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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 218. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 Inhalt: Nachruf auf den früheren Abg. und Vizepräsidenten Schoettle . . . . . . . 15081 A Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler 15081 D Beratung des Antrags des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1974 — Drucksachen 7/2423, 7/4158 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung — Drucksache 7/4616 — in Verbindung mit Beratung der Empfehlungen und Entschließungen der Nordatlantischen Versammlung bei ihrer 21. Jahrestagung vom 21. bis 26. September 1975 in Kopenhagen — Drucksache 7/4241 — Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . . 15094 A Wehner SPD 15103 D Hoppe FDP 15109 B Genscher, Bundesminister AA . . . . 15129 B Dr. Marx CDU/CSU 15135 C, 15213 C Mattick SPD 15145 C Dr. Bangemann FDP 15151 A Dr. Abelein CDU/CSU . . . . . . . 15157 B Höhmann SPD . . . . . . . . . . 15163 A Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . . . 15168 A Franke, Bundesminister BMB . . . . 15171 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . 15178 D Mischnick FDP . . . . . . . . . . 15181 B Barche SPD .. . . . 15186 C Dr. Gradl CDU/CSU 15189 B Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . . . 15192 D Wohlrabe CDU/CSU . . . . . . . . 15195 C Grimming SPD . . . . . . . . . . 15199 A Kunz (Berlin) CDU/CSU . . . . . . 15202 C Böhm (Melsungen) CDU/CSU 15205 D Jäger (Wangen) CDU/CSU 15208 D Dr. Arndt (Hamburg) SPD . . . . . . 15211 C lI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kreutzmann, Barche, Büchler (Hof), Zebisch, Niegel, Böhm (Melsungen), Hösl, Dr. Warnke, Wolfgramm (Göttingen) und Genossen betr. Förderung des Zonenrandgebietes — Drucksachen 7/4117, 7/4422 —in Verbindung mit Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über den erweiterten Verkehrswegeplan für das Zonenrandgebiet hier: Bericht des Bundesministers für Verkehr 1974 über den Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes — Drucksachen 7/2992, 7/4471 — 15215 A Beratung des Berichts und des Antrags des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament betr. allgemeine unmittelbare Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments Drucksachen 7/3366, 7/3768 — Dr. Kempfler CDU/CSU . . . . . . . 15215 C Fragestunde — Drucksache 7/4632 vom 23. 1. 1976 — Verhalten des Staatsministers Moersch in der Fragestunde des Deutschen Bundestages MdlAnfr A93 23.01.76 Drs 07/4632 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw PStSekr Frau Schlei BKA 15115 D, 15116A, B, C, D, 15117 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 15116 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 15116 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 15116 C ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . 15116 C ZusFr Niegel CDU/CSU 15116 D ZusFr Seiters CDU/CSU 15117 A Lieferung von Schützenpanzern durch die Firma Rheinstahl über ihre belgische Zweigniederlassung an Saudi-Arabien sowie Genehmigung der Ausfuhr MdlAnfr A96 23.01.76 Drs 07/4632 Hansen SPD MdlAnfr A97 23.01.76 Drs 07/4632 Hansen SPD Antw StMin Moersch AA . . . . 15117 B, C, D, 15118A, B, C, D, 15119 B ZusFr Hansen SPD . . . . 15117 C, D, 15118 B ZusFr Ey CDU/CSU . . . . . . . . . 15118 B ZusFr Haase (Kassel) CDU/CSU . . . 15118 C, D ZusFr Dr. Kliesing CDU/CSU 15119 A Einstellung der Bundesregierung zu den Empfehlungen der deutsch-polnischen Schulbuchkonferenz MdlAnfr A99 23.01.76 Drs 07/4632 Dr. Hupka CDU/CSU MdlAnfr A100 23.01.76 Drs 07/4632 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Moersch AA . . . . 15119 B, C, D, 15120 A, B, C, D, 15121 C, D, 15122 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . 15119 C, D, 15120 D, 15121 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 15119 D, 15122 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . . 15120 A, 15121 D ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . . 15120 B Höhe der aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" und den Konjunkturprogrammen nach Ostfriesland seit 1970 vergebenen Mittel MdlAnfr A46 23.01.76 Drs 07/4632 Tietjen SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . 15122 C, 15123 B ZusFr Tietjen SPD . . . . . . . . 15123 A, B Umfang der Exporte von wirtschaftlichen Gütern in osteuropäische Länder seit 1970 MdlAnfr A47 23.01.76 Drs 07/4632 Tietjen SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . 15123 C, 15124 A, B ZusFr Tietjen SPD . . . . . . . . . 15123 D ZusFr Ey CDU/CSU . . . . . . . . . 15124 A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 15124 A ZusFr Stahl (Kempen) SPD 15124 B Zweckmäßigkeit nur eines Werkstattyps für Behinderte sowie Untersuchung des Zusammenbringens von geistig Behinderten und geistig nicht Behinderten MdlAnfr A51 23.01.76 Drs 07/4632 Burger CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . 15124 C, 15125 A ZusFr Burger CDU/CSU . . . . 15124 D, 15125 A Wegfall von Waisenrente, Krankenversicherung und Kindergeld für Abiturienten ohne Studien- oder Ausbildungsplatz MdlAnfr A55 23.01.76 Drs 07/4632 Rollmann CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA 15125 B, D, 15126 A ZusFr Rollmann CDU/CSU . . . . . . 15125 D Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 III Einsetzung für die Anerkennung der witterungsbedingten Arbeitsausfälle an den als deutsches Hoheitsgebiet geltenden Baustellen der Staustufe Iffezheim auf französischem Boden MdlAnfr A56 23.01.76 Drs 07/4632 Dr. Hauser (Sasbach) CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . . . . . 15126 A Anerkennung von nicht über die vorgeschriebene Mindestzahl von Plätzen verfügende Werkstätten für Behinderte, damit die hier tätigen Behinderten in den Genuß des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter kommen MdlAnfr A57 23.01.76 Drs 07/4632 Geisenhofer CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . 15126 C, 15127 A ZusFr Geisenhofer CDU/CSU . . . . . . 15127 A Darstellung der Zwangskollektivierung der Bauern in der DDR im Kalender „Blick in die DDR" MdlAnfr A69 23.01.76 Drs 07/4632 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Herold BMB 15127 B, D, 15128 A, B, C ZusFr Eigen CDU/CSU . . . . . . . . 15127 D ZusFr Frau Berger (Berlin) CDU/CSU . . 15128 A ZusFr Stahl (Kempen) SPD 15128 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 15128 B ZusFr Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . 15128 C Verweigerung der Aufnahme illegal Polen verlassender Deutscher in der DDR MdlAnfr A83 23.01.76 Drs 07/4632 Freiherr von Fircks CDU/CSU MdlAnfr A84 23.01.76 Drs 07/4632 Freiherr von Fircks CDU/CSU Antw PStSekr Herold BMB . 15128 D, 15129 A, B ZusFr Freiherr von Fircks CDU/CSU . . . 15129 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . 15216 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15217* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1976 15081 218. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1976 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 216. Sitzung, Seite 14998 D, Zeile 9 von unten ist zu lesen: „Das nehmen Sie . . ."; Seite 14999 D, Zeile 9 von unten ist statt „abzulenken" zu lesen: „abzulehnen" ; Seite 15000 B, Zeile 12 ist statt „zukunftweisend" zu lesen: „zukunftsweisend" ; Seite 15001 B, Zeile 17 ist statt „Teufelskeis" zu lesen: "Teufelskreis". Anlage Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Adams * 30. 1. Ahlers 30. 1. Dr. Achenbach * 30. 1. Dr. Ahrens ** 30. 1. Dr. Aigner * 30. 1. Alber ** 30. 1. Dr. Artzinger * 30. 1. Amrehn ** 30. 1. Dr. Bayerl * 29. 1. Behrendt * 30. 1. Blumenfeld * 29. 1. Frau von Bothmer ** 30. 1. Brandt 30. 1. Breidbach 30. 1. Büchner (Speyer) ** 30. 1. Christ 29. 1. Dr. Dollinger 13. 2. Dr. Enders ** 30. 1. Entrup 13. 2. Prof. Dr. Erhard 30. 1. Fellermaier * 30. 1. Dr. Früh 30. 1. Flämig * 30. 1. Gerlach (Emsland) * 30. 1. Dr. Geßner ** 30. 1. Dr. Gölter ** 30. 1. Haase (Fürth) ** 30. 1. Dr. Holtz ** 30. 1. Hussing 30. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) * 30. 1. Kater 30. 1. Dr. Kempfler " 30. 1. Dr. Klepsch ** 30. 1. Dr. Kreile 30. 1. Kroll-Schlüter 30. 1. Lagershausen ** 3,0. 1. Lange * 30. 1. Lautenschlager * 30. 1. Lemmrich ** 30. 1. Lenzer ** 30. 1. Liedtke 30. 1. Lücker * 30. 1. Marquardt ** 30. 1. Mattick ** 30. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Memmel * 30. 1. Dr. Mende ** 30. 1. Dr. Müller (München) ** 30. 1. Mursch * 30. 1. Frau Dr. Orth 30. 1. Pawelczyk ** 30. 1. Pieroth 30. 1. Richter ** 30. 1. Dr. Schäuble ** 30. 1. Prof. Dr. Schellenberg 30. 1. Schmidt (Kempten) ** 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schonhofen 21.2. Dr. Schröder (Düsseldorf) 30. 1. Dr. Schwencke ** 30. 1. Dr. Schwörer * 30. 1. Dr. Schulz (Berlin) * 30. 1. Seibert 30. 1. Sieglerschmidt '* 30. 1. Springorum * 30. 1. Dr. Starke (Franken) * 30. 1. Stücklen 30. 1. Strauß 30. 1. Suck * 30. 1. Tönjes 30. 1. Dr. Vohrer ** 30. 1. Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 21. 2. Walkhoff * 30. 1. Walther ** 30. 1. Frau Dr. Walz * 30. 1. Weber (Heidelberg) 30. 1. Wende ** 30. 1. Dr. Wörner 30. 1. Frau Dr. Wolf ** 30. 1. Wolf 30.1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Die schriftlichen Antworten auf die in der Fragestunde nicht mündlich beantworteten Fragen werden als Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die 219. bzw. die 220. Sitzung abgedruckt.
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    Wir wollen nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Da sind wir einer Meinung. Aber bitte: Vergegenwärtigen Sie sich einmal einen Augenblick, wie Sie reagiert haben. Es wurde protestiert; der Regierungssprecher teilte der deutschen Bevölkerung mit, der Kanzler nehme diese Vorgänge außerordentlich ernst.

