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ID0724103500

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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 241. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1976 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 16929 A Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Titels IV und anderer Vorschriften der Gewerbeordnung — Drucksache 7/5142 — Kleinert FDP . . . . . . . . . . . 16929 B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1976 (Haushaltsgesetz 1976) — Drucksachen 7/4100, 7/4629 —, Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 7/5036 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 7/5054 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 7/5056 — Liedtke SPD 16930 A Dr. Dregger CDU/CSU 16933 C Kleinert FDP 16945 B Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister BMI 16949 D, 16979 A Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . . 16959 D Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 16965 C Dr. Wendig FDP 16969 B Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . . 16974 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 7/5037 — Simon SPD 16983 A Dürr SPD 16984 B Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 16987 C Engelhard FDP . . . . . . . . . . 16993 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . 16997 C Schmidt, Bundeskanzler . . . 17002 C, 17018 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1976 Dr. Wallmann CDU/CSU . . . . . . . 13011 D Spitzmüller FDP . . . . . . . . . . 17015 D Wehner SPD . . . . . . . . . . . 17016 C Dr. Freiherr von Weizsäcker CDU/CSU . . 17017 A Frau Funcke, Vizepräsident . . . . . . 17011 A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 7/5040 — Löffler SPD . . . . 17019 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 17019 C Peters (Poppenbüll) FDP . . . . . . 17022 A Ertl, Bundesminister BML . . . . . . 17023 A Dr. Ritz CDU/CSU . . . . . . . . 17026 D Gallus FDP 17029 B Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 7/5046 — 17029 C Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 7/5047-17029 C Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 7/5049 — 17029 D Nächste Sitzung 17029 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17031* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Mai 1976 16929 241. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Achenbach * 14. 5. Adams * 14. 5. Dr. Aigner * 14. 5. Dr. Artzinger * 14. 5. Dr. Bangemann * 14. 5. Dr. Bayerl * 14. 5. Behrendt * 14. 5. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 14. 5. Blumenfeld * 14. 5. Frau von Bothmer ** 13. 5. Prof. Dr. Burgbacher * 14. 5. Christ 12. 5. Dr. Enders ** 13. 5. Dr. Eppler 12. 5. Entrup 14. 5. Fellermaier * 14. 5. Flämig * 14. 5. Frehsee * 14. 5. Dr. Früh * 14. 5. Gerlach (Emsland) * 14. 5. Gewandt 14. 5. Härzschel * 14. 5. Hussing 21.5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 5. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments **für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kempfler 14. 5. Dr. Klepsch * 14. 5. Krall * 14.5. Dr. Kreile 12. 5. von Kühlmann-Stumm 12. 5. Lange * 14. 5. Lautenschlager * 14. 5. Lenzer ** 13. 5. Lücker * 14. 5. Memmel * 14. 5. Mick 14. 5. Müller (Mülheim) * 14. 5. Müller (München) ** 13. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 5. Dr. Narjes 14. 5. Pfeifer 12. 5. Rosenthal 14. 5. Seibert 21. 5. Schmidt (München) * 14. 5. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 5. Schwabe * 14. 5. Dr. Schwörer * 14. 5. Seefeld * 14. 5. Springorum * 14. 5. Dr. Starke (Franken) * 14. 5. Suck' 14. 5. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 5. Walkhoff * 14. 5. Walther 14. 5. Frau Dr. Walz * 14. 5. Dr. Warnke 14. 5. Wende 21.5. Zeyer 14. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Maihofer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Auseinandersetzungen am gestrigen Tag um die sogenannten Grundwerte — die ich zunächst aufnehmen möchte —, also um die jeweiligen obersten Ziele, an denen die demokratischen Par-



    Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
    teien dieses Hauses sich in ihrer Politik orientieren, hat zunächst erstaunliche, zumindest verbale Übereinstimmung ergeben. Von seiten der SPD wie der CDU/CSU wurden übereinstimmend die schon in ihren beiderseitigen Grundsatzprogrammen enthaltenen Bekenntnisse zu Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität als den drei obersten Grundwerten hier auch in die Debatte dieses Parlaments eingeführt. Näher besehen nichts anderes als zeitgemäße Umschreibungen jenes großen Dreiklangs der liberalen Postulate: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! — mit denen jene demokratischen Revolutionen in Amerika und Frankreich anheben, deren geistige Erben wir heute alle sind, die wir uns als Demokraten im Sinn der damit heraufgeführten freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokratie unserer westlichen Welt bekennen. Ob wir uns nun als liberale, als soziale oder als christliche oder als christlich-soziale Demokraten bezeichnen.
    Daß es sich bei diesen drei großen Forderungen nach einer gesellschaftlichen Ordnung und staatlichen Verfassung der Freiheit, aber auch der Gleichheit und der Brüderlichkeit nicht um drei nebeneinanderstehende und voneinander unabhängige Grundwerte, sondern um einen vom ersten und obersten Grundwert der Freiheit her bestimmten Gesamtzusammenhang handelt, dürfte heute ebenso Gemeingut aller demokratischen Parteien in unserem Lande sein. Für die es nicht einfach nur um Freiheit an sich geht, sondern auch um Gleichheit in Freiheit oder, wie sie beide sagen, um Gerechtigkeit in Freiheit — und eben nicht um zwangsweise Gleichmacherei —; und ebenso um Brüderlichkeit oder, wie sie beide sagen, um Solidarität in Freiheit — und eben nicht um eine erzwungene Brüderlichkeit nach dem Satz: Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag' ich dir den Schädel ein! —, wie gestern gerade der Bundeskanzler noch einmal eindrucksvoll unterstrichen hat.
    Was so die drei demokratischen Parteien, die sozialer, liberaler und christlicher Demokraten, in unserem Lande unterscheidet, ist, wie ich meine, einzig und allein der unterschiedliche Rang, den wir den einzelnen Grundwerten im Falle eines Widerstreits, eines Konflikts dieser Prinzipien geben, ebenso wie der verschiedenartigen Begründung der inhaltlichen Ausfüllung dieser Grundwerte, bald aus christlichen, bald aus humanistischen Traditionen. Daß wir liberalen, wir freien Demokraten hier in einem Widerstreit der Grundwerte kompromißlos vom unbedingten Vorrang der Freiheit ausgehen, die in keiner Gleichheit, etwa der Bildungs- und Berufschancen, aufgehoben ist, die von keiner noch so gut gemeinten Brüderlichkeit, also aktiver Solidarität in Fürsorge und Nächstenhilfe, verschlungen werden darf, sagt schon unser Name. Im Zweifel für die Freiheit heißt deshalb auch im Konflikt dieser Prinzipien unsere liberale Devise.
    Wie man bei dieser hier noch einmal erinnerten Ausgangslage gemeinsamer, wenn auch verschieden gewichteter und verschiedenartig ausgefüllter Grundwertüberzeugungen dazu gelangen kann, die von sozialen und liberalen Demokraten getragene Regierung und die von christlichen und christlich-
    sozialen Demokraten getragene Opposition dem Wähler 1976 unter der politischen Alternative „Freiheit oder Sozialismus" vorzustellen, erscheint auch mir wirklich ein abenteuerliches Unterfangen,

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    das bei allen denkenden Menschen — darüber sollten Sie sich durch die scheinbare regionale Resonanz dieser Wahlmasche nicht täuschen lassen — auf die Urheber dieser schrecklichen Vereinfachung zurückfallen wird.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Damit kündigen Sie mutwillig und grundlos den unsere freiheitliche Demokratie über alle Interessenprioritäten und Weltanschauungsunterschiede hinaus tragenden Konsens der Demokraten auf.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Sie machen sich damit — ich sage es scharf und klar — einer Verketzerung und Verhetzung zwischen den demokratischen Parteien schuldig, mit Mitteln einer Demagogie, die zwischen Demokraten auch in närrischen Zeiten eines Wahlkampfes nicht erlaubt sind,

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Marx [CDU/CSU] : Gehen Sie mit Ihrem Koalitionspartner! — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU] : Sie sprechen von Brandt, nehme ich an!)

    wie uns die erschreckenden Erfahrungen ein für allemal gelehrt haben sollten, die zum Untergang der ersten freiheitlichen Demokratie in unserem Lande geführt haben.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Er spricht vom „Sicherheitsrisiko"! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich komme schon zu diesem Thema.

    (Rawe [CDU/CSU] : Bauen Sie doch keinen Buhmann auf! Wer hat uns denn als „Sicherheitsrisiko" bezeichnet?! — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Ihre Kritik ist einseitig und damit unglaubwürdig, Herr Minister!)

