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ID0724204900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 242. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Mai 1976 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Müller (Remscheid) 17033 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 17033 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und des Gesetzes über das Branntweinmonopol —Drucksache 7/4518—, Bericht und Antrag des Finanzausschusses — Drucksache 7/5096 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes — Drucksache 4428 —, Bericht und Antrag des Finanzausschusses —Drucksache 7/5149 — in Verbindung mit Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 (Haushaltsgesetz 1976) — Drucksachen 7/4100, 7/4629 —, Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses in Verbindung mit Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 7/5038 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 7/5053 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 7/5057 — Dr. Becker (Mönchengladbach) CDU/CSU . 17034 B Dr. von Bülow SPD 17035 A Dr. Althammer CDU/CSU . . . . . . 17043 B Kirst FDP 17050 C Dr. Apel, Bundesminister BMF . 17058 C, 17122 B Strauß CDU/CSU 17068 B Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 17080 D Dr. Häfele CDU/CSU 17092 A Frau Huber SPD 17099 A Frau Funcke FDP . . . . . . . . . 17105 A Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . 17107 D Bremer CDU/CSU 17109 D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Mai 1976 Dr. Böhme (Freiburg) SPD 17111 D Schinzel SPD 17113 C Wohlrabe CDU/CSU 17115 B Dr. Dübber SPD 17118 A Dr. von Bülow SPD . . . . . . . . 17118 D Pieroth CDU/CSU 17119 A Frau Renger, Präsident . . . . . . . 17076 D Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 7/5039 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1976 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1976) — Drucksache 7/4513 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 7/5135 — Dr. Waigel CDU/CSU . . . . . . . . 17123 C Dr. Ehrenberg SPD 17126 C Dr. von Bismarck CDU/CSU 17131 B Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . 17134 D, 17145 B Höcherl CDU/CSU . . . . . . . . . 17141 B Frau Dr. Glotz-Martiny SPD 17145 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 7/5042, 7/5085 — in Verbindung mit Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 7/5043 — Müller (Nordenham) SPD 17148 A Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/CSU . 17150 C Ollesch FDP 17153 A Dr. Jobst CDU/CSU 17157 D Gscheidle, Bundesminister BMV/BMP . 17161 C, 17179 B Lemmrich CDU/CSU . . . . . . . . 17168 C Wrede SPD 17170 B Dr. Dollinger CDU/CSU . . . . . . . 17172 C Wuttke SPD 17174 C Hoffie FDP 17176 D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 7/5044 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 7/5055 — 17180 A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 7/5051 — in Verbindung mit Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Haenschke, Konrad, Schäfer (Appenweier), Dr. Ehrenberg, Junghans, Kern, Liedtke, Reuschenbach, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Hirsch, Dr. Wendig, Kleinert, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Graf Lambsdorff, Zywietz und der Fraktionen der SPD, FDP betr. friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr.-Ing. Laermann, Hoffie, Dr. Graf Lambsdorff, Frau Schuchardt, Kern, Wolfram (Recklinghausen), Flämig, Dr. Jens, Kaffka, Dr. Lohmar, Reuschenbach, Scheu, Schwedler, Stahl (Kempen) und der Fraktionen der SPD, FDP betr. rationelle und sparsame Energieverwendung und zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Haenschke, Konrad, Schäfer (Appenweier), Dr. Ehrenberg, Junghans, Kern, Liedtke, Reuschenbach, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Hirsch, Dr. Wendig, Kleinert, Dr.-Ing. Laermann, Dr. Graf Lambsdorff, Zywietz und der Fraktionen der SPD, FDP betr. friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 7/4600, 7/4607, 7/4948 — . . 17181 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 7/5052 — 17181 D Nächste Sitzung 17182 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17183* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Mai 1976 17033 242. Sitzung Bonn, den 13. Mai 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 240. Sitzung, Seite 16922 C, Zeile 24, ist statt „einer Gegenstimme" zu lesen: „zwei Gegenstimmen" ; 241. Sitzung, Seite 17026 C, Zeile 2, ist statt „3,3 Millionen DM" zu lesen: „3,3 Millionen Bürger". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Achenbach * 14. 5. Adams * 14. 5. Dr. Aigner * 14. 5. Dr. Artzinger * 14. 5. Dr. Bangemann * 14. 5. Dr. Bayerl * 14. 5. Behrendt * 14. 5. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld * 14. 5. Frau von Bothmer ** 13. 5. Prof. Dr. Burgbacher * 14. 5. Dr. Corterier * 14. 5. Dr. Enders ** 13. 5. Entrup 14. 5. Fellermaier * 14. 5. Flämig * 14. 5. Frehsee * 14. 5. Dr. Früh * 14. 5. Gerlach (Emsland) * 14. 5. Gewandt 14. 5. Härzschel * 14. 5. Hussing 21.5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 5. Dr. Kempfler 14. 5. Dr. Klepsch * 14. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Krall * 14. 5. von Kühlmann-Stumm 14. 5. Lange * 14.5. Lautenschlager * 14. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 14. 5. Lenzer ** 13. 5. Lücker * 14. 5. Memmel * 14. 5. Mick 14. 5. Müller (Mülheim) * 14. 5. Müller (München) ** 13. 5. Müller (Remscheid) 13. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 5. Dr. Narjes 14. 5. Rosenthal 14. 5. Roser 21.5. Seibert 21.5. Schmidt (München) * 14. 5. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 5. Schwabe * 14. 5. Dr. Schwörer * 14. 5. Seefeld * 14. 5. Springorum * 14. 5. Dr. Starke (Franken) * 14. 5. Suck * 14. 5. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 5. Walkhoff * 14. 5. Walther 14. 5. Frau Dr. Walz * 14. 5. Dr. Warnke 14. 5. Wende 21.5. von Wrangel 13. 5. Zeyer 14. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Rede des Herrn Bundesfinanzministers mußte man sich fragen, ob das Maß seiner Unkenntnis an Tatsachen, Zahlen und Zusammenhängen, die Gabe der Irreführung der Öffentlichkeit oder die Fähigkeit der Selbsttäuschung größer ist. Zusammen genommen liegt hier jedenfalls ein erschütterndes Defizit an Beurteilungsfähigkeit, an Objektivität und an Kenntnis der Zusammenhänge vor.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Das muß ausgerechnet Herr Strauß sagen!)