    (Konrad [SPD] : Bezweifeln Sie das?)

    Aber was geschieht? Zwei Tage, nachdem der betreffende Journalist aus Ost-Berlin ausgewiesen



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    wurde, unterzeichnete die Bundesregierung ein neues Verkehrsabkommen mit der DDR, auf Grund dessen sie sich verpflichtet, jährlich eine pauschale Zahlung von 400 Millionen DM an die DDR zu leisten.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Das ist kein adäquates Verhalten, wenn man eine Situation sehr ernst nimmt!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Klammern Sie sich bitte nicht an der Saalebrücke fest, Herr Bundeskanzler. Die wurde in der Tat vor vielen Jahren finanziert, als Erhard Bundeskanzler war.

    (Zuruf des Abg. Leicht [CDU/CSU])

    Aber die Mittel, die für diesen Zweck zur Verfügung gestellt wurden, waren zweckgebunden.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : So ist es!)

    Die durften nur für den Bau der Saalebrücke verwendet werden. Die 1,6 Milliarden DM, die Sie jetzt in den nächsten vier Jahren an die DDR zahlen werden, haben eben keine ausreichende Zweckbindung!

    (Beifall bei der CSU)

    Wir fordern die Bundesregierung auf, die Verletzung der Menschenrechte in der DDR ernster zu nehmen. Ich verwahre mich dagegen, daß diejenigen, die diese Menschenrechtsverletzungen ernst nehmen und gegen sie vorgehen, des Rückgriffs auf Methoden des kalten Krieges bezichtigt werden. Und ich verwahre mich auch gegen die Kritik, die Sie, Herr Bundeskanzler, an einer Entscheidung des Kultusministers von Rheinland-Pfalz — übrigens aus sehr durchsichtigen Motiven — geübt haben. Der DDR-Kalender, von dem Sie sprachen, gelangt deswegen in Rheinland-Pfalz nicht zur Verteilung, weil er neben manchen zutreffenden Informationen nicht ein einziges Wort über die Menschenrechtsverletzungen in der DDR enthält.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Zuruf: Jawohl, so ist es! — Zuruf von der SPD)

    Wir sind der Meinung, daß dies eine unvollständige, eine falsche Information über die Zustände in der DDR ist! Und deswegen halten wir es für richtig, daß die Verteilung dieses Kalenders dort unterbunden worden ist.
    Wir haben einen Antrag eingebracht, in dem die Bundesregierung ersucht wird, jährlich im Rahmen des Berichts zur Lage der Nation auch einen Bericht über die Verwirklichung und Verletzung der Menschenrechte im geteilten Deutschland vorzulegen.
    Die Bundesregierung weist immer darauf hin, daß neben diesen negativen Ereignissen Positives zu berichten sei. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Die Entwicklung des Reiseverkehrs ist erfreulich stark gestiegen. Man darf allerdings nicht vergessen, daß die Bundesregierung diese Konzession der DDR durch immer neue Preise hat erkaufen müssen, zuletzt durch die Gewährung des 800-MillionenMark-Kredits, den sie der DDR zinslos im Rahmen
    des Interzonenhandelsahkommens zur Verfügung gestellt hat.
    Ich möchte darauf hinweisen, daß auch in dieser Beziehung — was den Reiseverkehr anbelangt in den letzten Tagen ein dunkler Schatten auftaucht. „Will Herr Schütz den Besucherverkehr mit der DDR einschränken?" lautete die Überschrift eines Artikels im „Neuen Deutschland" am 21. Januar. Darin polemisiert die DDR gegen den Berliner Bürgermeister, weil er völlig zu Recht erklärt hat, daß sich die Zuständigkeit der Vier Mächte auf ganz Berlin erstreckt. Wir haben es hier mit einer systematischen Haltung der Sowjetunion und der DDR gegenüber Berlin zu tun. Ich erwähne außer dieser Drohung im „Neuen Deutschland" den Protest der DDR gegen den Besuch des Bundespräsidenten in Berlin, die Angriffe der „Prawda" gegen die Sitzung eines Ausschusses des Europäischen Parlaments in Berlin und die Brüskierung der Berliner Abgeordneten des Deutschen Bundestages durch den sowjetischen Botschafter in Bonn. Das sind ernst zu nehmende Vorgänge, die nicht dadurch abgegolten oder ausgeglichen werden, daß sich der Reiseverkehr, der Paketverkehr oder der Telefonverkehr verbessern, so begrüßenswert das alles ist. Diese Verbesserungen sind kein Alibi für die mangelnde Wahrnehmung der vitalen Interessen Berlins und Deutschlands.

    (Sehr gut! und Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang versuchen, einige grundsätzliche Ausführungen über die Situation in der wir stehen, zu machen. Die Auseinandersetzung, um die es geht, ist eine machtpolitische, aber sie ist zugleich auch eine geistige. Wir müssen uns auf beiden Feldern dieser Auseinandersetzung stellen, wenn wir als freie Bürger bestehen wollen. Dazu gehört nach meiner Auffassung, daß wir Deutschen für die Freiheit eintreten, daß wir uns mit dieser Idee der Freiheit identifizieren, so wie es Generationen von Deutschen vor uns getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Zuruf von der SPD)

    Wir haben eine große liberale Tradition in Deutschland, und ihrer sollten wir uns wieder stärker bewußt werden.

    (Konrad [SPD]: Das schaffen Sie nie!)

