Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Lepsius meinte, in unserem Antrag werde die Tatsache, daß eine Frau Kinder hat, zum Tauschobjekt gegen den Versorgungsausgleich. Warum eigentlich der Versorgungsausgleich, den man in 20 Jahren erreichen wird, mit einem relativ kleinen, mittleren oder wie auch immer gearteten Betrag als Zuschlag zur sonst vorhandenen Rente wichtiger sein sollte als das, was die Frau nach der Scheidung zunächst braucht, nämlich den Unterhalt, das werden Sie uns erst noch klarzumachen haben.
Und aus welchem Grunde denn nun der Vermögensausgleich aus der Zugewinngemeinschaft, bei dem es sehr schnell um sechsstellige Zahlen geht, weniger wichtig sein soll als das kleine Stück im Versorgungsausgleich im Hinblick auf ein Tauschobjekt Kind, das versteht niemand. Vor allen Dingen kann das niemand verstehen, der sich schon häufig mit Ehescheidungen zu beschäftigen gehabt hat.
Nein, hier wird ein kollektives Prinzip obenan-gestellt: Zwangsrecht! Nur öffentliches Recht! Alles unter die große Käseglocke, als wären alle Menschen gleich! Das wird so durchgezogen, egal, was los ist. Ich sage Ihnen eines: Dieses Zwangsrecht wird im Verfahren über die Ehescheidung zu mehr Streit, zu mehr Unbilligkeit, zu mehr Mißhelligkeiten und Giftigkeiten führen als das, was wir bisher in den Ehescheidungsvergleichen relativ gut haben lösen können.
Wir haben außerdem in unserem Antrag, Frau Kollegin Dr. Lepsius, deutlich den Versuch unternommen, die Möglichkeiten, zu Lasten der Versicherungsträger solche Absprachen zu treffen, abzuschneiden. Das ist als unzulässig festgestellt. Damit das aber auch festgestellt werden kann, muß das dem Richter vorgelegt und von ihm genehmigt werden; andernfalls muß er die Genehmigung ver-
sagen. Das ist die eine Seite.
Der zweite Teil: Die Vereinbarung zu Lasten der Frau oder ihrer Sicherung ist ausgeschlossen, denn wir haben in Absatz 3 ausdrücklich stehen, daß der Richter die Vereinbarung nur genehmigen darf, wenn damit ein billiger Ausgleich zwischen den Parteien erreicht wird und wenn nicht zu Lasten der Erwerbsunfähigkeit oder des Alters eine offensichtlich unbillige Lösung eintreten würde. Hier ist also eine Sicherheitsbremse durch das Gericht vorgesehen; die Genehmigung muß vorhanden sein.
Da gibt es aber etwas ganz anderes. Sie lassen durch Herrn Wehner, durch den Bundesjustizminister verkünden, daß Sie für die Eheleute die Gestaltungsfreiheit haben wollen. Die Gestaltungsfreiheit der Eheleute in der Ehe: ja; die Gestaltungsfreiheit bei der Scheidung bei fünf von sechs Gebieten: ja, bei einem Gebiet: nein. Hier wird alles zugezurrt, der Versorgungsausgleich wird zum Zwangsrecht gemacht. Die Ehescheidung wird auch nicht mehr in einem Verbund durchgeführt, was Sie irrtümlich
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in Ihrem Heftchen geschrieben haben, sehr verehrter Herr Kollege Wehner, d. h., es hat Ihnen ein anderer aufgeschrieben.
