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ID0721822000

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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 218. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 Inhalt: Nachruf auf den früheren Abg. und Vizepräsidenten Schoettle . . . . . . . 15081 A Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler 15081 D Beratung des Antrags des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1974 — Drucksachen 7/2423, 7/4158 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung — Drucksache 7/4616 — in Verbindung mit Beratung der Empfehlungen und Entschließungen der Nordatlantischen Versammlung bei ihrer 21. Jahrestagung vom 21. bis 26. September 1975 in Kopenhagen — Drucksache 7/4241 — Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . . 15094 A Wehner SPD 15103 D Hoppe FDP 15109 B Genscher, Bundesminister AA . . . . 15129 B Dr. Marx CDU/CSU 15135 C, 15213 C Mattick SPD 15145 C Dr. Bangemann FDP 15151 A Dr. Abelein CDU/CSU . . . . . . . 15157 B Höhmann SPD . . . . . . . . . . 15163 A Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . . . 15168 A Franke, Bundesminister BMB . . . . 15171 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . 15178 D Mischnick FDP . . . . . . . . . . 15181 B Barche SPD .. . . . 15186 C Dr. Gradl CDU/CSU 15189 B Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . . . 15192 D Wohlrabe CDU/CSU . . . . . . . . 15195 C Grimming SPD . . . . . . . . . . 15199 A Kunz (Berlin) CDU/CSU . . . . . . 15202 C Böhm (Melsungen) CDU/CSU 15205 D Jäger (Wangen) CDU/CSU 15208 D Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 15211 C lI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kreutzmann, Barche, Büchler (Hof), Zebisch, Niegel, Böhm (Melsungen), Hösl, Dr. Warnke, Wolfgramm (Göttingen) und Genossen betr. Förderung des Zonenrandgebietes — Drucksachen 7/4117, 7/4422 —in Verbindung mit Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über den erweiterten Verkehrswegeplan für das Zonenrandgebiet hier: Bericht des Bundesministers für Verkehr 1974 über den Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes — Drucksachen 7/2992, 7/4471 — 15215 A Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament betr. allgemeine unmittelbare Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments Drucksachen 7/3366, 7/3768 — Dr. Kempfler CDU/CSU . . . . . . . 15215 C Fragestunde — Drucksache 7/4632 vom 23. 1. 1976 — Verhalten des Staatsministers Moersch in der Fragestunde des Deutschen Bundestages MdlAnfr A93 23.01.76 Drs 07/4632 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw PStSekr Frau Schlei BKA 15115 D, 15116A, B, C, D, 15117 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 15116 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 15116 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 15116 C ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . 15116 C ZusFr Niegel CDU/CSU 15116 D ZusFr Seiters CDU/CSU 15117 A Lieferung von Schützenpanzern durch die Firma Rheinstahl über ihre belgische Zweigniederlassung an Saudi-Arabien sowie Genehmigung der Ausfuhr MdlAnfr A96 23.01.76 Drs 07/4632 Hansen SPD MdlAnfr A97 23.01.76 Drs 07/4632 Hansen SPD Antw StMin Moersch AA . . . . 15117 B, C, D, 15118A, B, C, D, 15119 B ZusFr Hansen SPD . . . . 15117 C, D, 15118 B ZusFr Ey CDU/CSU . . . . . . . . . 15118 B ZusFr Haase (Kassel) CDU/CSU . . . 15118 C, D ZusFr Dr. Kliesing CDU/CSU 15119 A Einstellung der Bundesregierung zu den Empfehlungen der deutsch-polnischen Schulbuchkonferenz MdlAnfr A99 23.01.76 Drs 07/4632 Dr. Hupka CDU/CSU MdlAnfr A100 23.01.76 Drs 07/4632 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Moersch AA . . . . 15119 B, C, D, 15120 A, B, C, D, 15121 C, D, 15122 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . 15119 C, D, 15120 D, 15121 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 15119 D, 15122 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . . 15120 A, 15121 D ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . . 15120 B Höhe der aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" und den Konjunkturprogrammen nach Ostfriesland seit 1970 vergebenen Mittel MdlAnfr A46 23.01.76 Drs 07/4632 Tietjen SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . 15122 C, 15123 B ZusFr Tietjen SPD . . . . . . . . 15123 A, B Umfang der Exporte von wirtschaftlichen Gütern in osteuropäische Länder seit 1970 MdlAnfr A47 23.01.76 Drs 07/4632 Tietjen SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . 15123 C, 15124 A, B ZusFr Tietjen SPD . . . . . . . . . 15123 D ZusFr Ey CDU/CSU . . . . . . . . . 15124 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 15124 A ZusFr Stahl (Kempen) SPD 15124 B Zweckmäßigkeit nur eines Werkstattyps für Behinderte sowie Untersuchung des Zusammenbringens von geistig Behinderten und geistig nicht Behinderten MdlAnfr A51 23.01.76 Drs 07/4632 Burger CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . 15124 C, 15125 A ZusFr Burger CDU/CSU . . . . 15124 D, 15125 A Wegfall von Waisenrente, Krankenversicherung und Kindergeld für Abiturienten ohne Studien- oder Ausbildungsplatz MdlAnfr A55 23.01.76 Drs 07/4632 Rollmann CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA 15125 B, D, 15126 A ZusFr Rollmann CDU/CSU . . . . . . 15125 D Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 III Einsetzung für die Anerkennung der witterungsbedingten Arbeitsausfälle an den als deutsches Hoheitsgebiet geltenden Baustellen der Staustufe Iffezheim auf französischem Boden MdlAnfr A56 23.01.76 Drs 07/4632 Dr. Hauser (Sasbach) CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . . . . . 15126 A Anerkennung von nicht über die vorgeschriebene Mindestzahl von Plätzen verfügende Werkstätten für Behinderte, damit die hier tätigen Behinderten in den Genuß des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter kommen MdlAnfr A57 23.01.76 Drs 07/4632 Geisenhofer CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . 15126 C, 15127 A ZusFr Geisenhofer CDU/CSU . . . . . . 15127 A Darstellung der Zwangskollektivierung der Bauern in der DDR im Kalender „Blick in die DDR" MdlAnfr A69 23.01.76 Drs 07/4632 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Herold BMB 15127 B, D, 15128 A, B, C ZusFr Eigen CDU/CSU . . . . . . . . 15127 D ZusFr Frau Berger (Berlin) CDU/CSU . . 15128 A ZusFr Stahl (Kempen) SPD 15128 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 15128 B ZusFr Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . 15128 C Verweigerung der Aufnahme illegal Polen verlassender Deutscher in der DDR MdlAnfr A83 23.01.76 Drs 07/4632 Freiherr von Fircks CDU/CSU MdlAnfr A84 23.01.76 Drs 07/4632 Freiherr von Fircks CDU/CSU Antw PStSekr Herold BMB . 15128 D, 15129 A, B ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . . 15129 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . 15216 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15217* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 15081 218. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 216. Sitzung, Seite 14998 D, Zeile 9 von unten ist zu lesen: „Das nehmen Sie . . ."; Seite 14999 D, Zeile 9 von unten ist statt „abzulenken" zu lesen: „abzulehnen" ; Seite 15000 B, Zeile 12 ist statt „zukunftweisend" zu lesen: „zukunftsweisend" ; Seite 15001 B, Zeile 17 ist statt „Teufelskeis" zu lesen: "Teufelskreis". Anlage Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Adams * 30. 1. Ahlers 30. 1. Dr. Achenbach * 30. 1. Dr. Ahrens ** 30. 1. Dr. Aigner * 30. 1. Alber ** 30. 1. Dr. Artzinger * 30. 1. Amrehn ** 30. 1. Dr. Bayerl * 29. 1. Behrendt * 30. 1. Blumenfeld * 29. 1. Frau von Bothmer ** 30. 1. Brandt 30. 1. Breidbach 30. 1. Büchner (Speyer) ** 30. 1. Christ 29. 1. Dr. Dollinger 13. 2. Dr. Enders ** 30. 1. Entrup 13. 2. Prof. Dr. Erhard 30. 1. Fellermaier * 30. 1. Dr. Früh 30. 1. Flämig * 30. 1. Gerlach (Emsland) * 30. 1. Dr. Geßner ** 30. 1. Dr. Gölter ** 30. 1. Haase (Fürth) ** 30. 1. Dr. Holtz ** 30. 1. Hussing 30. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) * 30. 1. Kater 30. 1. Dr. Kempfler " 30. 1. Dr. Klepsch ** 30. 1. Dr. Kreile 30. 1. Kroll-Schlüter 30. 1. Lagershausen ** 3,0. 1. Lange * 30. 1. Lautenschlager * 30. 1. Lemmrich ** 30. 1. Lenzer ** 30. 1. Liedtke 30. 1. Lücker * 30. 1. Marquardt ** 30. 1. Mattick ** 30. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Memmel * 30. 1. Dr. Mende ** 30. 1. Dr. Müller (München) ** 30. 1. Mursch * 30. 1. Frau Dr. Orth 30. 1. Pawelczyk ** 30. 1. Pieroth 30. 1. Richter ** 30. 1. Dr. Schäuble ** 30. 1. Prof. Dr. Schellenberg 30. 1. Schmidt (Kempten) ** 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schonhofen 21.2. Dr. Schröder (Düsseldorf) 30. 1. Dr. Schwencke ** 30. 1. Dr. Schwörer * 30. 1. Dr. Schulz (Berlin) * 30. 1. Seibert 30. 1. Sieglerschmidt '* 30. 1. Springorum * 30. 1. Dr. Starke (Franken) * 30. 1. Stücklen 30. 1. Strauß 30. 1. Suck * 30. 1. Tönjes 30. 1. Dr. Vohrer ** 30. 1. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 2. Walkhoff * 30. 1. Walther ** 30. 1. Frau Dr. Walz * 30. 1. Weber (Heidelberg) 30. 1. Wende ** 30. 1. Dr. Wörner 30. 1. Frau Dr. Wolf ** 30. 1. Wolf 30.1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Die schriftlichen Antworten auf die in der Fragestunde nicht mündlich beantworteten Fragen werden als Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die 219. bzw. die 220. Sitzung abgedruckt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Wohlrabe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedaure es eigentlich, daß bisher wenig Gelegenheit war, die Problematik Berlins ein wenig mehr zu vertiefen. Ich möchte dazu einen Beitrag leisten.
    Bevor ich das tue, darf ich jedoch auf eine Bemerkung des Herrn Bundesministers Franke eingehe Er sagte, wir hätten in unserer Politik bisher alle Zahlungen an die DDR abgelehnt. Ich bin dem Satz einmal nachgegangen und habe mir in der Zwischenzeit eine Aufstellung der Bundesregierung Tiber die Zahlungen an die DDR besorgt, Herr Kollege Franke.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Hört! Hört!)