    Wir sollten endlich den unablässigen Versuchen linker Politiker, Pädagogen und Meinungsbildner entgegentreten, die unser Geschichtsbewußtsein verfälschen wollen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    teils, indem sie die Beschäftigung mit der Geschichte überhaupt beseitigen wollen, teils aber — was noch schlimmer ist , indem sie deutsche Geschichte selbst verfälschen, indem sie die deutsche Geschichte als eine Kette von Ausbeutungen und Missetaten darstellen.
    Hitler und der Nationalsozialismus erscheinen in diesen Darstellungen der deutschen Geschichte gewissermaßen zwangsweise vorgezeichnet zu sein.



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Demgegenüber — so wird uns gesagt — bringt uns
    der Sozialismus Gerechtigkeit, Frieden und Menschlichkeit. Es gibt Schulbücher, in denen die deutsche Geschichte auf Karl Marx und Adolf Hitler reduziert wird. Marx erscheint dabei als der große Befreier, Hitler als der teufliche Zerstörer.

    (Zuruf von der SPD: Wollen Sie das bestreiten?)

    Wir müssen uns gegen diese einseitige Behandlung der deutschen Geschichte zur Wehr setzen. Wir wollen nicht die dunklen Epochen unserer Geschichte auslöschen oder beschönigen, und die Schreckenstaten des Hitlerregimes gehören dazu, aber auch die unseligen Folgen, die die marxistische Lehre über große Teile der Welt,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    zuletzt über einen Teil Deutschlands gebracht hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da sollte Herr Schmidt mal zuhören!)

    Gegenüber diesen negativen Erscheinungen sollten wir das Bewußtsein und die Erinnerung der Deutschen an ihre eigene große freiheitliche Tradition wiedererwecken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man halte mir nicht entgegen, etwas Derartiges sei im Zeitalter der europäischen Einigung unangebracht.

    (Zuruf von der SPD)

    Niemand tritt für das einige Europa nachdrücklicher ein als CDU/CSU. Wir stehen zu dem, was Konrad Adenauer vor 20 Jahren an dieser Stelle gesagt hat — ich zitiere —:
    Seit Jahren bemüht sich die Bundesregierung, die letzten Zweifelnden von der Notwendigkeit einer engen und unverbrüchlichen Zusammenarbeit der europäischen Völker zu überzeugen. Nur wenn wir dieses Ziel rasch und entschlossen verwirklichen, werden wir vor der Geschichte unserer Völker bestehen können.
    Aber, meine Damen und Herren, das vereinte Europa, das wir anstreben, wird doch nicht ein Schmelztiegel von Nationen sein, so wie die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern jede der europäischen Nationen wird auch in dem vereinten Europa ihre Eigenarten, ihre Stärken und ihre Schwächen einbringen.
    Es scheint mir von entscheidender Bedeutung zu sein, daß die deutsche Nation in das vereinte Europa ihr freiheitliches Erbe einbringt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Konrad [SPD] : Karlsbader Beschlüsse!)

    Wir können dabei an das Entstehen des Nationalbewußtseins in unserem Volke vor 170 Jahren, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, anknüpfen. Von ihm sagt Max Braubach, der kürzlich verstorbene Bonner Historiker — ich zitiere —:
    Wichtiger für die Entstehung der nationalen
    Bewegung aber war der Glaube an die eigene
    Bedeutung, den das deutsche Volk aus seinen
    geistigen Leistungen während der letzten Jahrzehnte gewonnen hatte. Auf den verschiedensten Gebieten war eine Kultur erwachsen, deren Träger sich zwar als Weltbürger fühlten, die aber die Menschen mit berechtigtem Stolz auf das erfüllte, was mit ihrer Sprache in Literatur, Wissenschaft und Kunst geschaffen wurde ... Die Überzeugung, daß diese geistige Gemeinschaft auch zu politisch-staatlichem Zusammenschluß gelangen sollte, brach sich angesichts der jammervollen Zerklüftung ... Deutschlands gerade auch in manchen der Männer Bahn, die nur dem Geist und der Menschheit hatten dienen wollen.
    Freiherr vom Stein, der junge Gentz, Wilhelm von Humboldt, Fichte, Görres, Heinrich von Kleist, Jean Paul, Gneisenau, Scharnhorst sind die großen Repräsentanten dieser Epoche,

    (Konrad [SPD] : Sie haben Börne und Heine vergessen!)

    und wir brauchen uns keines dieser Männer zu schämen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und schon in dieser frühesten Phase der Geburtsstunde des deutschen Nationalbewußtseins sind Einheit des deutschen Volkes, Freiheit und Gerechtigkeit seine unverwechselbaren Elemente.

    (Konrad [SPD] : Völlig rechtsäugig betrachtet!)

    „Unsere Freiheitsliebe ist Rechtlichkeitsliebe" — sagt Jean Paul 1808 —, „Rechtlichkeit verknüpft die Deutschen — und eigentlich die Menschen — und wehe dem, der das Band durchschneidet, an dem die Welt hängt und er selbst."

    (Konrad [SPD] : Jean Paul ist wirklich hervorragend!)

    In dieser Freiheitsbewegung des frühen 19. Jahrhunderts wurzelt die Revolution von 1848. Freiheit war ihr Leitmotiv. Das Datum der Eröffnung der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche am 18. Mai 1848 bezeichnet einen der größten Momente der neueren deutschen Geschichte. Ihr Hauptanliegen war es, einen umfassenden Freiheitsschutz für das deutsche Volk durchzusetzen. Heinrich von Gagern, Beseler, Dahlmann, Droysen, aber auch Robert Blum, der Führer der Linken in der Nationalversammlung, sind Zeugen dieses damaligen Kampfes.
    Und an 1848 knüpft wieder die Weimarer Nationalversammlung an, indem sie erneut nach dem verlorenen ersten Weltkrieg die freiheitliche Überlieferung aufnimmt und bekräftigt. Friedrich Ebert, Gustav Noske, Philipp Scheidemann, Friedrich Naumann, Max Weber, Hugo Preuß, Matthias Erzberger sind einige der Namen, die die damalige Entwicklung getragen haben.
    Und an Weimar wieder knüpft der Parlamentarische Rat an, der vor 30 Jahren —

    (Zurufe)

    vor 27 Jahren das Grundgesetz der Bundesrepublik
    Deutschland geschaffen hat. Einheit, Freiheit und



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Gerechtigkeit waren die Grundforderungen auch dieses Neubeginns in unserer Geschichte. Von den Männern, deren Namen unter dem Grundgesetz stehen, nenne ich Konrad Adenauer, Heinrich von Brentano, Jakob Kaiser, Erich Ollenhauer, Paul Löbe, Enst Reuter, Theodor Heuss, Thomas Dehler und Hermann Höpker-Aschoff.
    In der großen freiheitlichen Tradition unseres Volkes wurzelt auch die Bewegung, die am 17. Juni 1953 im anderen Teil Deutschlands aufbrach.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit Spruchbändern demonstrierten Zehntausende von Deutschen an jenem Tag für Einheit, Recht und Freiheit. Sie sangen das Deutschlandlied, und einige hundert von ihnen gingen in den Tod.
    Warum sage ich das alles?

    (Konrad [SPD] : Ja, warum?)

    Weil ich meine, daß wir auf diese große freiheitliche Überlieferung in unserer Geschichte stolz sein können, und weil ich meine, daß uns dieses freiheitliche Gedankengut verpflichtet, nämlich dazu verpflichtet, die Sache der Freiheit nach innen und nach außen zu verteidigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich wende mich dabei besonders an diejenigen verehrten Kollegen in unserem Hause, die das Wort „frei" auf ihre Fahnen geschrieben haben, an die Kollegen der Freien Demokratischen Partei.

    (Konrad [SPD] : Aha, jetzt kommt also die Nutzanwendung!)

