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ID0724212900

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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 242. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Mai 1976 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Müller (Remscheid) 17033 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 17033 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und des Gesetzes über das Branntweinmonopol —Drucksache 7/4518—, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/5096 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes — Drucksache 4428 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses —Drucksache 7/5149 — in Verbindung mit Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 (Haushaltsgesetz 1976) — Drucksachen 7/4100, 7/4629 —, Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 7/5038 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 7/5053 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 7/5057 — Dr. Becker (Mönchengladbach) CDU/CSU . 17034 B Dr. von Bülow SPD 17035 A Dr. Althammer CDU/CSU . . . . . . 17043 B Kirst FDP 17050 C Dr. Apel, Bundesminister BMF . 17058 C, 17122 B Strauß CDU/CSU 17068 B Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 17080 D Dr. Häfele CDU/CSU 17092 A Frau Huber SPD 17099 A Frau Funcke FDP . . . . . . . . . 17105 A Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . 17107 D Bremer CDU/CSU 17109 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Mai 1976 Dr. Böhme (Freiburg) SPD 17111 D Schinzel SPD 17113 C Wohlrabe CDU/CSU 17115 B Dr. Dübber SPD 17118 A Dr. von Bülow SPD . . . . . . . . 17118 D Pieroth CDU/CSU 17119 A Frau Renger, Präsident . . . . . . . 17076 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 7/5039 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1976 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1976) — Drucksache 7/4513 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 7/5135 — Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 17123 C Dr. Ehrenberg SPD 17126 C Dr. von Bismarck CDU/CSU 17131 B Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . 17134 D, 17145 B Höcherl CDU/CSU . . . . . . . . . 17141 B Frau Dr. Glotz-Martiny SPD 17145 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 7/5042, 7/5085 — in Verbindung mit Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 7/5043 — Müller (Nordenham) SPD 17148 A Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/CSU . 17150 C Ollesch FDP 17153 A Dr. Jobst CDU/CSU 17157 D Gscheidle, Bundesminister BMV/BMP . 17161 C, 17179 B Lemmrich CDU/CSU . . . . . . . . 17168 C Wrede SPD 17170 B Dr. Dollinger CDU/CSU . . . . . . . 17172 C Wuttke SPD 17174 C Hoffie FDP 17176 D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 7/5044 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 7/5055 — 17180 A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 7/5051 — in Verbindung mit Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Haenschke, Konrad, Schäfer (Appenweier), Dr. Ehrenberg, Junghans, Kern, Liedtke, Reuschenbach, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Hirsch, Dr. Wendig, Kleinert, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Graf Lambsdorff, Zywietz und der Fraktionen der SPD, FDP betr. friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr.