Herr Kollege Dr. Arnold, ich räume Ihnen völlig ein, daß bei den Beratungen selbstverständlich niemand Änderungsanträge im Sinne des kanonischen Rechts vorgelegt hat; das ist völlig unbestritten. Sie wissen aber ebenso, was sich draußen in der Diskussion abspielt. Das wird man mit im Auge haben müssen.
Wir werden außerdem sehen müssen, daß diese Institutsgarantie unserer Verfassung natürlich zunächst einmal eine Einrichtung vorsieht für die Betroffenen, die sich dieses Instituts bedienen, und daß
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diese Einrichtung erst in zweiter Linie übergeordneten Interessen dient.
Wir haben uns bei der Diskussion mit einer zweiten Auffassung auseinanderzusetzen, die die Ehe zunächst einmal als Vertrag sieht. Für den, der das so sieht, ist die Welt immer in Ordnung, wenn er gesetzlich Rechte und Pflichten festschreiben kann, wenn sein am bürgerlichen Recht geschulter Verstand dann das Problem der Eheauflösung unter dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung bewältigt, und dort, wo unverschuldete Umstände zur Zerrüttung der Ehe geführt haben, zur Figur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage greift, um das Problem lösen zu können.
Ich glaube, daß so manches — nicht heute hier, aber in der allgemeinen politischen Diskussion — auch bei der Union noch im Raume steht und nicht ausgeräumt ist. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Union bei ihrem Weg zum Zerrüttungsprinzip — ich weiß nicht, vielleicht ist es sogar ein Gewaltmarsch — im Kreise geht und im Ansatz immer wieder zu ihren Ausgangspunkten zurückkehrt.
Unser Eheverständnis ist es jedenfalls, daß im Vordergrund die Ehe als eine personale Lebensgemeinschaft steht. Das ist eine Einrichtung, die sich der rechtlichen Regelung nicht entzieht, die aber eines weiten Spielraums bedarf, der im einzelnen von den Ehegatten ausgefüllt werden muß. Ich erinnere mich, daß sich einiger Protest bei der ersten Lesung dieses Entwurfs erhoben hat, als ich sagte: In Wahrheit gründet sich der Bestand der einzelnen Ehe doch nur auf den Willen der beiden Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft.
Ich weiß, daß mit dieser Aussage natürlich ein subjektives Element in unsere Ehen hineingetragen wird.
Aber es wird nicht hineingetragen, Herr Kollege Dr. Lenz, es ist vorhanden, denn Ehepaare heute verstehen sich weniger als Inhaber und Träger einer überkommenen und gesetzlich normierten und fixierten Rolle, sondern wir erleben nicht erst seit heute, seit zumindest 150 Jahren, daß immer stärker Neigung und Eros in die Auffassung von Ehe miteingebunden sind.
Dem personalen Ehebegriff entspricht beim Scheidungsrecht am besten das Zerrüttungsprinzip. Wo der Wille zur Ehe bei einem oder bei beiden Ehepartnern endgültig erloschen ist, da ist eine Ehe gescheitert und kann geschieden werden. Aber um Mißverständnisse zu vermeiden: das Zerrüttungsprinzip setzt ja nicht etwa den Bestand einer Ehe, weil es auf einer gewissen Willenstheorie gründet, der Willkür oder gar der Eingebung des Augenblicks aus. Es ist gerade umgekehrt, im Verschuldensrecht wird eine Momentaufnahme gemacht, und das genügt. Beim Zerrüttungsprinzip muß der Weg der Ehe bis zu jenem Punkt abgeschritten werden,
wo man von endgültiger Zerrüttung, vom Scheitern sprechen kann.
Bei der Anwendung des Zerrüttungsprinzips wird der Zustand einer Ehe also sorgfältiger erforscht. Wir müssen doch aus unserer täglichen Praxis heraus deutlich sehen, daß beim heutigen Verschuldensrecht die Erforschung von Verfehlungen völlig die Frage überlagert und nahezu zu verdecken sucht, ob eine Ehe zerrüttet ist. Es ist ja ganz interessant: Beim Scheidungsgrund des Ehebruchs, jenem absoluten Scheidungsgrund — vielleicht ein einmaliger Vorgang, eine einmalige Verfehlung —, interessiert der Zustand einer Ehe überhaupt nicht. Dann wird die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe ganz einfach unterstellt.
