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ID0721821800

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    6. Wohlrabe.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 218. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 Inhalt: Nachruf auf den früheren Abg. und Vizepräsidenten Schoettle . . . . . . . 15081 A Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler 15081 D Beratung des Antrags des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1974 — Drucksachen 7/2423, 7/4158 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung — Drucksache 7/4616 — in Verbindung mit Beratung der Empfehlungen und Entschließungen der Nordatlantischen Versammlung bei ihrer 21. Jahrestagung vom 21. bis 26. September 1975 in Kopenhagen — Drucksache 7/4241 — Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . . 15094 A Wehner SPD 15103 D Hoppe FDP 15109 B Genscher, Bundesminister AA . . . . 15129 B Dr. Marx CDU/CSU 15135 C, 15213 C Mattick SPD 15145 C Dr. Bangemann FDP 15151 A Dr. Abelein CDU/CSU . . . . . . . 15157 B Höhmann SPD . . . . . . . . . . 15163 A Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . . . 15168 A Franke, Bundesminister BMB . . . . 15171 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . 15178 D Mischnick FDP . . . . . . . . . . 15181 B Barche SPD .. . . . 15186 C Dr. Gradl CDU/CSU 15189 B Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . . . 15192 D Wohlrabe CDU/CSU . . . . . . . . 15195 C Grimming SPD . . . . . . . . . . 15199 A Kunz (Berlin) CDU/CSU . . . . . . 15202 C Böhm (Melsungen) CDU/CSU 15205 D Jäger (Wangen) CDU/CSU 15208 D Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 15211 C lI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kreutzmann, Barche, Büchler (Hof), Zebisch, Niegel, Böhm (Melsungen), Hösl, Dr. Warnke, Wolfgramm (Göttingen) und Genossen betr. Förderung des Zonenrandgebietes — Drucksachen 7/4117, 7/4422 —in Verbindung mit Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über den erweiterten Verkehrswegeplan für das Zonenrandgebiet hier: Bericht des Bundesministers für Verkehr 1974 über den Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes — Drucksachen 7/2992, 7/4471 — 15215 A Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament betr. allgemeine unmittelbare Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments Drucksachen 7/3366, 7/3768 — Dr. Kempfler CDU/CSU . . . . . . . 15215 C Fragestunde — Drucksache 7/4632 vom 23. 1. 1976 — Verhalten des Staatsministers Moersch in der Fragestunde des Deutschen Bundestages MdlAnfr A93 23.01.76 Drs 07/4632 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw PStSekr Frau Schlei BKA 15115 D, 15116A, B, C, D, 15117 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 15116 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 15116 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 15116 C ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . 15116 C ZusFr Niegel CDU/CSU 15116 D ZusFr Seiters CDU/CSU 15117 A Lieferung von Schützenpanzern durch die Firma Rheinstahl über ihre belgische Zweigniederlassung an Saudi-Arabien sowie Genehmigung der Ausfuhr MdlAnfr A96 23.01.76 Drs 07/4632 Hansen SPD MdlAnfr A97 23.01.76 Drs 07/4632 Hansen SPD Antw StMin Moersch AA . . . . 15117 B, C, D, 15118A, B, C, D, 15119 B ZusFr Hansen SPD . . . . 15117 C, D, 15118 B ZusFr Ey CDU/CSU . . . . . . . . . 15118 B ZusFr Haase (Kassel) CDU/CSU . . . 15118 C, D ZusFr Dr. Kliesing CDU/CSU 15119 A Einstellung der Bundesregierung zu den Empfehlungen der deutsch-polnischen Schulbuchkonferenz MdlAnfr A99 23.01.76 Drs 07/4632 Dr. Hupka CDU/CSU MdlAnfr A100 23.01.76 Drs 07/4632 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Moersch AA . . . . 15119 B, C, D, 15120 A, B, C, D, 15121 C, D, 15122 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . 15119 C, D, 15120 D, 15121 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 15119 D, 15122 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . . 15120 A, 15121 D ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . . 15120 B Höhe der aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" und den Konjunkturprogrammen nach Ostfriesland seit 1970 vergebenen Mittel MdlAnfr A46 23.01.76 Drs 07/4632 Tietjen SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . 15122 C, 15123 B ZusFr Tietjen SPD . . . . . . . . 15123 A, B Umfang der Exporte von wirtschaftlichen Gütern in osteuropäische Länder seit 1970 MdlAnfr A47 23.01.76 Drs 07/4632 Tietjen SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . 15123 C, 15124 A, B ZusFr Tietjen SPD . . . . . . . . . 15123 D ZusFr Ey CDU/CSU . . . . . . . . . 15124 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 15124 A ZusFr Stahl (Kempen) SPD 15124 B Zweckmäßigkeit nur eines Werkstattyps für Behinderte sowie Untersuchung des Zusammenbringens von geistig Behinderten und geistig nicht Behinderten MdlAnfr A51 23.01.76 Drs 07/4632 Burger CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . 15124 C, 15125 A ZusFr Burger CDU/CSU . . . . 15124 D, 15125 A Wegfall von Waisenrente, Krankenversicherung und Kindergeld für Abiturienten ohne Studien- oder Ausbildungsplatz MdlAnfr A55 23.01.76 Drs 07/4632 Rollmann CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA 15125 B, D, 15126 A ZusFr Rollmann CDU/CSU . . . . . . 