    Das braucht einen auch nicht zu wundern.
    Ich bin dem Herrn Bundeskanzler dankbar, daß er wenigstens jetzt gekommen ist. Es war auch nicht nötig, früher zu kommen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Nach dem, was ich gestern gehört habe, muß ich allerdings sagen: Wie der Chef, so der Knecht, wie der Herr, so's Gescherr.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    So billig wie heute sollte es sich ein Bundesfinanzminister nicht machen:

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    diese üble Mischung von Demagogik, Polemik,

    (Leicht [CDU/CSU] : Unwahrheit!)

    Verdrehung der Tatsachen, Halbwahrheiten, Unwahrheiten und Einseitigkeiten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und Lügen!)

    In der von ihm zitierten Rede, die ich als einer der Redner im Laufe der Jahre vor dem Institut Finanzen und Steuern gehalten habe — vor dem auch andere Bundesfinanzminister, u. a. auch Kollege Apel, gesprochen haben —, habe ich in diesem Zusammenhang unter der Überschrift „Im Sozialbereich ist eine Konsolidierung unabweisbar" folgende Sätze gesagt:
    Es besteht kein Zweifel, daß die Leistungen auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Infrastruktur in Form eines gut ausgebauten Netzes der sozialen Sicherungen, d. h. der Altersvorsorge, der Absicherung gegen Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sind.

    (Möller [Lübeck] [CDU/CSU]: Hört! Hört! — Bundesminister Dr. Apel: Weiterlesen!)

    — Selbstverständlich, das andere haben ja Sie gesagt. — Ich habe dann weiter gesagt:
    Die explosionsartige Kostenentwicklung in diesem Bereich wirft jedoch die Frage auf, ob die Belastbarkeitsgrenze unserer Volkswirtschaft mit kollektiven Soziallasten nicht bereits erreicht, wenn nicht gar überschritten ist.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Aha! Genau das ist es! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Die Stunde der Wahrheit wird, wenn Sie an der Regierung bleiben, auch für Sie kommen. Wir sagen es nur heute, vor den Wahlen, weil wir ehrlicher sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und der FDP — Dr. Ehrenberg [SPD] : Der ehrliche Strauß!)

    Ich meine, es ist fast eine Zumutung,

    (Dr. Ehrenberg [SPD] : Die neue Alternative aus Passau!)

    sich mit jemandem auseinandersetzen zu müssen

    (Zuruf von der SPD: Der nicht Ihrer Meinung ist! — Heiterkeit bei der SPD)

    — hier unterschätzen Sie mich, da ich kein Marxist bin, ganz gewaltig —,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    der die Warnungen aller Forschungsinstitute, aller Sachverständigen, der Bundesbank,

    (Engholm [SPD]: Von Herrn Strauß!)

    aller einschlägigen Experten und dazu auch die Warnungen des Bundesverbandes der Rentenversicherungsträger einfach als Polemik, Demagogie, dummes Geschwätz, gehässige Angriffe gegen die



    Strauß
    Bundesregierung, in dieser Mischung von Dummheit und Überheblichkeit, vom Tisch wischen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich hätte, wenn man sich schon darüber unterhält und wenn schon der Bundeskanzler lange Reden, zum Teil mit theologischer Würze, hält und der Herr Bundesfinanzminister sich selbst innerhalb von zehn Minuten siebzehnmal auf die Schulter klopft, wenigstens erwartet, daß er zu den Problemen der Konsolidierung der Staatsfinanzen im Grundsätzlichen, in der Struktur der Haushalte und ihrer Entwicklungen, und zwar auch der Länder-und Gemeindehaushalte, Stellung nehmen würde; denn die öffentlichen Haushalte bilden im Verbund eine Gesamtproblematik.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Man kann doch hier nicht einen finanzpolitischen Separatismus betreiben, wie Sie, Herr Apel, es getan haben, und sagen, die Reform der Kfz-Steuer mit der Möglichkeit der Einsparung von 3 000 bis 4 000 Beamten entlaste den Bund nicht, weil sie nur die Länder entlaste. So etwas an Engstirnigkeit und Borniertheit hat es bisher bei einem Finanzminister noch nicht gegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Sie ringen doch dauernd, Herr Apel, mit den Ländern um den Ausgleich. Sie ringen um die Verteilung der Gemeinschaftssteuern. Auf dem Gebiet der Einkommensteuer liegt sie ja fest. Aber ich denke gerade an das Gebiet der Umsatzsteuer. Ich verstehe Ihre Sorgen. Ich habe die gleichen gehabt, als wir zum erstenmal den Anteil des Bundes und den Anteil der Länder festlegen mußten. Diese Sorge wird jeden Finanzminister begleiten. Es ist gut, daß wir Gemeinschaftssteuern haben, weil sie eine gemeinsame Verantwortung begründen, auch wenn es große Reibungsflächen und Schwierigkeiten gibt. Aber es ist doch völlig klar: Wenn der Bund den Ländern hilft, beträchtliche Einsparungen vorzunehmen, dann hat er auch mehr Legitimation und mehr Autorität, von den Ländern Entgegenkommen bei der Verteilung der Gemeinschaftssteuern oder bei der Verteilung der Dotationsauflagen zu verlangen.
    Eines sagten Sie heute zum zweitenmal. Ich habe das letzte Mal schon den Kopf geschüttelt; heute sage ich etwas dazu. Wie können Sie denn als verantwortlicher, federführender Bundesfinanzminister, der Sie die Gesetzgebungskompetenz auch für die Kraftfahrzeugsteuer haben, sagen: Ich warte. bis sich die Länder geeinigt haben? Darauf können Sie unter Umständen sehr lange warten. Ich sage nicht, welche Länder schuld sind; ich weiß es auch gar nicht. Ich weiß nur eines: daß der Bundesminister der Finanzen und eine verantwortliche Bundesregierung die verdammte Pflicht und Schuldigkeit haben, bei der Reform dieser Steuer von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie tun so, als ob wir hier einen Staatenbund und
    und nicht einen Bundesstaat hätten, als ob der
    Bundesfinanzminister nur ein Amtmann sei, der die Beschlüse der Länder zu protokollieren habe.