-Ing. Laermann, Hoffie, Dr. Graf Lambsdorff, Frau Schuchardt, Kern, Wolfram (Recklinghausen), Flämig, Dr. Jens, Kaffka, Dr. Lohmar, Reuschenbach, Scheu, Schwedler, Stahl (Kempen) und der Fraktionen der SPD, FDP betr. rationelle und sparsame Energieverwendung und zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Haenschke, Konrad, Schäfer (Appenweier), Dr. Ehrenberg, Junghans, Kern, Liedtke, Reuschenbach, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Hirsch, Dr. Wendig, Kleinert, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Graf Lambsdorff, Zywietz und der Fraktionen der SPD, FDP betr. friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 7/4600, 7/4607, 7/4948 — . . 17181 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 7/5052 — 17181 D Nächste Sitzung 17182 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17183* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Mai 1976 17033 242. Sitzung Bonn, den 13. Mai 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 240. Sitzung, Seite 16922 C, Zeile 24, ist statt „einer Gegenstimme" zu lesen: „zwei Gegenstimmen" ; 241. Sitzung, Seite 17026 C, Zeile 2, ist statt „3,3 Millionen DM" zu lesen: „3,3 Millionen Bürger". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Achenbach * 14. 5. Adams * 14. 5. Dr. Aigner * 14. 5. Dr. Artzinger * 14. 5. Dr. Bangemann * 14. 5. Dr. Bayerl * 14. 5. Behrendt * 14. 5. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld * 14. 5. Frau von Bothmer ** 13. 5. Prof. Dr. Burgbacher * 14. 5. Dr. Corterier * 14. 5. Dr. Enders ** 13. 5. Entrup 14. 5. Fellermaier * 14. 5. Flämig * 14. 5. Frehsee * 14. 5. Dr. Früh * 14. 5. Gerlach (Emsland) * 14. 5. Gewandt 14. 5. Härzschel * 14. 5. Hussing 21.5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 5. Dr. Kempfler 14. 5. Dr. Klepsch * 14. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Krall * 14. 5. von Kühlmann-Stumm 14. 5. Lange * 14.5. Lautenschlager * 14. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 14. 5. Lenzer ** 13. 5. Lücker * 14. 5. Memmel * 14. 5. Mick 14. 5. Müller (Mülheim) * 14. 5. Müller (München) ** 13. 5. Müller (Remscheid) 13. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 5. Dr. Narjes 14. 5. Rosenthal 14. 5. Roser 21.5. Seibert 21.5. Schmidt (München) * 14. 5. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 5. Schwabe * 14. 5. Dr. Schwörer * 14. 5. Seefeld * 14. 5. Springorum * 14. 5. Dr. Starke (Franken) * 14. 5. Suck * 14. 5. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 5. Walkhoff * 14. 5. Walther 14. 5. Frau Dr. Walz * 14. 5. Dr. Warnke 14. 5. Wende 21.5. von Wrangel 13. 5. Zeyer 14. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Rolf Bremer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion lehnt die Erhöhung der Tabak- und der Branntweinsteuer ab. Sie läßt sich in dieser Haltung von einer Reihe von Gründen leiten. Die entscheidenden hat mein Kollege Dr. Häfele vorhin schon im Zusammenhang mit der Debatte um die Erhöhung der Mehrwertsteuer genannt. Dies ist nicht die Stunde und dies ist nicht die Lage, in der der Staat Steuererhöhungen beschließen darf. Es gibt nicht nur eine Steuermoral des Bürgers, es gibt auch eine Besteuerungsmoral des Staates,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    die sich beim Erlaß von Steuergesetzen manifestiert.
    Wenn der Staat feststellen muß — und das ist ja mittlerweile Allgemeingut in diesem Lande geworden —, daß er es mit einem strukturellen Ausgabenüberhang zu tun hat, also über seine Verhältnisse