15125 D Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 III Einsetzung für die Anerkennung der witterungsbedingten Arbeitsausfälle an den als deutsches Hoheitsgebiet geltenden Baustellen der Staustufe Iffezheim auf französischem Boden MdlAnfr A56 23.01.76 Drs 07/4632 Dr. Hauser (Sasbach) CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . . . . . 15126 A Anerkennung von nicht über die vorgeschriebene Mindestzahl von Plätzen verfügende Werkstätten für Behinderte, damit die hier tätigen Behinderten in den Genuß des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter kommen MdlAnfr A57 23.01.76 Drs 07/4632 Geisenhofer CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . 15126 C, 15127 A ZusFr Geisenhofer CDU/CSU . . . . . . 15127 A Darstellung der Zwangskollektivierung der Bauern in der DDR im Kalender „Blick in die DDR" MdlAnfr A69 23.01.76 Drs 07/4632 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Herold BMB 15127 B, D, 15128 A, B, C ZusFr Eigen CDU/CSU . . . . . . . . 15127 D ZusFr Frau Berger (Berlin) CDU/CSU . . 15128 A ZusFr Stahl (Kempen) SPD 15128 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 15128 B ZusFr Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . 15128 C Verweigerung der Aufnahme illegal Polen verlassender Deutscher in der DDR MdlAnfr A83 23.01.76 Drs 07/4632 Freiherr von Fircks CDU/CSU MdlAnfr A84 23.01.76 Drs 07/4632 Freiherr von Fircks CDU/CSU Antw PStSekr Herold BMB . 15128 D, 15129 A, B ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . . 15129 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . 15216 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15217* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 15081 218. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 216. Sitzung, Seite 14998 D, Zeile 9 von unten ist zu lesen: „Das nehmen Sie . . ."; Seite 14999 D, Zeile 9 von unten ist statt „abzulenken" zu lesen: „abzulehnen" ; Seite 15000 B, Zeile 12 ist statt „zukunftweisend" zu lesen: „zukunftsweisend" ; Seite 15001 B, Zeile 17 ist statt „Teufelskeis" zu lesen: "Teufelskreis". Anlage Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Adams * 30. 1. Ahlers 30. 1. Dr. Achenbach * 30. 1. Dr. Ahrens ** 30. 1. Dr. Aigner * 30. 1. Alber ** 30. 1. Dr. Artzinger * 30. 1. Amrehn ** 30. 1. Dr. Bayerl * 29. 1. Behrendt * 30. 1. Blumenfeld * 29. 1. Frau von Bothmer ** 30. 1. Brandt 30. 1. Breidbach 30. 1. Büchner (Speyer) ** 30. 1. Christ 29. 1. Dr. Dollinger 13. 2. Dr. Enders ** 30. 1. Entrup 13. 2. Prof. Dr. Erhard 30. 1. Fellermaier * 30. 1. Dr. Früh 30. 1. Flämig * 30. 1. Gerlach (Emsland) * 30. 1. Dr. Geßner ** 30. 1. Dr. Gölter ** 30. 1. Haase (Fürth) ** 30. 1. Dr. Holtz ** 30. 1. Hussing 30. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) * 30. 1. Kater 30. 1. Dr. Kempfler " 30. 1. Dr. Klepsch ** 30. 1. Dr. Kreile 30. 1. Kroll-Schlüter 30. 1. Lagershausen ** 3,0. 1. Lange * 30. 1. Lautenschlager * 30. 1. Lemmrich ** 30. 1. Lenzer ** 30. 1. Liedtke 30. 1. Lücker * 30. 1. Marquardt ** 30. 1. Mattick ** 30. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Memmel * 30. 1. Dr. Mende ** 30. 1. Dr. Müller (München) ** 30. 1. Mursch * 30. 1. Frau Dr. Orth 30. 1. Pawelczyk ** 30. 1. Pieroth 30. 1. Richter ** 30. 1. Dr. Schäuble ** 30. 1. Prof. Dr. Schellenberg 30. 1. Schmidt (Kempten) ** 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schonhofen 21.2. Dr. Schröder (Düsseldorf) 30. 1. Dr. Schwencke ** 30. 1. Dr. Schwörer * 30. 1. Dr. Schulz (Berlin) * 30. 1. Seibert 30. 1. Sieglerschmidt '* 30. 1. Springorum * 30. 1. Dr. Starke (Franken) * 30. 1. Stücklen 30. 1. Strauß 30. 1. Suck * 30. 1. Tönjes 30. 1. Dr. Vohrer ** 30. 1. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 2. Walkhoff * 30. 1. Walther ** 30. 1. Frau Dr. Walz * 30. 1. Weber (Heidelberg) 30. 1. Wende ** 30. 1. Dr. Wörner 30. 1. Frau Dr. Wolf ** 30. 1. Wolf 30.1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Die schriftlichen Antworten auf die in der Fragestunde nicht mündlich beantworteten Fragen werden als Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die 219. bzw. die 220. Sitzung abgedruckt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Max Kunz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Programmatischer Ausgangspunkt der Deutschlandpolitik der SPD/FDP-Regierung seit 1969 war der Punkt 1 der 20 Punkte von Kassel. Ich zitiere ihn noch einmal, um das Ergebnis dieser Politik nach nunmehr sechs Jahren daran messen zu können. Er lautet:
    Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, die in ihren Verfassungen auf die Einheit der Nation ausgerichtet sind, vereinbaren im Interesse des Friedens sowie der Zukunft und des Zusammenhalts der Nation einen Vertrag, der die Beziehungen zwischen den beiden Staaten in Deutschland regelt, die Verbindungen zwischen der Bevölkerung der beiden Staaten verbessert und dazu beiträgt, bestehende Benachteiligungen zu beseitigen.
    In Art. 7 des Grundvertrages und im Zusatzprotokoll zu diesem Artikel werden dann schließlich jene Bereiche aufgezählt, die offenbar als vorrangig regelungsbedürftig erachtet wurden. Ich möchte gleich am Anfang darauf hinweisen, daß die wichtigsten Punkte für die Menschen drüben in dieser Aufzählung überhaupt fehlen, wie z. B. die ent-