    (Möller [Lübeck] [CDU/CSU] : In diesem Fall stimmt es!)

    Aber manchmal spielen Sie auch die Rolle, wie Sie heute hier wieder bewiesen haben.
    Wenn ich — ich scheue den Text nicht — in der von Herrn Apel hier in demagogischer Weise falsch interpretierten Rede Zahlen über den Anstieg der gesamten Sozialleistungen genannt habe, dann heißt das nicht, daß wir diesen Anstieg etwa bedauerten oder bereuten oder daß wir die damit verbundenen Leistungen in ihrem Grundsatz, in ihrer Substanz und in ihrer weiteren Entwicklung abschaffen wollten. Es heißt aber, daß diese Leistungen heute auf Sand gebaut sind, wenn nicht unsere Wirtschaft wieder in Ordnung kommt und unsere öffentlichen Finanzen wieder konsolidiert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es geht auf die Dauer nicht an, daß diese Leistungen überproportional gegenüber anderen unentbehrlichen und unerläßlichen öffentlichen Ausgaben steigen. Ich werde Ihnen heute in meiner Rede auch noch sagen, warum, weil nämlich ein überproportionaler Anstieg in einem Sektor der öffentlichen Haushalte und der öffentlichen Finanzen zu einer Vernachlässigung anderer Gebiete führt. Wenn die anderen Gebiete die Investitionsfähigkeit der Wirtschaft und die öffentlichen Investitionen sind, die beide im Verbund miteinander stehen, werden Sie bald die traurige Bilanz ziehen müssen, daß die von Ihnen und von uns geschaffenen Sozialleistungen, die wir in den Grundsätzen, in der Substanz und im Wachstum erhalten wollen, nicht mehr beibehalten werden können. Das war der Sinn meiner Aussage, nichts anderes.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe in dem Zusammenhang für ein zum Teil sachkundiges, aber mit den Einzelheiten nicht in jedem Falle vertrautes Auditorium — es sitzen manche in unseren Reihen, die die Rede mit angehört haben; es waren auch Vertreter, hohe Beamte, der Bundesregierung da all die Gesetze beinahe alphabetisch aufgezählt, die insgesamt die Kostenbelastung verursachen. Daß es bei diesen Gesetzen auch Wildwuchs gibt, Herr Apel, haben Sie doch selbst gesagt, daß bei diesen Gesetzen da und dort Möglichkeiten der mißbräuchlichen Ausnutzung bestehen, wird doch von niemandem bestritten. Daß heute die Arbeitnehmer, die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen angesichts der Ausdehnung der kollektiven Sozialleistungen mit ihren ständig wachsenden Beiträgen die Leistungen auch für Bezieher höherer Einkommen finanzieren, also die Armen die Reichen finanzieren, kann ich nicht mehr sozial nennen. Wenn Sie das noch sozial nennen, ich nenne es höchstens sozialistisch.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bitte Sie, diesen Stil doch abzulegen. Er steht einem Bundesfinanzminister ganz schlecht an. Bisher haben alle Vertreter dieses Amtes, die von allen



    Strauß
    Parteien gestellt worden sind und da schließe ich
    selbstverständlich die Kollegen Möller, Schiller und Helmut Schmidt ein , nicht in dieser hemmungslosen und diffamierenden und lügnerischen Weise von diesem Platz aus gesprochen, wie Sie es getan haben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Ordnungsruf! Weitere Zurufe von der SPD)

    Herr Apel, Sie haben heute gesagt, es gebe eine Reihe von Ursachen. Das ist, wie immer, halb richtig und halb falsch. Der Verfall des Weltwährungssystems — stimmt —, die Ölpreisprobleme — stimmt —, dann die weltweite Rezession — bei allen dreien müßte man sagen, warum sie entstanden sind, aber dafür fehlt hier die Zeit — seien die einzigen Ursachen für die Schwierigkeiten, mit denen Sie armes verfolgtes Opfer zu kämpfen gehabt hätten, von der Opposition beschimpft, von der Öffentlichkeit nicht gebührend gewürdigt, von den eigenen Freunden nicht genug unterstützt, also kurzum ein Held ohne Fehl und Makel. Sie haben ausdrücklich verneint, daß das Wort, man habe über die eigenen Verhältnisse gelebt, berechtigt sei. Ihr Amtsvorgänger Möller war der Meinung, daß man über die Verhältnisse lebe. Ihr Amtsvorgänger Schiller war der Meinung, daß man über die Verhältnisse lebe. Ihr Amtsvorgänger Helmut Schmidt hat mehrmals in der bekannten liebenswürdigen Weise auch innerhalb der eigenen Reihen zum Ausdruck gebracht, daß man über die Verhältnisse lebe. Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der heute nachmittag, weil die Probleme zusammenhängen, zu diesem Problem wird sprechen müssen, wird doch gar nicht umhin können zu sagen, daß national und international, intra muros et extra muros, die Überforderung der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften durch private Nachfrage und durch Staatskonsum für die von uns bedauerten, aber durchaus vermeidbaren Erscheinungen die Hauptursache gewesen ist und den Hauptbeitrag geleistet hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehrenberg [SPD]: Das beweist unsere Devisenbilanz!)