    Bremer
    lebt — entgegen den Protesten sei das noch einmal wiederholt —, dann darf er sein Heil nicht in einer Steuererhöhung suchen, sondern er muß sparen. Eine Steuererhöhung in dieser Lage verstößt gegen die Prinzipien der Besteuerungsmoral, denn damit wird der Bürger nicht nur für eine fehlerhafte Politik des Staates, hier der Bundesregierung, zur Kasse gebeten, sondern auch für ihr Unvermögen, den falschen Kurs zu berichtigen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Nun ist mit einem gewissen Erfolg versucht worden, den Eindruck zu erwecken, als ob eine Erhöhung der Verbrauchsteuern auf Tabak und Spirituosen nicht an jenen Maßstäben zu messen seien, an denen andere indirekte und direkte Steuern gemessen werden. Es wird auf die Vorstellung spekuliert, die Besteuerung treffe ja ohnehin nur Luxusgüter, die überdies unter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten auch einmal einen kräftigen Stoß, sprich: einen gewissen Verbrauchsrückgang, vertragen könnten. Erfreulicherweise haben diese Beweggründe im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren keine Bedeutung erlangt, zumal sich die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen damit zu Ihren eigenen Zielvorstellungen in Widerspruch gesetzt hätten. Sie wollen ja schließlich Mehreinnahmen erzielen.
    Damit ist auch schon genau das Stichwort für einen weiteren Ablehnungsgrund der Opposition genannt worden. Wir haben begründbare Zweifel, ob die von der Regierung erwarteten Mehreinnahmen tatsächlich aufkommen werden. Die Regierung veranschlagt für die Tabaksteuer 1977 ein Mehr von 1 Milliarde, für die Branntweinsteuer 300 Millionen. Richtig ist, daß sie damit in Auswertung der Erfahrungen aus dem Verbraucherverhalten nach vorangegangenen entsprechenden Steuererhöhungen unter jenen Zahlen geblieben ist, die sich rein rechnerisch ergeben würden. Aber im Gegensatz zu den Erhöhungen der Tabaksteuer in den Jahren 1967 und 1972 — der Branntweinsteuer 1965 und 1971 — haben wir diesmal eine erheblich veränderte Markt-und Konjunkturlandschaft vor uns. Bei der Tabaksteuer registrieren wir erstmalig, ohne daß eine vorangehende Steuererhöhung das Verhalten des Verbrauchers beeinflußt haben könnte, für 1975 einen leichten Aufkommensrückgang von fast 1 %. Hier schlägt sich der stagnierende Konsum an Zigaretten nieder, auf den allein 971/2 % des gesamten Tabaksteueraufkommens von 8,9 Milliarden DM in 1975 zurückgehen. Ganz abgesehen von einem ohnehin langfristig stagnierenden Rauchtabakmarkt und einem kontinuierlich zurückgehenden Zigarrenabsatz. Im Gegensatz dazu trafen die vorangehenden Steuererhöhungen auf einen kräftig expandierenden Zigarettenmarkt. Die damaligen Steuererhöhungen ließen das Aufkommen nur um 2,3 und 0,8 % im ersten Jahr danach zurückgehen, um anschließend wieder sofort kräftig zu expandieren.