    (ì73 Milliarden DM. Natürlich schlägt allein der Swing mit einer großen Vergünstigung zu Buche. Ich säge Ihnen nur dies: Die CDU/CSU hat — aus denn Haushaltsausschuß weiß ich das, und aus der Politik, die wir betreiben — bisher nur einer Zah Jung nicht zugestimmt. Es ist nämlich die nicht zweckgebundene Zahlung bei der Transitpauschale. Wir werden auch in Zukunft dieser nicht zweckgebundenen Zahlung an die DDR, die dort sachfremd verwandt wird, nicht zustimmen. Im kommenden Jahr wird diese Zahlung insgesamt die Mehrheit der Summen wird erhalten bleiben, vielleicht mit gewissen Verschiebungen — um 165 Millionen DM allein bei der Transitpauschale zunehmen, neuerdings bei dem Postabkommen noch einmal 3 1/2 Millionen DM. Im übrigen haben wir gegen diese Postausgleichszahlungen hier nie ein Wort gesagt. Dies alles sage ich nur zur Richtigstellung, damit die Verallgemeinerungen aufhören. Der Bundeskanzler hat heute in seiner Erklärung mit dem schönen Satz gesagt: Wir hätten gerne eine stärkere Zweckbindung dieser Gelder erreicht. Ich nehme ihm sogar ab, daß das sein Bemühen war. Nur, wissen Sie, wer Möglichkeiten leichtfertig verschenkt, mit der DDR eine ausgewogene Absprache zu treffen; wer nämlich z. B., ohne Gegenleistung Wohlrabe )


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Aber das Knochenschmalz fehlte!)





