Rede:
ID0724109200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter,: 1
    3. gestatten: 1
    4. Sie: 1
    5. eine: 1
    6. Zwischenfrage: 1
    7. des: 1
    8. Herrn: 1
    9. Abgeordneten: 1
    10. Emmerlich?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 241. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1976 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 16929 A Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung — Drucksache 7/5142 — Kleinert FDP . . . . . . . . . . . 16929 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 (Haushaltsgesetz 1976) — Drucksachen 7/4100, 7/4629 —, Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 7/5036 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 7/5054 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 7/5056 — Liedtke SPD 16930 A Dr. Dregger CDU/CSU 16933 C Kleinert FDP 16945 B Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 16949 D, 16979 A Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . . 16959 D Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 16965 C Dr. Wendig FDP 16969 B Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . . 16974 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 7/5037 — Simon SPD 16983 A Dürr SPD 16984 B Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 16987 C Engelhard FDP . . . . . . . . . . 16993 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . 16997 C Schmidt, Bundeskanzler . . . 17002 C, 17018 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1976 Dr. Wallmann CDU/CSU . . . . . . . 13011 D Spitzmüller FDP . . . . . . . . . . 17015 D Wehner SPD . . . . . . . . . . . 17016 C Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . . 17017 A Frau Funcke, Vizepräsident . . . . . . 17011 A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 7/5040 — Löffler SPD . . . . 17019 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 17019 C Peters (Poppenbüll) FDP . . . . . . 17022 A Ertl, Bundesminister BML . . . . . . 17023 A Dr. Ritz CDU/CSU . . . . . . . . 17026 D Gallus FDP 17029 B Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 7/5046 — 17029 C Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 7/5047-17029 C Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 7/5049 — 17029 D Nächste Sitzung 17029 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17031* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1976 16929 241. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1976 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Achenbach * 14. 5. Adams * 14. 5. Dr. Aigner * 14. 5. Dr. Artzinger * 14. 5. Dr. Bangemann * 14. 5. Dr. Bayerl * 14. 5. Behrendt * 14. 5. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld * 14. 5. Frau von Bothmer ** 13. 5. Prof. Dr. Burgbacher * 14. 5. Christ 12. 5. Dr. Enders ** 13. 5. Dr. Eppler 12. 5. Entrup 14. 5. Fellermaier * 14. 5. Flämig * 14. 5. Frehsee * 14. 5. Dr. Früh * 14. 5. Gerlach (Emsland) * 14. 5. Gewandt 14. 5. Härzschel * 14. 5. Hussing 21.5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 5. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kempfler 14. 5. Dr. Klepsch * 14. 5. Krall * 14.5. Dr. Kreile 12. 5. von Kühlmann-Stumm 12. 5. Lange * 14. 5. Lautenschlager * 14. 5. Lenzer ** 13. 5. Lücker * 14. 5. Memmel * 14. 5. Mick 14. 5. Müller (Mülheim) * 14. 5. Müller (München) ** 13. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 5. Dr. Narjes 14. 5. Pfeifer 12. 5. Rosenthal 14. 5. Seibert 21. 5. Schmidt (München) * 14. 5. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 5. Schwabe * 14. 5. Dr. Schwörer * 14. 5. Seefeld * 14. 5. Springorum * 14. 5. Dr. Starke (Franken) * 14. 5. Suck' 14. 5. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 5. Walkhoff * 14. 5. Walther 14. 5. Frau Dr. Walz * 14. 5. Dr. Warnke 14. 5. Wende 21.5. Zeyer 14. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carl Otto Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen es, daß zum erstenmal seit 1971 aus Anlaß der Beratung des Justizhaushalts eine Debatte über die Rechtspolitik stattfinden kann. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu dem Bericht des Kollegen Simon machen, der über die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz gesprochen hat. Nach unserer Auffassung, Herr Kollege Simon das ist eigentlich das einzige, was ich an Ihrem Vortrag auszusetzen habe --, ist es nicht Aufgabe des Bundesministeriums der Justiz, unverständliche Texte zu propagieren, sondern dafür zu sorgen, daß verständliche Texte angenommen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Bundesministerium der Justiz ist federführend für die Rechtspolitik der Bundesregierung. Rechtspolitik ist ein Teil der Gesamtpolitik der Bundesregierung. Sie sollte deshalb ebenso wie die Gesamtpolitik der Sicherung der Zukunft unseres Staates und Volkes auf der Grundlage der Verfassung dienen. Die Rechtspolitik der derzeitigen Koalition ist dieser Grundforderung nicht gerecht geworden. Außerdem hat sich der Bundesminister der Justiz die Rechtspolitik von den Koalitionsfraktionen teilweise aus der Hand nehmen lassen.
    Zugegeben, Bundesjustizminister Vogel trat ein schweres Erbe an. Die rechtspolitische Landschaft hei seinem Amtsantritt glich eher einer Partitur für Jahns „Unvollendete", einer justizpolitischen Großbaustelle, um nicht zu sagen, einem Trümmerfeld.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : „Großbaustelle" wäre etwas Positives!)