    Unterschiedliche Voraussetzungen sind aber auch noch in einer anderen, psychologisch bedeutsamen Hinsicht gegeben. Auch dies sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt. Während die Zigarettenindustrie und der Automatenhandel, über den gut 60 °/o des Absatzes an Zigaretten in der Bundesrepublik laufen, den Steuererhöhungen der Vergangenheit durch Verminderung der Zigarettenzahl pro Schachtel und unter Beibehaltung des Automatenpreises von 2 DM Rechnung tragen konnte, wird nunmehr der Übergang zur 3-DM-Packung unumgänglich. Hier muß also mit einer zusätzlichen psychologischen Sperrwirkung gerechnet werden. Wir halten aus diesem Grunde den von der Bundesregierung in ihrer Schätzung eingebauten Verbrauchsrückgang von 5 % in 1977 für unrealistisch, weil zu niedrig.
    Die Bedenken, daß der veranschlagte Zuwachs im Steueraufkommen bei weitem nicht erreicht wird, haben verstärktes Gewicht für den Spirituosenmarkt. Der Konsum an sogenannten harten Spirituosen stagniert, ja er dürfte 1975 sogar leicht rückläufig gewesen sein. Die Steuererhöhung betrifft zudem eine Warengattung, deren Kleinverkaufspreise nach den übereinstimmenden Bekundungen der betreffenden Industrie wie auch der Gewerkschaften und der Betriebsräte im Anhörungsverfahren vor dem Finanzausschuß weitgehend ausgereizt sind. Da ist also kein Raum mehr, um noch Steuererhöhungen aufzufangen.
    In den unteren und mittleren Konsumlagen ist auf breiter Front mit einem Überschreiten des verkaufspsychologisch wichtigen Schwellenpreises von 10 DM je Flasche zu rechnen mit der Folge eines zusätzlichen Bremseffekts für den Absatz. Woher die Bundesregierung unter diesen Umständen ihren Optimismus bezieht, daß sich das bisher bei 3,3 Milliarden DM liegende Branntweinsteueraufkommen um weitere 300 Millionen DM im Jahre 1977 erhöhen werde, ist unerfindlich. Schon eine Zuwachserwartung in Höhe der Hälfte, also um 150 Millionen DM, erscheint nicht unbedenklich.
    Wie sich denn überhaupt an dieser Stelle schon die Gretchen-Frage stellt, ob die beiden Steuern auf Tabak und Spirituosen nicht ausgereizt sind. Entsprechende Zweifel sind bereits jeweils nach den Steuererhöhungen der Vergangenheit angemeldet worden. Eine pauschale Antwort darauf wird sich nicht finden lassen. Stets werden die konjunkturelle Situation ebenso wie das Konsumverhalten in die Entscheidung einzubeziehen sein. Aber die zu diesem Zeitpunkt erkennbaren Indikatoren lassen es doch geboten erscheinen, die Bundesregierung und die Koalition an jene Erfahrungen zu erinnern, die sich weise Steuereinzieher seit alters her zu eigen gemacht haben, etwa an die des Kaisers Tiberius in einer Anordnung an seine Präfekten: Der gute Hirte soll das Vieh scheren, aber nicht schlachten; oder an die Weisheit eines Unbekannten aus dem Jahre 1618: Wenn die Hühner gar geschlachtet werden, legen sie nimmer Eier.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    Im Hinblick auf diesen nach Auffassung der CDU/ CSU zu erwartenden wesentlich geringeren fiskalischen Effekt der vorgesehenen Steuererhöhungen ist der Frage möglicher nachteiliger Auswirkungen um so größere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Unternehmer wie Gewerkschaften haben im Anhö-