— Dann will ich es erläutern. — Herr Kollege Wehner, diese These dieses Verbundes, dieses sogenannten Konkursverfahrens der Ehe ist in Wirklichkeit ein Scheinverfahren, denn wenn in der vereinbarten Scheidung mit dem Scheidungsantrag sämtliche Folgen mitgeregelt werden müssen — es müssen also die Vereinbarungen über alle Scheidungsfolgen dem Richter vorgelegt werden —, dann können die Parteien das auf der Grundlage dieses Gesetzes überhaupt nicht. Denn woher sollen die Parteien wissen, von welcher Höhe beim Versorgungsausgleich auszugehen ist? Sie haben nämlich kein Recht auf Auskunft gegenüber denjenigen, die es allein feststellen können: gegenüber den Rentenversicherungsträgern oder wer auch immer sonst da sein mag, Versicherungsanstalten, Versicherungsgesellschaften oder wie auch immer. Die Auskunftspflicht entsteht erst mit der Einreichung der Klage und ist nur dem Gericht gegenüber abzugeben. So ist das Verfahren geregelt.
Nun gibt es ein weiteres, was diesen Konkurs, was diese Auflösung der Gemeinschaft überhaupt dubios macht, wenn man nämlich die streitige Scheidung durchführt, sich also nicht einig ist. Genau da liegen die Probleme. Es soll sich doch keiner einbilden, wir könnten mit dem schönsten Recht die vereinbarte Scheidung irgendwie verändern. Die wird es genauso wie heute geben. Was ist denn bei der streitigen Scheidung, wo einer aus der Ehe heraus will, der andere nicht aus der Ehe heraus will? Da braucht kein Antrag auf Unterhaltszahlung gestellt zu werden, ja, da kann überhaupt nicht mit Aussicht auf Zuspruch durch das Gericht ein Antrag auf Unterhaltszahlung gestellt werden, wenn der Betreffende, der heraus will, den Unterhalt freiwillig zahlt. Wir haben hier nämlich ein Verfahren nach der Zivilprozeßordnung, wonach ein Richter nur tätig wird, wenn ihm ein entsprechender Antrag vorgelegt wird. Das ist bei dreien dieser Beziehungen möglich; das geht auch wegen der Kinder so. Dann wird man also künftig die bisher friedliche, die vereinbarte Scheidung, also die Scheidung, die bisher glattging, mit Rücksicht auf einige der Zwangselemente zur streitigen Scheidung umfunktionieren, weil man auf diese Weise Kosten spart, dem Gericht viele Regelungen nicht vorzulegen braucht und viel schneller zur Scheidung kommt. Das heißt, wir bekommen die Unehrlichkeit des Verfahrens von der anderen Seite her ganz massiv in die Gerichtssäle. Wer das nicht sehen will, sollte ruhig einmal ein paar Anwälte fragen, wie sie es künftig handhaben werden. Sie können es Ihnen sagen.
Ein Weiteres. Als der Bundestag in den Bereichen des Vermögenserwerbs während der Ehe mit gutem Grund die Zugewinngemeinschaft als den gesetzlichen Güterstand eingeführt hat, hat er ein Übergangsrecht geschaffen und in diesem Übergangsrecht jedem Ehegatten — unabhängig vom anderen — das Recht eingeräumt, die Zugewinngemeinschaft auszuschließen und Gütertrennung zu vereinbaren. Dies war in der Übergangszeit durch einseitige Erklärungen möglich. Hier haben wir es mit einer neuen Regelung zu tun, die auch Vermögenswerte umfaßt. Hier gibt es aber keine Übergangsregelung, sondern hier soll nach Ihren Vorstellungen die Käseglocke sozusagen wie ein Fallbeil am 1. Januar 1977 herabgelassen werden. Selbst in den Scheidungsverfahren, die schon anhängig sind, soll dann nach dem neuen Recht entschieden werden. Niemand soll hier ausweichen können.