Ich glaube, daß dies doch jenen, die immer wieder — auf Umwegen zwar — zum Verschuldensprinzip zurückkehren wollen, etwas zu denken geben sollte. Um diese Fragen muß die Auseinandersetzung gehen.
Wenn Sie in Ihren Änderungsanträgen heute auch bei einverständlicher Scheidung nach einjähriger Trennung die Widerlegbarkeit der Vermutung wünschen, so möchte ich Sie einmal an die tägliche Praxis bei Konventionalscheidungen heute in diesem Lande erinnern. Es werden keine hohen Anforderungen mehr an Schimpfworte gestellt, die als schwere Eheverfehlungen dienen sollen. Beschimpfungen zwischen Eheleuten müssen längst nicht mehr von der Sprachgewalt jenes unaussprechlichen Wortes sein, mit dem in den „Buddenbrooks" der Münchener Privatier Aloys Permaneder seine Frau belegte, als diese nach heftigem Streit fluchtartig den Rückzug aus dem ehelichen Schlafzimmer antrat — eines, wie damals Toni Buddenbrook meinte, so unaussprechlichen Wortes, daß sie gelobte, es Zeit ihres Lebens nie über ihre Lippen zu bringen.
— Herr Kollege Dr. Lenz, heute reichen weit gedämpftere Töne aus, um die erwünschten Rechtsfolgen nach sich zu ziehen. Aber das Entscheidende scheint mir zu sein, daß dabei der Zustand der Ehe vom Gericht überhaupt nicht geprüft wird, daß die Ehe auf die bloße Erklärung des anderen Teils hin, daß er die eingeräumte Eheverfehlung des anderen nicht verziehen habe, als gescheitert angesehen wird. Das ist die Praxis in unserem Lande bei der Konventionalscheidung nach dem Verschuldensrecht: Das Unwesentliche, in der Ehe nahezu Beiläufige, das
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vielleicht Unschöne, aber nicht Entscheidende wird erforscht, während das Wesentliche, das Scheitern der Ehe als gegeben unterstellt wird. Trotz solcher Praxis unseres geltenden Rechts schlägt die Opposition in dieser Hinsicht einiges vor und sagt, Ehescheidungen würden zu leicht gemacht.
Gleichzeitig wird mit einer gewissen Verwunderung festgestellt, daß materiell eine Ehescheidung zu stark belastende Folgen nach sich ziehen könne.
Das Verhältnis von Eherecht, Scheidungsrecht und materiellen Scheidungsfolgen hat zu ganz merkwürdigen Mißverständnissen geführt. So hat etwa der Familienrechtler Professor Schwab vor der Katholischen Akademie Schwerte am 1. Februar 1975 — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus dem Sonderabdruck aus „Stimmen der Zeit", Heft 5, Mai 1975 — ausgeführt:
Insgesamt würde durch die Verwirklichung der Regierungsvorlage die Ehe als Gegenstand staatlichen Rechts an Deutlichkeit ihrer Sinnbestimmung und ihrer Strukturen verlieren.
Professor Schwab meint weiter, dann müsse ein Abbau der vermögensrechtlichen Auswirkungen der Ehe dem eigentlich entsprechen. Er begründet dies mit einer Parallele aus dem allgemeinen Gesellschaftsrecht. Und anschließend — hier darf ich wieder zitieren — stellt er, fast etwas überrascht, fest:
Eine Rückbildung der vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe ist nun aber keineswegs beabsichtigt. Man kann eher vom Gegenteil sprechen.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, hier liegt ein grundlegendes Mißverständnis des dreifachen Ziels des Regierungsentwurfs zugrunde. Ich will es einmal negativ ausdrücken: Wer in der Ehe die Partner nicht in bestimmte Rollenschemata pressen will, wer eine gescheiterte Ehe nicht mit gesetzlichen Zwangsmitteln aufrechterhalten will, braucht es noch lange nicht hinzunehmen, daß der geschiedene und wirtschaftlich schwächere Ehegatte in seiner gesamten Existenz gefährdet wird. Das ist es eben, daß Ehescheidung nach unserem Verständnis nicht ein Kampf um alles oder nichts, nicht ein Streit um Sein oder Nichtsein sein soll, sondern daß wir mit der Scheidung Konfliktlösungen im personalen Bereich ermöglichen wollen.