    Bremer
    rungsverfahren vor dem Finanzausschuß — wenn ich es richtig sehe, erstmals gemeinsam — in diesem Zusammenhang durchgreifende Einwände und Bedenken angemeldet. Im Vordergrund stand die immer wieder vorgetragene Warnung vor einem nachhaltigen Absatzeinbruch und einem dadurch ausgelösten nachhaltigen Arbeitsplatzverlust

    (Pohlmann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    mit der daraus wieder folgenden fast unlösbaren Schwierigkeit, für die freigesetzten Arbeitskräfte — vor allem im Hinblick auf den hohen weiblichen Anteil der Beschäftigten, die Spezialisierung und die regional schwerpunktmäßig verdichteten Wirtschaftszweige, um die es hier geht — entsprechende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden.
    Im gleichen Maße gewichtig erscheint uns das Argument eines drohenden Verlustes mittelständischer Existenzen. Ohne den Konzentrationsprozeß auch in diesen Wirtschaftszweigen der Tabak-und Spirituosenhersteller verkennen zu wollen, wird niemand die auch heute noch gegebene mittelständische Struktur — etwa der Spirituosenbranche mit 964 Betrieben und 12 900 Beschäftigten im Jahre 1974 — wegdiskutieren wollen. Da alle Erfahrung die weitaus stärkere Gefährdung kleinerer Betriebe — durch zwangsläufige Preisanhebungen, die eine Steuererhöhung nun einmal bedeutet — belegt, kann es nicht im Sinne einer doch auch von der Bundesregierung gelegentlich beschworenen Mittelstandspolitik liegen, diesen Konzentrations- und Gefährdungsprozeß durch Steuererhöhungen noch zu verstärken. Die CDU/CSU kann sich jedenfalls zu einer derartigen Politik einer bewußten Inkaufnahme der Vernichtung von Arbeitsplätzen wie auch mittelständischer Existenzen nicht verstehen.
    In die gleiche Richtung würde schließlich — in der bisherigen Diskussion weitgehend unbeachtet geblieben — auch die weitere Verschiebung der Preisrelation zwischen inländischen und ausländischen Waren der beiden Warengattungen Tabak-und Spirituosenerzeugnisse wirken. Das ohnehin bestehende Preisgefälle würde sich vergrößern. Schon bisher sind dem Fiskus allein im Bereich der Tabaksteuer durch illegale Einfuhren Einnahmen in Höhe von 500 bis 600 Millionen DM jährlich verlorengegangen. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, daß sich dieser Anreiz zu derartigen Einfuhren zu Lasten der deutschen Hersteller noch verstärken würde. In diesem Teilbereich hätten wir zumindest konkrete Vorschläge für flankierende Maßnahmen erwartet; wir haben auf sie vergebens warten müssen.
    Schließlich ist an dieser Stelle auch noch eine dringende Mahnung vorzubringen. Die SPD/FDP-Koalition geht mit einer Erhöhung der Branntweinsteuer — neben der Erhöhung der Tabaksteuer — zum zweiten Male nach 1969 den scheinbar leichten Weg des geringsten Widerstandes. Sie übersieht dabei offensichtlich die Gefahren, die sich aus einer immer weiter auseinanderdriftenden Entwicklung der steuerlichen Belastungswerte für Spirituosen einerseits und der übrigen Alkoholerzeugnisse wie Bier, Sekt und Wein andererseits ergeben können. Nicht nur, daß sich dadurch in diesen überwiegend mittelständisch gegliederten Wirtschaftsbereichen das gesamte Strukturgefüge durch einen verfälschenden Substitutionswettbewerb immer mehr zu verschieben droht; Regierung und Koalition scheinen auch die verfassungsrechtlichen Bedenken zu unterschätzen, die sich mit jeder weiteren einseitigen Erhöhung der Branntweinsteuer — es ist die vierte nach dem Kriege — einseitig immer mehr verstärken. Meine Damen und Herren, um es im Klartext zu sagen: Wir wollen nicht, daß wir eines Tages hier darüber diskutieren müssen, ob wir eine Steuer auch für den Wein einführen. Das gerade soll vermieden werden, das gerade ist mit ein Grund, wenn wir nein sagen.
    Die Koalitionsfraktionen haben sich gegenüber den nicht zuletzt auch von den Gewerkschaften mit Nachdruck vorgetragenen Gesichtspunkten zu unserem Bedauern nur insoweit aufgeschlossen gezeigt, als sie den Plan zur Erhöhung der Tabaksteuer auf Zigarren gänzlich haben fallenlassen. Im Bereich der Besteuerung des Rauchtabaks haben sie leichten Korrekturen des Steuererhöhungssatzes nach unten zugestimmt. Aber sie sind damit sozusagen auf halbem Wege stehengeblieben. Ihr Haltepunkt wird ziemlich genau durch den mit der jeweiligen Korrektur der Regierungsvorlage verbundenen Steuerausfall markiert. Wo es um vergleichsweise geringfügige Schmälerungen der erwarteten Mehreinnahmen ging, wie bei der Tabaksteuer auf Zigarren, zum Teil bei der Tabaksteuer auf Rauchtabak, haben sie sich entschlossen, den eindrucksvollen Gegenvorstellungen zu folgen; wo es in ihren Augen teuer wurde, haben sie sich auf den Boden der Regierungsvorlage gestellt.
    Eine politisch verantwortungsbewußte Abwägung des Für und Wider, der Vor- und Nachteile, muß jedoch nach den im Gesetzgebungsverfahren gewonnenen Erkenntnissen zur Verwerfung der Regierungsvorlage im ganzen führen. Die CDU/CSU nimmt nicht mehr und nicht weniger für sich in Anspruch als dies, die für sämtliche Bereiche des hier zur Entscheidung stehenden Steuererhöhungspaketes gleichgewichtigen Gegengründe auch gleichgewichtig zu bewerten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Böhme (Freiburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rolf Böhme