    Vieles war angefangen, nur weniges war vollendet, und dieses Wenige war zum Vorzeigen kaum geeignet, wie das mit so viel Elan betriebene Gesetz über die Reform der Amtsbezeichnungen der Richter zeigt.

    (Dr. Hauser [Sasbach] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)




    Dr. Lenz (Bergstraße)

    Der Justizminister mußte sich sogar vom Bundesverfassungsgericht sagen lassen, daß ein Teil dieses
    sonderbaren Reformwerkes verfassungswidrig sei.

    (Dr. Emmerlich [SPD] : Sagen Sie, wie haben Sie denn damals gestimmt, Herr Lenz?)

    Die Ursache für diesen Zustand der Rechtspolitik im Jahre 1974 war die Reformüberschwenglichkeit des Jahres 1969. Nichts ist kennzeichnender für die damalige Stimmung als das Kanzlerwort: „Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an." Dabei konnte unser Land im Jahre 1969 auf 20 Jahre erfolgreicher Rechtspolitik zurückblicken, ohne daß allerdings viel Aufhebens davon gemacht worden wäre. Lassen Sie mich deshalb die wichtigsten Ergebnisse noch einmal kurz zusammenfassen: Wiederherstellung der ab 1945 verlorengegangenen Rechtseinheit, konsequente Beseitigung nationalsozialistischer Rechtsvorschriften, sehr weitgehende Aufhebung des Besatzungsrechts, wirksamer Schutz der Grund- und Menschenrechte sowie der Verfassung, Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frau und der nichtehelichen Kinder,

    (Dr. Emmerlich [SPD] : Das müssen wir doch jetzt erst machen!)

    Beginn weitreichender Reformen auf dem Gebiet
    des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts,

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Da hat Sie das Verfassungsgericht einige Male korrigiert!)

    rechtsstaatliche Normen und Fortentwicklung aller Zweige der Gerichtsbarkeit, verfassungsmäßige, zeitgerechte Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Richter, Rechtspfleger, Rechtsanwälte und Notare. Meine Damen und Herren, das war eine Bilanz, die für mehrere Generationen sozialdemokratischer Justizminister ausgereicht hätte.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    1969 wollte man dann beinahe alles auf einmal anpacken. Der Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit sollte reformiert und dreistufig gestaltet werden — was einen bekannten justizpolitischen Kommentator zu einem Artikel unter dem Titel „Drei Stufen ins Nichts" veranlaßte —, ein Rechtspflegeministerium sollte geschaffen werden, und dem Bundesjustizminister schwebte eine weitreichende Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen vor.

    (Dr. Emmerlich [SPD] : Sind Sie dagegen?)

    Das Erbrecht und das Kindschaftsrecht sollten neu gestaltet werden, das letztere mit der etwas merkwürdig anmutenden Begründung, das Kind müsse aus der elterlichen Fremdbestimmung befreit werden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Ebenso sollte das Unternehmensrecht, nämlich das GmbH-Recht und das Recht der einzelkaufmännischen Unternehmen, neu gestaltet werden. Außerdem stand auf dem Reformprogramm des Bundesjustizministeriums das Amtsrecht der Staatsanwälte und das Richteramtsrecht.

    (Zuruf des Abg. Dr. Emmerlich [SPD])

    Alle diese genannten Vorhaben, Herr Kollege Emmerlich, mußten abgeschrieben oder zurückgestellt werden. Man ist versucht, ein Wort Friedrichs des Großen abzuwandeln: „Wer alles reformieret, reformieret nichts." Die Konzentration auf das Mögliche und das politische Augenmaß für das Mögliche fehlten. So blieb Bundesjustizminister Vogel nichts anderes übrig, als das Reformprogramm drastisch zusammenzustreichen.
    Meine Damen und Herren, der zweite Fehler war die Konsequenz des ersten. Im Gegensatz zu Ihren öffentlichen Erklärungen bemühte sich die Bundesregierung nicht um eine loyale Zusammenarbeit mit den gesetzgebenden Körperschaften in Ihrer Gesamtheit einschließlich der Opposition, sondern sie versuchte, ihre Minimehrheit bis zum letzten Punkt auszureizen. Sie versuchte, den Bundesrat in eine Jasagemaschine zu verwandeln, und wenn er sich gegen diese Rolle sträubte und auf seinen Mitwirkungsrechten beharrte, versuchte die Koalition, ihn mit dem Vorwurf schachmatt zu setzen, er blockiere den Willen der demokratisch gewählten Mehrheit des Bundestages.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Kampagne gegen den Bundesrat stellt Demokratie und Verfassungsverständnis der Regierungskoalition und der sie tragenden Parteien ein besonders schlechtes Zeugnis aus, leider nicht das einzige.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Oberlehrer Lenz!)