Und die materiellen Folgen? Diese Konsequenzen sind zu ziehen. Die Ehe ist auch wirtschaftliche Lebensgemeinschaft, und die wirtschaftlichen Folgen müssen desto sorgfältiger geregelt sein, je eher man dem einzelnen Ehegatten gestattet, seine persönliche Konfliktsituation mit den Mitteln des Scheidungsrechts zu lösen.
Wir versuchen dies mit einem neuen Unterhaltsrecht und mit dem neuen Institut des Versorgungsausgleichs, das insbesondere der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau dienen soll. Darüber wird später noch einiges zu sagen sein. Ich will hier nur betonen, daß wir mit dem vorgelegten Konzept zum Unterhaltsrecht und zum Versorgungsrecht wohl
eine gute Grundlage für die Regelung der materiellen Scheidungsfolgen geschaffen haben.
Bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs am 8. Juni 1973 hatte ich dargelegt, wie ein Scheidungsrecht, das die Zustimmung und Billigung der Fraktion der Freien Demokraten in diesem Hause finden soll, aussehen müsse. Dazu waren dann ja auch einige Korrekturen am ursprünglichen Regierungsentwurf notwendig. Ich kann heute — auch für meine politischen Freunde — mit Befriedigung feststellen, daß unsere Erwartungen bei den Beratungen im Unterausschuß und im Rechtsausschuß in dieser Hinsicht voll erfüllt wurden.
Ich hatte damals gefordert, daß die Trennungsfristen von einem bzw. von drei Jahren Maximalfristen sein müßten. Ich hatte weiter verlangt, daß die Vermutung für das Scheitern der Ehe nach dreijähriger Trennung unwiderlegbar sein müsse, und ich hatte weiter gefordert, daß auch die vorgesehene immaterielle Härteklausel nur hinnehmbar sei, wenn sie zeitlich eng beschränkt werde.
Nun sehen wir gar keinen Grund, etwa bei nicht einverständlicher Scheidung fünf Jahre zuzuwarten, bis eine Scheidung erfolgen kann. Der Respekt vor den Ausführungen von Herrn Professor Mikat und mein Interesse an ihnen hat mir noch nicht die Möglichkeit gegeben, die uns heute auf den Tisch gelegten Änderungsanträge Ihrer Fraktion bereits gewissenhaft zu studieren. Aber soweit ich gesehen habe, verlangen Sie jetzt auch nicht mehr, daß hier eine fünfjährige Trennungsfrist eintritt; ich muß mich mit dieser Frage also nicht mehr sehr breit auseinandersetzen.
Nur eines sei Ihnen gesagt: daß etwa Praktiker der Eheberatung bis weit in den kirchlichen Bereich hinein doch der Auffassung sind, daß auch bei nicht einverständlicher Scheidung eine Trennungsfrist von zwei Jahren ausreicht, daß dann also im Regelfall das endgültige Scheitern der Ehe festgestellt werden kann, und wir nur in dem Bestreben, hier nun wirklich auch letzte Auffangmöglichkeiten zu schaffen, bereit waren, von vornherein eine Dreijahresfrist vorzusehen.
Wir würden es jedenfalls nicht einsehen — um dies der Vollständigkeit halber mit allem Nachdruck hier zu sagen —, wenn eine Zermürbungstrennung— so muß man es nennen — von fast einem halben Jahrzehnt im Gesetz vorgesehen würde. Eine so lange Trennung dient ja auch in Wahrheit nicht den Interessen des Widersprechenden. In ihm werden nur falsche Hoffnungen erweckt. Er ist, von der ehelichen Lebensgemeinschaft her gesehen, nicht mehr verheiratet. Von Gesetzes wegen ist er es; er befindet sich in einem Zwischenzustand, in einem Wartezustand. Mit einer solchen Regelung wird den Interessen des Widersprechenden nicht gedient. Außerdem muß immer gesehen werden, daß natürlich die Trennung eines Ehepaares, jedenfalls die Trennung auf eine ge-
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wisse Dauer, nicht den Beginn, sondern einen gewissen Schlußpunkt einer schweren Ehekrise markiert. All dem gehen ja Überlegungen voraus. Ich bin damals bei der ersten Lesung gerade auf diese Frage eingegangen, wo uns allerdings statistisches Material, soweit man derartiges überhaupt erheben kann, aus unserem Lande weitgehend fehlt.