    Ich möchte nicht lange zitieren, nur wenige Sätze, Frau Präsidentin. Im letzten Sachverständigenbericht, Drucksache 7/4326, vom November letzten Jahres ist von Fehlentwicklungen die Rede:

    (Diese Fehlentwicklungen) haben ihre Wurzeln in Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit — in überzogenen Ansprüchen und inflatorischem Handeln, aber auch in allzu langer Duldung von beidem —, ablesbar am beschleunigten Geldwertverfall in den vergangenen Jahren. Die Rückgewinnung von mehr Stabilität mußte zu Produktionseinschränkungen und zu Beschäftigungseinbußen führen, soweit und solange die in die Zukunft gerichteten Dispositionen auf einen Fortgang der Inflation gebaut waren.


    (Zuruf von der CDU/CSU: So war es!)

    Gilt denn das alles nicht? Ich bin nicht der Meinung, daß jede Zeile eines Sachverständigengutachtens eine Art biblischer Weisheit und Wahrheit darstellt. Aber das ist ja nur eine Stimme unter unzähligen
    gleichlautenden Stimmen. Die Forschungsinstitute, zahlreiche einzelne Wirtschaftswissenschaftler, die Deutsche Bundesbank, Ihre sämtlichen Amtsvorgänger waren — wenn auch mit unterschiedlichen Nuancen — dieser Meinung.
    Und hier tritt der Herr Bundesfinanzminister auf
    — beinahe hätte ich gesagt: kabarettreif — und sagt, er sei das Opfer finsterer Mächte, fremder Einflüsse, unheimlicher, nicht kontrollierbarer Gewalten geworden.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Und der Pferde!)

    Aber von der eigentlichen Ursache, von der das ganze Übel ausgeht, spricht er nicht. Schon der Verfall des Weltwährungssystems ist doch nicht unvermeidbar gewesen. Ich bin nach wie vor ein Anhänger fester Wechselkurse, weil damit manches leichter wäre. Aber das geht unter diesen Umständen nicht; das sehe auch ich ein. Woher kommt denn der Verfall des Weltwährungssystems von Bretton Woods? Er kommt von der jahrelang betriebenen Schlamperei, Nachlässigkeit und Verletzung gegenüber den Geboten der Zahlungsbilanzdisziplin.

    (Bundeskanzler Schmidt: Aber doch nicht bei uns!)

    — Der Weltwährungsverfall nicht, Herr Bundeskanzler!

    (Zurufe von der SPD)

    — Menschenskind, Sie sollen doch nicht den Chor von Oberammergau darstellen! — Ich sage nur: Die jahrelang betriebene Sorglosigkeit, Schlamperei, Verletzung gegenüber den Geboten einer strengen Zahlungsbilanzdisziplin in fast allen Ländern — —

    (Zurufe von der SPD: Bei wem denn? — Auch in der Bundesrepublik?)

    — Ich habe ja gesagt: National und international. Die Überforderung der Leistungsfähigkeit ist auch in der Bundesrepublik erfolgt!

    (Dr. Ehrenberg [SPD] : Wo denn?)

    — Sonst hätten wir doch nicht die Inflation in diesem Ausmaß bekommen! —
    Die Zahlungsbilanzdisziplin brauchte in der Bundesrepublik angesichts unserer Exportstärke kein Problem zu sein. Aber Sie werden doch nicht behaupten, daß die Qualität unseres Exports von dem Palais Schaumburg bestimmt wird. Sie kommt von der Qualität unserer Arbeitnehmer und unserer Unternehmer, die der Welt ein hervorragendes Beispiel gezeigt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe diesen Satz aus der Feder des Herrn Bundeskanzlers gelesen:
    Falls Herr Strauß im Oktober an die Regierung käme, was er gern möchte
    — bei der Erbschaft ist das ein dubioses Unternehmen! —
    und was ich verhindern will, — das ist Ihr gutes Recht! —



    Strauß
    dann würde er ein Land in vollstem ökonomischen Aufschwung übernehmen, den er nicht bewirkt hat, in einem Aufschwung, wie wir ihn in der Welt selten erleben in diesem Ausmaß.

    (Gelächter bei der CDU/CSU — Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/CSU] : Nach der Pleite!)

    Herr Bundeskanzler, Sie wissen, daß in der Pariser Presse jetzt über diesen Ihren Stil,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ein Skandal!)

    den Sie gegenüber dem Ausland und im Inland anwenden, und zu Ihren Beiträgen über die Entwicklung der europäischen Innenpolitik und ihrer gepflegten Behandlung einige liebenswürdige Kommentare erschienen sind.

    (Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/CSU] : Die Franzosen haben noch Zeitungen!)

    In der größten französischen Massenzeitung, dem „France Soir", erschien am Dienstag ein auf das Doppelte der normalen Breite aufgeblähter Leitartikel auf Seite 1 mit der finsterste Erinnerungen auslösenden Überschrift „Le Feldwebel".

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Wilhelm war sein Name!)

    Darin finden sich
    — so schreibt die „Badische Zeitung" —
    Sätze, die noch kein Kanzler von Adenauer bis Brandt über sich hat ergehen lassen müssen. Er ist merkwürdig genug, eine Verurteilung des Gaullismus in Ausdrücken und mit einem Nachdruck zu hören, die einem Dr. Goebbels in seinem Walhalla heikel erschienen wären.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    — Ja, so steht es halt drin, ob Sie den Kopf schütteln oder nicht. Mit Kopfschütteln bringen Sie das nicht weg, Herr Bundeskanzler!

    (Beifall bei der CDU/CSU) Dann geht es weiter:

    Herr Schmidt spricht, indem er uns verhöhnt, als Neureicher.

    (Zuruf von der SPD: Aufhören!)

    — Ah, wir sollen keine demokratischen ausländischen Zeitungen zitieren dürfen. Wollen Sie sogar diese Zensur einführen, damit die Wahrheit nicht wenigstens vom Ausland hereinkommen darf, wenn sie im Inland schon nicht mehr gern gehört wird?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte das, was in seltenem Gleichklang die kommunistische Zeitung „Humanité zum gleichen Thema geschrieben hat, nicht bringen, weil ich solche Quellen grundsätzlich nicht gegen demokratische Politiker zitiere.