    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dies sind die Punkte, die wir als unsorgfältige Vertragspolitik bezeichnen. Es kann doch im Grunde genommen auch niemand abstreiten, daß Leistung und Gegenleistung von Ihnen, der Sie ja die Federführung in diesen Dingen haben, offensichtlich nicht ausgewogen gesehen, auf jeden Fall aber nicht richtig in das politische Vertragsgeschäft eingesetzt worden sind. Das ist so ein typisches Beispiel, Herr Kollege Franke, bei dem eine andere, erfolgreichere Politik für die Bundesrepublik Deutschland, wie wir meinen, möglich gewesen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte aber ein paar Bemerkungen zum Thema Berlin machen, weil es guter Brauch ist, daß in einer Debatte zur Lage der Nation auch Berlin eine besondere Rolle spielt. Das Thema ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Auch der Bundeskanzler hat im Vergleich zum vergangenen Jahr diesmal dem Thema Berlin ein Stück mehr gewidmet als es in der Vergangenheit der Fall war.
    Nach unserer Auffassung ist Berlin-Politik ein wesentlicher Teil der Ost- und Deutschlandpolitik, wobei hinzukommt, daß eben die exponierte Lage Berlins als der alten deutschen Hauptstadt ein besonders empfindlicher Gradmesser für Erfolg und Mißerfolg der sogenannten Entspanungspolitik ist.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Jawohl!)

    Ich räume hier freimütig ein und sage das auch als Berliner: Anzuerkennen ist, daß die Transitwege leichter genutzt werden können. Aber genauso deutlich muß gesagt werden, von normalen, freien unkontrollierten Verbindungswegen kann bis heute überhaupt keine Rede sein; denn auch diese Transitregelung ist keine Normalität, meine Damen und Herren.
    Der Besucherverkehr zwischen Ost und West ist angestiegen. Dafür haben wir uns immer ausgesprochen. Wir haben nie Hinderer dieses Besucherverkehrs sein wollen. Wer ehrlich ist, weiß dies auch. Aber jeder weiß, der Besucherverkehr — dies ist heute schon Gegenstand der Debatte gewesen — verläuft einseitig im Wesentlichen von West nach Ost. Für unsere Mitbürger von drüben ist eine derartige Selbstverständlichkeit der freien Bewegung bis heute nicht möglich.
    Wenn der Bundeskanzler in seiner letzten Rede zur Lage der Nation im vergangenen Jahre die Meßlatte für die Erfolge in der Ost- und Deutschlandpolitik selbst geliefert hat mit dem Wort, ein angemessenes Verhältnis von Kosten und Nutzen sei herzustellen, so sollte dies sicher nicht nur eine unterschwellige Kritik an seinem Amtsvorgänger Brandt sein, sondern gleichzeitig auch Maßstab für zukünftiges Handeln.
    Meine Damen und Herren, von Versprechungen, Verheißungen vergangener Jahre, insbesondere von der erzeugten Euphorie der Amtsvorgänger — ich nenne nur die Herren Brandt und Bahr stellvertretend für viele —,

    (Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU]: Hauptsächlich vor Wahlen!)

    sollte — das war unser Eindruck auch in Berlin — mit dem Regierungswechsel offensichtlich Abschied genommen werden. Wir erinnern uns alle, und daran erinnere ich: als die sozialliberale Koalition antrat, hat sie mit großem Eifer geradezu hymnisch ein neues Zeitalter angekündigt, und der Erwartungshorizont der Bürger draußen im Lande wurde maßlos überzogen. Insbesondere waren davon die Berliner betroffen. Es sei nur daran erinnert, Herr Brandt verhieß der Berliner Bevölkerung, daß es jetzt — ich zitiere — „gute Chancen für eine Zukunft ohne Berlin-Krisen gäbe", so hieß es damals.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Es wurde mit den Gefühlen der Leute Schindluder getrieben!)

    Nach Unterzeichnung des Moskauer Vertrages lesen wir im regierungsamtlichen Bulletin: „Wenn der Vertrag in Kraft tritt, kann Berlin nicht mehr wie früher ein Objekt der Repressionen und ein Spannungsherd sein." — Jeder weiß heute, daß dies nicht die Wahrheit war; Berlin ist weiter Spannungsherd geblieben, meine Damen und Herren, und es hat eben täglich weiter Repressionen auszuhalten.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Das ist leider wahr!)

    Als die Lage der Nation im letzten Jahr zur Diskussion stand — Herr Kollege Hoppe ist dankenswerterweise noch da —, hat er im Grunde genommen dasselbe gesagt wie heute. Wer einmal Ihre beiden Reden vergleicht, findet damals und heute den Satz: Die Einbeziehung Berlins in die Verträge wird auch hier zum Gradmesser der Ernsthaftigkeit der Entspannungspolitik. Ich halte hier nur fest: Das ist richtig. Wir unterstützen den Satz. Nur ist die Einbeziehung Berlins nicht besser geworden. Sie ist eher schlechter geworden. Die Erfolge auf diesem Sektor sind in diesem vergangenen Jahr an keiner Stelle sichtbar geworden, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bedenken der CDU/CSU, die sich leider inzwischen bewahrheitet haben, wurden in dieser euphorischen Stimmung, die manchmal auch heute hier noch anklang — in Berlin klingt sie übrigens mittlerweile nicht mehr so; ich werde darauf noch ein kurzes Wort gerade unter dem Gesichtspunkt der Veränderungen und des Beitrages des Kollegen Mischnick verwenden —, achtlos vom Tisch gewischt. Wir werden heute noch und dagegen wehre ich mich — als Miesmacher, ja als Friedensfeinde verketzert. Die Solidarität der Demokraten sollte ja eigentlich, meine Damen und Herren, ein viel zu hoch einzuschätzender Wert sein, als daß wir vor den eklatanten Widersprüchen, die in all den letzten Jahren eingetreten sind, so sehr die Augen verschließen. Es gehört schon ein gerüttelt Maß an



    Wohlrabe
    Verblendung dazu, nicht zu sehen, wie in aller Welt mahnende Stimmen die sogenannte Entspannungspolitik von Anfang an verfolgten, wie namhafte Politiker und Publizisten in aller Welt, nicht zu vergessen die russischen Dissidenten, die ich hier einmal erwähnen möchte, die aus ihrer eigenen leidvollen Erfahrung heraus geradezu beschwörend vor diesem Weg gewarnt haben. Noch heute werden Niederlagen als große Erfolge gepriesen, so daß man nur fragen kann: Ist denn diese Bundesregierung blind? Ist sie verstockt? Merkt sie nicht, wie sich die Menschen draußen im Lande oder auch gerade die Berliner — die Wahlergebnisse in Berlin zeigen es doch;

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Zehlendorf!)