    Dr. Kunz (Weiden)

    scheidende Frage, wann die SED endlich bereit ist, auch in ihrem Machtbereich dem Selbstbestimmungsrecht Geltung zu verschaffen, oder z. B. die Frage, wann sich endlich die SED bereit erklärt, die einfachen Menschenrechte allen ihrer Macht Unterworfenen zu gewähren, oder wann endlich die Zonengrenze mitten in Deutschland ihres barbarischen Charakters entkleidet wird. Es ist doch für den Ausgangspunkt dieser Regierung bezeichnend, daß exakt jene Bereiche wie Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl, die das Bundesverfassungsgericht später als mit dem Grundvertrag unvereinbar erklärte, in diesem Katalog des Art. 7 überhaupt keinen Niederschlag gefunden haben.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    In diesem Art. 7 und in seinem Zusatzprotokoll vereinbarten beide Vertragspartner den Abschluß einer Reihe von vertraglichen Regelungen, so z. B. auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Technik, des Rechtsverkehrs, des Post- und Fernmeldewesens, des Gesundheitswesens, auf dem Kultursektor, auf dem Gebiet der innerdeutschen Sportbeziehungen und des Umweltschutzes und nicht zuletzt auf dem elementaren Sektor des gegenseitigen Bezugs von Büchern, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehproduktionen, einem Gebiet also, das für uns deswegen als so elementar angewiesen wird, weil die Vorenthaltung von Informationen und Meinungen zur menschenrechtswidrigen Praxis in der DDR zählt. Schließlich sollte noch ein Abkommen über den nichtkommerziellen Zahlungs- und Verrechnungsverkehr abgeschlossen werden. Die im Zusatzprotokoll zu diesem Art. 7 des Grundvertrags in Aussicht genommenen weiteren Verbesserungen des Verkehrs wurden durch verschiedene Maßnahmen der DDR stark belastet. Ich erinnere noch einmal an die im Dezember 1974 vorgenommene Verdoppelung der Zwangsumtauschsätze unter Einbeziehung der Rentner, deren vollständige Reduzierung im sogenannten Paket vom 9. Dezember 1975 nach wie vor nicht erreicht wurde, auf die wir bis heute warten, obwohl die DDR seinerzeit durch die Neugestaltung der sogenannten Swing-Regelung in den Genuß eines zinslosen Kredites von 850 Millionen DM gelangt ist.
    Auf die Erschwernisse des Reiseverkehrs wurde schon verschiedentlich eingegangen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß nach wie vor eine Senkung der Altersgrenze für die Ausreise nicht in Sicht ist, und daß vor allem die Ausreise, wie es heißt, „in dringenden Familienangelegenheiten" scharfen Einschränkungen und quälenden Schikanen ausgesetzt ist.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Der Ausbau der Autobahnen zwischen Westdeutschland und Berlin schließlich wurde im Zusammenhang mit der neuerlich vorgenommenen Pauschalierung der Transitgebühren offensichtlich zu teuer bezahlt.
    Von all den in Aussicht genommenen Verträgen sind bisher nur zwei und, wie wir heute hörten, nun ein dritter zustande gekommen. Auf dieses neue Abkommen möchte ich heute nicht näher eingehen, weil die Texte darüber noch nicht vorliegen.
    Unabhängig davon will ich aber auf die Kriterien hinweisen, die unsere Fraktion in einer Presseerklärung veröffentlicht hat. An diesen Kriterien werden wir das neue Abkommen messen.
    Lassen Sie mich nun kurz die vorliegenden Verträge beleuchten.
    Am 25. April 1974 wurde das Abkommen über den Transfer von Unterhaltszahlungen zusammen mit einer Vereinbarung über den Transfer von Guthaben „in bestimmten Fällen" abgeschlossen. Seit der Teilung Deutschlands und der Zerstörung der innerdeutschen Zahlungsmöglichkeiten über die Zonengrenze hinweg bestand stets die Notwendigkeit, daß viele Einwohner Westdeutschlands, die über Konten in Mitteldeutschland verfügen, endlich in die Lage kamen, entsprechende Beträge von ihren Konten drüben in die Bundesrepublik Deutschland transferieren zu können. Der DDR hingegen ging es vor allem darum, die auf westdeutschen Konten in Höhe von 75 Millionen DM aufgelaufenen Unterhaltszahlungen als Devisen kassieren zu können.
    In den Verhandlungen selbst gelang es nun der SED, die Bundesregierung voll hereinzulegen. Statt ein Gesamtabkommen zu schließen, das alle regelungsbedürftigen Fragen umfaßt hätte, schloß man zwei Abkommen: einmal über den Transfer von Unterhaltszahlungen, zum anderen das Abkommen über den Transfer aus Guthaben in sogenannten „bestimmten Fällen".

    (Wehner [SPD] : Reden Sie doch nicht solchen Stuß!)

    Dadurch kam die SED an die Devisen im Wert von 75 Millionen DM aus den aufgelaufenen Unterhaltszahlungen heran — das wollen Sie nicht wahrhaben, Herr Wehner , während das Abkommen über den Transfer aus Guthaben „in bestimmten Fällen" mit zahllosen Mängeln behaftet ist. Jene Vereinbarungen enthalten zwar die formale Gegenseitigkeit, d. h., auch die Einwohner der DDR können, sofern sie in der Bundesrepublik Deutschland ein Guthaben unterhalten, Geld in die DDR überweisen und es sich dort zum Kurs von 1 : 1 auszahlen lassen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Schöner Kurs!)

    Aber der Artikel 3 der Vereinbarung über den Transfer aus Guthaben in bestimmten Fällen enthält eine sogenannte Zug-um-Zug-Klausel, die lautet — ich zitiere —:
    Insgesamt können die Überweisungen aus dem einen Staat nicht höher sein als die Überweisungen aus dem anderen Staat.
    Da nun erwartungsgemäß die Transferierung von D-Mark (West) nach Mitteldeutschland kaum in Anspruch genommen wurde — weil dieser Austausch einen Wertverlust von etwa 35 °/o bedeutet hätte —, war das Abkommen infolge der Zug-umZug-Klausel alsbald blockiert, d. h., nach wenigen Zahlungen aus der DDR kam der Transfer ins Stocken. Seitdem läuft er nur noch tropfenweise.
    Darüber hinaus wurde in jenen Vereinbarungen durch einen zusätzlichen Protokollvermerk eine große Anzahl jener, die Konten in Mitteldeutschland
    15194 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976
    Dr. Kunz (Weiden)