Die Widerlegbarkeit der Vermutung nach dreijähriger Trennungszeit würde bedeuten, daß sie praktisch nie zur Anwendung kommen würde, es sei denn, man würde die Rückkehr zum Verschuldensprinzip unseres geltenden Scheidungsrechts finden, was wir wohl alle in diesem Umfang nicht wünschen. Aber eines steht fest: die Widerlegbarkeit hätte schädliche Auswirkungen auf die Haltung nahezu aller Ehepaare, die sich in einer derartigen Scheidungssituation befinden. Wiederum würden beim widersprechenden Teil falsche Erwartungen geweckt. Wie nach dem bisherigen Recht müßten die Parteien wie Hund und Katze auseinandergehalten werden. Versöhnungsversuche, die wir ausdrücklich im neuen Recht als ein Angebot des Gesetzgebers vorsehen, Möglichkeiten zu finden, auch eine Ehe wieder zu kitten, Möglichkeiten zu finden, überhaupt miteinander zu sprechen, ohne von vornherein eine Fristunterbrechung herbeizuführen, würden von Gesetzes wegen zunichte gemacht.
Nun haben wir in § 614 ZPO weite Möglichkeiten für den Richter geschaffen, ein Scheidungsverfahren auf Zeit auszusetzen. Wir begrüßen das; denn aus dem jeweiligen Stadium eines bestimmten Verfahrens heraus wird nur der Familienrichter beurteilen können, was jetzt notwendig und was zu tun ist. Es ist nach unserem letzten Beschluß auch möglich, über die dreijährige Trennungszeit hinaus noch sechs Monate ein Verfahren auszusetzen. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir sehen in dieser Vorschrift nicht so sehr eine große materiell-rechtliche Regelung. Wir sehen vielmehr Möglichkeiten für das Prozeßrecht, für den Ablauf eines Verfahrens, wo hier dem Richter ein Mittel in die Hand gegeben wird, was ihm beim Abwickeln eines bestimmten Verfahrens ganz sicherlich sehr dienlich sein wird.
Mit dem Thema „Härteklausel zur Begrenzung des objektiven Zerrüttungsprinzips" beschäftigt sich die Freiburger Dissertation von Helmuth Peuckmann aus diesem Jahr. Der Verfasser kommt in dieser Doktorarbeit zu dem Ergebnis, daß sowohl die materielle wie auch eine immaterielle Härteklausel abzulehnen seien.
Wir haben bei den Beratungen im Rechtsausschuß in einem begrenzten Umfang die im Regierungsentwurf vorgesehene immaterielle Härteklausel belassen, aber wir haben sie zeitlich stark eingeschränkt und in ihrer Anwendung begrenzt auf Scheidungen nach dem Grundtatbestand, also nicht mehr über den dreijährigen Ablauf der Trennungsfrist hinaus. Wir haben das getan, weil wir nach den sehr ausführlichen und gewissenhaften Beratungen nicht ausschließen wollten, daß in ganz verschwindend wenigen Fällen in der Scheidung nach
dem Grundtatbestand für den widersprechenden Teil etwas Überfallartiges liegen mag
und er mit diesem Überfall konfrontiert wird in einer persönlichen Situation, in der er dies seelisch nicht hinnehmen kann, in der er damit nicht fertig werden kann, weil er sich zu diesem Zeitpunkt in einer Ausnahmesituation befindet. Deswegen haben wir in diesem begrenzten Umfang die immaterielle Härteklausel belassen.
Wir müssen uns aber, wenn wir die Diskussion verfolgen, immer bewußt sein, daß — und darauf zielt die CDU/CSU mit ihren Änderungsanträgen — eine unbefristete Härteklausel einen neuen Einstieg in das Verschuldensprinzip bringen könnte.
— Herr Kollege Vogel, ob das dummes Zeug ist, möge die gesamte Öffentlichkeit beurteilen. Ich werde Ihnen zunächst einmal eines sagen: Es ist sehr interessant, daß in der zitierten Dissertation Peuckmann auf das Problem hinweist, daß sich stets bei der Interpretation neuer Rechtssätze durch eine alte Juristengeneration das soziologische Problem stelle, daß die Auslegung mit einem am alten Recht orientierten Vorverständnis erfolge. Das ist ja auch der Grund — Herr Professor Mikat hat das angesprochen, und Sie haben entsprechende Änderungsanträge gestellt: nicht Scheitern, sondern unheilbare Zerrüttung verlangen Sie —, warum wir nicht darauf eingehen. Das wird Ihnen jeder Anwalt sagen, der in seinem Büro fortlaufend Scheidungsklagen zu diktieren hat und dem der berühmte Satz in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß der Beklagte durch diese oder jene vorher angeführte Verfehlung die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet habe, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden könne. Es folgt dann die Bitte um Erlaß des Sühneversuchs und die Unterschrift. Wer dies viele hundertmal getan hat, der wird die unheilbare Zerrüttung immer vor jenem Hintergrund sehen, von dem Peuckmann spricht, vor dem Hintergrund des Vorverständnisses, in dem er erzogen ist, in dem er aufgewachsen ist. Deswegen wird es an einigen Stellen notwendig sein, auch zu einem anderen Sprachgebrauch in unserem neuen Recht zu kommen.