    ich will sie nur als einen Gradmesser nehmengeprellt fühlen durch das, was hier früher gesagt worden ist?
    Wer ehrlich ist, stellt doch fest, wie sehr die Stimmung auch bei denen in Katzenjammer umschlägt, die die Politik der Bundesregierung früher stark bejubelten. Viele publizistische Helfer der sogenannten neuen deutschen Ost- und Berlin-Politik verlassen bereits das sinkende Schiff. Ich nenne hier nur: Zuerst — das war das Eigenartige — das Magazin „Der Spiegel" mit seiner Serie „Ende einer Ara" . Er machte eine gewaltige Absetzbewegung. Selbst einer der eifrigsten, unermüdlichsten Herolde der Entspannungspolitik, der „Stern"-Chefredakteur Henri Nannen,

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Ja, ja!)

    der sich bei jeder Vertragsunterzeichnung ins Bild drängte, wohl, weil er wie weiland Goethe glaubte, als publizistischer Geburtshelfer einer neuen Epoche beigewohnt zu haben, übte kürzlich Selbstkritik, indem er ein sehr interessantes Zitat schrieb, das ich kurz vortragen möchte:
    Wir haben
    — so Henri Nannen —
    die Ostverträge in der bundesdeutschen Öffentlichkeit mit durchgesetzt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : „Wir" sagt er!)

    — „Wir" ! Darum ja: wie weiland Goethe! (Heiterkeit und Zurufe)

    — Ja, man kann das nicht ganz vergleichen. Er möchte sich vielleicht vergleichen, bloß, die Geschichte wird anderes zeigen, meine Damen und Herren!
    Aber wenn jemals ein Quentchen
    — so Nannen —
    Sentimentalität dabei war, ein Stück Hoffnung, es möge über diese Verträge mit der Sowjetunion und mit Polen zu einem Wandel durch Annäherung, vielleicht sogar zu einer echten Freundschaft kommen,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Gerade mit Polen!)

    so ist es jetzt wohl an der Zeit, solchen Illusionen ade zu sagen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Seit wann hat Herr Nannen Illusionen? — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Die Zeche hat das deutsche Volk bezahlt!)

    Was für ein Satz von Herrn Nannen, wenn man daran denkt, wie nicht nur zur Wahlzeit der Bevölkerung eine heile Welt vorgegaukelt wurde, wie Träume und Illusionen damals auch von ihm für Realität ausgegeben worden sind!

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sehr wahr! — Stahl [Kempen] [SPD] : Sie sind ein richtiger Schauspieler!)

    — Ich könnte darauf antworten: Ich habe das vom Bundeskanzler gelernt! Aber da ich mich hier nicht als Schauspieler empfinde, sondern als jemand, der versucht, einen ernsthaften Beitrag zu leisten, identifiziere ich mich nicht mit Ihrem Zwischenruf, Herr Kollege!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Kurswert der Freiheit in der Politik ist in jüngster Zeit auf Kosten des Zauberwortes „Entspannung" gesunken. Dies wird gerade in Berlin besonders deutlich registriert. Die politischen Folgen daraus — Gefahren für Berlin in neuer Gestalt werden oft überspielt. Die Gefahr, daß Berlin in den Hintergrund gedrängt wird, besteht. Nicht unschuldig an dieser Entwicklung sind jene Politiker, die den Traum von Berlin als normaler Stadt als Realität ausgegeben haben. Berlin in seiner heutigen Lage — das ist unsere tiefe Überzeugung — mit seinen heutigen Schwierigkeiten ist keine normale Stadt, ist nicht vergleichbar mit anderen Städten irgendwo in diesem Lande.
    Wer das nicht erkennt, wer dies bewußt oder unbewußt außer acht läßt, kann nicht für sich in Anspruch nehmen, die Interessen Berlins angemessen zu vertreten. Die Bundesregierung muß sich einfach fragen lassen, ob sie in der zurückliegenden Zeit die Interessen Berlins mit dem nötigen Nachdruck vertreten hat. Ist sie in der Frage der Bindungen Berlins an den Bund vorangekommen? Hat sie genügend getan, die Zukunftschancen Berlins zu verbessern? Hat sie für Zugeständnisse beispielsweise auf den Transitwegen abgewogene Gegenleistungen erhalten oder hat sie vor der Politik des Abblockens, der Abgrenzung seitens der DDR und der Sowjetunion resigniert?
    Wir meinen — ich habe nur einige Punkte genannt —, daß sehr, sehr viele Unterlassungssünden gerade in der Abgewogenheit der Möglichkeiten in der Berlin-Politik in den letzten Jahren sehr deutlich geworden sind. Davon kann auch diese Bundesregierung eben nicht freigesprochen werden.
    Trotzdem — damit komme ich auf den Beitrag vom Kollegen Mischnick, der fragte: Was gibt es denn überhaupt Neues seit dem letzten Jahr? — Es
    I

    Wohlrabe
    gibt Neues! Es gibt Zeichen der Umkehr, meine Damen und Herren, Zeichen der Umkehr auch bei

    (Seiters [CDU/CSU]: Wehner! - Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Kollegen aus Koalitionskreisen in Berlin. Man höre einmal die Töne in den Ausführungen des Regierenden Bürgermeisters Schütz und auch des Bürgermeisters Oxfort. Wer Zwischentöne hört, hat dies heute sogar beim Kollegen Hoppe erkennen können. Es gibt Äußerungen differenzierter Betrachtung. Ich hoffe, daß dies nicht nur auf die Wahlergebnisse in Berlin zurückzuführen ist, sondern auf eine ehrliche Überzeugung und auch durch den Mißerfolg, der sich in all den Jahren gerade in der Berlin-Politik eingestellt hat.

    (Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal das Ergebnis aus Zehlendorf!)

    Ich sage außerdem: Die CDU/CSU begrüßt es, wenn sich der Regierende Bürgermeister von dem Mythos, Berlin sei eine normale Stadt, absetzt. Wir vergessen aber auch nicht, meine Damen und Herren -- ich glaube, das muß der Vollständigkeit halber hinzugefügt werden —, daß gerade Schütz es war, der voran zu den Förderern und lautstarken Predigern einer Vorleistungspolitik gehörte.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Der hier schon eine solche Rede gehalten hat!)