    Statt dessen scheuen Sie noch nicht einmal davor zurück, die Volksfrontkampagne, mit der Sie die diese Regierung tragenden Parteien im Wahlkampf überziehen wollen, auch auf das Feld der inneren Sicherheit zu tragen,

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Ist das an den Universitäten so oder nicht?)

    wo doch die Bewahrung der Gemeinsamkeit, etwa bei der gemeinsamen Verteidigung der Demokratie gegen den Extremismus, eine besonders wichtige Sache ist oder jedenfalls wäre.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Konrad [SPD] : Das sind bei denen nur Lippenbekenntnisse!)

    Ich kann es deshalb — nicht anders als gestern der Bundesaußenminister — nur als politische Brunnenvergiftung bezeichnen,

    (Beifall bei der FDP und der SPD)




    Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
    wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Carstens, sich in seiner gestrigen Rede zu der Behauptung versteigt, daß SPD und auch FDP — ich zitiere wörtlich — „sich für die Übernahme von Kommunisten in den Staatsdienst einsetzen."

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Das haben doch Ihre Hamburger Freunde getan!)

    Das ist doch, wie Sie genau wissen, die schlichte Unwahrheit.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und der SPD — Rawe [CDU/CSU] : Erzählen Sie doch keine Märchen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Das ist doch durch mich schon ein halbes dutzend Mal — auch in meiner Rede im Bundesrat — klar- und richtiggestellt worden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nein, das ist nicht richtiggestellt! — Rawe [CDU/CSU] : Sie haben zwar dahergeredet, aber die Fakten nicht weggeschafft!)

    — Aber reden Sie doch nicht! Das Ganze ist eine ungeheuerliche Verleumdung der sozialen und liberalen Demokraten in unserem Lande.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Rawe [CDU/CSU] : Warum haben Sie denn Ihren eigenen Gesetzentwurf geändert?)

    Alles werden Sie gebührend beantwortet bekommen. Wenn Sie nur einmal in Ruhe zuhören könnten!

    (Rawe [CDU/CSU] : Warum haben Sie denn Ihren eigenen Gesetzentwurf geändert? Geben Sie doch darauf einmal eine Antwort! — Zuruf von der CDU/CSU: Wann kriegen wir denn die Antwort? Hoffentlich bald! — Rawe [CDU/CSU] : Das haben Sie uns seit Monaten versprochen! — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Werden Sie doch einmal konkret!)

    Ich wiederhole: Es ist eine ungeheuerliche Verleumdung der sozialen und liberalen Demokraten in unserem Lande,

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Ihr Quatsch wird durch Wiederholungen nicht richtiger, Herr Minister!)

    die ich nicht für eine zufällige Entgleisung von Herrn Carstens, sondern für eine zwischen CDU und CSU verabredete Hetzkampagne gegen die sozialliberale Koalition unter der Volksfrontmasche ansehen muß.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Konrad [SPD] : Das ist auch das einzige, was sie können!)

    Daß es so ist,

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Ist das das einzige, was Ihnen heute einfällt?)

    bestätigt sich nicht nur in der unter gleichen Vorzeichen stehenden Rede des innenpolitischen Sprechers der CDU, Herrn Dregger, heute, sondern auch in den verleumderischen Angriffen, die auf dem letzten Wahlkongreß der CSU am 8. Mai 1976 unter
    dem Motto „1976 Deutschland vor der Entscheidung — Freiheit oder Sozialismus" von Herrn Stücklen vorgetragen worden sind. Da wird unter dem Thema „Sozialismus in Bonn — die Praxis seit 1969" genau so schlicht und einfach behauptet, daß — ich zitiere —
    der oberste Hüter unserer Verfassung, Bundesinnenminister Maihofer, mit Einverständnis seines Kanzlers, seiner Regierung und der diese Regierung tragenden Parteien die von ihm selbst als verfassungsfeindlich eingestufte DKP in selbstmörderischer Weise begünstigt.
    Und er fährt fort:
    Maihofer und mit ihm die Bundesregierung wollen nach der verantwortungslosen Aufkündigung des sogenannten Radikalenerlasses den in den Staatsdienst drängenden DKP-Mitgliedern nicht etwa die Tür weisen,

    (Stücklen [CDU/CSU]: So ist es!)

    wie es ihre verfassungsmäßige Pflicht wäre, sondern ihnen sage und schreibe einen „Vertrauensvorschuß" gewähren.