Wir haben beantragt, daß es den Ehegatten zu Beginn oder während ihrer Ehe doch wenigstens möglich sein müßte, für sie durch einen Ehevertrag unter sich, der notariell abzuschließen und im Eherechtsregister einzutragen ist, die Zugewinngemeinschaft auszuschließen — das ist geltendes Recht — oder auch — allerdings nur ausdrücklich — auf einen Versorgungsausgleich zu verzichten. Sie sagen: Nein, das kann es nicht geben. Wenn es um Versorgungsrechte geht, wissen die Eheleute nicht, was ihr Recht ist. Dann kann niemand sagen: Für uns soll das nicht gelten. Dann werden die Eheleute entmündigt, egal, wie alt sie sind. —
Dann weiß das dieser Gesetzgeber sozialliberalen Namens, der in Wirklichkeit kollektive Vorstellungen hat, und er sagt.: Ihr dürft nichts dieser Art vereinbaren!
Meine Damen und Herren, wo leben wir denn?
Wie groß ist denn eigentlich Ihr Respekt, Ihre Achtung vor der Eigenverantwortung derer, die heiraten oder die verheiratet sind?
Für wieviel klüger halten Sie sich denn als die Leute, die sagen: Wir wollen in einem Ehevertrag die und die Regel für unsere Ehe festlegen? Nein, es soll nur eine Regelung getroffen werden, wer kocht und wer nicht kocht. Mir scheint, das ist weitgehend verkürzt.
Ich will Ihnen ein Beispiel für das sagen, was Sie verbieten wollen.
Eine Frau, Beamtin des höheren Dienstes und noch
nicht alt — sagen wir, sie sei Oberregierungsrätin
oder in einem vergleichbaren Dienst —, will heira-
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ten. Wir können uns sogar vorstellen, es wäre eine Bundesrichterin.
Sie hat großen Gefallen an einem Mann gefunden, der Registraturbeamter ist.
— Dagegen ist gar nichts einzuwenden, meine Damen und Herren. Aber diese Frau ist sich, weil sie hinreichend Lebenserfahrung hat, nicht sicher, ob ihr der geliebte Mann nach ein paar Jahren nicht doch davonläuft. Nach dem neuen Recht ist sie ja sowieso nicht mehr geschützt; er kann ja einfach gehen. Sie möchte ihn nur dann heiraten, wenn sie wenigstens ihre eigene Pension absichern kann.
Sie möchte also mit Ehevertrag festlegen: Für uns gibt es keinen Versorgungsausgleich. — Dann sagen Sie: Das kommt nicht in Frage. Du darfst zwar den Zugewinn, der gemeinsam erarbeitet wird, ausschließen, aber nicht den Anteil an der künftigen Versorgung. — Das ist ein frauenfeindliches Recht, denn es trifft gerade die etwas älteren und berufstätigen Frauen, wenn sie heiraten wollen.
Ein zweiter Komplex. Wenn man schon keine Vereinbarungen per Ehevertrag mehr zulassen will, müßte man, wie Frau Will-Feld hier überzeugend dargestellt hat, wenigstens im Fall der Scheidung von den Eheleuten unter Aufsicht des Gerichts gemeinsam getroffene Vereinbarungen zur Lösung der Probleme zulassen. Auch das wollen Sie nicht.
Ich will Ihnen ein Beispiel geben; mir kommt hier meine Erfahrung aus der eigenen Praxis aus den letzten Monaten zustatten. Da gibt es eine Frau, die 20 Jahre verheiratet ist; sie ist 42, er ist 52, sie haben drei Kinder. Sie hat — und das kann ihr ja niemand übelnehmen — nach 20jähriger Ehe einen anderen Mann kennengelernt, von dem sie nunmehr das Glück der Ehe erfährt, das sie vorher nicht so gehabt hat — so etwas gibt es —, und sie verläßt ihren Mann. Sie tut ihm nichts Böses; sie verläßt ihn.
Nun will sie geschieden werden. Das ist ein Fall, aus dem Leben gegriffen.
Nun geht es folgendermaßen weiter, und wir wollen einmal versuchen, uns ganz ernst damit zu beschäftigen. Diese Frau weiß, daß sie eigentlich ihren Mann nicht zu Recht verläßt.
Sie weiß, daß sie ihn mit den Kindern — die sind 17, 18 und 19 Jahre — eigentlich nicht zu Recht verläßt, sondern sitzenläßt.