    Ich bin sicher, daß Sie sich dieser freiheitlichen Tradition verpflichtet fühlen. Aber sehen Sie denn nicht, daß die Volkserhebung in der DDR am 17. Juni 1953 Ausdruck dieser freiheitlichen Kraft in der deutschen Geschichte war? Wie ist es dann möglich, daß Sie die Erinnerung an diesen Tag zurückdrängen wollen, daß Sie ihm den Charakter eines gesetzlichen Feiertages nehmen wollen und daß Sie davon außer ein paar wehmütigen Erinnerungen so wenig wie möglich mehr sprechen wollen? Können wir uns nicht wenigstens in diesem Punkte zu einer gemeinsamen Auffassung zusammenfinden?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie nehmen für sich in Anspruch, die einzige liberale Partei in der Bundesrepublik Deutschland zu sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ganz ungebunden!)

    Herr Kollege Genscher hat gesagt: „Es gibt keine liberalen Konservativen." Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier muß wohl einiges zurückgerückt werden.

    (Heiterkeit Konrad [SPD] : Zurechtgerückt!)

    Zurechtgerückt werden! Wenn ein Land wie das unsere eine freiheitliche Verfassungsordnung hat, dann ist derjenige, der für die Freiheit eintritt, zugleich konservativ und liberal.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Er ist konservativ, insofern er die bestehende staatliche Wertordnung als die unerläßliche Voraussetzung für die Möglichkeit des Menschen zur Selbstentfaltung zu bewahren sucht, und er ist liberal, weil er eben für eine freiheitliche Ordnung eintritt.
    Aber, wer den Feinden der Freiheit die Chance einräumt, ihre Machtpositionen systematisch zu verstärken, der ist nicht liberal.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei einem Studentenstreik in Marburg riefen kürzlich kommunistische Studenten den Professoren zu: „Ihr reaktionären Schweine, ihr seid die ersten, die nach Sibirien kommen."

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, in dieser Situation muß der Liberale auf die Seite der Professoren treten und nicht auf die der Studenten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie aber, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der FDP haben noch bis vor vier Wochen mit aller Energie gegen die Einführung eines Ordnungsrechts an den deutschen Universitäten gekämpft, das eben diese Zustände verhindern soll.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Und schließlich — das ist das Dritte, was ich Ihnen sagen möchte —: Durch Ihr Bündnis mit der SPD, das Sie nun für weitere vier Jahre erneuern wollen, beteiligen Sie sich indirekt an der Ausbreitung sozialistischer, antiliberaler Bestrebungen in unserem Lande.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Konrad [SPD] : Jetzt kommt die letzte Warnung!)

    In Niedersachsen entrüsten Sie sich über die vier Abgeordneten, die nicht, wie vorgesehen, für den SPD-Kandidaten gestimmt haben. Herr Kollege Mischnick meint, die vier hätten entweder aus Uneinsichtigkeit oder bösem Willen gehandelt. Aber sind Ihnen denn, meine verehrten Kollegen, die Gründe für die Einführung geheimer Abstimmungen in das deutsche Parlamentsrecht nicht mehr gegenwärtig? Erkennen Sie nicht in dem Institut der geheimen Abstimmungen

    (Zurufe von der FDP)

    einen der Grundpfeiler unserer liberalen Ordnung?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine verehrten Damen und Herren von der FDP, glauben Sie wirklich, durch das Bündnis mit der von Herrn von Oertzen geführten SPD in Niedersachsen der Sache des Liberalismus zu dienen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Erinnern Sie sich noch der Zeiten, als Herr von Oertzen für das imperative Mandat eintrat, als er Ernest Mandel zum Professor in Oldenburg machen wollte, denselben Ernest Mandel, gegen den Ihr jetziger Parteivorsitzender kurz zuvor ein Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland erlassen hatte, weil Mandel die gewaltsame Einführung des



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Sozialismus und Kommunismus befürwortete? Haben Sie nicht gelesen, daß Bundesminister Egon Franke vor einiger Zeit gesagt hat, die Ansichten mancher SPD-Leute in Niedersachsen kämen dem sehr nahe, was in der DDR ist.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Aber nein, Sie klammern sich an die SPD, als wäre sie Ihr besseres Ich.

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie wollen mit dem neugewählten Ministerpräsidenten nicht einmal ein Gespräch ohne Hinzuziehung der SPD führen.

    (Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Sie beklagen sich darüber, wenn man Sie dann als eine „Blockpartei" bezeichnet.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber es handelt sich keineswegs nur um Niedersachsen, meine verehrten Herren. Sie sagen, Sie seien offen nach beiden Seiten — ich glaube, Herr Kollege Genscher sagt das immer —, aber in Hessen und Berlin klammern Sie sich ebenfalls an die SPD und werden dadurch mitverantwortlich für die absolut freiheitswidrigen Zustände an einigen Universitäten in Hessen und in Berlin.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    „Eine angstfreie Diskussion sei fast unmöglich" : Mit dieser Begründung hat gerade Frau Professor Pross die Universität Gießen verlassen. Im Lande Hessen aber regieren Sie, meine verehrten Damen und Herren von der FDP, zusammen mit der SPD. In Nordrhein-Westfalen stehen Sie fest an der Seite der SPD, und nach Ihren Erklärungen gilt dies ebenso in Bonn für weitere vier Jahre.

    (Bravo! bei der SPD)

    Wo bleibt da Ihre Offenheit nach beiden Seiten?! In Schleswig-Holstein wären Sie, wenn Sie die Mehrheit bekommen hätten, mit der am weitesten links stehenden SPD im ganzen Bundesgebiet eine Koalition eingegangen: mit Herrn Steffen, Herrn Matthiesen und Herrn Jansen.

    (Wohlrabe [CDU/CSU]: Und Gansel!)

    In Baden-Württemberg unternehmen Sie den gleichen Versuch. An der Saar verhindern Sie eine Regierungsbildung, weil Sie sich nicht von der SPD trennen wollen.
    Aber — so sagen Sie — in Rheinland-Pfalz wären wir ja bereit gewesen,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    eine Koalition mit der CDU zu bilden. Wenn man jedoch die Modalitäten Ihres Angebots etwas genauer untersucht, dann wird deutlich, warum Sie es machten. Sie stellten die Bedingung, daß die CDU die absolute Mehrheit verlieren müsse. Doch Sie wußten, wie jeder andere dies wußte, daß diese
    Bedingung nach menschlichem Ermessen nicht eintreten würde.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : So wahrhaftig sind die!)

    Ihr Angebot war das, was man im kaufmännischen Verkehr ein Scheinangebot nennt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie waren davon überzeugt, daß die Bedingungen,
    die Sie selbst gestellt hatten, nicht eintreten würden.
    Die Bindung der FDP an die SPD, meine Damen und Herren, in allen nur denkbaren Lagen ist auch ein Tatbestand, der die Lage der Nation zu Beginn des Jahres 1976 kennzeichnet. Deswegen bin ich so ausführlich darauf eingegangen.
    Meine verehrten Damen und Herren, das deutsche Volk wünscht den Frieden. Niemals in seiner Geschichte hat es die Bewahrung des Friedens stärker gewünscht als jetzt. Haßtiraden finden bei uns kein Echo,

    (Konrad [SPD]: Auch nicht Ihre!)

    auch nicht die Haßtiraden, die von den Herrschenden im anderen Teil Deutschlands zu uns herüberdringen. Das deutsche Volk will in Frieden, aber es will auch in Freiheit leben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es will in freier Selbstbestimmung über seine staatliche Zugehörigkeit innerhalb der fortbestehenden einen deutschen Nation entscheiden können. Und es will Freiheit und freie Entfaltungsmöglichkeit für jeden einzelnen Menschen, für jeden einzelnen Bürger.
    Mit dieser Idee der Freiheit verbindet sich auch heute, wie an den großen Wendepunkten unserer nationalen Geschichte — ich habe das vorhin darzulegen versucht —, die Idee des Rechts und der Gerechtigkeit. Die überwiegende, die überwältigende Mehrheit unseres Volkes tritt für rechtsstaatliche Grundsätze und für die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit ein. Diese Grundlagen unserer nationalen Existenz lebendig zu erhalten, sie weiterzuentwikkeln, sie gegen alle Angriffe von innen und außen zu schützen, das ist die Aufgabe, die den Regierenden, dem Parlament, den Parteien und allen, die Verantwortung tragen, auferlegt ist. Lassen Sie uns ihr gerecht werden.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion, der Herr Abgeordnete Wehner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Versuch einer Antwort des Oppositionsführers auf die Regierungserklärung unseres Bundeskanzlers zur Lage der Nation hat das Thema verfehlt.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei
    Deutschlands im Deutschen Bundestag dankt dem



    Wehner
    Bundeskanzler für seine Darlegung der tatsächlichen Lage der Nation.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies war ein Bericht über die Lage der Nation im Gesamtzusammenhang der Politik. Herrn Carstens Versuch, die Feststellungen des Bundeskanzlers in ein schiefes Licht zu bringen, war untauglich. Das zeigt seine mißglückte Improvisation in der Sache soziale Sicherheit. Alles andere war ja vorfabriziert. Ehrlich gestanden — Herr Carstens möge mir das entschuldigen —:
    Sie haben mir heute leid getan.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Berufung darauf, das Netz der sozialen Sicherheit sei durch die Union geschaffen worden: Herr Carstens, was soll denn das?

