Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Lenz, Sie haben es einleitend begrüßt, daß erstmals seit Februar 1971 Gelegenheit sei, eine umfassende Bilanz im rechtspolitischen Bereich zu ziehen. Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll; denn Sie hätten in jedem Jahr Gelegenheit gehabt, anläßlich der Haushaltsberatungen auch für den Rechtsbereich das, was Sie für notwendig halten, ausführlich darzulegen.
Ich möchte Ihrer Kritik, die Sie hier ausgebreitet haben, keine Leistungsbilanz dieser Bundesregierung und dieser Koalition entgegensetzen.
Zum einen hat Herr Kollege Dürr hier bereits einiges gesagt. Zum anderen wird auch der Herr Bundesjustizminister hierzu sicherlich einiges ausführen. Mir erscheint es, Herr Kollege Dr. Lenz, viel notwendiger, nicht mit einer vorbereiteten Rede zu
antworten, sondern aus der Stunde heraus nach den Notizen, die ich mir vorhin gemacht habe, einiges zu dem zu sagen, was Sie hier ausgeführt haben.
Sie haben hier den Versuch unternommen,
insbesondere die Amtsperiode des ehemaligen Bundesjustizministers Jahn der Zeit von 1949 bis 1969 gegenüberzustellen, die nach Ihrer Wertung eine erfolgreiche Zeit war. Ich stimme Ihnen da zum Teil, Herr Kollege Dr. Lenz, durchaus zu, nur werden wir hier einige Differenzierungen anbringen müssen.
Was Sie hier für die Zeit von 1949 bis 1969 ausgeführt haben, weist aus, daß wir es hier mit 20 Jahren zu tun haben, in denen es Aufgabe unserer Rechtspolitik sein mußte — nach der Zerstörung unseres Landes —, eine neue Ordnung aufzubauen und vieles an Recht wiederherzustellen, das diesen Namen auch tatsächlich verdient. Das war eine große und gewichtige Aufgabe, und wir Freien Demokraten würden die letzten sein, diese Verdienste nicht zu schätzen zu wissen. Nicht nur bei uns sind der Name von Thomas Dehler und seine Leistungen in diesem Zusammenhang unvergessen.
— Viele andere auch, Herr Kollege Arndt. — Man wird nicht übersehen können, daß gerade über dieser wichtigen Arbeit bis 1969 natürlich auch vieles liegengeblieben ist, das es in der darauffolgenden Zeit aufzuarbeiten galt.
Es sind ja, Herr Kollege, vor 1969 nicht nur Unterlassungen festzustellen. Vielmehr werden wir bei einer gewissenhaften Betrachtung nicht übersehen können, daß sich gerade in diesem Zeitraum für den Rechtsbereich ein Wandel der Auffassungen in der Bevölkerung vollzogen hat. Wir haben vom Recht sicherlich dieselbe Auffassung, wenn auch manchmal unterschiedliche Meinungen im Detail. Über das Recht sind wir derselben Auffassung. Aber mir scheint, wir haben häufig eine verschiedene Auffassung von dem, was Rechtspolitik sein und bewirken soll. Während Sie meinen, das geschriebene Recht allein bewirke das nachfolgende Verhalten der Bevölkerung und ihre Einstellung zu den Dingen,
sehen wir sehr wohl die sittliche Aufgabe des Rechts. Aber wir verkennen nicht, daß es häufig Aufgabe des Gesetzgebers in diesem Bereich sein muß — zwangsläufig —, hinterherhinkend das nachzuvollziehen, was sich gesellschaftlich im voraus längst vollzogen hat.