— Nach dem neuen Recht gibt es doch gar keine
Schuld. Stellen Sie sich doch auf den Boden dieses
Rechts, dem Sie zustimmen wollen! — Die Frau sagt nun sich und ihrem Mann: Ich will nicht mehr zurück, ich will den anderen heiraten, und ich muß deshalb geschieden werden.
Ich will meine Aussteuer nicht haben, ich will die Kinder nicht haben, ich will keinen Zugewinn haben, ich will nur von dir frei werden. Und ich will dir, da du ja schon über 50 bist, natürlich nicht auch noch deine Pension aufspalten; ich möchte nur geschieden werden, und wir sollten, soweit das in der Situation geht, friedlich auseinandergehen, sollten fair auseinandergehen.
Dann sagen Sie: Das gibt es nicht! Du darfst auf den Zugewinn verzichten, du darfst auf den Unterhalt verzichten, du darfst auf die Wohnung verzichten, du darfst auf alles verzichten. Aber die Rente deines Mannes aus 20jähriger Ehe, die mußt du ihm abnehmen. Und dann sagen Sie, das sei Recht, und das erleichtere die Scheidung, und das sei mit weniger Bitterheit versehen? Der Herr Justizminister wird mir noch zu erklären haben, was wohl dieser Mann dann an Bitternis empfindet, wenn er die Hälfte der Kosten für die Scheidung aufbringen und die Hälfte seiner Rente an die Frau, die sie gar nicht haben will, abgeben muß.
Ich habe eben schon von der völligen Täuschung, von der Desinformation gesprochen, die Sie mit der Behauptung vornehmen, es würde künftig alles in einem Verbund gelöst werden. Das wird so nur bei der vereinbarten Scheidung, wenn man alles weiß, durchgeführt werden. Aber in den meisten Fällen wird man den Versorgungsausgleich nicht kennen; der wird abgetrennt und irgendwann später entschieden, und auf diese Weise ist der Verbund gerade aufgelöst. Bei der streitigen Scheidung ist überhaupt nichts mehr vom Verbund gewährleistet, und das ist ein sehr bedauerlicher Vorgang.
Ich hatte mir überlegt, ob man nicht den Richter binden könnte, daß er nicht entscheiden dürfte, wenn das alles nicht gleichzeitig vorgelegt sei. Das geht aber mit Rücksicht auf die Zivilprozeßordnung nicht, die man dann grundlegend und durchgängig ändern müßte, wozu wir uns in der Kürze der Zeit nicht in der Lage gesehen haben. Das ist der ganze Grund, warum das hier nicht vorliegt.
Sie sagen, mit diesem neuen Recht und diesem Versorgungsausgleich wird nicht mehr in den Verhältnissen der Eheleute herumgewühlt, wird keine schmutzige Wäsche mehr gewaschen usw. Sie haben, weil Sie selbst bemerkt haben, daß es Fälle gibt, in denen der Versorgungsausgleich kraß gegen die Gerechtigkeit verstoßen würde, Ausnahmen in der Form von negativen Billigkeitsregeln vorgesehen. Im Gesetzentwurf heißt es jetzt in § 1587 c — ich vereinfache —: Der Versorgungsausgleich findet nicht statt, wenn in der Ehe so viel Vermögen erworben wurde, daß es grob unbillig wäre, wenn er stattfände. Unser Vorschlag beruht auf der Überlegung, daß es doch nicht nur darauf ankommt, ob in der Ehe erworben wurde, sondern auch darauf, daß man z. B. in Zusammenhang mit der Scheidung einen ent-
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sprechenden Vermögensgewinn macht und dadurch auf den Versorgungsausgleich verzichten könnte. Das haben Sie abgelehnt, weil das möglicherweise wieder ein Tauschobjekt für den Versorgungsausgleich werden könnte. Sie starren auf den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich wie das Kaninchen auf die Schlange.