    (Dr. Jenninger CDU/CSU: Das stimmt auch!)

    — Herr Jenninger, auch Sie können doch die Regierungserklärung des Bundeskanzlers nachlesen, falls Sie sie nicht ganz mitbekommen haben. Sie werden dann sehen, daß dies wirklich umfassend dargestellt worden ist. Da stoßen Sie z. B. auf ein solches „Phänomen", hätte ich beinahe gesagt, wie den Lastenausgleich, den wir damals alle zusammen gemacht haben.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Sie haben ihn abgelehnt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Heute morgen haben Sie eines verstorbenen verdienten langjährigen Kollegen gedacht. Ich könnte
    Ihnen einige nennen, die noch nicht verstorben sind,

    (Zuruf des Abg. Dr. Jenninger [CDU/CSU])

    denen Sie, wenn sie dann gestorben sein werden, auch zugestehen werden, daß Sie sich verdient gemacht haben. Dann werden Sie feststellen, worin die Positionen der Sozialdemokraten beim Zustandebringen solcher notwendigerweise umstrittenen Stücke dessen, was man heute zusammenfassend das soziale Netz nennt, bestanden hat. Erfahrene Parlamentarier wissen ganz genau, daß da Opposition und jeweilige Regierungsseite, wenn sie ihre wechselseitigen Rollen richtig verstehen und auch aufnehmen, durchaus Verdienst an dem haben, was am Ende dabei herauskommt. Das ist eben das Manko an der jetzigen Opposition, daß sie sich dieser Möglichkeiten nicht zu bedienen versteht.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich hatte gesagt, Herr Carstens hat mir heute leid getan. Ich bitte ihn für diese Feststellung um Entschuldigung. Natürlich kann man heute das, was das Netz der sozialen Absicherung bedeutet, nicht mehr bestreiten. Es ist ja in einer Bewährungsprobe. Es lockt mich, z. B. einiges aus Debatten der vorigen Woche herauszugreifen, um das deutlich zu machen. Ich unterdrücke das aber. In einer Situation, in der sich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder ändern, sind Sie natürlich in einer schwierigen Lage. Nein, nein, dieses Netz ist nur aus dem erklärbar, was der Bundeskanzler auch im Rückblick auf das Ringen in der Bundesrepublik Deutschland um soziale Sicherung und Sicherheit dargestellt hat. Es ist gar nicht notwendig, daß Sie das als Ihr Patent ausgeben wollen oder müssen. Alle haben daran ihren Anteil, nur lassen wir der Regierung, die seit 1969 in einigen Folgen die Verantwortung für alles getragen hat, was dazugekommen ist, was zum Teil neu gemacht wurde, was zum Teil an unzulänglich Gewordenem ersetzt worden ist, lassen wir uns dieses von Ihnen nicht bestreiten.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Wir haben ja mitgewirkt!)

    Nein, nach diesem untauglichen Versuch, Herr Kollege, muß ich noch einmal betonen, daß wir besser als die anderen vergleichbaren Industrienationen mit den Problemen einer sich dramatisch verändernden Weltwirtschaft fertig werden, daß wir eine gleichgewichtige und gerechte Gesellschaft aufbauen, daß wir Freiheit und demokratische Teilhabe aller Bürger vermehren und endlich: daß wir zu einem Aktivposten der Friedenssicherung in Europa geworden sind. Diese Feststellungen sind richtig, treffen genau das, worum es geht. Und bitte, versuchen Sie, sich etwas Besseres einfallen zu lassen.
    Ich unterstreiche die Bedeutung dessen, was der Bundeskanzler hervorgehoben hat, als er sagte: Vieles an unserer gemeinsamen Aufbauleistung ist sicher beispielhaft, weil wir eine erfolgreiche Verständigungspolitik betreiben — die Sie gerade wieder dabei sind, herabsetzen zu wollen —, weil unser Land über eine außerordentlich hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, weil unser dicht geknüpftes Netz der sozialen Sicherheit zu einer einzigartigen sozialen Stabilität geführt hat, weil wir eine konsequente Politik stetiger Reformen betreiben, weil wir es mit innergeselischaftlicher Solidarität und realer Freiheit des einzelnen ernst meinen.
    Wir haben ja gesagt — der Bundeskanzler hat das
    in seiner Erklärung auch gesagt —: Wir gestehen ehrlich zu, daß manches noch nicht so ist, wie wir uns das vorstellen. Aber hier liegt dann der große Unterschied zwischen Ihnen und uns. Wir sagen es — und der Bundeskanzler hat es in seiner Regierungserklärung betont —: Der Ausbau des Sozialstaates bleibt unser Auftrag ebenso wie die Bewahrung der liberalen Bürgerrechte. Unsere Demokratie verträgt und braucht keine Gesinnungsschnüffelei, die doch nur zu Opportunismus führt. Der Sozialstaat und das, was dazu gesagt worden ist, gehören zusammen, passen bei uns in der Bundesrepublik Deutschland zusammen, auch in der Wechselwirkung der damit verbundenen Notwendigkeiten.
    Bei Ihnen aber dieses schlimme, bewußt herabsetzende Wort „Gratifikationen" für das, was soziale Sicherung ist. Das ist doch das Wort, das der große Vorsitzende der kleineren Unionsschwester, als er seinen 60. Geburtsmonat feiern ließ, in der Tageszeitung „Die Welt" hat niederschreiben lassen: „Gratifikationen".

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

    Und dann: „die Grenzen des Sozialstaates müssen
    enger gezogen werden". Das ist aber keine Speziali-