    unterhalten, vom Transfer im Rahmen des Abkommens von vornherein ausgeschlossen. In diesem Zusatzprotokoll heißt es nämlich — ich zitiere —:
    Die Vereinbarung findet keine Anwendung auf Guthaben, die wegen der unterschiedlichen Rechtspositionen zu den ungeregelten Vermögensfragen gehören.
    Zudem ist in Nr. 4 dieses Protokollvermerks noch einmal ausdrücklich festgestellt, daß sich der Transfer nicht auf — ich zitiere — „in der Deutschen Demokratischen Republik bestehende Guthaben aus Grundstückserträgen" erstreckt. Von dieser restriktiven Bestimmung sind Tausende in der Bundesrepublik Deutschland betroffen.
    Aber noch nicht genug damit, daß sie von ihren Konten nichts abheben können. Viel schlimmer: Mit Hilfe ihres neuen Devisengesetzes vom Dezember 1973 startete die SED den umfassendsten Angriff gegen das Eigentum überhaupt, das sich in Händen von Westdeutschen befindet. Das Transferabkommen ist für die Menschen in Deutschland das schlechteste der drei Abkommen, die es nun gibt.
    Am selben Tag im April 1974 wurde übrigens zwischen den beiden Vertragspartnern das Gesundheitsabkommen unterzeichnet, das ja nun seit 1. Januar dieses Jahres in Kraft ist. Dieses Abkommen regelt an sich nur das, was ohnehin in der Praxis schon bestand. So weit, so gut. Entscheidend ist jedoch, daß es der DDR gelang, das Bundesgesundheitsamt in Berlin faktisch aus jenem Bereich der innerdeutschen Beziehungen auszuschalten, in dem es auf Grund des neuen Abkommens hätte tätig werden können. Dafür wurde in einem Briefwechsel zum Vertrag ausdrücklich ein Kölner Institut benannt. Das ist der erste negative Punkt dieses Abkommens, aber nicht der einzige.
    Die Berlin-Klausel dieses Vertrages enthält eben nicht nur die sogenannte Frank-Falin-Formulierung, soindern in bezug auf Berlin eine folgenschwere Ergänzung. Ich zitiere:
    Vereinbarungen zwischen dem Senat und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu Fragen des Gesundheitswesens werden dadurch nicht berührt.
    Damit erreichte die DDR mehr, als es im Augenblick den Anschein hat; denn, wie wir wissen, wurde unmittelbar nach dem Abschluß der Verhandlungen im April 1974 zwischen dem Senat und der Regierung der DDR ein Protokoll unterzeichnet, in dem die bisher bestehenden praktischen Regelungen zwischen Berlin und der DDR mit dem Inhalt des neuen Abkommens synchronisiert wurden. Damit ergibt sich der Tatbestand, daß das Gesundheitsabkommen in Berlin (West) nicht etwa gilt auf Grund der Berlin-Klausel aus Art. 8, sondern durch den eben zitierten Zusatz auf Grund des Protokolls, das zwischen dem Senat von Berlin und der DDR abgeschlossen wurde. Damit ist aber einer äußerst gefährlichen Sonderentwicklung die Tür geöffnet insofern, als durch Sonderbeziehungen zwischen dem Senat von Berlin und der Regierung der DDR die niemals aufgegebene SED-Forderung mit Leben erfüllt wird, daß
    nämlich Berlin (West) eine selbständige politische Einheit sei.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Das möchten die gern!)

    Diese Tür muß die Bundesregierung schleunigst wieder schließen. Und wir alle hoffen, daß in dem neuen Abkommen über das Post- und Fernmeldewesen nicht auch noch eine entsprechende Klausel enthalten ist.
    Zum Inhalt des Gesundheitsabkommens möchte ich noch anfügen, daß einem wesentlichen Bedürfnis gerade der mitteldeutschen Bevölkerung nicht Rechnung getragen wurde, nämlich dem nach freiem Arzneimittelbezug über die Zonengrenze hinweg, der ja bisher nur den SED-Funktionären möglich ist, nicht aber der Masse unserer Landsleute.
    Waren es im Falle des Transferabkommens die Devisen, die der DDR das Geschäft schmackhaft machten, so war es im Falle des Gesundheitswesens die statusrechtliche Verpackung, die ihr den Abschluß dieses Abkommens nützlich erscheinen ließ.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : So ist es! Leider wahr!)

    Doch über diese drei Abkommen hinaus kamen die Verhandlungen bald ins Stocken, weil es Schwierigkeiten über die Frage der Einbeziehung Berlins gab oder die SED derart unzumutbare Forderungen stellte, daß selbst diese Bundesregierung, die es ja nie an großzügigen Konzessionen und Vorleistungen gegenüber dem Osten fehlen ließ, es nicht mehr glaubte verkraften zu können, und das, meine ich, will schon etwas heißen!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Was wäre die Bundesrepublik Deutschland, wenn sie Sie nicht hätte!)

    So sollen die Verhandlungen über ein Rechtshilfeabkommen schon daran festgefahren sein, daß die SED nicht nur nicht bereit war, das Rechtsstaatsprinzip auch bei sich anzuerkennen, sondern daß sie sogar forderte, ihrem Unrechtsstaatsprinzip in den gegenseitigen Rechtsbeziehungen in der Bundesrepublik Deutschland Geltung zu verschaffen.
    Oder z. B. die Verhandlungen über das Kulturabkommen! Die von der SED in aller Öffentlichkeit vorgetragene Forderung nach Herausgabe wertvoller deutscher Kulturgüter entbehrt nicht nur jeder Grundlage; diese Forderung ist vor allen Dingen auch deshalb grotesk, weil wir doch alle wissen, welches Selbstverständnis die SED hat und wie sich das seit 1945 in der Praxis gerade am Beispiel unseres deutschen Kulturgutes auswirkte. Ich möchte nur erwähnen, daß 1950 das Berliner Schloß gesprengt, 1967 die Potsdamer Garnisonkirche zerstört wurde und daß die völlig unversehrte Leipziger Universitätskirche mittels Dynamit aus dem Weg geräumt wurde. Zahllose Denkmäler und Schlösser wurden beseitigt, ganze Bibliotheken und Gemäldegalerien wurden zu Spottpreisen verramscht.
    Lassen Sie mich zum Schluß kommen.