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Koalition habe ich die Begründung für die Erhöhung der Tabaksteuer abzugeben. Ich bitte jedoch, vorab einige Bemerkungen machen zu dürfen, die sich auf das beziehen, was in der heutigen Debatte gesagt worden ist, zunächst zur Körperschaftsteuerreform.
    Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanzausschuß wissen, daß wir nächste Woche im Finanzausschuß mit den Schlußabstimmungen über die Körperschaftsteuerreform beginnen wollen. Ich



    Dr. Böhme (Freiburg)

    halte es angesichts dieser Situation für grotesk, nein, für einen schlechten Stil, hier wider besseres Wissen zu behaupten, die Körperschaftsteuerreform komme nicht, obwohl im Finanzausschuß entschieden worden ist, daß nächste Woche mit den Schlußabstimmungen begonnen wird. Freilich, die Körperschaftsteuer, das Grundgesetz, wenn man so will, der Unternehmensbesteuerung, muß gründlich beraten werden. Einer Reform muß eine gründliche Beratung vorangehen, eine Beratung, sehr verehrte Kollegen von der CDU/CSU, an der Sie sich überwiegend nicht beteiligt haben, sondern bei der Sie sich überwiegend wie stumme Diener verhalten haben.
    Zweitens zum Thema Mehrwertsteuer. Herr Dr. Häfele, es ist fast tragikomisch, daß Sie heute als der Sprecher der Opposition gegen die Mehrwertsteuererhöhung aufgetreten sind, obwohl Sie eigentlich seit Jahren für die Erhöhung der Mehrwertsteuer eingetreten sind.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU]: Für die Steuerreform! Das dürfen Sie nicht verwechseln!)

    — Ja, im Zusammenhang mit einer Steuerreform. Aber Sie haben vor einer Stunde an diesem Pult auch gesagt, daß Sie genauso Steuerermäßigungen gefordert hätten. Irgendwann müssen Sie also Roß und Reiter nennen.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU]: Zum Ausgleich!)

    — Sie haben bereits Anfang 1974 in einem Aufsatz klar und deutlich gefordert, daß die Mehrwertsteuer erhöht wird.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU] : Steuerreform! Herr Böhme, lesen Sie es bitte nach! Genau lesen!)

    Also rufen Sie heute bitte nicht im Plenum des Deutschen Bundestages den Eindruck hervor, Sie hätten grundsätzliche Einwendungen gegen eine Mehrwertsteuererhöhung. Dies ist nicht wahr.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Häfele [CDU/CSU]: Doch! Genau lesen und nicht verzerren! Verzerren Sie bitte nicht die Wahrheit!)

    — Ja, ich habe den Aufsatz sehr genau nachgelesen.
    Das können Sie nicht dementieren, das ist gedruckt.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU] : Er handelt von der Steuerreform!)

    — Es ist ein ausgedruckter Aufsatz.
    Sie haben auch unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Landtagswahl in Baden-Württemberg Ausführungen, und zwar am Schluß sehr emphatische, zum „Abgabenstaat" gemacht und erklärt, Ihre Losung sei: weniger Staat. Dazu ist unter dem Stichwort Staatsquote schon einiges gesagt worden. Aber auch hier möchte ich Sie bitten, einmal konkret zu werden, denn die Bevölkerung soll wissen, was sich eigentlich hinter diesem Begriff verbirgt. Es sind z. B. die sozialen Transferleistungen bei den Kriegsopfern, bei den Sozialrenten, bei BAFöG, bei Wohngeld, beim Berufsbildungsgesetz. Im badenwürttembergischen Landtagswahlkampf hat Herr
    Dr. Filbinger landab, landauf eine Erhöhung des Wohngeldes gefordert.

    (Zurufe von der SPD)

    Das wäre genau darauf hinausgelaufen, die Staatsquote auf diesem Gebiet zu erhöhen. So wird hier argumentiert, und so wird hier je nach Ort und Lage die Argumentation verdreht.
    Ein anderes Beispiel ist der berühmte Subventionsbericht. Auch hier wird viel davon geredet, Subventionen abzubauen, konkret habe ich aber von Ihnen nie ein Wort gehört, wo man eine Subvention tatsächlich abbauen kann.