    (Zuruf von der SPD: Ganz toll!)

    — Na, das ist mein Grundsatz! Ich wollte, Sie wären genauso.
    Wir haben gestern eine Kostprobe davon bekommen, wie der Bundeskanzler so als Moralprediger, politischer Feldherr der Nation, Abkanzler, Zensor, Nachhilfelehrer in Sachen Wirtschaft — etwas vulgär dargestellt — sich hier empfohlen hat. Da die Bibel schon so sehr strapaziert worden ist, darf ich vielleicht auch sagen, welch eine Rolle mir bei der Beobachtung am Fernsehschirm einfiel — aber das Ganze natürlich als Karikatur dargestellt —: vox praedicantis in deserto, die Stimme des Predigers in der Wüste. Er empfiehlt allen, Buße zu tun, teilt den staunenden Zuhörern mit, daß er seit 27 Jahren mit Herrn Wehner ein Herz und eine Seele sei.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Das ist großartig. Ich gratuliere Ihnen, Herr Wehner, dazu; das war ein echter Sieg von Ihnen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es war aber doch schonungsvoll von ihm, daß er es an einem Tag sagte, als keine Zeitungen erschienen und das Fernsehen nicht übertrug.
    Merken Sie denn nicht, Herr Bundeskanzler, daß Sie auch nicht den geringsten Anspruch und nicht die leiseste Legitimation haben, moralische Zensuren zu erteilen, daß die Predigerrolle ebenso lächerlich wie peinlich ist? Es gibt auch keine Wüste, in der Sie predigen können, höchstens den Irrgarten der von Ihnen zunächst mit- und dann voll verschuldeten Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte zu den ökonomischen Problemen zurückkehren. Man hat im Frühjahrsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Institute einiges gelesen, was — in der Auswahl verwendet — zu großen Siegesmeldungen geführt hat. Ich glaube, niemand von uns — ich habe das von dieser Stelle aus mehrmals gesagt — hat bestritten und kann bestreiten, daß sich eine Konjunkturentwicklung auch bei Verschlechterung der Gesamtlage immer noch in Zyklen vollzieht, in einem Auf und Ab. Nur: Die Basisdaten sind schlechter geworden, die Rahmenverfassung ist schlechter geworden, die Trendlinie ist schlechter geworden. Auf dieser Trendlinie selbst gibt es noch ein Auf und Ab.
    Man sollte bei all diesen Sondermeldungen nicht übersehen, daß auch aus dem Frühjahrsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute folgende Punkte — wenn man das Gutachten nicht selektiv liest — mit voller Klarheit hervorgehen:
    Der dauerhafte Aufschwung ist noch keineswegs sicher.
    Die jüngsten Zahlen aus der Export- wie aus der Automobilindustrie sind jedenfalls ambivalent deutbar.
    Die hohe Arbeitslosigkeit bleibt bestehen.
    Die Investitionsneigung und -fähigkeit bleibt weiterhin viel zu schwach, obwohl die Reallöhne rückläufig sind.
    Die Krise der Staatsfinanzen bleibt.
    Die Geldpolitik steht noch vor ihrer eigentlichen stabilitätspolitischen Bewährungsprobe.



    Strauß
    Danach stehen Sie vor der Aufgabe, frühere wirtschaftspolitische oder finanzpolitische Fehler —wenn man es zusammenfaßt: wirtschafts- und finanzpolitische Fehler — endlich einzusehen; denn wer sie nicht einsehen will, kann sie in Zukunft nicht vermeiden. Darüber hinaus sind die Prognosen für das Wachstum 1976 noch unsicher.
    Das geht doch — in Kurzfassung gesagt — aus dem Gutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Institute hervor, von dem einzelne Teile über Gebühr Aufmerksamkeit gefunden haben, während die skeptischen Bemerkungen, wie ich sie eben in Kurzfassung geboten habe, so in der allgemeinen Halleluja-Stimmung und den entsprechenden Siegesmeldungen, die aus dem Bundespresseamt verbreitet worden sind, vorerst unter den Rost gefallen sind. Das kann man aber nur eine Zeitlang machen, denn man kann Zahlen nicht manipulieren.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Sie können das!)

    Funktionäre kann man vielleicht manipulieren, aber Zahlen kann man nicht manipulieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dem Bürger ist klargeworden, daß die neue Politik, die beinahe wie eine neue Heilslehre damals verkündet worden ist, auf allen Gebieten mehr oder minder versagt hat. Dem Bürger ist doch klargeworden, daß die Regierungen ab Herbst 1969 in allen wesentlichen Bereichen politisch gescheitert sind. Das Bewußtsein ihres Scheiterns war allerdings durch erhöhte Propagandaleistungen unter Ambulanzfunktion eines Teils der Massenmedien zeitweise noch nicht soweit fortgeschritten, wie es der Wirklichkeit entsprach. Bei uns war der umgekehrte Prozeß festzustellen.
    Sie haben gemäß Ihrer eigenen Beteuerung die Schwerpunkte Ihrer Regierungstätigkeit doch folgendermaßen gesetzt: Bildungspolitik — darüber ist heute nicht zu reden —, Stabilitätspolitik, Vollbeschäftigungspolitik, Finanzpolitik, Europapolitik und sogenannte Entspannungspolitik. Zu diesen Bereichen, soweit sie den Einzelplan 08 betreffen, nun einige Bemerkungen.
    Dabei gehen Sie bei Ihren steuerpolitischen Ausführungen, bei denen Sie Argumente so vertreten, wie andere sich die Füße vertreten, mit Zahlen so um- -

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Dr. Ehrenberg [SPD]: Er hat aber keine Plattfüße!)

    — Das hat damit nichts zu tun. Ich sage nur: er geht mit Zahlen so um, wie andere sich die Füße vertreten. Ich habe nicht gewußt, daß man zum Vertreten der Füße Plattfüße braucht.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Das steht ihm gut!)