    Statt Mehrheiten über alle Parteien hinweg zu suchen, wie sie angekündigt hatte, betrachtete die Regierung das Recht als Hausgut der SPD bzw. der Koalition und nicht als Gemeingut des ganzen Volkes. Sie orientierte sich in erster Linie, ja, fast ausschließlich an den in ihrem eigenen Lager vorhandenen Vorstellungen, statt die Auffassung der Opposition mit in Betracht zu ziehen. Die Kontinuität der Rechtsentwicklung wurde teilweise gebrochen und die Kooperation mit Bundesrat und Opposition durch Konfrontation ersetzt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Emmerlich [SPD])

    Dies zeigte sich gleich bei einem der ersten wichtigen Gesetzgebungsvorhaben der Koalition, die in der Amtszeit der derzeitigen Koalition verabschiedet wurden, nämlich der fragwürdigen Reform der Straftaten wider die öffentliche Ordnung und wider die Staatsgewalt. An diesem Gesetz kann man eigentlich wie in einem Brennglas die Fehler der derzeitigen Rechtspolitik erkennen. Es wurde nicht an die Ergebnisse der 5. Wahlperiode angeknüpft, sondern um jeden Preis etwas Neues versucht. Man versuchte, den Bundesrat auszumanövrieren, in seinen Rechten zu beschneiden, wogegen sich damals der hessische Ministerpräsident protestierend wandte. Man setzte die Konzeption gegen alle Bedenken, von wem auch immer, durch. Die gleichzeitig erlassene Amnestie für Straßenkämpfer rundet das Bild ab. Das Ganze



    Dr. Lenz (Bergstraße)

    ging im Schlagschatten der neuen Ostpolitik relativ unbemerkt über die Bühne.
    Die damals erprobte Taktik wird bis heute fortgesetzt. In politisch wichtigen Fragen werden an die Opposition im Bundestag keine Konzessionen gemacht. Falls man sich überhaupt dazu entschließt, welche zu machen, spart man sie sich bis zum Bundesrat auf, und auch dann macht man sie nur, wenn sonst die Verabschiedung des Gesetzes gefährdet ist. Zwei typische Fälle hierfür sind die Reform des Scheidungsrechts und des Abtreibungsparagraphen 218. Beim Scheidungsrecht kam es zu echten Kompromißverhandlungen, weil die Union ihren Sachanliegen mit dem Hinwies auf die nicht ausgeräumte Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes Nachdruck vergleihen konnte. Beim Abtreibungsparagraphen 218 war dies leider nicht möglich. Deswegen setzte die Koalition ihren politischen Willen durch, ohne in ernsthafte Kompromißverhandlungen überhaupt einzutreten — und dies, obwohl das neue Recht doch nicht nur für diese Wahlperiode und nicht nur für die Anhänger dieser Koalition, sondern für unser gesamtes Volk auf Dauer gelten soll.

    (Zuruf des Abg. Dr. Arndt [Hamburg] [SPD])

    Wir haben manchmal den Eindruck, als wäre Bundesjustizminister Vogel bereit, einen anderen Kurs zu steuern, aber er kann sich hier anscheinend sowenig durchsetzen wie in seiner Partei in München.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Der darf nicht! — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Die Strafprozeßordnung ist der beste Beweis!)