Zu billigem Recht, zu billigen Lösungen versperren Sie die Tür.
— Ich weiß, daß das keine einheitliche Meinung in der SPD-Fraktion ist. Diejenigen, die anderer Meinung sind, die mir hier praktisch zustimmen, müssen es sich halt anhören und müssen es auch ertragen. Sie müssen eben für die Mehrheit die Prügel mit einstecken, weil sie nicht bereit sind, dem Sachverstand zu folgen, sondern sich der Fraktionsdisziplin unterordnen.
Dann heißt es unter Nr. 2 — jetzt wird es im Hinblick auf das, was Sie hier immer wieder behaupten, interessant —:
soweit der Berechtigte in Erwartung der Scheidung oder nach der Scheidung durch Handeln oder Unterlassen bewirkt hat, daß ihm zustehende Anrechte oder Aussichten auf eine Versorgung, die nach § 1587 Abs. 1 auszugleichen wären, nicht entstanden oder entfallen sind;
Das heißt, wenn sich der Betreffende im Bereich des Versorgungswesens schlecht verhält, dann soll jedenfalls — und das passiert ja in der Ehe — sein mieses Verhalten im Bereich dessen, was man arbeiten, Versorgungsanwartschaften erwerben usw. nennt, geprüft werden. Sie können sich darauf verlassen: Hier ist das erste Einfallstor, um die unstreitige Scheidung zur erbittert streitigen Scheidung werden zu lassen.
Nr. 3 lautet:
soweit der Berechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat.
Was meinen Sie wohl, in wie vielen Fällen die Eheleute darüber streiten werden, ob der eine oder andere — das geschieht nicht nur bei der streitigen Scheidung — seine Verpflichtung, durch Arbeit, durch Zahlungen, durch was auch immer zum ehelichen Unterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat? Da geht es darum: was ist gröblich? Dann geht es darum: hat er überhaupt zum Unterhalt beigetragen? Schließlich geht es darum: war er gesund, war er krank? Dann sind wir mitten in der „schmutzigen Wäsche" der Ehe, und zwar vom Anfang bis zum Ende. Und dann sagen Sie: Die schmutzige Wäsche wird nicht mehr gewaschen. Nein, die schmutzige Wäsche wird nicht mehr im Bereich des Scheidungsrechts, aber im Scheidungsfolgenrecht gewaschen werden.
Nun will ich Sie auf eine der größten Täuschungen, die Sie hier vornehmen, hinweisen. Entweder täuschen Sie hier bewußt selbst, oder Sie werden von der Regierung getäuscht; das „auszuklamüsern" ist mir nicht möglich. Ich kann es Ihnen nur darstellen.
Wir haben stets und ständig gefragt: Wie ist es denn nun mit diesem Versorgungsausgleich, was kostet das, wie wirkt sich das aus usw.? Dann haben wir stereotyp sowohl im Arbeits- und Sozialausschuß als auch im Rechtsausschuß gehört: Das ist kostenneutral. Daraufhin kamen die Versicherungsträger und erklärten: Das kostet uns bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, bei den Landesversicherungsanstalten, bei der Knappschaft und der Seekasse etwa 1 000 Beamte zusätzlich; wir werden in den ersten anderthalb bis zwei Jahren überhaupt nicht damit zurechtkommen, bei Scheidungsanträgen rechtzeitig die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Das heißt, die Scheidungsverfahren werden sich sehr lange hinziehen.