    (Wehner [SPD] : Sehr gut!)




    Dr. Kunz (Weiden)

    Gemessen an den vorgeblichen Zielen, wie sie schon in den Kasseler Punkten genannt sind, ist die Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung und ihrer Vorgängerin gescheitert. Für das, was bisher an Abkommen und Vereinbarungen erzielt wurde, mußte durch die Anerkennung der DDR ein zu hoher Preis gezahlt werden. Die deutsche Frage ist seitdem mit einer Hypothek befrachtet, die eine Wiedervereinigung in Freiheit sehr erschwert, aber eine Wiedervereinigung unter Hammer und Zirkel sicherlich erleichtert.

    (Wehner [SPD]: Quatschkopf! — Heiterkeit bei der SPD)

    Das ist sehr freundlich, aber dies fällt auf den Autor zurück.

    (Gerster [Mainz] [CDUCSU] : Das ist die Altersbosheit des Herrn Wehner! — Gegenruf des Abg. Wehner [SPD] — Gerster [Mainz] [CDU CSU]: Herr Wehner kann die Wahrheit nicht mehr hören!)

    n der Wiege dieser Politik. stand die Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten. Jüngste Äußerungen über und Sympathiekundgebungen für Kommunisten durch führende Sozialdemokraten lassen die Befürchtung aufkommen, es könnte schon damals, also bei diesen ersten Verhandlungen, nicht nur eine funktionelle Kooperation, sondern auch ein gedanklicher Gleichklang bestanden haben. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Gleichklang mit „wahrhaft demokratischen Kommunisten" und dem, was alles darunter verstanden wird, auch heute noch besteht. Die Empfehlung eines Karsten Voigt in der Neuen Gesellschaft" vor etwa zwei Monaten,

    (Zuruf von der SPD: Das hat auch noch gefehlt, daß Sie jetzt die Jusos ins Geschäft bringen!)

    mit kommunistischen Parteien zu paktieren, wenn diese Zusammenarbeit für den demokratischen Sozialismus nützlich ist, muß aufhorchen lassen. Bezeichnenderweise, Herr Kollege, ist dieser Karsten Voigt der Nachfolger für den in seinem Frankfurter Wahlkreis von seinen eigenen Genossen abgehalfterten Verteidigungsminister Leber.

    (Wehner [SPD] : Wir sind doch hier nicht am Stammtisch! Das wissen wir doch alles!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Äußerung erklärt auch, warum sich die Fronten in der Bundesrepublik so verhärtet haben. Die deutsche Nation ist in Wirklichkeit gespalten durch die Auseinandersetzung über die künftige Ausrichtung auf Freiheit oder Sozialismus.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD]: Was verstehen Sie von Sozialismus?!)

    Diese — wie Minister Franke vorhin sagte — bis zum Überdruß erfolgte Auseinandersetzung muß geistig ausgetragen werden, wenn unsere Nation jemals ihre Einheit in Freiheit erreichen will. Weil vergleichbare Auseinandersetzungen längst auf das ganze westliche Europa übergegriffen haben, kommt
    demAusgang dieser geistigen Auseinandersetzung
    in der Bundesrepublik europäische Bedeutung zu.

    (Wehner [SPD] : Ihnen auch!)

    Hierin kann und hierin muß der Beitrag der deutschen Nation für ein freiheitliches Europa liegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Wohlrabe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Wohlrabe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedaure es eigentlich, daß bisher wenig Gelegenheit war, die Problematik Berlins ein wenig mehr zu vertiefen. Ich möchte dazu einen Beitrag leisten.
    Bevor ich das tue, darf ich jedoch auf eine Bemerkung des Herrn Bundesministers Franke eingehe Er sagte, wir hätten in unserer Politik bisher alle Zahlungen an die DDR abgelehnt. Ich bin dem Satz einmal nachgegangen und habe mir in der Zwischenzeit eine Aufstellung der Bundesregierung Tiber die Zahlungen an die DDR besorgt, Herr Kollege Franke.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Hört! Hört!)


    (ì73 Milliarden DM. Natürlich schlägt allein der Swing mit einer großen Vergünstigung zu Buche. Ich säge Ihnen nur dies: Die CDU/CSU hat — aus denn Haushaltsausschuß weiß ich das, und aus der Politik, die wir betreiben — bisher nur einer Zah Jung nicht zugestimmt. Es ist nämlich die nicht zweckgebundene Zahlung bei der Transitpauschale. Wir werden auch in Zukunft dieser nicht zweckgebundenen Zahlung an die DDR, die dort sachfremd verwandt wird, nicht zustimmen. Im kommenden Jahr wird diese Zahlung insgesamt die Mehrheit der Summen wird erhalten bleiben, vielleicht mit gewissen Verschiebungen — um 165 Millionen DM allein bei der Transitpauschale zunehmen, neuerdings bei dem Postabkommen noch einmal 3 1/2 Millionen DM. Im übrigen haben wir gegen diese Postausgleichszahlungen hier nie ein Wort gesagt. Dies alles sage ich nur zur Richtigstellung, damit die Verallgemeinerungen aufhören. Der Bundeskanzler hat heute in seiner Erklärung mit dem schönen Satz gesagt: Wir hätten gerne eine stärkere Zweckbindung dieser Gelder erreicht. Ich nehme ihm sogar ab, daß das sein Bemühen war. Nur, wissen Sie, wer Möglichkeiten leichtfertig verschenkt, mit der DDR eine ausgewogene Absprache zu treffen; wer nämlich z. B., ohne Gegenleistung Wohlrabe )


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Aber das Knochenschmalz fehlte!)