    Zu den einschlägigen Themen der Steuerpolitik wird mein Kollege Häfele heute im Laufe der Debatte noch einige Ihrer eklatanten Halb- oder Unwahrheiten hier richtigstellen.
    Lassen Sie mich zu der Frage der Inflation wenige Worte sagen; denn ursprünglich sollte an der Spitze
    der politischen Ziele die Preisstabilität stehen. Sie war das Hauptwahlkampfthema des Jahres 1969, gerade auch und vor allem von seiten der SPD. Im Jahre 1969 stiegen die Preise um 1,9 %, wie im Durchschnitt der Jahre von 1949 bis 1969, den 20 Jahren, in denen wir für diese Bereiche verantwortlich waren. In der Regierungserklärung vom 27. Oktober 1969 versprach der erste SPD-Bundeskanzler Willy Brandt, die Preisentwicklung zu dämpfen. Es muß wie ein Witz klingen, wenn er bei einer Preisentwicklung von 1,9 % — das letzte Quartal lag schon darüber, der Jahresdurchschnitt ergab 1,9 % — in den Mittelpunkt stellt, er verspreche der deutschen Öffentlichkeit, die Preisentwicklung zu dämpfen! Bis zum Herbst 1973 gibt es überhaupt keine Ausrede: weder das Weltwährungssystem noch eine Ölkrise noch etwa eine weltweite Rezession. Das ist der hausgemachte Teil der Inflation, den ein ehrlicherer Amtsvorgänger, nämlich Herr Schiller, immer als den Home-made-Teil der Inflation bezeichnet hat. Genauso äußerten sich Bundesbankpräsident Klasen und unzählige andere. Es ist doch ein Witz, wenn man heute liest: „Wir werden die Preisentwicklung dämpfen", und in der gleichen Regierungszeit bei 7 "/o angekommen ist.
    Er erweckte den Eindruck, auf die Dauer eine noch geringere Inflationsrate als die 1,9 % der Vorjahre herbeizuführen. Tatsächlich aber setzten die Regierungen Brandt und Schmidt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele auch das Mittel der Inflation ein oder nahmen es als unvermeidbar in Kauf. Sonst hätten sie nicht jahrelang unsere ständigen Mahnungen, Warnungen und Vorschläge mit einer Überheblichkeit und Rücksichtslosigkeit ohnegleichen zurückgewiesen. Es ist allmählich zu einem Stil der vollendeten Demagogie und der vollendeten Irreführung geworden, daß man der Öffentlichkeit gegenüber durch ständiges Wiederholen der Unwahrheit, durch ständige Wiederholung der Behauptung, die Opposition habe niemals gewarnt, niemals Vorschläge gemacht, niemals Alternativen geboten, diesen Eindruck erwecken will.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Haben Sie ja auch nicht!)

    — Herr Dr. Ehrenberg, wenn Sie das hier wiederholen, beweisen Sie, falls Sie ein Fachmann sein wollen, daß Sie lügen!!

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Tun Sie es bitte!)

    Heute hat der Kollege Dr. Althammer hier und wir haben in unzähligen Reden und Programmen gesagt, worauf es ankommt. Aber bei Ihnen habe ich mich längst damit abgefunden, daß der alte Satz von Curt Goetz gilt: Allen ist das Denken erlaubte aber manchen bleibt es erspart, und dazu gehören Sie!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter Strauß, ich darf Sie freundlicherweise um eines bitten. Wenn Sie Worte wählen wie „lügen" oder „betrügen"

(Zurufe von der CDU/CSU)




Präsident Frau Renger
— das war nicht klar zu verstehen —, dann bitte ich Sie, sich sehr zurückzuhalten. Sonst muß ich Sie zur Ordnung rufen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin, das würde ich notfalls in Kauf nehmen;

    (Zuruf von der SPD: In Kauf? Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen!)