    Wir hoffen, daß die Zeichen der Umkehr und der Einsicht auch bei der Bundesregierung bemerkt und im Rahmen der zukünftigen Politik berücksichtigt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Politik der letzten Jahre hat deutlich gemacht: Entscheidende Fortschritte in Berlin sind ausgeblieben. Bis heute ist das Herzstück der Berlin-Verträge, die Bindungen zur Bundesrepublik auszubauen, umstritten. Weder bei der DDR noch bei der Sowjetunion ist ein echter Sinneswandel festzustellen. Wer Berlin wirklich helfen will, muß sich an einigen wichtigen grundsätzlichen Punkten orientieren,

    (Stahl [Kempen] [SPD] : Der muß wie Sie schwätzen!)

    die vielleicht nicht das große Wort der Alternative darstellen, die aber doch in diesen wichtigen Punkten berücksichtigt werden sollten.
    Erstens. Wer Berlin und den Berlinern wirklich helfen will, darf ihnen nichts vormachen wollen.

    (Wehner [SPD] : Wir haben selber einen hier!)

    Berlin-Politik muß ohne Illusionen und Schönfärberei realitätsbezogen auf festen Füßen stehen und nüchtern betrieben werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Brandt und Herr Bahr haben den Berlinern jahrelang etwas vorgemacht. Die Erfolge, die sie uns genannt haben — ich habe vorhin Zitate gebracht , sind nicht eingetreten.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : So ist es!)

    Zweitens. Abmachungen und Vereinbarungen helfen Berlin nur, wenn sie klar und eindeutig sind. Sie dürfen nicht Fehlerinterpretationen Tür und Tor öffnen und Möglichkeiten zu laufender Erpressung geben, so wie es heute der Fall ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Drittens. Berlin-Politik muß mit den Alliierten, mit den westlichen Schutzmächten, rechtzeitig und gründlich abgesprochen werden.

    (Jäger [Wangen] [CDU 'CSU] : Sehr gut!)

    Vermutungen um Geheimabsprachen, Aspekte des Zwielichts, eine Politik des Augenzwinkerns zum Osten müssen der Vergangenheit angehören.
    Viertens. Anmaßungen Ost-Berlins und Moskaus sind entschieden und entschlossen zurückzuweisen. In letzter Zeit haben sich auffällig viele — ich meine: sich nicht zufällig, sondern auffällig häufende Verstöße zur Aushöhlung des Status von Berlin gezeigt. Die Aushöhlung des Status von ganz Berlin stellt immer wieder unter Beweis, daß der östliche Vertragspartner mit seinem deutschen Satelliten keinen Millimeter von dem strategischen Ziel der Isolierung West-Berlins bis heute abgewichen ist.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Die Latte der Verstöße ist groß. Sie reicht vom Boykott der Grünen Woche bis zu der Frage, ob Ost-Berlin Bestandteil des Viermächteabkommens für Berlin ist. Ich brauche das hier alles gar nicht zu nennen; das hat heute hier schon mehrfach eine Rolle gespielt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : „Das betreffende Gebiet heißt es im Viermächteabkommen!)

    Hier gilt es aber, entschieden den Anfängen zu wehren. Hier gilt es, Wohlverhalten und Nachgiebigkeit nicht zum Erfolg führen zu lassen. Die Rechte und die Freiheit Berlins können eben wirklich nur gesichert werden, wenn alle entschlossen und hartnäckig, so wie es heute in Berlin viele Politiker tun, diese Werte verteidigen.
    Die Zukunft der alten deutschen Hauptstadt hängt davon ab, wie der Westen vor allem die geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus führt, ob sich schwächliches oder ängstliches Zurückweichen durchsetzt oder eine ruhige und feste Haltung, wie die Union sie fordert, Platz greift. Die CDU/CSU wird den Mut zu einer solchen klaren Politik haben, auch auf die Gefahr hin, als unangenehmer Mahner mißverstanden zu werden.
    Die geographische und die politische Lage Berlins geben die einmalige Chance, entscheidend zum Erhalt der Nation beizutragen. Wer über die Jahre der Spaltung und Trennung hinweg die Einheit Deutschlands als politisches Ziel wirklich will, dar muß
    Berlin besonders unter dem Ziel des Mittlers und Förderers des Erhalts der Einheit der Nation sehen.
    Berlin, meine Damen und Herren, sollte wieder mehr als in der Vergangenheit ein Ziel bekommen, ein Ziel, das sich nicht darin erschöpft, nur die wirtschaftliche Lage als gut zu befinden, sondern das dem Bürger deutlich und wert macht zu wissen,



    Wohlrabe
    warum er in Berlin wohnt und was er an Berlin hat. Berlin sollte, so meine ich, wieder Leuchtturm der Freiheit für die Menschen im anderen Teil unseres Vaterlandes und auch Mahnmal für den Westen sein. Denn man wird immer wieder daran erinnert
    — dies halte ich psychologisch aus Berliner Sicht für sehr wichtig -: Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sondern sie muß in zäher Arbeit Tag für Tag neu gesichert werden. Berlin könnte für uns alle in diesem Bemühen ein gutes Beispiel sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grimming.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Grimming


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wohlrabe, der wie ich den Vorzug hat, aus Berlin zu kommen, hat, wie er sicher meint, in sehr eindrucksvoller Weise nachgewiesen, was sich alles geändert habe. Er hat allerdings wie das seine Art ist — eine Sprache gewählt, die sicherlich davon beeinflußt wird, daß er Zeitungen liest, die bei uns zu 80 % den Markt beherrschen, und das färbt auf die Dauer doch ab. „Blind und verstockt" sind die Politiker in Berlin, und Bahr und Brandt — —(Wohlrabe [CDU CSU] : Die der Bundesregierung, Sie haben nicht zugehört!)

    — Binverstanden! Auch das weise ich zurück, weil cs genauso töricht ist.

    (Zurufe von der CDU. CSU: „Einverstanden" ! Sie haben clic falsche Rede!)

    Lassen Sie mich doch ausreden! Wir werden ja gleich auf den Punkt kommen, wer die falsche Rede hat. Besser die falsche Rede und die richtige Politik als umgekehrt.
    Wir sind jedenfalls an dem Punkt heute abend angekommen, wo ich mich frage, ob wir uns wirklich einen Gefallen tun, wenn wir um 22 Uhr von der Union als der ersten - -

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Dann müssen Sie die Zeit während des Tages besser einteilen!)

    — Aber lassen Sie mich doch einmal ausreden, Herr Kollege Marx; ich habe bei Ihnen doch auch aufmerksam zugehört, auch wenn Sie sich beklagt haben. Sie haben doch sehr viel früher gesprochen als ich. Ich quäle mich jetzt um 22 Uhr hier um Ihre Aufmerksamkeit und kann verstehen, daß es Ihnen schwer fällt, zuzuhören, noch dazu, wo die Stunde so spät ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch Ihnen ist schwer zuzuhören!)

