zahlen nun einmal handhabbar sind, auch einmal etwas anzuerkennen.
    Ich entsinne mich noch — ich habe die Zitate hier —, wie mir im Zusammenhang mit einem Jahreswirtschaftsbericht vorgeworfen worden ist: Es kommen zweistellige Preissteigerungsraten. Als wir 8 bis 9 % hineingeschrieben hatten, hat der Redner des heutigen Vormittags gesagt: Viel zu optimistisch; ihr werdet schon eine zweistellige Preissteigerungsrate hinkriegen. In jenem Jahr wurden es 7 %, und wir gehen jetzt auf eine Zahl zu, die vor dem Komma eine vier hat.
    Das permanente Schlechtmachen ökonomischer Umstände — glauben Sie mir das — bleibt auch nicht ohne Wirkung; denn in unserem System plant nicht einer in Bonn, sondern in unserem System entscheiden 60 Millionen Menschen jeden Tag über die Frage, ob sie kaufen oder nicht kaufen, über die Frage, ob daraus Arbeitsplätze entstehen oder keine Arbeitsplätze entstehen, über die Frage unserer Geltung in der Welt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir sollten uns wirklich überlegen, ob wir nicht allen Anlaß hätten, wenigstens zu sagen: Wir sind wieder wer, wir stehen gut in der Welt da, wir können uns sehen lassen, macht ihr anderen es doch lieber einmal ein bißchen so wie wir. Dann würden wir uns wenigstens teilweise die Probleme ersparen, die von draußen auf uns zukommen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Höcherl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst, bevor ich mich dem Herrn Bundeswirtschafts minister zuwende, mit dem wirtschaftspolitischen Kreuzritter der SPD-Fraktion, meinem verehrten Freund Dr. Ehrenberg, befassen, der die wirklichen Zusammenhänge natürlich viel, viel besser kennt, wie er das heute bewiesen hat. Er hat mir ja eine seiner Kreationen gewidmet. Ich habe das nachgelesen. Was würden Sie sagen, Herr Dr. Ehrenberg, wenn wir in der Regierung wären und mit diesen Tatsachen — eine Million Arbeitslose, eine leider noch große Zahl von Kurzarbeitern, die Konkurszahl — aufwarten würden? Da möchte ich Sie hören. Sie mußten eine Pflichtübung machen und eine Offizialverteidigung übernehmen.
    Ich bestreite gar nicht, daß etwas in Bewegung ist. Ich sage Ihnen ganz offen: Im Interesse des Ganzen wäre es mir lieber, wenn diese Erholung Wirklichkeit wird. Der Herr Bundeswirtschaftsminister sagte Erholung; für Herrn Dr. Ehrenberg ist es schon ein Aufschwung, der bereits festgeschrieben ist. Nein, lassen Sie sich erst einmal Zeit. Hier folge ich lieber Ihrem Experten auf diesem Gebiet in der Bundesregierung.
    Wir haben es ja einmal durchgespielt, und zwar an einem ganz kleinen Beispiel 1966: Wie sind Sie über uns hergezogen! Was würden Sie sagen, Herr Ehrenberg, wenn wir Ihnen eine derartige Bilanz vorlegen würden?

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wir wünschen Ihnen und uns gemeinsam, daß sich diese Dinge festigen

    (Demonstrativer Beifall bei der SPD und der FDP)

    und aus sich selbst heraus tragen, weil wir das alle brauchen.

    (Zurufe von der SPD)

    Noch ist es nicht so weit.
    Sie sind jetzt seit sieben Jahren in der Regierungsverantwortung. Sie haben mit fünf Programmen 30 Milliarden DM ausgegeben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Wenn dabei gar nichts herauskommen sollte, wäre das schlimm genug; denn Sie haben die 30 Milliarden DM noch gar nicht bezahlt. Da haben wir noch die Ehre, in späteren Jahren das gemeinsam zu finanzieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Herr Ehrenberg, ich war ganz überrascht: Sie haben etwas von einer Wahlplattform erzählt! Davon müssen Sie auf telepathischem Weg erfahren haben. Mir ist das noch nicht bekannt. Gleichwohl muß ich sagen, daß Sie sich um das Problem des Erziehungsgeldes überhaupt nicht kümmern. An dieses Problem der finanziellen Unterstützung der Mutter bei der Erziehung des Kindes in den ersten drei Lebensjahren denken Sie gar nicht. An die Lösung dieses Problems gehen Sie nicht heran, weil das nicht in Ihre Gleichmacherei paßt. So ist es doch.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)