    (Zurufe von der SPD: Sehr wahr, nicht eine müde Mark!)

    Es genügt also nicht, Herr Dr. Häfele, sich hier hinzustellen und ein Klagelied über die Staatsquote zu singen, aber dann, wenn es konkret wird, nichts zu unternehmen. Wenn es konkret wird, wird nichts vorgeschlagen. Man kann bei Ihnen sagen: Es kreißt der Berg, und er gebiert ein Mäuschen.

    (Zurufe von der SPD: Nicht einmal das! — Weitere Zurufe von der SPD — Gansel [SPD]: Eine Filzlaus!)

    Nun zur Tabaksteuer, meine Damen und Herren. Auch der Gesetzentwurf zur Erhöhung der Tabaksteuer ist ein wesentliches Teilstück der Maßnahmen zur Konsolidierung des Haushalts des Jahres 1977 und der nachfolgenden Jahre. Die aus der Erhöhung der Tabaksteuer zu erwartenden Mehreinnahmen betragen jährlich rund eine Milliarde DM. Aber dieses erwünschte fiskalische Ergebnis ist nur ein Gesichtspunkt. Hinzu kommt, daß die Erhöhung der Tabaksteuer finanzpolitisch auch dazu beiträgt, die Aufgliederung des Steueraufkommens nach den Steuergruppen erträglicher und ausgeglichener zu gestalten. Ein Blick in die entsprechende Statistik des jährlichen Finanzberichts zeigt nämlich, daß der Anteil der sogenannten Verbrauchsteuern, wozu die Tabaksteuer gehört, am Gesamtsteueraufkommen rückläufig ist, während gleichzeitig die Steuern auf das Einkommen gestiegen sind.
    Es war heute im Laufe der Debatte sehr oft von der Steuerlast die Rede. Darauf will ich jetzt nicht eingehen. Interessant ist vielmehr eine andere Tabelle, die sich mit der Gliederung des Steueraufkommens befaßt. Danach stellen wir fest, daß seit 1965 die Steuern auf das Einkommen und Vermögen gestiegen sind, während die Steuern auf die Einkommensverwendung, nämlich Steuern vom Umsatz, Kfz-Steuer, Mineralölsteuer, Zölle und die sonstigen Steuern vom Verbrauch gesunken sind. Bei den Verbrauchsteuern, also bei Tabak und Alkohol, ist der Anteil am Gesamtsteueraufkommen in Höhe von 8,9 % im Jahre 1965 bis zum Jahre 1976 auf 6,6 % gesunken. Dies hängt damit zusammen, daß die Besteuerungsgrundlage zu einem Teil nicht vom Geldwert abhängig ist, sondern die Steuer nach Maß, Zahl und Gewicht genommen wird, so daß da ein Degressionseffekt eingebaut ist. Ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang wichtig, darauf hinzuweisen, daß hier auf die Dauer keine zu großen Veränderungen und Verschiebungen hingenommen werden dürfen, so daß eine maßvolle Tabaksteuer-



    Dr. Böhme (Freiburg)