    Aber lassen Sie mich doch bitte zur Sache kommen. Sie haben Ihre Politik vorgetragen, und Herr Kollege Wohlrabe hat zumal davon gesprochen, er rufe nach der Umkehr. Er hat nur nicht gesagt, wohin er sich eigentlich umkehren will.

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Umkehr zur Nüchternheit!)

    — Auch zur Nüchternheit! Natürlich sind wir nüchtern.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Wohlrabe, bei uns hat niemand, im Gegensatz zu Herrn Nannen, Illusionen gehabt. Vielmehr haben diese Bundesregierung, die sozialliberale Koalition und alle, die sie tragen und Verantwortung haben, von Anfang an klar gesagt, daß das ein langer und unendlich schwieriger Weg ist. Daß Sie uns bei diesem Weg nicht behilflich waren, macht nichts besser und verbessert auch nicht Ihren kritischen Ansatz heute abend.
    Aber, meine Damen und Herren, die Frage, die sich stellt, wenn man einen solchen Beitrag hört, in dem im Jahre 1976 vom Leuchtturm der Freiheit gesprochen wird — das Element der Freiheit klang heute abend durch die eine oder andere Ihrer Reden, und darauf werde ich noch kommen —, und wenn man sich vorstellt, daß möglicherweise Menschen in Pankow, in Friedrichshain und in Treptow, aber auch in Leipzig und in Guben und in Dresden zuhören

    (Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Möglicherweise auch in Zehlendorf!)

    — möglicherweise auch in Zehlendorf, Herr Kollege Kunz (Berlin), ich hoffe es sogar -, dann fragen sich
    doch alle: Was haben wir ihnen denn mitzuteilen gehabt? Ich bedaure es sehr, daß ein Beitrag wie der des Kollegen Gradl, dem ich meine Hochachtung aussprechen möchte, so spät kam und leider nicht das Klima bei Ihnen bestimmte.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Klima bei Ihnen bestimmen in der Tendenz leider Kollegen — ich will es in aller Zurückhaltung sagen — wie Herr Kollege Abelein, die überhaupt keine Informationen wollen und nicht dazu beitragen wollen, daß überhaupt etwas besser wird. Er genießt es vielmehr, daß es Opfer an der Grenze gegeben hat. So glaubt er, uns damit in die Verantwortung zu bringen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Ich würde mich etwas zügeln! Jäger [Wangen] [CDU/ CSU]: Das ist bösartig!)

    Sein Beitrag zum DDR-Kalender ist der beste Beweis dafür. Es ist doch geradezu schändlich! Sie wollen keine Information, sondern Sie wollen Feindbilder verbreiten, und zur gleichen Zeit rufen Sie auf zu Reisen in einen Bereich, den Sie bei uns in jeder Weise diskreditieren, ohne sich an den Tatsachen orientieren zu wollen. Nicht alle, sondern der Herr Kollege Abelein!

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Das ist reichlich unverschämt, was Sie hier bieten! — Stahl [Kempen] [SPD]: Nein: das ist genau die Wahrheit!)

    — Kerr Kollege, Sie haben doch nie an den Ausschußberatungen teilgenommen. Heute ist Herr Kollege Abelein — dieses Kompliment will ich gern nachschicken — geradezu zurückhaltend gewesen. Deshalb bin ich es auch.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Weil Sie Zurückhaltung mit Unverschämtheit verwechseln!)




    Grimming
    Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, eine sehr ernste Frage an die Adresse Ihres Fraktionsvorsitzenden zu richten, der mich mit seinem Gedankengang, wir sollten uns zu Sachwaltern der Freiheit machen, sehr wohl erreicht hat. Sie, Herr Professor Carstens, haben — wenn ich mir diese Bemerkung mit allem Respekt erlauben darf — im Zusammenhang mit der Frage der Freiheit eine Reihe von Namen ausgeführt. Das ist sicherlich verdienstvoll, weil Sie damit über die Parteigrenzen hinweggegangen sind.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Aber kaum!)

    Ich will — wenn das zu so später Stunde noch erlaubt ist — noch eine Anmerkung machen: Der von Ihnen erwähnte Ernst Reuter würde auf Grund seiner Vergangenheit bei Ihrer heutigen Haltung nicht einmal mehr in den öffentlichen Dienst kommen. Er hat Glück, daß er erst sehr viel später in Ihre Betrachtung gelangt ist.

    (Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Da wissen wir wohl zu unterscheiden! — Dr. Hupka [CDU/ CSU] : Er käme bei Ihnen nicht einmal in den Parteivorstand! — Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun lassen Sie mich mal ausreden! Über unseren Parteivorstand denken wir selbst nach,

    (Frau Pack [CDU/CSU] : Das haben wir gemerkt!)

    und zwar so, daß diese Partei nicht nur handlungsfähig ist, sondern auch im Oktober ein weiteres Mal das Vertrauen der Deutschen — jedenfalls derer, die frei wählen dürfen — erwerben wird.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Zehlendorf!)

    Ihnen wird es nicht gelingen — das möchte ich an dieser Stelle hinzufügen —, diejenigen, die als Arbeitsgemeinschaft in der deutschen Sozialdemokratie Jungsozialisten genannt werden, von uns wegzudividieren und ihnen die Belastung für das, was sich in Deutschland in den letzten 30 Jahren entwickelt hat, zuzuschieben. Kollege von Wrangel sprach davon, daß die Jungsozialisten der deutschen Position schaden. Ich muß sagen — mit allem Respekt als Neuling —: Herr von Wrangel, dafür werden Sie keinen Nachweis finden. Die Jungsozialisten sind Teil der deutschen Sozialdemokratie und der Parteitag in Mannheim hat bewiesen, daß man da keinen Keil dazwischentreiben kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich nun auf das zurückkommen, Herr Kollege Carstens, was Sie mit der Idee der Freiheit angesprochen haben. Es war mehr als interessant; es hat nur den Nachteil — das ist der Spannungsherd in dieser Auseinandersetzung über die Entspannungspolitik —, daß Sie nicht gesagt haben, wo der Gedanke des Friedens bei Ihnen angesiedelt ist. Sie haben sich darauf zurückgezogen — wie einige Redner nach Ihnen und wie auch der Kollege Wohlrabe; der Kollege Kunz (Weiden) hat ja fast den ganzen Leitartikel des Herrn Hertz-Eichenrode vorgelesen —, von der Lage der Nation im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sozialismus zu sprechen.