    (Zurufe von der SPD: Unverschämtheit! Schlimm!)

    Das ist sage und schreibe eine einzige große Irreführung, die den wahren Sachstand geradezu auf den Kopf stellt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Rawe [CDU/CSU] : Haben Sie eigentlich gar nicht gehört, was Herr Liedtke eben gesagt hat?)

    Wie ist die wahre Lage? Der Grundsatz, daß Extremisten — gleich ob von rechts oder von links — im öffentlichen Dienst keinen Platz haben, ist unbezweifelbare, gemeinsame Grundüberzeugung aller Demokraten in unserem Lande.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Leider nicht! Deswegen haben Sie den Rückzug gemacht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Das können Sie in den Grundsatzerklärungen aller Parteien, nicht zuletzt auch in den Wiesbadener Beschlüssen der FDP von 1973, wortwörtlich nachzulesen.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Wo ist denn der Beschluß von 1972? — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Die Praxis ist aber eine andere!)

    — Das ist doch die reine Unwahrheit.

    (Erneute Zurufe von der CDU/CSU — Glocke des Präsidenten)

    — Wenn Sie doch nur einmal zuhören könnten! Aber Sie können Ihre Vorurteile offenbar einer kritischen Diskussion nicht aussetzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Warum haben Sie Ihren Gesetzentwurf geändert, Herr Maihofer?)

    — Ich komme gleich darauf, mein Gott.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Er kommt immer!)




    Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
    Sie kommen auf Ihre Rechnung. Das werden Sie gleich sehen.
    „Der freiheitlich demokratische Rechtsstaat kann und darf sich nicht in die Hand seiner Zerstörer begeben",

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    hat dazu nun auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 22. Mai vergangenen Jahres mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit erklärt.
    In der Öffentlichkeit erstaunlich wenig bekannt ist indessen die Tatsache, daß dieser Grundsatz seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht ist. Beamter, Richter und — seit Bestehen der Bundeswehr — Soldat darf nur werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten,

    (Stücklen [CDU/CSU]: Jawohl!)

    also erforderlichenfalls — denn darum handelt es sich -- den unabänderlichen und unverzichtbaren Kernbestand unserer freiheitlichen Verfassung, das, was wir freiheitlich demokratische Grundordnung nennen — in § 92 StGB in den einzelnen Prinzipien enumeriert —, kämperisch zu verteidigen. Keine der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien hat je auch nur im entferntesten daran gedacht, diesen Grundsatz des geltenden Rechts einzuschränken, auszuhöhlen oder gar umzustoßen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Doch, doch! — Das ist auch nicht wahr! — Aber auch nicht daran, ihn anzuwenden!)

    Die Frage, um die es in den letzten Jahren sachlich allein ging und noch geht, lautet: Wie muß das Verfahren gestaltet sein, in dem darüber entschieden wird, ob jemand, der sich um Aufnahme in den öffentlichen Dienst bewirbt, diese Gewähr der Verfassungstreue bietet? Oder anders gewendet: Wie ist in rechtsstaatlich unangreifbarer Weise einerseits zu gewährleisten, daß keine Verfassungsfeinde in den öffentlichen Dienst eindringen, ohne daß andererseits von der Vielzahl der jährlichen Bewerber für den öffentlichen Dienst bei Gemeinden, Ländern und Bund jemand, der im übrigen alle Qualifikationen für den öffentlichen Dienst mitbringt, zu Unrecht aus politischen Motivationen von der erstrebten Berufswahl ausgeschlossen wird?
    Alle hierfür möglichen Lösungen lassen sich bei näherem Zusehen auf zwei Alternativen zurückführen: Zum einen auf die Möglichkeit, dabei auf pauschal feststellbare Merkmale abzuheben. Und hier bietet sich in der Tat die Mitgliedschaft eines Bewerbers in Parteien oder Organisationen, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, als das Nächstliegende an.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Warum machen Sie es dann nicht?)