    Wehner
    tät des CSU-Vorsitzenden. Das habe ich auch schon
    von dem „Großen Klaren aus dem Norden" gehört,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    als er sogar dazu gesagt hat, bei uns bestehe vielerorts schon der Eindruck, „als würden die Fleißigen von den Faulen ausgebeutet". Wenn Sie wissen wollen, wo Sie das nachlesen können: Das ist von ihm selber gesagt und in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nach dem knappen Wahlerfolg geschrieben worden, den er im vorigen Frühjahr errungen hat. Also „die Fleißigen würden von den Faulen ausgebeutet".
    Nein, weil es bei uns so ist, daß wir in der Frage des Ausbaus des Sozialstaates und ebenso der Bewahrung der liberalen, freiheitlichen Bürgerrechte unseren Auftrag sehen, weil unsere Demokratie keine Gesinnungsschnüffelei, die doch nur zum Opportunismus führt, brauchen kann — man merkt jetzt bei einigen Auftritten, auch in Landtagswahlkämpfen, wie gefährlich diese Dinge werden —, hat es für uns auch eine andere Gewichtigkeit, wenn wir hören, wie in diesem Bericht zur Lage der Nation betont wird: „Es darf nicht dabei bleiben, daß Humanität nur auf Papier geschrieben wird", und wenn dann an die Adresse des anderen Teils Deutschlands und der Menschen, die im anderen Teil des getrennten Deutschland leben, gesagt wird: „Viele Menschen, jedenfalls die Deutschen in der DDR, setzen ihre Hoffnung auf die Verwirklichung dessen, was in der Schlußakte von Helsinki steht." Sie wollen,, daß die Menschenrechte und die Grundfreiheiten hergestellt und geachtet werden: Sie wollen, daß die Bundesregierung darin fortfährt, mit der DDR Vereinbarungen herbeizuführen, die zwar gewiß nichts von der Härte der ideologischen Gegensätze vermindern, die aber das Leben der Menschen im geteilten Deutschland erleichtern.
    Aber nun haben Sie, sehr verehrter Herr Oppositionsführer, hier eine Einlage zu geben versucht, als ob Entspannungspolitik eine Art Tribut an Kommunisten und an den Kommunismus sei oder als ob hier eine besondere Unzulänglichkeit im Umgang mit diesen nachweisbar sei. Aber wie man andernorts darüber denkt und auch spricht, erlaube ich mir unter Berufung auf einen sicher auch von Ihnen kaum direkt abzuwertenden Zeugen zu definieren. Der französische Staatspräsident Giscard
    d Estaing wurde vom „Figaro" in bezug auf Helsinki, die Entspannung und den Verkehr der Menschen und der Gedanken zwischen Ost und West gefragt, ob er wirklich an bedeutende Ergebnisse in dieser Richtung glaube. Er antworte darauf — ich beziehe mich da auf die amtliche Übersetzung
    aus dem Französischen—:
    Nein. Man muß schon offen sein, um das zu sagen. Die Einzelheiten dieser Situation müssen genau betrachtet werden. Es besteht ein sozialistisches System mit einer Gruppe von Ländern, die zu ihm in Osteuropa gehören. Man muß in dieser Hinsicht ehrlich sein. Der Zweck der Entspannung liegt nicht darin, zu versuchen, diese Systeme zu ändern. Ihr Zweck ist vielmehr, normale und friedliche Beziehungen mit
    ihnen zu ermöglichen. Es könnte uns zwar in den Sinn kommen, daß diese Systeme sich mit der Entspannung entwickeln könnten. Doch man darf nicht den Hintergedanken hegen, daß die Entspannung ein Instrument, ein strategisches Ziel ist, um Entwicklungen zu beschleunigen, welche die sozialistischen Länder nicht wünschen.
    Ebenso darf die Entspannung nicht bezwecken, ihnen zu ermöglichen, daß wir bei uns eine unerwünschte Entwicklung hinnehmen.
    Das sind also ziemlich klare Feststellungen über Entspannung, denen Sie schwerlich, verehrter Herr Vorredner, das anhängen können, was Sie uns hier anhängen möchten. Doch darauf komme ich noch einmal zurück.
    Derselbe französische Staatspräsident Giscard d'Estaing hat auf die Frage, wie denn die Kraftlinien der Politik von ihm gesehen würden, in der gleichen Zeitung gesagt:
    1. Das ist der Wille zur Unabhängigkeit unserer Außenpolitik,
    2. das ist der Wille zum Aufbau Europas,
    3. das ist unsere Entschlossenheit zu einer Politik der Entspannung — soweit sie natürlich auf beiden Seiten praktiziert wird — statt zur Konfrontation, und schließlich
    4. unser Wunsch, eine Politik der Zusammenarbeit mit den Staaten der Welt zu betreiben und besonders mit den Entwicklungsländern, d. h. der Wunsch nach einer gewissen, zu schaffenden und zu organisierenden Solidarität.
    Nun ist der französische Staatspräsident — Sie werden das zugeben — kein Sozialdemokrat, und schon gar kein deutscher Sozialdemokrat.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wir sind ja einverstanden mit ihm!)

    Sie sagen, Sie seien ja einverstanden mit ihm.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun gut, dann wäre ich froh, wenn er hier das Rederecht hätte. Aber das hat er natürlich nicht.
    Hier hat der Herr Carstens gesagt — und das war ja doch wohl ein ziemlich unbedachtes Wort, wenn es auch aus tiefem Grunde kam —, Helsinki sei kein Ruhmesblatt für den Westen. Ich habe eben einen der renommiertesten Staatsmänner des Westens zitiert, und die Gemeinschaft der Neun hat übrigens in einer Erklärung des Europäischen Rates über die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gesagt:
    Der Punkt 3: Die Verbesserung der Beziehungen zwischen den Staaten in Europa, die vor allem durch den Abschluß des Viermächteabkommens über Berlin und des Vertrags zwischen beiden deutschen Staaten gefördert worden ist, hat die Einberufung der Konferenz ermöglicht. Jedoch hat diese Verbesserung die Unterschiede in den Ideologien und den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systemen nicht ausgeräumt. Diese Unterschiede sind bei



    Wehner
    den Diskussionen auf der Konferenz zutage getreten. Sie waren auch der Grund dafür, daß es in einigen Fällen, insbesondere im Bereich der Freizügigkeit von Menschen, Ideen und Informationen, nicht möglich war, weiterzugehen. Es ist aber von großer Bedeutung, daß über zahlreiche Aspekte der Beziehungen zwischen den Teilnehmerstaaten eine eingehende Diskussion eingeleitet werden konnte und daß es möglich war, hinsichtlich aller dieser Aspekte gemeinsame Verhaltensgrundsätze aufzustellen, sowie die Absicht der Staaten, so konkret wie möglich zum Ausdruck zu bringen, überall in Europa, also auch in Berlin, die Entwicklung der Zusammenarbeit, des Austauschs und der Kontakte zu ermöglichen und zu fördern, wobei die Menschen eine wichtige Rolle spielen.
    Wie wollen Sie solche Vorsätze in den Wind schlagen oder damit abtun, daß das ganze Helsinki kein Ruhmesblatt für den Westen sei?! Bitte sehr, ich werde mich selbst an ein Blatt klammern, wenn damit etwas erreichbar ist, Sie überlegener Stratege!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dann nehme ich mir noch etwas vom Herrn Bundeskanzler, der gesagt hat, es handle sich um Verhaltensregeln, welche die Sicherheit vergrößern. Er hat dann in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß wir in Wien auch mit daran arbeiten, das, was es dort an militärischen Sicherheits-, Rüstungsbegrenzungs-, Truppenverminderungsbemühungen im Rahmen unserer Bündnisverpflichtungen gibt, mit zu bewirken.

    (Zuruf des Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU])

    Ja sicher! Da ertappen Sie mich doch nicht bei einem Lapsus, verehrter Herr Beckmesser. Nein, nein, wir sind eingebunden in unsere Bündnisverpflichtungen und wissen, daß wir ohne sie genauso-wenig wie ohne die Vorbehaltsrechte, unter denen die Bundesrepublik Deutschland steht, nicht die Ausmaße politischen Wirkens hätten entfalten können, die für ein Land, das getrennt und das weit entfernt davon ist, einen Friedensvertrag für Deutschland als Ganzes zu bekommen, notwendig sind.
    Aber noch ein Zeuge! Da ist Ende November letzten Jahres in Paris dieses europäische Symposium ehemaliger Kriegsteilnehmer über die Abrüstung gewesen. Da haben die Europäische Vereinigung der ehemaligen Kriegsteilnehmer, die Internationale Vereinigung der ehemaligen Kriegsgefangenen, der Internationale Verband der Widerstandskämpfer und der Weltfrontkämpferverband, die sagen, sie vertreten 30 Millionen ihrer Mitglieder, bei der Feststellung ihrer Prinzipien erklärt, daß sie mit Genugtuung feststellen, daß diese ihre Prinzipien — Frieden, Abrüstung usw. — einen ersten Niederschlag in der diplomatischen Praxis durch die Schlußakte der Konferenz von Helsinki über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gefunden haben. Sie erachten es als eine ihrer vordringlichen Aufgaben, dahin gehend zu wirken, daß alle Festlegungen von Helsinki von allen Signatarmächten voll beachtet
    werden. — Das ist doch die Sprache der Vernunft,
    das ist auch die Sprache der Gutwilligen. Aber Sie können sich doch nicht von allen, die Vernunft haben und gutwillig sind, distanzieren wollen, verehrte Damen und Herren von der Fraktion der CDU CSU.
    Das hat bei Ihnen einen ganz anderen Zweck, daß Sie so rangehen. Das gehört, Herr Professor Carstens, zu der Einpeitscherrolle, die Ihnen zugedacht ist. Das Drehbuch hat der Vorsitzende der CSU geschrieben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist alles.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Na bitte sehr! Sie kommen hierher und sagen, der Vorsitzende der SPD und der Bundeskanzler trieben ein Doppelspiel, und meinen, Sie hätten etwas besonders Schlimmes festgestellt. Sie reden von undurchsichtigen Annäherungen an kommunistische Parteien.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Ja, so ist es doch!)