    So wurde die Rechtspolitik gerade bei den im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stehenden Fragen eher zu einem Schlachtfeld der Auseinandersetzungen statt zu einem Acker der Zusammenarbeit. Bei den weniger im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehenden Fragen prägte gerade unter Justizminister Vogel, aber auch unter seinem Vorgänger, eine sachliche Zusammenarbeit den Stil der Beratungen. Es ist zu bedauern, daß sich diese Zusammenarbeit nicht bis in die wichtigen rechtspolitischen Grundfragen hinein erstreckte.
    Lassen Sie mich das an zwei Fällen beispielhaft darstellen. Die energische Bekämpfung von Verfassungsfeinden und von kriminellen Elementen ist nach Überzeugung der Union notwendig für die Sicherung unserer freiheitlichen Staatsordnung. Unser Volk würde es nicht verstehen, wenn unser Staat kriminellen Elementen nicht mit allem Nachdruck entgegentritt, und unser Volk würde es nicht verstehen, wenn sich unser Staat von verfassungsfeindlichen Elementen infiltrieren läßt. Wenn wir auf diesem Gebiet nicht erfolgreich sind, wird unser Volk das Vertrauen zu seinem Staat verlieren.
    Nach meiner Überzeugung hat die Bundesregierung weder in der letzten noch in dieser Wahlperiode auf diesem Gebiet die notwendige Energie gezeigt. Ich will nicht mehr auf die jahrelange Verschleppung unserer Gesetzesanträge zur Verschärfung des Haftrechts eingehen, die erst unter dem Eindruck der Bombenexplosionen der Baader-Mein-
    hof-Bande verabschiedet werden konnten. Ich muß aber darauf hinweisen, daß die notwendigen Regelungen für den Ausschluß von Strafverteidigern eineinhalb Jahre verzögert wurden, obwohl der Bundesregierung dieses Problem sowohl als Rechtsproblem als auch als tatsächliches Problem seit langem bekannt war.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Sie haben die Zeilen verwechselt!)

    Ich muß weiter darauf hinweisen, daß es dem Herrn Bundesminister der Justiz nicht gelungen ist, für den Kabinettsbeschluß der Bundesregierung über die Überwachung des Verteidigerverkehrs die Unterstützung der Koalitionsfraktionen zu finden.

    (Zuruf des Abg. Vogel [Ennepetal] [CDU/ CSU])

    Sie haben das zwar vorgeschlagen, aber die Koalitionsfraktionen haben es fallengelassen. Sie haben sich dann vor dieses Haus gestellt und die kopierte Regelung ohne jegliche Verteidigerüberwachung als „ausreichend" bezeichnet.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Sogar als besser!)

    — Als besser bezeichnet, jawohl, Herr Kollege Vogel.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Verteidigerausschluß!)

    — Zu diesem Ausschluß, Herr Kollege Arndt, werde ich auch noch kommen.
    Mittlerweile schlagen Sie uns selbst eine Überwachung des schriftlichen Verteidigerverkehrs vor. Außerdem sind Sie dann hingegangen, Herr Minister, und haben die beschlossenen Ausschlußvorschriften während eines schwebenden Verfahrens und ohne Not einschränkend und verunsichernd ausgelegt. Die Arbeit der Stammheimer und Karlsruher Richter haben Sie damit nicht gerade erleichtert.

    (Kunz [Berlin] [CDU/CSU] : Das kann man wohl sagen!)

    Auch bei den noch ausstehenden Strafprozeßordnungsregelungen ist es der Bundesregierung, d. h. Ihnen, Herr Bundesjustizminister, noch nicht gelungen — vielleicht besteht noch Hoffnung —, alle Ihre Vorstellungen in den Koalitionsfraktionen durchzusetzen. Ich denke dabei z. B. an die Überwachung des schriftlichen Verteidigerverkehrs, der jetzt von Ihnen vorgeschlagen und von den Koalitionsfraktionen aber noch nicht gebilligt worden ist.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Stimmt ja gar nicht!)

    — Noch nicht, Herr Kollege. Dem ist überhaupt nicht zu widersprechen; denn noch haben wir es nicht verabschiedet. Wenn ich mich hier täuschen sollte, Herr Kollege, wird sich ja in kürzester Zeit die Gelegenheit ergeben, darüber in diesem Hause anhand der dann beschlossenen Texte zu reden,

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : In der Tat!)

    obwohl dieser Vorschlag, Herr Minister Vogel, nach unserer Auffassung ohnedies nicht zureichend ist.



    Dr. Lenz (Bergstraße)

    Meine Damen und Herren, manche in unserem Lande — jetzt wende ich mich an Herrn Bundesminister Maihofer — scheinen die Auffassung zu vertreten, Sicherheit und Freiheit seien Gegenstände und im Zweifel müsse man sich für die Freiheit entscheiden.

    (Dr. Emmerlich [SPD] : Sie haben heute morgen nicht richtig aufgepaßt!!)