    — Ich sage Ihnen gleich, warum: weil es im Widerspruch zum geltenden Recht steht, wie Sie gleich hören werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Die andere Alternative: Bei der Entscheidung über die Einstellung von Bewerbern wird jeweils, vom Einzelfall ausgehend, gefragt, ob der Betreffende nach allen bekanntgewordenen — wie es in unserem Gesetzentwurf heißt , „in der Person des Bewerbers liegenden Umständen" die Gewähr des Eintretens für die freiheitlich demokratische Grundordnung bietet oder ob begründete Zweifel an seiner Verfassungstreue bestehen.
    Nun, die erste Alternative vermag gerade den praktischen Politiker — das ist zuzugeben — auf den ersten Blick durchaus einzunehmen, wie etwa Herr Dregger jetzt wiederum sagt: Es spricht zunächst durchaus etwas dafür, sich zu überlegen, ob man nicht das objektive Merkmal der Parteimitgliedschaft zum Maßstab des Verfahrens macht.

    (Stücklen [CDU/CSU]: Sehr richtig!) So haben Sie sich eben gerade ausgedrückt.


    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Das haben Sie doch in Ihrem Gesetzentwurf ursprünglich vorgeschlagen!)

    Aber nein!

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Aber sicher!)

    – Hören Sie doch zunächst einmal zu;

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Wenn er in eine Partei eintritt, denkt er sich doch etwas dabei! Er bekennt sich doch zu ihr!)

    Sie kommen auf Ihre Kosten; ich sage es Ihnen nochmals.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Weil Sie um cien Brei herumreden, kommen wir nicht auf unsere Kosten!)

    Man hat hier also ein scheinbar objektives Kriterium, das vermeintlich saubere Entscheidungen gewährleistet und das Einstellungsverfahren insgesamt erleichtert und beschleunigt.
    Nun, selbst wenn nach einer derartigen Regelvermutung in vielleicht sogar 90% der zur Entscheidung stehenden Fälle auch das sachlich richtige Ergebnis getroffen würde, müssen jene übrigen 10% der Fälle

    (Dr. Miltner [CDU/CSU]: Woher nehmen Sie denn so einen Prozentsatz?)

    --- oder auch nur 5 °!o, wenn Sie wollen —,

    (Dr. Miltner [CDU/CSU] : Nicht einmal 5 %!)

    in denen die Sicherheit des Rechtsstaates auf dem Rücken der Bewerber gewährleistet wird —

    (Zustimmung bei der SPD)

    dann schauen Sie sich die Gerichtsurteile der letzten Zeit an —, den rechtsstaatlich Denkenden jedenfalls beunruhigen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Warum sind die Leute wohl in einer kommunistischen Partei?)

    Der Rechtsstaat gäbe sich selber preis, wenn er bereit wäre, solche auch nur gelegentlichen Fehlent-
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Mittwoch, cien 12. Mai 1976 16953
    Bundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer
    scheidungen bei einem solchen objektiven Automatismus einfach in Kauf zu nehmen, obwohl Verfahrensregelungen getroffen werden können, die größere Einzelfallgerechtigkeit verbürgen.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das ist der reine Irrsinn! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Das versteht kein Mensch! — Das gibt's doch nicht!)

    So hat sich denn auch das Bundesverfassungsgericht und nun würde ich Sie freundlichst bitten, wenigstens einen Augenblick nicht mir, sondern der Ausführung des Bundesverfassungsgerichts zuzuhören —

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Wir hören auch Ihnen zu!)

    in einem grundlegenden Beschluß zur Frage der Fernhaltung von Extremisten vom öffentlichen Dienst eindeutig und uneingeschränkt für die zweite Alternative ausgesprochen und ausgeführt, daß einem am Ende des Einstellungsverfahrens sich ergebenden Zweifel der Einstellungsbehörde, der Bewerber biete nicht die Gewähr der Verfassungstreue, ein — ich zitiere jetzt wörtlich — „prognostisches Urteil über die Persönlichkeit des Bewerbers" zugrunde liegen müsse, das nur den Einzelfall im Auge hat und sich jeweils — wiederum Zitat — auf „eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Elementen und deren Bewertung" gründet.

    (Richtig! bei der CDU/CSU)

    Zu diesen Beurteilungselementen rechnet das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich — ich zitiere —,,Äußerungen, Teilnahme an Demonstrationen, politische Aktivitäten, Zugehörigkeit zu irgendwelchen Gruppen, Vereinigungen oder politischen Parteien", und zwar ohne jede Hervorhebung des Vorrangs oder gar Übergewichts eines dieser Elemente, auch nicht des Elements „Zugehörigkeit zu einer Partei".