    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dies sind die Punkte, die wir als unsorgfältige Vertragspolitik bezeichnen. Es kann doch im Grunde genommen auch niemand abstreiten, daß Leistung und Gegenleistung von Ihnen, der Sie ja die Federführung in diesen Dingen haben, offensichtlich nicht ausgewogen gesehen, auf jeden Fall aber nicht richtig in das politische Vertragsgeschäft eingesetzt worden sind. Das ist so ein typisches Beispiel, Herr Kollege Franke, bei dem eine andere, erfolgreichere Politik für die Bundesrepublik Deutschland, wie wir meinen, möglich gewesen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte aber ein paar Bemerkungen zum Thema Berlin machen, weil es guter Brauch ist, daß in einer Debatte zur Lage der Nation auch Berlin eine besondere Rolle spielt. Das Thema ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Auch der Bundeskanzler hat im Vergleich zum vergangenen Jahr diesmal dem Thema Berlin ein Stück mehr gewidmet als es in der Vergangenheit der Fall war.
    Nach unserer Auffassung ist Berlin-Politik ein wesentlicher Teil der Ost- und Deutschlandpolitik, wobei hinzukommt, daß eben die exponierte Lage Berlins als der alten deutschen Hauptstadt ein besonders empfindlicher Gradmesser für Erfolg und Mißerfolg der sogenannten Entspanungspolitik ist.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Jawohl!)

    Ich räume hier freimütig ein und sage das auch als Berliner: Anzuerkennen ist, daß die Transitwege leichter genutzt werden können. Aber genauso deutlich muß gesagt werden, von normalen, freien unkontrollierten Verbindungswegen kann bis heute überhaupt keine Rede sein; denn auch diese Transitregelung ist keine Normalität, meine Damen und Herren.
    Der Besucherverkehr zwischen Ost und West ist angestiegen. Dafür haben wir uns immer ausgesprochen. Wir haben nie Hinderer dieses Besucherverkehrs sein wollen. Wer ehrlich ist, weiß dies auch. Aber jeder weiß, der Besucherverkehr — dies ist heute schon Gegenstand der Debatte gewesen — verläuft einseitig im Wesentlichen von West nach Ost. Für unsere Mitbürger von drüben ist eine derartige Selbstverständlichkeit der freien Bewegung bis heute nicht möglich.
    Wenn der Bundeskanzler in seiner letzten Rede zur Lage der Nation im vergangenen Jahre die Meßlatte für die Erfolge in der Ost- und Deutschlandpolitik selbst geliefert hat mit dem Wort, ein angemessenes Verhältnis von Kosten und Nutzen sei herzustellen, so sollte dies sicher nicht nur eine unterschwellige Kritik an seinem Amtsvorgänger Brandt sein, sondern gleichzeitig auch Maßstab für zukünftiges Handeln.
    Meine Damen und Herren, von Versprechungen, Verheißungen vergangener Jahre, insbesondere von der erzeugten Euphorie der Amtsvorgänger — ich nenne nur die Herren Brandt und Bahr stellvertretend für viele —,

    (Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU]: Hauptsächlich vor Wahlen!)

    sollte — das war unser Eindruck auch in Berlin — mit dem Regierungswechsel offensichtlich Abschied genommen werden. Wir erinnern uns alle, und daran erinnere ich: als die sozialliberale Koalition antrat, hat sie mit großem Eifer geradezu hymnisch ein neues Zeitalter angekündigt, und der Erwartungshorizont der Bürger draußen im Lande wurde maßlos überzogen. Insbesondere waren davon die Berliner betroffen. Es sei nur daran erinnert, Herr Brandt verhieß der Berliner Bevölkerung, daß es jetzt — ich zitiere — „gute Chancen für eine Zukunft ohne Berlin-Krisen gäbe", so hieß es damals.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Es wurde mit den Gefühlen der Leute Schindluder getrieben!)

    Nach Unterzeichnung des Moskauer Vertrages lesen wir im regierungsamtlichen Bulletin: „Wenn der Vertrag in Kraft tritt, kann Berlin nicht mehr wie früher ein Objekt der Repressionen und ein Spannungsherd sein." — Jeder weiß heute, daß dies nicht die Wahrheit war; Berlin ist weiter Spannungsherd geblieben, meine Damen und Herren, und es hat eben täglich weiter Repressionen auszuhalten.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Das ist leider wahr!)

    Als die Lage der Nation im letzten Jahr zur Diskussion stand — Herr Kollege Hoppe ist dankenswerterweise noch da —, hat er im Grunde genommen dasselbe gesagt wie heute. Wer einmal Ihre beiden Reden vergleicht, findet damals und heute den Satz: Die Einbeziehung Berlins in die Verträge wird auch hier zum Gradmesser der Ernsthaftigkeit der Entspannungspolitik. Ich halte hier nur fest: Das ist richtig. Wir unterstützen den Satz. Nur ist die Einbeziehung Berlins nicht besser geworden. Sie ist eher schlechter geworden. Die Erfolge auf diesem Sektor sind in diesem vergangenen Jahr an keiner Stelle sichtbar geworden, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bedenken der CDU/CSU, die sich leider inzwischen bewahrheitet haben, wurden in dieser euphorischen Stimmung, die manchmal auch heute hier noch anklang — in Berlin klingt sie übrigens mittlerweile nicht mehr so; ich werde darauf noch ein kurzes Wort gerade unter dem Gesichtspunkt der Veränderungen und des Beitrages des Kollegen Mischnick verwenden —, achtlos vom Tisch gewischt. Wir werden heute noch und dagegen wehre ich mich — als Miesmacher, ja als Friedensfeinde verketzert. Die Solidarität der Demokraten sollte ja eigentlich, meine Damen und Herren, ein viel zu hoch einzuschätzender Wert sein, als daß wir vor den eklatanten Widersprüchen, die in all den letzten Jahren eingetreten sind, so sehr die Augen verschließen. Es gehört schon ein gerüttelt Maß an