    Höcherl
    Nun darf ich mich aber dem Herrn Bundeswirtschaftsminister Friderichs zuwenden. Ich bin versucht, Herr Dr. Friderichs, ein kleines wirtschaftspolitisches Psychogramm von Ihnen zu zeichnen. Ich kenne Sie ja schon ziemlich lange und erinnere mich mit Vergnügen an die Zeit, als Sie noch in reinem marktwirtschaftlichem Geiste aus der Handelskammer kommend als junger Abgeordneter in dieses Haus einzogen, noch nicht verdorben durch das Untermietverhältnis, das Sie zur Zeit mit der SPD unterhalten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich muß sagen, Sie haben ein scharfes und gutes Florett gefochten. Wenn Sie diese Grundsätze von damals auf Ihre praktische politische Arbeit übertragen hätten, würde es uns allen etwas besser ergehen.
    Dann haben Sie eine Lehrzeit durchgemacht, eine sehr gesunde Lehrzeit, auch eine strukturpolitische Lehrzeit, und dann kamen Sie wieder. Ich will die Einzelheiten Ihrer damaligen Berufung jetzt hier nicht vortragen. Sie wurden gekürt; das wissen Sie. Wir haben auch im Grunde gar nichts dagegen. Sie sind uns lieber als ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber ich darf Sie vielleicht an Ihre erste Rede erinnern, die Sie im durchaus verständlichen und begreiflichen Selbstgefühl der neu erworbenen Würde zur Regierungserklärung gehalten haben. Es war nicht uninteressant, was Sie damals gesagt haben. Sie haben erklärt, wir stünden vor einem Aufschwung, also in einer Situation, die für den Kollegen Ehrenberg schon wieder existiert, für Sie aber erst bis zur Erholung gediehen ist. Ich lasse nur diese Vorsicht eingehen. Wir sind hier kein analytischer Verein und kein Proseminar, obwohl wir bei Ihren Ausführungen oft den Eindruck hatten, daß der neu Habilitierte uns seine Weisheiten vermittelte. Aber immerhin: dies ist kein analytisches Seminar, sondern wir haben hier operative Vorschläge zu machen. Wir haben damals, 1972, solche Vorschläge gemacht.
    Jetzt gehe ich aber nicht so weit, Sie in Sippenhaft für alte Sünden Ihrer Vorgänger zu nehmen, die heute ganz hohe Würden innehaben. Wir haben hier auch eine interessante Entwicklung zu verzeichnen. An der Spitze steht ein Direktorium, ein diplomiertes, volkswirtschaftlich gebildetes Direktorium mit einem schweren Hamburger Einschlag. Aber auch aus der österreichischen Schule kommt jemand, nämlich Sie. Eigentlich dürfte wirtschaftspolitisch überhaupt nichts fehlen. Eine derartige Ausstattung, Bestückung hatten wir an der Spitze der Bundesregierung noch nicht. Kürzlich hat der Herr Bundeskanzler es für richtig gehalten, in der „Wirtschaftswoche" zu erklären, er habe zwar einen gewissen Respekt vor dem ersten Bundeskanzler, müsse ihm aber alle wirtschaftspolitischen Fähigkeiten absprechen. Er hatte immerhin so viele Fähigkeiten, daß er den richtigen Mann gesucht und auf ihn gehört hat, einen Mann, der 20 Jahre
    lang eine blühende Wirtschaftspolitik treiben konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. h. c. Dr.Ing. E. h. Möller [SPD] : Er hat nicht immer auf ihn gehört! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Herr Dr. Friderichs, es war 1972 nicht verboten, die Entwicklung, die sich schon seit 1970 angebahnt hatte, zu erkennen. Sie meinten damals, es sei ein Aufschwung; in Wirklichkeit war die Temperatur des Wirtschaftsaggregates bereits ziemlich heiß. Sie hätten schon im Jahre 1970 erkennen können, daß man abschöpfen mußte und daß es dafür allerhöchste Zeit war. Hier in diesem Saale wurde bei der Aussprache zur Regierungserklärung ein für eine Opposition einmaliges konstruktives Angebot gemacht,

    (Dr. Wörner [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    nämlich — Herr Dr. Barzel hat es getan — diese Maßnahmen gemeinsam mit Ihnen zu tragen.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    Dann wären vielleicht die Folgen der Ölkrise und der Erhöhung der Rohstoffpreise, all diese Dinge, die von außen auf uns einstürmten und die wir auch nicht leugnen, nicht so schwerwiegend gewesen, wenn das damals geschehen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nein, meine Damen und Herren, damals lagen die Dinge ganz anders. Man befand sich in einer Euphorie, wie sie jeder inflationäre Vorgang zunächst erzeugt, der sich draußen sehr angenehm auswirkt, weil die meisten ihn nicht sehen. Sie haben die Öffentlichkeit ja nicht aufgeklärt. Sie hätten sie aufklären müssen. Wir wollen ja hier von Ihnen die Wahrheit und nicht irgendwelche Verschönerungen und kosmetische Leistungen hören. Wenn Sie das damals rechtzeitig gemacht hätten und auf unsere Vorschläge eingegangen wären, hätten wir die Folgen nicht so verspürt. Das ist genauso wie bei einer Krankheit: Der verspätete Eingriff ist ein chirurgischer. Von der Homöopathie mußten Sie zur Allopathie greifen.
    Warum hat man damals nichts unternommen? Das war ein herrliches Bühnenstück. Bei den außenpolitischen Absichten, für die Sie natürlich ein gutes Klima brauchten, und für die Wahl 1972, die Sie noch vor sich hatten, durfte man natürlich nicht zugreifen, durfte man nicht ernsthaft marktwirtschaftliche Politik treiben. Es durfte kein Schmerz verursacht werden, nein, das Klima mußte zephyr-mäßig sein, damit Sie das alles über die Bühne bringen konnten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Nun sagen Sie, sehr einschneidend sei das Hereinströmen von 20 Milliarden an Devisen auf unseren Markt gewesen, und das hätten wir wegen „Bretton Woods" nicht bereinigen können. Es ist richtig, daß wir noch in der Pflicht dieser Vereinbarung waren. Sie ist aber später auch geändert worden. Ich meine, erhebliche Anstrengungen, ernsthafte Anstrengungen, die Sie gar nicht unternommen haben, hätten vielleicht dazu geführt, Remedur