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das spricht alles für uns! — Gegenruf von der SPD: Nein!)

    Auch diese steht in einer Reihe und auf einer Ebene mit anderen — wie hier gesagt wird Tatsachen. Sie steht sogar am Ende der hierzu im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts enthaltenen Aufzählung.
    Darüber hinaus schränkt das Gericht den Entscheidungswert aller solcher Einzeltatsachen -darum handelt es sich — ausdrücklich ein, wenn es betont, daß es bei der Verfassungstreue um ein Gesamturteil über die Bewerberpersönlichkeit und — ich zitiere wiederum — „nicht lediglich um die Feststellung" solcher Einzelelemente gehe. Damit nicht genug: Das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht dies in Hinsicht auf die Parteimitgliedschaften ausdrücklich nochmals in zwei weiteren Schritten. Es sagt — und auch diesen Schlüsselsatz will ich wörtlich zitieren —:
    Ein Stück des Verhaltens, das für die hier geforderte Beurteilung der Persönlichkeit des Bewerbers erheblich sein kann, kann auch der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sein, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, unabhängig davon, oh ihre Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt ist oder nicht.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Na, dann sagen Sie das doch!)

    Auch die Parteimitgliedschaft wird hier ausdrücklich als ein „Stück" des Verhaltens — aber nicht als das Ganze des Verhaltens - bezeichnet, das für die Persönlichkeitsbeurteilung erheblich sein kann, aber nicht sein muß.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    - Sie sehen doch genau, wo ihre Argumentation
    hinzielt: Die Prozedur, ausschließlich jenes scheinbar objektive Kriterium der Parteimitgliedschaft und nichts sonst zu fixieren.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU]: Wir fordern doch — wie Sie auch — eine Einzelfallprüfung!)

    — Dann können Sie doch nicht so argumentieren, wie Sie es tun.
    Im Regelfall kommen zumindest der persönliche Eindruck hinzu, den die Einstellungsbehörde vom Bewerber im Einstellungsverfahren gewonnen hat, und vor allem --- hier liegt für das Bundesverfassungsgericht der Schwerpunkt des Prognoseurteils
    — das Bild, was sich die Verwaltung über den Anwärter während des Vorbereitungsdienstes bzw. in der Probezeit aus unmittelbarer Beobachtung gemacht hat. Auch das ist in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ja ausdrücklich ausgeführt.
    Nur auf die Gesamtbewertung dieser Gesamterkenntnis darf sich das prognostische Urteil gründen, ob der Bewerber die Gewähr der Verfassungstreue bieten wird oder nicht. Keinem einzelnen Beurteilungselement kann danach, auch nicht im Wege gesetzlicher Vermutungen, Beweislastregeln oder gar Beweislastvermutungen, wie gesagt wird, ein Vorrang oder Übergewicht. eingeräumt werden.
    Ich komme so zu folgendem Ergebnis. Die Rechtslage ist nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts eindeutig. Sie geht bei jedem Bewerber, der ein Staatsbürger dieser unserer freiheitlichen Demokratie ist — damit komme ich auf Ihr Thema, Herr Stücklen, zu sprechen , von der Ausgangsvermutung seiner Verfassungstreue aus, ohne daß es dazu bestimmte Erklärungen oder Bekenntnisse bedürfte. Dies ist jener von Herrn Stücklen diffamierte, für jeden Liberalen allerdings selbstverständliche Vertrauensvorschuß, den jeder unbescholtene Bürger in unserem freiheitlichen Staat genießt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Stücklen [CDU/CSU]: Auch die Mitglieder der DKP?)

    — Lieber Herr Stücklen, diese vermutete Verfassungstreue eines Bürgers kann nun durch Zweifel erschüttert werden, die sich aus einer Gesamtwürdigung aller in der Person des Bewerbers liegenden Umstände ergeben,


Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Maihofer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    — nein, ich möchte den Gedankengang zunächst zu Ende führen , darunter auch die Parteimitglied-
    schaft des Bewerbers als ein — so sagt das Verfassungsgericht Stück seines Verhaltens. Bleiben
    am Ende einer solchen Gesamtwürdigung begründete Zweifel daran bestehen, ob der Bewerber die Gewähr der Verfassungstreue bietet, so muß er nach geltendem Recht abgelehnt werden. Darüber sind sich alle hier im Hause doch völlig einig.