    Wohlrabe
    Verblendung dazu, nicht zu sehen, wie in aller Welt mahnende Stimmen die sogenannte Entspannungspolitik von Anfang an verfolgten, wie namhafte Politiker und Publizisten in aller Welt, nicht zu vergessen die russischen Dissidenten, die ich hier einmal erwähnen möchte, die aus ihrer eigenen leidvollen Erfahrung heraus geradezu beschwörend vor diesem Weg gewarnt haben. Noch heute werden Niederlagen als große Erfolge gepriesen, so daß man nur fragen kann: Ist denn diese Bundesregierung blind? Ist sie verstockt? Merkt sie nicht, wie sich die Menschen draußen im Lande oder auch gerade die Berliner — die Wahlergebnisse in Berlin zeigen es doch;

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Zehlendorf!)

    ich will sie nur als einen Gradmesser nehmengeprellt fühlen durch das, was hier früher gesagt worden ist?
    Wer ehrlich ist, stellt doch fest, wie sehr die Stimmung auch bei denen in Katzenjammer umschlägt, die die Politik der Bundesregierung früher stark bejubelten. Viele publizistische Helfer der sogenannten neuen deutschen Ost- und Berlin-Politik verlassen bereits das sinkende Schiff. Ich nenne hier nur: Zuerst — das war das Eigenartige — das Magazin „Der Spiegel" mit seiner Serie „Ende einer Ara" . Er machte eine gewaltige Absetzbewegung. Selbst einer der eifrigsten, unermüdlichsten Herolde der Entspannungspolitik, der „Stern"-Chefredakteur Henri Nannen,

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU]: Ja, ja!)

    der sich bei jeder Vertragsunterzeichnung ins Bild drängte, wohl, weil er wie weiland Goethe glaubte, als publizistischer Geburtshelfer einer neuen Epoche beigewohnt zu haben, übte kürzlich Selbstkritik, indem er ein sehr interessantes Zitat schrieb, das ich kurz vortragen möchte:
    Wir haben
    — so Henri Nannen —
    die Ostverträge in der bundesdeutschen Öffentlichkeit mit durchgesetzt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : „Wir" sagt er!)

    — „Wir" ! Darum ja: wie weiland Goethe! (Heiterkeit und Zurufe)

    — Ja, man kann das nicht ganz vergleichen. Er möchte sich vielleicht vergleichen, bloß, die Geschichte wird anderes zeigen, meine Damen und Herren!
    Aber wenn jemals ein Quentchen
    — so Nannen —
    Sentimentalität dabei war, ein Stück Hoffnung, es möge über diese Verträge mit der Sowjetunion und mit Polen zu einem Wandel durch Annäherung, vielleicht sogar zu einer echten Freundschaft kommen,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Gerade mit Polen!)

    so ist es jetzt wohl an der Zeit, solchen Illusionen ade zu sagen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Seit wann hat Herr Nannen Illusionen? — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Die Zeche hat das deutsche Volk bezahlt!)

    Was für ein Satz von Herrn Nannen, wenn man daran denkt, wie nicht nur zur Wahlzeit der Bevölkerung eine heile Welt vorgegaukelt wurde, wie Träume und Illusionen damals auch von ihm für Realität ausgegeben worden sind!

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sehr wahr! — Stahl [Kempen] [SPD] : Sie sind ein richtiger Schauspieler!)

    — Ich könnte darauf antworten: Ich habe das vom Bundeskanzler gelernt! Aber da ich mich hier nicht als Schauspieler empfinde, sondern als jemand, der versucht, einen ernsthaften Beitrag zu leisten, identifiziere ich mich nicht mit Ihrem Zwischenruf, Herr Kollege!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Kurswert der Freiheit in der Politik ist in jüngster Zeit auf Kosten des Zauberwortes „Entspannung" gesunken. Dies wird gerade in Berlin besonders deutlich registriert. Die politischen Folgen daraus — Gefahren für Berlin in neuer Gestalt werden oft überspielt. Die Gefahr, daß Berlin in den Hintergrund gedrängt wird, besteht. Nicht unschuldig an dieser Entwicklung sind jene Politiker, die den Traum von Berlin als normaler Stadt als Realität ausgegeben haben. Berlin in seiner heutigen Lage — das ist unsere tiefe Überzeugung — mit seinen heutigen Schwierigkeiten ist keine normale Stadt, ist nicht vergleichbar mit anderen Städten irgendwo in diesem Lande.
    Wer das nicht erkennt, wer dies bewußt oder unbewußt außer acht läßt, kann nicht für sich in Anspruch nehmen, die Interessen Berlins angemessen zu vertreten. Die Bundesregierung muß sich einfach fragen lassen, ob sie in der zurückliegenden Zeit die Interessen Berlins mit dem nötigen Nachdruck vertreten hat. Ist sie in der Frage der Bindungen Berlins an den Bund vorangekommen? Hat sie genügend getan, die Zukunftschancen Berlins zu verbessern? Hat sie für Zugeständnisse beispielsweise auf den Transitwegen abgewogene Gegenleistungen erhalten oder hat sie vor der Politik des Abblockens, der Abgrenzung seitens der DDR und der Sowjetunion resigniert?
    Wir meinen — ich habe nur einige Punkte genannt —, daß sehr, sehr viele Unterlassungssünden gerade in der Abgewogenheit der Möglichkeiten in der Berlin-Politik in den letzten Jahren sehr deutlich geworden sind. Davon kann auch diese Bundesregierung eben nicht freigesprochen werden.
    Trotzdem — damit komme ich auf den Beitrag vom Kollegen Mischnick, der fragte: Was gibt es denn überhaupt Neues seit dem letzten Jahr? — Es
    I

    Wohlrabe
    gibt Neues! Es gibt Zeichen der Umkehr, meine Damen und Herren, Zeichen der Umkehr auch bei

    (Seiters [CDU/CSU]: Wehner! - Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Kollegen aus Koalitionskreisen in Berlin. Man höre einmal die Töne in den Ausführungen des Regierenden Bürgermeisters Schütz und auch des Bürgermeisters Oxfort. Wer Zwischentöne hört, hat dies heute sogar beim Kollegen Hoppe erkennen können. Es gibt Äußerungen differenzierter Betrachtung. Ich hoffe, daß dies nicht nur auf die Wahlergebnisse in Berlin zurückzuführen ist, sondern auf eine ehrliche Überzeugung und auch durch den Mißerfolg, der sich in all den Jahren gerade in der Berlin-Politik eingestellt hat.