    Höcherl
    zu schaffen. Sie haben es nicht gemacht, an der Spitze die drei diplomierten Volkswirte, Sie haben nichts unternommen. Auf einmal wurde dann das Ruder herumgerissen, nachdem wir eine Inflationsrate von 7 % hatten, aus der Inflationsrate in eine zunehmende Arbeitslosigkeit und dann mitten hinein in die Rezession gekommen sind. Das war doch der klassische Ablauf. Aber, Herr Friderichs, das lernt man doch in den ersten Semestern. Wir leben ja nicht mehr in der Zeit, als es keine Konjunkturtheorie gab. In den ersten Semestern lernt man das. Ich möchte sagen, das gehört bei den Volkswirten zum zweiten oder dritten Schein.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich brauche die Folgen auch im Interesse der fortgeschrittenen Zeit nicht aufzuzählen. Sie sind x-mal dargestellt worden, sie bewegen sich nach wie vor in Größenordnungen, die uns vor aller Augen nur peinlich sein können. Wenn eine Million Menschen, die arbeiten wollen, nicht arbeiten können, zur Volkswirtschaft nichts beitragen können und 10 Milliarden DM für ihre Alimentation beanspruchen, so sind das ernsthafte Vorgänge.

    (Zuruf des Abg. Dr. von Bülow [SPD])

    Meine Damen und Herren, die entscheidende Frage scheint mir aber eine ganz andere zu sein. Sie und viele andere geben Bekenntnisse zur Marktwirtschaft ab. Ich gestehe Ihnen durchaus zu, daß sie subjektiv durchaus zutreffend sind. Diese Bekenntnisse fließen Ihnen mit frommem Augenaufschlag elegant von den Lippen. Ich habe aber immer das Gefühl, Sie können sich nicht so richtig durchsetzen, weder in Ihrer eigenen Partei noch in der Regierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da gibt es ein peinliches Defizit zwischen Worten, Verkündigungen und Taten. Auch Ihre eigene Fraktion ist ja marktwirtschaftlich nicht so einwandfrei. Wenn ich an die sehr verehrte Frau Kollegin Schuchardt, eine gesellschaftspolitische Amazone, denke,

    (Heiterkeit)

    kann ich mir vorstellen, daß Sie das gar nicht so leicht haben. Sehr geachtete Kollegen, deren marktwirtschaftliches Gewissen absolut rein ist, mußten einen Listenplatz einbüßen.

    (Erneute Heiterkeit)

    In der Regierung selbst ist Ihr Durchsetzungsvermögen auch sehr schwach, außerordentlich schwach ausgeprägt. Ich weiß nicht, ob es Ihnen im Streit dieser drei Volkswirte nicht gelingt, die Hamburger Schule zu überwinden und die alte österreichische Schule, die auf diesem Gebiet sehr solide ist, zur Anwendung zu bringen.

    (Heiterkeit)

    Noch ein ernstes Wort dazu: Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren insbesondere von der SPD, daß Sie sich vom Pfad der Tugend der Marktwirtschaft mehr und mehr abwenden. Natürlich wird das unter der Strategie von Herrn Wehner nicht gesagt. Nein, das geht genauso, wie damals
    von ihm die Große Koalition gesteuert worden ist. Das war ein Meisterstück, ich gebe es Ihnen zu.

    (Heiterkeit und Zurufe von der SPD)

    Beim Abweichen vom Pfad der Tugend der Marktwirtschaft geht man natürlich nicht grobkörnig vor,

    (Zuruf von der SPD)

    da kommen Dinge, an die man vielleicht früher einmal gedacht hat, wie etwa Verstaatlichungen, nicht vor. Nein, da wird eine kleine Maßnahme an die andere gesetzt. Außerdem bedient man sich neuer Ausdrücke. Es war ja gestern in dieser — na ja — moralischen Veranstaltung

    (Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall)

    sehr viel vom demokratischen Sozialismus die Rede. Das ist natürlich keine Lautverschiebung und auch kein semantisches Glasperlenspiel. Zufälle, Herr Wehner, gibt es bei Ihnen nicht. Es ist so praktisch, schön langsam sich von dem ehrlichen, anständigen Namen „Sozialdemokraten" wegzubewegen. Ein neues Wort — und schon geht es auf. Das hört sich auch wunderbar an; ich bestreite das gar nicht. Es geht auch unter die Haut. Und dann kann man auf einmal über Jahre hinweg mit leichtfertiger Duldung der sogenannten Liberalen bei uns — —