    aber bei uns sagt man: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es aus dem Wald heraus.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich weiß nicht, warum ein Zitat von Curt Goetz ich habe nicht Götz von Berlichingen, sondern Curt Goetz zitiert — solchen Unwillen erregt. Ich habe nur gesagt: Da steht bei einem der größten Humor-schriftsteller unserer Tage zu lesen, daß allen Menschen das Denken erlaubt ist, aber vielen es erspart bleibt, und daß ich Sie dazu rechne. Das ist doch mein gutes Recht.
    Die einen wollten die Inflation als Mittel zur Umgestaltung der Gesellschaft, die anderen waren unfähig, diese Zielsetzung zu erkennen oder ihr Widerstand zu leisten. Erst als man auch im SPD/FDPLager zu begreifen begann, daß diese Politik der in Kauf genommenen und herbeigeführten Inflation in Bälde zu einer Regierungs- wie auch Staatskrise und damit zu einer todsicheren Wahlniederlage führen würde, erfolgte ein gewisser Kurswechsel. Aber es kann niemand bestreiten: man hat zu spät eingegriffen und teilweise zu falschen Mitteln gegriffen; denn die Überlastung der Geld- und Kreditpolitik mit den abenteuerlich gestiegenen Zinssätzen hat einen asozialen oder antisozialen Umverteilungsprozeß gegen den Mittelstand herbeigeführt, der in diesem Ausmaß in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik bis dahin noch unbekannt geblieben ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Damit ist doch auch die Fähigkeit und Bereitschaft der Wirtschaft, zu investieren, untergraben worden. Der jahrelange Verzicht auf jede Stabilitätspolitik — bis in das Jahr 1973 hinein — hat zu einer in die Millionen gehenden Arbeitslosigkeit, zu einer schweren Belastung unserer Wirtschaft und zu einer Gefährung unserer sozialen Sicherung und der öffentlichen Finanzen geführt.
    Die verspäteten und, jedenfalls teilweise, falsch angelegten Dämpfungsmaßnahmen haben diese Entwicklung verschärft; denn man hat selbst dann noch gedämpft, als die Binnenkonjunktur bereits im starken Rückgang war. Beim Nachlassen der Auslandsnachfrage gegenüber den überhöhten Anforderungen der Vorjahre in Verbindung mit einem Rückgang der Binnennachfrage hat man doch die Rezession mit ihren verhängnisvollen Folgen geradezu bewußt — und wenn nicht bewußt, dann jedenfalls mit einer Fahrlässigkeit ohnegleichen — in das Land geholt.
    Als Folge dieser Entwicklung blieben und bleiben nicht zuletzt Zehntausende von kleinen und mittleren Betrieben — Herr Carstens hat gestern schon darauf hingewiesen — auf der Strecke. Sie werden jetzt wahrscheinlich auch wieder sehr empört sein, wenn ich sage: Noch keine Regierung hat so viel gegen das Großkapital und gegen die Großunternehmen gewettert, aber so viel für das Großkapital getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nicht daß die großen Unternehmungen nicht auch betroffen wären, daß sie nicht auch ihre Sorgen hätten! Man braucht ja nur ihre Geschäftsberichte zu lesen. Aber unsere Sorge gilt nicht den großen Unternehmen, die ihre Daseinsberechtigung haben und gegen die ich bestimmt nicht hetze, die aber infolge ihrer Rechtsform als Kapitalgesellschaften ihre Finanzierung auch in Krisenzeiten leichter meistern können als mittelständische und kleinere Unternehmungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für die großen Unternehmen ist das doch wesentlich
    leichter als für kleine und mittlere Unternehmungen.
    Die im Ergebnis zugunsten des Großkapitals wirkende Politik hat die Regierung sicherlich nicht betrieben, um dem Großkapital Geschenke zu machen, sie hat aber damit Konzentrationsprozesse gefördert, da in mehr und mehr Fällen nur die Großbetriebe die Chance zum Überleben haben. Die Folge ist eine weitverbreitete Resignation in der kleinen und mittleren Unternehmerschaft, in den Unternehmen, die ein unersetzliches Element einer echten Marktwirtschaft sind, auch deshalb, weil sie keineswegs so leicht zu sozialisieren sind wie die großen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Die Regierung weist darauf hin, daß die Inflationsrate auf 5 °/o und weniger gesunken sei und damit wesentlich niedriger liege als in vergleichbaren ausländischen Staaten. Das ist richtig. Die Bundesregierung schmückt sich hier aber mit fremden Federn. Herr Gillies schreibt in der „Welt" vom 14. April 1976:
    Ein Pilot, der nur für Steigflüge zuständig sein will und die Verantwortung für vorherige Bruchlandungen ablehnt, verliert die Lizenz.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Geht es nach oben, hat die Regierung das gemacht, geht es nach unten, war es ein Komplott finsterer Mächte — von der Opposition über die Ärzte, den Vietnamkrieg und das Ausland bis zu den Unternehmern selbstverständlich, und was weiß ich sonst noch —, das den Abstieg herbeigeführt hat. Einerseits leugnet sie, an Inflation und Arbeitslosigkeit schuld zu sein — das sei die Schuld eben dieser Mächte und Kräfte, die sie auf der Jagd nach Sündenböcken immer wieder herausstellt —, andererseits aber will sie den geringfügigen Rückgang der Inflationsrate von 7 auf 5 % als ihr Verdienst in Anspruch nehmen. Sie hofft, mit der Oberflächlichkeit und Unredlichkeit ihrer Beweisführung die Wähler in Deutschland irreführen zu können, genauso wie das bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai letzten Jahres der Fall gewesen ist.
    Wenn die Verhältnisse auf dem Gebiet der Stabilität bei uns besser sind als in vergleichbaren ausländischen Staaten, so ist das in erster Linie ein



    Strauß
    Erfolg der ungeheuren Aufbauleistung durch Unternehmer und Arbeitnehmer in den ersten Nachkriegsjahrzehnten in der von der SPD zunächst abgelehnten und später immer wieder als „kapitalistisch" diffamierten Sozialen Marktwirtschaft, eine Folge der modernen technischen Ausrüstung unserer Wirtschaft und eine Folge der Ablehnung planwirtschaftlichen Denkens in unserer Wirtschaft seit 1948. Dies hat zusammen mit den verhängnisvollen psychologischen Wirkungen zweier großer Inflationen eine große Empfindlichkeit des deutschen Volkes gegenüber inflationären Prozessen herbeigeführt. Darin liegt, in Verbindung mit Können, Leistung und Fleiß, der Grund dafür, warum unsere Inflationsrate niedriger ist als die in vergleichbaren ausländischen Ländern, aber doch nicht in den Tugenden dieser Regierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie sich aber die Dinge zu verändern begannen, zeigt nicht nur die Verschlechterung der Finanzsituation in weiten Bereichen der Wirtschaft, sondern zeigt sich auch in einer beginnenden Veralterung unserer Maschinenausrüstung. Ich komme damit auf ein Kapitel zu sprechen, das eigentlich in den Bereich der Wirtschaftspolitik gehört, das aber doch im Zusammenhang mit der Finanz- und Steuerpolitik, mit der gesamten Abgabenpolitik, mit der gesamten finanziellen Entwicklung steht. Der Anteil der mehr als elf Jahre alten Anlagen am gesamten Anlagenvermögen der Wirtschaft — die normale technische Nutzungsdauer beläuft sich auf sechs bis sieben Jahre, bis dann die nächste Maschinengeneration kommt, die natürlich wesentlich mehr zu kosten pflegt als die vorangegangene und damit wiederum die Frage eines überhöhten Kapitalbedarfs aufwirft, und das in einer Lage, in der sich der Eigenkapitalanteil von Jahr zu Jahr verschlechtert hat; das sind eben nicht Tatsachen einer kapitalistischen Denkweise, sondern das sind völlig normale ökonomische Selbstverständlichkeiten, die man in einem normalen Parlament auch ruhig sagen kann —

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    hat sich im letzten Jahrzehnt von 32 % auf 45 % erhöht.