    Das kann an Ihren Augen liegen. Ich bitte um Entschuldigung, gehen Sie mal zum Optiker.

    (Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

    Aber undurchsichtig ist nichts bei dem, was wir machen, nein!
    Und was ist mit dem Drehbuch? Es kommt Ihnen gar nicht darauf an, was Brandt oder Schmidt meinen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was Wehner tut!)

    - Oder auch Wehner, bitte schön, mit dem gehörigen Abstand; ich bin weder der Vorsitzende der SPD noch Bundeskanzler, jeder nach seinem Rang. Nein, nein, der große Vorsitzende der kleineren Unionsschwester hat doch gesagt und geschrieben und jetzt noch einmal bestätigt: „Da muß man die anderen immer identifizieren damit, daß sie den Sozialismus und die Unfreiheit repräsentieren, daß sie das Kollektiv und die Funktionärsherrschaft repräsentieren und daß ihre Politik auf die Hegemonie der Sowjetunion über Westeuropa hinaus läuft!"
    - Das ist das Drehbuch und nichts anderes. Danach
    bewegen Sie sich, verehrter Herr Kollege Carstens. Das ist zwar eine Ehrenrolle, die Ihnen hiermit zugedacht ist, weil der andere gerade eine Abmagerungskur macht und nicht selbst hier sprechen kann,

    (Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

    aber Sie sind hier nicht Autor, Sie sind nur Ausstaffierer, und das ist ja auch schon etwas.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

    Aber bitte, im Ernst: Das Schlimme an dieser Art von Strategie, wie man heute modisch sagt,

    (Zuruf des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU])

    ist die Semantik, dem anderen alles Schlimme anzuhängen, was es nur gibt, um ihn dann abräumen lassen zu können.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das sagen Sie!)




    Wehner
    Das ist alles, was hinter dieser angeblichen Strategie steckt. Was aber daran so verwerflich ist, meine Damen und Herren, und das werden auch Sie, was auch sonst noch passieren wird, eines Tages zu bereuen haben: Sie zerren jene ideologischen Gegensätze, die es in der Welt mit ihren Schwierigkeiten verhindern, daß man völlig eindeutig, wenn von Entspannung die Rede ist, und völlig eindeutig, wenn von solchen Punkten wie in Helsinki die Rede ist, sagen kann: da meinen alle dasselbe! —, Sie zerren diese Gegensätze hinein in unsere innerdeutsche, bundesrepublikanische politische Auseinandersetzung! Und es ist Ihr schweres Vergehen,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    daß es Ihnen nicht genügt, kalten Krieg zu machen, sondern daß Sie ihn auch noch nach hierhin transponieren. Das ist schlimm, und das werden auch Sie eines Tages als einen schweren Fehler derer, die Sie dazu verleitet haben und denen Sie gefolgt sind, weil Sie sich nicht in die Rolle einer konstruktiven Opposition haben bequemen wollen, ansehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind ein Super-Beckmesser!)

    Herr Carstens, Sie haben hier in einer Weise, die mich nicht mehr aufregt, weil das so zu Ihnen gehört,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    von „Verleumdung" gesprochen, daß ich es Ihnen einmal zurückgeben muß. Ich lese aus „Quick" vom 13. März 1975 folgendes wörtliche Zitat, von Franz Josef Strauß signiert — — merken Sie sich das Datum und lassen Sie sich das Zitat beschaffen —:
    In der SPD sympathisieren weite Teile mit den Thesen und Methoden der Anarchisten. Die Stunde der Abrechnung mit der Regierung ist jetzt da. Sie hat Angst, wegen des Falles Lorenz mit Baader-Meinhof in Zusammenhang gebracht zu werden. Dabei ist das Letztere für die Entführung von Lorenz ursächlich.

    (Pfui-Rufe bei der SPD und der FDP)

    Dies ist eine Ungeheuerlichkeit! Wenn Sie sich das vorlegen lassen und es einmal selbstkritisch durchlesen — ich verlange doch von Ihnen gar keine öffentlichen Sündenbekenntnisse —, dann werden Sie finden, dies war schlimm. Daß die SPD nicht aufgeheult hat, erklärt sich daraus, daß wir schon ganze Jahrzehnte lang, wenn es Ihnen gepaßt hat, von Ihnen und von denen, die es bei Ihnen gelernt haben, so gebraten und gebrüht worden sind, daß wir nicht mehr aufheulen. Diese vier Sätze aus „Quick" sind ungeheuerlich. Sie sind von Franz Josef Strauß, erschienen am 13. März 1975, signiert.

    (Zuruf von der SPD: Das ist „deutsche Freiheitstradition" !)

    Ich muß schon sagen, mir tut Jean Paul leid, denn er gehört zu den vielen meiner Lieblingsschriftsteller; Sie lesen ihn mir vor, und ich muß Ihnen dann so etwas aus der Wirklichkeit entgegenhalten, nämlich diese vier Sätze.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn es Ihnen darum geht, meine Damen und Herren: Die Entscheidung für den demokratischen Sozialismus ist für uns, für die Sozialdemokraten, die Entscheidung für Grundforderungen, die in einer menschenwürdigen Gesellschaft erfüllt sein müssen, und dazu gehören — und ich nenne sie —: Alle Völker müssen sich einer internationalen Rechtsordnung unterwerfen, die über eine ausreichende Exekutive verfügt. Der Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Alle Völker müssen die gleiche Chance haben, am Wohlstand der Welt teilzunehmen. Entwicklungsländer haben Anspruch auf die Solidarität der anderen Völker. Und: Wir streiten für die Demokratie; sie muß die allgemeine Staats- und Lebensordnung werden, weil sie allein Ausdruck der Achtung vor der Würde des Menschen und seiner Eigenverantwortung ist.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Dem stimmen wir zu!)

    — Sie stimmen dem doch nicht zu! Das ist ja unser Grundsatzprogramm. Dem können Sie ja nicht zustimmen; dann könnten Sie doch nicht in der Partei mit dem „C" sein. Aber bitte sehr, es ist jedem erlaubt, umzulernen, nur nicht nach rückwärts. Lesen Sie einmal nach; das alles finden Sie wörtlich in diesem Programm. Und nun passen Sie das einmal aneinander — zu dem Drehbuch, in dessen Sinne hier heute der Herr Professor Dr. Carstens hat auftreten müssen.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Ich sage hier — und ich berufe mich dabei auf des Bundeskanzlers Bericht zur Lage der Nation —, daß unsere eigene Politik gegenüber dem anderen deutschen Staat klar in vier Punkten besteht: Erstens. Unsere Politik beruht auch gegenüber der DDR auf den Normen und Wertvorstellungen des Grundgesetzes. Zweitens. Deshalb können und werden wir die bestehenden Gegensätze weder beschönigen noch verschleiern. Drittens. Wir werden uns, wo immer dies möglich ist oder wo immer wir es ermöglichen können, um Vereinbarungen bemühen, die den Menschen hüben und drüben helfen. Viertens. Wir tun dies in enger Abstimmung mit unseren Verbündeten und auf der Grundlage der geschlossenen Verträge.
    Hier ist die Rede gewesen von der Verletzung elementarer Menschenrechte. Der Bundeskanzler hat in seinem Bericht die Fälle der auf der anderen Seite angewendeten Verfahren in Verfügungen über Kinder, deren Eltern entweder in die Bundesrepublik Deutschland geflüchtet sind oder haben fliehen wollen, angeführt.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Zwangsadoption!)