Und siehe da, dann hat man uns Zahlen vorgelegt, was das ausmachen soll. Diese Zahlen — ich habe nur die von der Regierung; insoweit ist natürlich Vorsicht geboten — sind im Sinne dessen, was die Regierung will, nämlich der Kostenneutralität, erstellt. Sie zeigen, daß die Witwer, d. h. diejenigen, die später einmal als alt gewordene Menschen Renten empfangen — nicht von Beamten, nur von Rentnern ist die Rede —, ein erhebliches Mindereinkommen haben werden; sie werden also deutlich niedrigere Renten erhalten. Die Witwen der Männer, die einmal geschieden waren und wiedergeheiratet haben, die dann gestorben sind und ihre Witwen hinterlassen haben, erhalten ein erheblich geringeres Witwengeld. Aber der Betrag von 1 730 000 000 DM, um den sich die Renten für diese alten Leute im Jahr verringern sollen, ist fiktiv. Diese Zahl beruht auf der Vorstellung, daß all das, was abgesplittet worden ist, freiwillig mit 70 °/o wieder aufgestockt wird. Ich möchte gern wissen, in welcher Gesellschaft Sie leben. Wo gibt es denn die Menschen, die, nachdem sie geschieden wurden, hohe Kosten hatten, Unterhaltsverpflichtungen haben, nun ihre ohnehin hohen Beiträge zur Alterssicherung noch freiwillig aufstocken können, dazu noch um 70 %?
Wir haben mit Mühe die Zahlen — erst in den letzten Tagen sind sie uns zugegangen — auf Grund eines ausdrücklichen Beschlusses des federführenden Rechtsausschusses bekommen, in der vorsichtigsten Weise versteckt. Wir hatten darum gebeten — und dieser Antrag ist so angenommen worden —, die Zahlen zu bekommen, die sich auf der Grundlage dieses Gesetzes ohne zusätzliche Manipulationen aus der Phantasie ergeben. Splitting, Teilung, Rente: Was gibt das, auf ein Jahr projiziert, wenn das Gesetz in Kraft tritt? Diese Auskunft hat man uns nicht geliefert. Man hat genau gewußt, wie fürchterlich diese Zahlen sind und daß sie niemandem gefallen würden. Wir haben aber wenigstens einige Zahlen bekommen, aus denen sich die wichtigsten Daten errechnen lassen.
Wenn die geschiedenen Männer ihre abgesplitteten Pensionsanwartschaften nicht wieder aufstocken,
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werden ihre Witwen eine niedrigere Pension erhalten. Das macht eine Minderausgabe bei der Rentenversicherung von jährlich 920 Millionen DM und nicht nur von 760 Millionen DM aus. Demgemäß müssen ja wohl auch die Rentner, die nicht wieder aufgestockt haben, eine wesentlich niedrigere Rente erhalten, als sie hier zugrunde gelegt ist. Das läßt sich ganz leicht nachrechnen. Daraus ergibt sich, daß die Rentenversicherungen allein durch das Splitting eine um 2,15 Milliarden DM geringere Belastung im Jahr erreichen. Dem steht die Belastung bei denen, die etwas bekommen haben, mit 1,5 Milliarden DM gegenüber. Man erhält also ein Plus von 640 Millionen DM. Dieses Plus wird für die Erziehungsrente verwendet. Die Erziehungsrente macht aber höchstens 200 Millionen DM aus. Es bleibt dem erstaunten Betrachter nichts anderes übrig, als festzustellen, daß hier nicht eine Kostenneutralität erreicht, sondern ein Plus bei der Rentenversicherung von 240 Millionen DM im Jahr erzielt wird ausschließlich zu Lasten der alten Männer und Frauen.
Und das nennt diese Koalition dann soziales Recht! Diese 420 Millionen DM wachsen der öffentlichen Hand zu, damit sie tausend Beschäftigte mehr bezahlen kann. Das ist die nackte Wirklichkeit.
Meine Damen und Herren, hier wird der größte Schwindel mit der sogenannten Verbesserung der Ansprüche der Witwen und Geschiedenen getrieben.
Denn auch diese haben einen Verlust in Höhe erheblicher Millionenbeträge pro Jahr. Ich kann Ihnen nur sagen: So viel Desinformation wie in diesem Bereich kann man selten nachweisen. Wenn Sie es überall so treiben, kann es mich nicht wundern, wenn Ihnen niemand mehr glaubt.