    (Wohlrabe [CDU/CSU]: Bitte, reagieren Sie sich doch nicht immer nur an der Springer-Presse ab!)

    — Im Gegenteil! Sie wissen doch, Herr Kollege Wohlrabe, daß ich frei genug bin, in Berlin gegen manche törichte Forderung an dieses Verlagshaus nicht nur Widerspruch geleistet zu haben, sondern auch bessere Argumente gehabt zu haben.
    Aber Sie kommen doch nicht daran vorbei, daß hier die interessante Frage aufgeworfen wird: Was ist die Lage der Nation? Dann kommt die Antwort: Der Kampf um Freiheit oder Sozialismus spaltet die Nation. Sie haben den ganzen Tag über, immer wenn Sie gesprochen haben — was der Herr Marx als zu knapp empfunden hat; darüber kann man aber streiten —, den Nachweis zu führen versucht, daß wir Sozialisten sind und daß der Sozialismus, den Sie bei uns entdecken, gleich Kommunismus ist. Dadurch kommt eben dieser interessante Widerspruch: Herr von Wrangel hat dann ausgeführt, es gebe keinen roten Faden in unserer Politik, keine geschlossene Konzeption, und Herr Abelein stellt sich hin und weist nach — so wie er es versteht —, daß seit 1968 bei uns in hohem Maße durchgängig eine konspirative Politik entwickelt worden sei, die bis zum heutigen Tag und weit darüber hinaus reiche.
    Nein, so einfach — ich sage das allen Ernstes an Ihre Adresse, Herr Carstens, weil der Gedanke so interessant ist und in unseren Auseinandersetzungen nicht untergehen sollte — ist das nicht, daß man Freiheit und Sozialismus gegeneinanderstellt und dann die alte Gleichsetzung bringt und die Sozialdemokratie am Ende doch als den Untergang des Abendlandes bezeichnet, wie es Herr Filbinger
    — etwas vornehmer — auf den Jahrgang 1976 gerechnet, formuliert hat. So einfach können Sie es sich nicht machen, auch nicht diejenigen, die heute Herrn Wehner angegriffen haben. Ich bin nicht derjenige, der ihn verteidigen muß. Das kann er sehr gut selbst, das wissen Sie auch. Aber es gibt einen Punkt der Miesigkeit, Menschen und Politiker anzugreifen, von dem wir uns zurückhalten sollten. Herr Kollege Gradl hat dafür ein eindrucksvolles Beispiel geliefert.
    Meine Damen und Herren, nun einige Bemerkungen zu dem, was — wie ich meine — der Kollege Wohlrabe leider unterlassen hat zu erwähnen, als er sich hier für Berlin meldete. Die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Lage der Nation enthielt zwei wichtige und bemerkenswerte Aussagen. Sie haben das dramatisch „Gradmesser" genannt. Der Bundeskanzler hat davon gesprochen, daß Berlin der „Prüfstein" bleibt. Ich sehe darin keinen großen Unterschied.

    (Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Ist!)

    — Bleibt, Herr Kollege Kunz! Wir brauchen uns hier ja nicht darüber zu streiten.

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Das gehört zum „Weg der Umkehr"!)




    Grimming
    — Nein, das ist nicht der Weg der Umkehr. Der umgekehrte Weg ist der Weg in die Erfolglosigkeit, den Sie uns vorgelebt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Hier geht es vielmehr darum, daß Berlin der Prüfstein dieser Politik bleibt. In diesem Punkte ist die Bundesregierung im Gegensatz zu Ihnen weder blind noch verstockt, sondern beharrlich und ausdauernd und — das- füge ich hinzu — erfolgreich.
    Lassen Sie mich eine zweite Bemerkung machen, die für unser Verständnis aus Berliner Sicht wichtig ist. Daß der Status und die Sicherheit der Stadt durch unsere Verbündeten verbürgt werden, hat der Bundeskanzler heute vormittag ja gesagt, und für die Aufrechterhaltung und Kräftigung der Bindungen zu uns, nämlich zwischen Berlin und dem Bund, zu sorgen ist unsere eigene Sache.
    In diesem Zusammenhang muß ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, folgendes sagen. Dabei können nun Sie, Herr Wohlrabe, wirklich nicht Herr Oxfort, für den ich nicht zu sprechen brauche, und den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Herrn Schütz, als Kronzeugen für Ihre Politik in Anspruch nehmen.

    (Wohlrabe [CDU/CSU] : Für den Weg der Umkehr!)

    — Nun, was diesen „Weg der Umkehr" angeht, so ist dazu wohl schon alles gesagt worden, und Ihnen fällt dazu weiter nichts mehr ein! Mit der Umkehr ist das so eine Sache. Sie sollten einmal die Ausführungen des Regierenden Bürgermeisters sorgfältig nachlesen. Er ist ja, wie Herr Abelein heute sagte, einer derjenigen, die man nicht als ,,Architekt", sondern er verwendete einen anderen Begriff dafür — —