    — Ja, in diesem Fall war das und ist das Zwangsadoption, wenn es Ihnen auf dieses Wort ankommt, Herr Vogel. Sie müssen doch nicht annehmen, daß ich mich um Worte streite. Worum ich gegebenenfalls auch mit ihnen streite, ist folgendes: daß es nicht die Lautstärke macht, in der man „Menschenrechtsverletzung" skandiert, sondern die Beharrlichkeit in den Bemühungen, solche, wenn schon nicht



    Wehner
    gleich zu verhindern, so wieder zu reparieren und sich dabei nicht abschrecken zu lassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Da wäre es besser, als unser gegenwärtiger Zustand ist und es auch zuläßt — bei diesem Ihrem Drehbuch ist das ja gar nicht drin; Sie können nicht, wir können nicht, sondern da ist dann das, was „Konfrontation" genannt wird —, über jede Sorge — das sage ich Ihnen — auch miteinander zu reden und nach Möglichkeiten der Lösung zu suchen.
    Ich habe z. B. Anfang dieser Woche — er kam am Dienstag an und war am ersten Werktag dieser Woche geschrieben worden — einen Brief bekommen:
    Sehr geehrter Herr Wehner!
    Mit der beigefügten Petition wende ich mich an Sie in der Sache von Herrn ...,
    — dann folgt der Name —einem ehemaligen Mitgefangenen in der DDR. Ihre zahlreichen Bemühungen um menschliche Erleichterungen in den innerdeutschen Beziehungen sind der Anlaß dafür, daß ich hoffe, in dieser Sache bei Ihnen Verständnis zu finden. Ich bitte Sie deshalb, wenn Sie diese Petition an die Bundesregierung weiterleiten, sich persönlich für das Anliegen dieser Solidaritätsaktion einzusetzen. Für Ihre bisherigen Schritte zur Freilassung politischer Häftlinge in der DDR — ich selbst
    — so schreibt er —
    verdanke diesen Bemühungen auch meine Freiheit — möchte ich Ihnen an dieser Stelle danken.
    Und dann kommt eine Petition, unterschrieben — die Unterschriften im Original — von einer ganzen Reihe der ehemaligen Mitgefangenen eines Gefangenen, dessen Namen ich hier nicht genannt habe und nenne, und dann von solchen, die nicht direkt seine Mitgefangenen, aber auch Gefangene waren. Und dann wird in dieser, wie sie es nennen, Petition an die Bundesregierung gesagt:
    Wir, die Unterzeichner dieser Petition, sind in der DDR zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Wir verdanken fast alle unsere Freiheit den besonderen Bemühungen der Bundesregierung für politische Häftlinge in der DDR. Wir sind uns daher der Problematik bewußt, die für die Bundesregierung darin besteht, einerseits staatspolitische Interessen und menschliche Erleichterungen, andererseits aber auch einzelne Menschenschicksale gegeneinander abzuwägen.
    In diesem Sinne möchten wir die Bundesregierung mit dieser Petition in ihrem Streben unterstützen, die Verhältnisse im geteilten Deutschland erträglicher zu machen. Wir wenden uns daher in der Angelegenheit eines Haftkameraden in der Strafvollzugsanstalt . . .
    — die wird dann genannt, der Name des Häftlings wird auch genannt —
    an die deutsche Bundesregierung.
    Dann kommen seine Daten, weshalb er sitzt, wie lange er schon sitzt, weswegen sie sich für ihn einsetzen, weswegen sie ihn auch menschlich schätzen gelernt haben. Da gibt es die unter Gefangenen typischen Merkmale: Der ist in dieser und auch in jener Beziehung, die in einer Gefangenschaft besonders schwierig ist, ein guter Mann oder ein guter Junge, wie immer man das will. Dieser Mann ist zu 13 Jahren verurteilt, er ist einer von diesen sogenannten Fluchthelfern.
    So gibt es Fälle noch und noch. Ich habe gesagt: Über jede Sache sollten wir miteinander reden können. Dies wird und ist zum Teil schon jetzt nicht mehr möglich, weil Sie aus jeder Sache eine Anklagesache gegen die machen, die solche Verträge mit einem solchen Staat geschlossen haben. Dabei sind Verträge überhaupt die Möglichkeit, mit den anderen über Dinge zu reden. Heute ist auch von Herrn Carstens gesagt worden, früher seien z. B. aus Polen soundso viele ohne Verträge gekommen. Ich bin schon darauf gefaßt, daß Sie sagen: Überhaupt alles, was man herausholen will, geht nur ohne Verträge. Da werden Sie bald noch weitere Purzelbäume schlagen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Über so etwas können Sie selbst doch nur lachen!)

    — Natürlich muß ich lachen über Ihre Clownhaftigkeit in einer todernsten Angelegenheit.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sie wissen doch, daß das Unsinn ist!)

    Dasselbe gilt für das Spiel um die Zahlen. Ich will Sie und die anderen nicht langweilen. Ich stütze mich, was die Deutschen betrifft, die aus Polen umsiedeln wollen, auf die konkreten Aussagen des gegenwärtigen stellvertretenden Generalsekretärs des Deutschen Roten Kreuzes, die ich bei mir auf dem Tisch habe. Da können Sie doch nicht mit solchen Sachen kommen, die Sie unseren Kollegen anhängen, wo Sie sagen: Zahlen werden gefälscht. Das ist ein ganz klarer Fall, der hier vorliegt. Man kann nicht über 280 000 wie ein Dogma streiten, während in Wirklichkeit in dieser Beziehung noch vieles zu untersuchen ist und das Deutsche Rote Kreuz mit gutem Grund sagt, es läßt sich nicht länger und immer und immer wieder auf bestimmte Zahlen festlegen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Der Außenminister hat gesagt: Möglicherweise sind es mehr!)

    Das wollte ich hier nur gesagt haben.
    Meine Damen und Herren, es ließe sich über vieles reden. Ich komme noch einmal auf den Bericht zurück, den der Bundeskanzler zur Lage der Nation gegeben hat. Gerade dieser Bericht hat so viele Punkte, auch einladende Punkte zum MiteinanderReden, zum Diskutieren, zum Den-Dingen-auf-denGrund-Gehen, zum Hart-miteinander-Ringen in bestimmten Sachen, daß es betrüblich ist, daß er eine so schwache Erwiderung von dem Führer der Opposition erfahren hat. Aber das werden die anderen nachholen; es soll ja lange diskutiert werden, und alle werden heute ihr Bestes tun.



    Wehner
    Ich wollte am Schluß meiner eigenen Ausführungen nur noch besonders danken für die klare Feststellung, die auch aus dem Munde des Bundeskanzlers Berlin betreffend getroffen worden ist: Den Status und die Sicherheit dieser Stadt verbürgen unsere Verbündeten, die USA, Großbritannien und Frankreich; für die Aufrechterhaltung und Kräftigung der Bindungen zu uns zu sorgen ist unsere eigene Sache. Das ist ein Gelöbnis, das ist zugleich eine Verpflichtung, auch hei allem, was es dabei an Ärgerlichem gibt, auch mit dem anderen Staat im getrennten Deutschland an Ärgerlichem gibt in bezug auf jene Abkommen und Verabredungen, die heute hier in ihrer Bedeutung, in ihrer Essenz in einer schönen und überzeugenden Art und Weise noch einmal dargelegt worden sind. Es ist für uns ein Auftrag, immer daran zu denken: Für den Status und die Sicherheit der Stadt bürgen unsere Verbündeten, aber für die Aufrechterhaltung und Kräftigung der Bindungen zu uns zu sorgen, das ist und bleibt unsere eigene Sache. Wir sollten uns von niemandem rügen und auch von keinem übertreffen lassen.
    Ich danke Ihnen für diese Geduld.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)