    erhöhung aus diesem allgemeinen finanzpolitischen Grund vertretbar, aber auch notwendig ist.
    Meine Damen und Herren, das Mehraufkommen soll durch eine 18°/oige Erhöhung der Tabaksteuer erzielt werden. Die neuen Sätze sind im einzelnen im Bericht des Finanzausschusses ausgedruckt. Zur Klarstellung ist hier noch festzustellen, daß die Steuersätze heute, vor Steueranhebung, bei den einzelnen Erzeugnissen unterschiedlich hoch sind und daß diese unterschiedlich hohen Sätze um jeweils 18 % erhöht werden mit der Folge, daß die Steueranhebung bei den einzelnen Tabakprodukten der Höhe nach unterschiedliche Auswirkungen hat. So ergibt sich z. B. für das am stärksten belastete Produkt, nämlich die Zigarette, eine Erhöhung um rund 6,7 Prozentpunkte und für Pfeifentabak nur eine Erhöhung um 2,1 Punkte.
    Die sich aus der Steueranhebung ergebenden Preiserhöhungen können sich nach diesen Zahlen in vernünftigen Grenzen halten, wobei in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen ist, daß sich der Preisindex für Tabakerzeugnisse insgesamt in einem Zeitraum von zehn Jahren nur von 100 auf 132 Punkte erhöht hat, während die Preise im Einzelhandel insgesamt in der gleichen Zeit auf etwa 142 Punkte gestiegen sind. Der Übergang zu den neuen Preisen geschieht überdies nicht von einem Tag auf den andern, sondern während der im Gesetz vorgesehenen Übergangszeit von drei Monaten. Dadurch werden technische Schwierigkeiten vermieden. Etwa die Hälfte aller Zigaretten wird ja aus Automaten abgesetzt.
    Außerdem darf nicht übersehen werden, daß Verbraucher- und Tabakwirtschaft keinesfalls über Gebühr belastet werden. Auch nach der Erhöhung der Tabaksteuer trägt der Raucher in der Bundesrepublik nicht in stärkerem Maß zum Staatshaushalt bei als der Raucher in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Tabakerzeugnisse sind auch nach der Steuererhöhung in unserem Land nicht höher, sondern teilweise sogar weniger belastet als durchschnittlich in den übrigen EG-Ländern.
    Besondere Sorgfalt widmete der Ausschuß der Frage, ob die Tabaksteuererhöhung besondere Bereiche der Tabakwirtschaft beeinträchtigen und Arbeitsplätze gefährden könnte. Nach Anhörung der beteiligten Wirtschaftsverbände, der Gewerkschaften und des Verbraucherverbands schlägt der Finanzausschuß in Erwägung dieser Gründe vor, die Tabaksteuer für Zigarren nicht zu erhöhen und die Tabaksteuer für Rauchtabak in Angleichung an die Erhöhung der Zigarettensteuer etwas geringer anzuheben, als es der Regierungsentwurf vorsieht.
    Die Nichterhöhung der Tabaksteuer für Zigarren berücksichtigt die seit Jahren schwierige Lage der kleinen und mittleren Zigarrenhersteller. Hinzu kommt, daß der Zigarrenabsatz in der Bundesrepublik seit Jahren rückläufig ist und daß das Steueraufkommen bei der Zigarre so gering und ebenfalls rückläufig ist, daß bei einer Erhöhung der Tabaksteuer auf die Zigarre mit einer Verbesserung des Aufkommens nicht gerechnet werden kann.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das hat Schmidt gesagt!)

    Die Gründe, die den Finanzausschuß veranlaßt haben, die Zigarren von der Tabaksteuererhöhung auszunehmen, sind bei Zigaretten und Rauchtabak nicht gegeben. Dies zeigt eine Analyse des Marktgeschehens nach den Steuererhöhungen in den Jahren 1967 und 1972. Weder die Absatzentwicklung noch die Arbeitsplätze sind durch die damalige Erhöhung beeinträchtigt worden. Einbußen beim mengenmäßigen Zigarettenabsatz waren jeweils nur von sehr kurzer Dauer, und der aus wirtschaftlicher Sicht ausschlaggebendere Umsatz nach Warenwert stieg bei Zigaretten und Rauchtabak zum Teil sogar erheblich höher als in den Jahren vor der Steueranhebung. Der Verband der Zigarettenindustrie hat daher gegen die Steuererhöhung keine Einwendungen erhoben. Die Vorschläge des Verbands der Rauchtabakindustrie konnten teilweise berticksichtigt werden.
    Insgesamt liegt somit dem Deutschen Bundestag ein wirtschaftlich und fiskalisch ausgewogenes Gesetz vor. Um dessen Annahme bitte ich im Namen der Koalition.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)