    (Dr. Abelein [CDU/CSU] : Ruinenbaumeister! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    — Sie sind ja bekannt für die Plastizität Ihrer Ausdrücke. Das ist es ja, was ich vorhin beklagt habe: Offensichtlich fühlen Sie sich in den Ruinen wohl, und es kann ihnen nicht genug kalter Wind um die Nase wehen; nur ernüchtert er sie nicht, sondern sie werden immer berauschter davon. Das ist das Problem.
    Meine Damen und Herren, die Frage ist also nicht, was wir mit „Weg der Umkehr" oder sonstwie beschreiben, sondern die Frage geht dahin: Was können wir für Berlin tun, und was wird für Berlin getan? Insofern wäre es nach meiner Meinung gut gewesen, wenn wir alle ein Wort des Dankes beispielsweise an die Industrieunternehmen gefunden hätten, die jetzt in — wie der Bundeskanzler sagte
    — 37 Vorstandsetagen Berlin-Beauftragte benannt haben, denn damit wird konkrete Hilfe und Arbeit für Berlin geleistet.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich füge hinzu — und deswegen werden Sie mich wohl nicht gleich des Klassenkampfes verdächtigen —: Ihre Bindungen und Verbindungen zu bestimmten Vorstandsetagen sind doch viel enger; dadurch hätten Sie doch schon längst durch Solidarität der Tat für Berlin etwas bewirken können. Das ist leider unterblieben.
    Eine weitere Bemerkung dazu, was für Berlin ganz praktisch erreichbar ist, möchte ich machen. Lassen Sie uns doch bitte unabhängig von dem Streit, den wir hier austragen, versuchen, die Menschen in unserem Lande — vor allem die jüngeren — davon zu überzeugen, daß Berlin gerade heute und auch in Zukunft ein Platz ist, an dem anzusiedeln sich lohnt, zumindest auf Zeit, vielleicht aber auch auf Dauer, daß man dort seine Berufsausbildung weiterführen kann, daß es dort erstklassige Kultureinrichtungen und Universitäten gibt auch wenn Sie hier manches schwärzer malen, als es in Wirklichkeit ist —, daß dort exzellente Ausbildungsmöglichkeiten vorhanden sind und daß für manche junge Familie dort der Platz der Zukunft ist. Lassen Sie uns doch — losgelöst von aller Schwarzmalerei — durch nüchterne Unterrichtung dafür werben, daß Berlin auf diese Weise einen vernünftigen normalen Zuzug bekommt.
    Vielleicht darf ich mir dazu eine Klammerbemerkung erlauben. Herr Kollege Wohlrabe, Sie haben doch eine bemerkenswerte Erklärung um die Jahreswende in Berlin abgegeben. — Lassen Sie uns also auch dafür sorgen, daß durch die Annahme des Polen-Vertrags die Deutschen, die von dort in die Bundesrepublik kommen wollen, überhaupt kommen können und dann verstärkt die Möglichkeit der Ansiedlung in Berlin erhalten. Das setzt doch voraus, daß Sie ja sagen, daß Sie nicht nein sagen und damit den Weg versperren. Das war aber nur eine Klammerbemerkung.
    Meine Damen und Herren, die späte Stunde veranlaßt mich, diszipliniert zum Ende zu kommen.

    (Heiterkeit bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Sie meinen doch wohl nicht, daß das eine disziplinierte Rede war!)

    — Herr Kollege, Sie sind ja fast so ein Schulmeister wie mancher andere in Ihrer Fraktion. Aber mit Zensurengeben ist doch nichts erreicht. Sie können ja hierherkommen, darauf antworten, und dann können wir in Rede und Gegenrede prüfen, was wir zu sagen haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Seien Sie vorsichtig! Der tut das! Wohlrabe [CDU/ CSU]: Der kommt wirklich!)

    — Ja, ich weiß! Es ist schwierig, wenn Einladungen plötzlich angenommen werden. Aber so geht es Ihnen ja schon seit Jahren, seit diese Koalition hier regiert und Politik zum Wohle der Menschen macht. Das ist doch Ihr Problem.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Berlin, wie es sich heute darstellt, ist sicherlich nicht frei von Problemen. Das hat auch niemand behauptet. Aber es ist nicht so, wie Sie es in Ihrer — ich drücke dies wieder sehr zurückhaltend aus — parteipolitisch bedingten Schwarzmalerei gern darstellen möchten und damit Berlin eben nicht gerade nützlich sind.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Sehr zurückhaltend!)




    Grimming
    Berlin ist — und daran kann eben auch Herr Wohlrabe, wenn er hier vom Weg der Umkehr und von Krisen redet und hier Zitate aus dem Zusammenhang reißt, nicht vorbei —, gestützt auf die Präsenz und auf die Garantien der alliierten Schutzmächte und auf der Basis des Viermächteabkommens, sicherer geworden. Die feste Einbeziehung Berlins in die Politik dieser Bundesregierung ist eine Größe, an der eben nicht gewackelt wird. Es gibt eben keine Verträge z. B. mit der DDR, wenn die Einbeziehung Berlins nicht gesichert ist. Dieses Berlin ist in die Politik der Bundesregierung eingebettet und von daher zusätzlich abgesichert.
    Wenn Sie hier immer wieder — wofür ich Verständnis habe — in scharfen Worten das System, das „Regime", wie Sie es nennen, in der DDR geißeln, und wenn Sie hier das ist sehr ernst, dazu will ich gern etwas sagen, Herr Kollege Abelein — darauf hinweisen, daß an dieser innerdeutschen Grenze immer noch auf schreckliche Weise Menschen verwundet werden oder ums Leben kommen, dann ist das ein Punkt, den niemand von uns bagatellisiert und leicht nimmt. Nur, auch hier bitte ich, nicht bloß über die zu sprechen, die betroffen sind, sondern auch über die zu sprechen, die möglicherweise gezwungen sind zu schießen, die nicht freiwillig schießen, und klarzumachen, daß wir wissen, in welcher Gewissensnot sich möglicherweise der eine oder andere dort befindet, und daß es im anderen Teil Deutschlands junge Menschen gibt, mit denen wir in Kontakt kommen wollen. Da sind eben ein Weltjugendfestival und ein Austausch nur in eine Richtung, nämlich von uns nach drüben, viel wichtiger als jede Fensterrede, die Sie hier heute im Laufe des Tages gehalten haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich schließe ab. Diese Debatte — ich komme noch einmal auf die Ausführungen des Kollegen Gradl zurück — hat sicherlich nicht jeden Wunsch erfüllt, von dem diejenigen -und das unterstelle ich auch Ihnen —, die ehrlichen Herzens darum ringen, daß die Dinge in Deutschland besser werden, hoffen, daß er erfüllt wird. Aber sie hat gezeigt, daß ganz offensichtlich bei uns, in unserem Lande, ein Prozeß im Gang ist, der es aber noch nicht ermöglicht, über die Parteigrenzen hinweg die Dinge zu sehen, um die es wirklich geht.
    Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Wie immer man das moralische Bekenntnis des einzelnen einschätzt, wir möchten, daß die Politik in diesem Lande und für dieses Land und für Berlin auch aus einer Position der Moral betrachtet wird, und nicht nur moralisierend, wie es einige von Ihnen getan haben. Für uns gilt — und dabei bleibt es —, daß bei uns am Anfang und am Ende jeder Politik, auch wenn es um die Nation als Ganzes geht, zunächst einmal der Mensch steht — und nur der Mensch —, und daran lassen wir uns messen. Wenn Sie diesen Vergleich aushalten, dann sind Sie herzlich eingeladen, mit uns gemeinsam diese Politik fortzusetzen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Reddemann [CDU/CSU] : Mit so anmaßender Moral habe ich hier lange keinen reden hören!)