    (Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal das Ergebnis aus Zehlendorf!)

    Ich sage außerdem: Die CDU/CSU begrüßt es, wenn sich der Regierende Bürgermeister von dem Mythos, Berlin sei eine normale Stadt, absetzt. Wir vergessen aber auch nicht, meine Damen und Herren -- ich glaube, das muß der Vollständigkeit halber hinzugefügt werden —, daß gerade Schütz es war, der voran zu den Förderern und lautstarken Predigern einer Vorleistungspolitik gehörte.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Der hier schon eine solche Rede gehalten hat!)

    Wir hoffen, daß die Zeichen der Umkehr und der Einsicht auch bei der Bundesregierung bemerkt und im Rahmen der zukünftigen Politik berücksichtigt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Politik der letzten Jahre hat deutlich gemacht: Entscheidende Fortschritte in Berlin sind ausgeblieben. Bis heute ist das Herzstück der Berlin-Verträge, die Bindungen zur Bundesrepublik auszubauen, umstritten. Weder bei der DDR noch bei der Sowjetunion ist ein echter Sinneswandel festzustellen. Wer Berlin wirklich helfen will, muß sich an einigen wichtigen grundsätzlichen Punkten orientieren,

    (Stahl [Kempen] [SPD] : Der muß wie Sie schwätzen!)

    die vielleicht nicht das große Wort der Alternative darstellen, die aber doch in diesen wichtigen Punkten berücksichtigt werden sollten.
    Erstens. Wer Berlin und den Berlinern wirklich helfen will, darf ihnen nichts vormachen wollen.

    (Wehner [SPD] : Wir haben selber einen hier!)

    Berlin-Politik muß ohne Illusionen und Schönfärberei realitätsbezogen auf festen Füßen stehen und nüchtern betrieben werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Brandt und Herr Bahr haben den Berlinern jahrelang etwas vorgemacht. Die Erfolge, die sie uns genannt haben — ich habe vorhin Zitate gebracht , sind nicht eingetreten.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : So ist es!)

    Zweitens. Abmachungen und Vereinbarungen helfen Berlin nur, wenn sie klar und eindeutig sind. Sie dürfen nicht Fehlerinterpretationen Tür und Tor öffnen und Möglichkeiten zu laufender Erpressung geben, so wie es heute der Fall ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Drittens. Berlin-Politik muß mit den Alliierten, mit den westlichen Schutzmächten, rechtzeitig und gründlich abgesprochen werden.

    (Jäger [Wangen] [CDU 'CSU] : Sehr gut!)

    Vermutungen um Geheimabsprachen, Aspekte des Zwielichts, eine Politik des Augenzwinkerns zum Osten müssen der Vergangenheit angehören.
    Viertens. Anmaßungen Ost-Berlins und Moskaus sind entschieden und entschlossen zurückzuweisen. In letzter Zeit haben sich auffällig viele — ich meine: sich nicht zufällig, sondern auffällig häufende Verstöße zur Aushöhlung des Status von Berlin gezeigt. Die Aushöhlung des Status von ganz Berlin stellt immer wieder unter Beweis, daß der östliche Vertragspartner mit seinem deutschen Satelliten keinen Millimeter von dem strategischen Ziel der Isolierung West-Berlins bis heute abgewichen ist.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Die Latte der Verstöße ist groß. Sie reicht vom Boykott der Grünen Woche bis zu der Frage, ob Ost-Berlin Bestandteil des Viermächteabkommens für Berlin ist. Ich brauche das hier alles gar nicht zu nennen; das hat heute hier schon mehrfach eine Rolle gespielt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : „Das betreffende Gebiet heißt es im Viermächteabkommen!)

    Hier gilt es aber, entschieden den Anfängen zu wehren. Hier gilt es, Wohlverhalten und Nachgiebigkeit nicht zum Erfolg führen zu lassen. Die Rechte und die Freiheit Berlins können eben wirklich nur gesichert werden, wenn alle entschlossen und hartnäckig, so wie es heute in Berlin viele Politiker tun, diese Werte verteidigen.
    Die Zukunft der alten deutschen Hauptstadt hängt davon ab, wie der Westen vor allem die geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus führt, ob sich schwächliches oder ängstliches Zurückweichen durchsetzt oder eine ruhige und feste Haltung, wie die Union sie fordert, Platz greift. Die CDU/CSU wird den Mut zu einer solchen klaren Politik haben, auch auf die Gefahr hin, als unangenehmer Mahner mißverstanden zu werden.
    Die geographische und die politische Lage Berlins geben die einmalige Chance, entscheidend zum Erhalt der Nation beizutragen. Wer über die Jahre der Spaltung und Trennung hinweg die Einheit Deutschlands als politisches Ziel wirklich will, dar muß
    Berlin besonders unter dem Ziel des Mittlers und Förderers des Erhalts der Einheit der Nation sehen.
    Berlin, meine Damen und Herren, sollte wieder mehr als in der Vergangenheit ein Ziel bekommen, ein Ziel, das sich nicht darin erschöpft, nur die wirtschaftliche Lage als gut zu befinden, sondern das dem Bürger deutlich und wert macht zu wissen,



    Wohlrabe
    warum er in Berlin wohnt und was er an Berlin hat. Berlin sollte, so meine ich, wieder Leuchtturm der Freiheit für die Menschen im anderen Teil unseres Vaterlandes und auch Mahnmal für den Westen sein. Denn man wird immer wieder daran erinnert
    — dies halte ich psychologisch aus Berliner Sicht für sehr wichtig -: Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sondern sie muß in zäher Arbeit Tag für Tag neu gesichert werden. Berlin könnte für uns alle in diesem Bemühen ein gutes Beispiel sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)