    Für uns christliche Demokraten sind Sicherheit und Freiheit keine Gegensätze. Freiheit von Not und Freiheit von Furcht sind unabdingbare Voraussetzungen für Freiheit. Freiheit von Not ist ohne das, was wir innere und äußere Sicherheit nennen, nicht denkbar. Deshalb ist die Sicherung des Lebens, von Freiheit und Eigentum eine unverzichtbare Aufgabe des freiheitlichen Rechtsstaats.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD]: Des Eigentums auch, Herr Lenz!)

    — Leben, Freiheit und Eigentum hatte ich vorgelesen.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Das gilt auch für Plakate, Herr Lenz! — Zuruf des Abg. Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU])

    — Aber nicht für Notwehrhandlungen, Herr Kollege, gegen Handlungen, durch die meine Fraktion und ich persönlich verleumdet worden sind. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. Wenn Sie glauben, Sie könnten hier eine Arbeitsverteilung einführen, bei der wir Amboß und Sie Hammer sind, werden Sie sich bei dieser Union getäuscht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Emmerlich [SPD]: Herr Lenz, seit wann heißt Faustrecht „Notwehr"? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Deswegen war die Schaffung und Erhaltung eines leistungsfähigen Netzes der sozialen Sicherheit einschließlich seiner notwendigen Verankerung in einer leistungsfähigen Volkswirtschaft stets ein zentrales Anliegen unserer Politik. Ich habe zu meiner Freude gelesen, daß sich auch Sozialdemokraten nicht von der falschen Alternative „Freiheit oder Sicherheit" verleiten lassen. Freiheit und Sicherheit, so heißt es im neuen Regierungsprogramm, seien keine Gegensätze; sie bedingten einander. Vielleicht muß man diesen Punkt noch vor den nächsten Wahlen zum Gegenstand von Koalitionsverhandlungen machen, damit Sie, Herr Bundesminister Maihofer, das Bestehen auf sozialer Sicherheit von seiten ihrer sozialdemokratischen Koalitionspartner nicht als freiheitsbeschränkende Tendenz auslegen.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Das steht gar nicht im Manuskript, Herr Lenz!)

    Nach unserem Verständnis gilt für das Verhältnis dieser Begriffe zueinander der Satz „Recht sichert die Freiheit".
    Der zweite Schwerpunkt liegt nach unserer Überzeugung auf dem Mangel an Respekt vor der Autorität des Rechts. Hierzu muß man sich freilich gegenüber der SPD differenziert äußern. Der frühere Hamburger Regierungschef Weichmann sagte:
    Unsere Gesellschaft muß auf der Respektierung des gesetzlichen Rechts wie auch des Vertragsrechts bestehen, solange es eben geltendes Recht ist.
    Aber die Koalitionspolitiker äußern sich anders. Für den früheren Bundeskanzler ist die Weltgeschichte eben kein Amtsgericht;

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Ist die Weltgeschichte denn ein Amtsgericht?)

    für den Kollegen Wehner ist der Rechtsstaat ein verknorpelter Begriff; und für den Kollegen Jahn war die Forderung nach Amnestie für Straßenkämpfer gerechtfertigt, weil der Kern ihres Anliegens begründet war.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : Das sind die Helfershelfer!)

    Vor dem Hintergrund eines solchen Rechts- und Verfassungsverständnisses ist es erklärlich, daß man sich die Ostpolitik nicht von acht Richtern in Karlsruhe kaputtmachen lassen wollte und deshalb den Grundvertrag mit der DDR in Kraft setzte, ohne die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hierüber abzuwarten. Es lohnt, noch einmal im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu lesen, was es selber von dieser Umgehung seiner Zuständigkeit hält.

    (Dr. Müller-Emmert [SPD]: Träumerei!)

    — Es mag sein, Herr Kollege, daß Sie die Aussprüche des Bundesverfassungsgerichts für Träumerei halten. Wir halten sie für verbindliches Recht in unserem Land. Deswegen stehen wir auf dem Boden der Verfassung. Bei Ihnen ist das offenbar nur ein schöner Traum.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Notwehr!)

    Bei der mißglückten Änderung des Abtreibungsparagraphen durch die sogenannte Fristenlösung setzte sich die Mehrheit des Hauses über die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesjustizministeriums hinweg und verabschiedete die Fristenregelung, die dann von Karlsruhe aufgehoben wurde.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Emmerlich?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carl Otto Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich möchte den Gedanken erst zu Ende führen. — Auch die neue Regelung ist nach Auffassung mancher Beobachter nicht mehr vom Richterspruch aus Karlsruhe gedeckt.
    Bitte, Herr Kollege Emmerlich!