    (Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    Die industrielle Produktion des Jahres 1975 wurde
    mit einem Anlagevermögen erbracht, das zu fast
    50 % aus mehr als elf Jahre alten Anlagen besteht.

    (Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/CSU] : So ist es!)

    Da technische Neuerungen nur über die jüngsten Investitionen Eingang in die Produktionsprozesse finden, sind schon in mittlerer Sicht nachteilige Wirkungen auf den Produktionsfortschritt und damit auf die Gestaltung der Reallöhne und des Realeinkommens auf Grund der Überalterung des Anlagevermögens unvermeidbar.

    (Dr. von Bismarck [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Darüber sollten wir nicht nur vom Herrn Wirtschaftsminister oder vom Finanzminister, sondern auch
    vom Bundeskanzler einmal etwas hören. Platonische Bekenntnisse wie „Die Wirtschaft muß wieder mehr Erträge erwirtschaften" oder „Der Gewinn darf nicht als Profit diffamiert werden" genügen nicht. Das war doch nur eine Erbauungsübung in den eigenen Reihen, aber nicht etwas, was etwa in der Öffentlichkeit von sich aus ein Selbstläufer wird.
    Die allgemeine Freude über den Aufschwung, dessen Tiefe und Dauer wahlpropagandistisch überzeichnet wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß damit die eigentlichen Probleme unserer Wirtschaft nicht gelöst sind, schon deshalb nicht, weil jeder Aufschwung zu steigenden Preisen führt. Nicht daß wir ihn nicht wünschen — wir müssen diese unerwünschte Begleitwirkung in Kauf nehmen —, aber wenn er auf einem Sockel von 5 °/o beginnt statt auf einem Sockel von 1 °/o wie im Jahre 1967, dann ist doch zwangsläufig damit zu rechnen, daß mit dem Aufschwung auch die Inflationsrate — Gott sei es geklagt — wieder steigen wird und damit der alte, unheilvolle Kreislauf von neuem seinen Anfang nimmt. Das meinte ich vorhin, als ich sagte, daß auch in dieser Entwicklung die Konjunkturzyklen — selbstverständlich noch mit verschlechterten Grunddaten — weiterhin beibehalten bleiben.
    Die Inflation gefährdet auch den sozialen Frieden. Herr Apel, wenn Sie mir vorwerfen, daß ich im Gegensatz zu Ihnen nicht für die Sparförderungen sei, dann disqualifizieren Sie sich damit selbst. Ich habe dem zweiten Kabinett Adenauer angehört und meine Stimme auch dafür abgegeben, daß damals Bundesfinanzminister Schäffer und später Bundesfinanzminister Etzel die Sparförderung eingeführt und daß wir diese Beträge bei den alljährlichen Haushaltsüberlegungen massiv aufgestockt haben. Wenn man aber jetzt im Laufe der letzten Jahre nicht zu Unrecht sogar darüber klagt, daß die Spartätigkeit zu hoch gewesen sei, und wenn man sieht, welche Beträge hier in die Sparförderung fließen, dann darf sich doch ein verantwortlicher Finanzminister, wenn ihm ein Redner der Opposition einen Teil Verantwortung abnimmt, in dieser Frage nicht so verhalten, daß er ihn deshalb noch in dieser üblen Weise diffamiert und denunziert, wie Sie es hier getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich wäre froh, Herr Bundesfinanzminister, wenn ein aus unseren Reihen kommender Nachfolger in der dann bestehenden Opposition einen öffentlichen Redner finden würde, der den Mut hätte, Tabus anzupacken und Probleme der Einsparung in der Öffentlichkeit anzusprechen, um damit Regierungsfunktion stellvertretend für die zu übernehmen, die die Verantwortung scheuen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für die Arbeitnehmer führt die Inflation ohne Zweifel zu Reallohneinbußen. Darauf haben auch die Forschungsinstitute im Frühjahrsgutachten hingewiesen. Der Druckerstreik zeigt doch, auf welch schwankendem Boden der soziale Friede auch bei uns steht.

    (Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/CSU]: So ist es!)




    Strauß
    Ganz gleich, welche Nebenabsichten mit diesem Streik eventuell verfolgt werden, welche gefährlichen politischen Entwicklungen sich andeuten, wäre auch hier ein Wort der Regierung angebracht, daß es in einem Land der Meinungsfreiheit nicht angeht, daß kritische Artikel über die Urheber des Streiks einfach mit Mitteln des Streiks dann nicht in der Öffentlichkeit erscheinen können.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Das stimmt doch gar nicht! Das ist doch glatt unwahr!)

    Sie müssen der Presse das Recht zugestehen, ihre Meinung zu äußern. So habe ich es in der demokratisch verantwortlichen Presse gelesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier ist auch ohne jeden Zweifel die Frage der Pressefreiheit im Spiel. Wir haben ja auch Fälle erlebt, daß einzelne Druckereien nicht bestreikt und andere bestreikt worden sind. Die Auswahl war aber — um mich sehr höflich auszudrücken — nicht ganz paritätisch.
    Eines steht aber fest: Die Belastung durch die Inflation einerseits, durch Steuern und Abgaben andererseits führt dazu, daß der volle Inflationsausgleich die Verfügungseinkommen der Arbeiter nicht mehr in gleicher Höhe gewährleistet. Außerdem müssen Sie damit rechnen, daß dieser Streik die kleineren und mittleren Betriebe in starker Weise beeinträchtigt und daß manche, wenn es so weitergeht, auf der Strecke bleiben werden. Ich habe hier nicht Sorge um die Großen, um den Herrn Springer und um ähnliche finanzgewaltige Verlage in der Bundesrepublik wie Bertelsmann und andere. Sorge haben wir um die Vielfalt der kleineren und mittleren Druckereien und der ihnen angeschlossenen Zeitungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)