Wir sollten auch nicht unbeachtet lassen, was von Befürwortern einer Verschuldensprüfung im Rahmen einer unbefristeten Härteklausel zur Stützung ihrer Auffassung angeführt wird. Da ist die Rede davon, daß es gelte — ich darf zitieren —, den Triumph der Niedertracht, die legale Verstoßung, den Sieg des reinen Individualismus in der Form des härtesten Egoismus zu verhindern.
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Nur damit wir uns hier nicht so im Stande der Unschuld gegenseitig konfrontieren, will ich darauf hinweisen: Dies alles sind Zitate aus der juristischen Literatur der allerletzten Jahre, die uns in diesem Punkt zur Vorsicht mahnen sollten.
Aber damit kein Mißverständnis entsteht: Wir gehen an diese Dinge nicht etwa mit der Auffassung heran, daß der Mensch gut sei oder daß er zumindest doch immer das Rechte wolle und sich deswegen für uns die Frage im praktischen Recht gar nicht stelle. Das ist nicht der Unterschied in unseren Auffassungen. Wir sind nur der Meinung — deswegen sind wir für eine sehr restriktiv gefaßte Härteklausel —, daß die Verweigerung der Scheidung keine Lösung bringt, auch nicht für den, der zunächst an der Ehe festhalten will. Dort, wo es sich um besonders krasse Fälle handelt, etwa bei Mißhandlungen und ähnlichem, hat man ja geradezu die Verantwortung, den Beteiligten nahezulegen, nicht nur die Trennung, sondern auch die Scheidung durchzuführen.
Im übrigen — auch das soll nicht unerwähnt bleiben —: Bei allem, was auch zwischen Ehepartnern passiert und vor dem wir die Augen nicht verschließen dürfen, sollten wir uns bei der öffentlichen Diskussion, bei der Diskussion draußen im Lande, davor hüten, immer mit Beispielen aufzuwarten, die in der Öffentlichkeit so herumgereicht werden und doch sehr stark den Zuschnitt einer erheblichen Vereinfachung und einer etwas lasziven Phantasie haben.
Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nochmals aus der Dissertation von Peuckmann, Seite 98, zitieren:
Niemand wird eine intakte eheliche Gemeinschaft praktisch grundlos aufgeben, wenn oberflächliche, äußere Reize an ihn herangetragen werden. In den Fällen einer „Verstoßung" wird die eheliche Gemeinschaft schon zuvor brüchig geworden sein, etwa, wenn die Partner sich seit langem nichts mehr zu sagen hatten und sich allmählich — über Jahre hinweg — voneinander entfremdet haben, ohne daß sich die eine oder andere Auseinandersetzung allein als ehezerrüttend ausgewirkt hätte.
Ich glaube, das ist ein wichtiger Beitrag in diesem Zusammenhang, daß wir auch beim Ausmalen von Beispielen nicht immer so tun sollten, als würden wir das wirkliche Leben nicht kennen, als hätten wir nicht gerade als Richter und Anwälte oder in anderen Berufen, die mit dem Zustand von Ehen zu tun haben, die notwendigen Erfahrungen gesammelt, um zu wissen, daß es diese einseitige Zerstörung, boshaft, ohne Hintergrund von einem angezettelt und durchgeführt, auch einmal geben mag, aber kaum in vielen Fällen. Es steht immer mehr im Hintergrund.
Da beginnt bereits wieder unser juristisches Vorverständnis. Wir sprechen über die Dinge falsch, weil wir, geschult am juristischen Vorverständnis des Verschuldensprinzips, uns gar nicht vorstellen können, daß diesem Eklat, dieser bösen Tat des einen in der Ehe — das mag etwas sehr Schlimmes sein —, vieles vorausgegangen sein wird, das sich unserer Beurteilung und Betrachtung und auch der gerichtlichen Feststellung entzieht.
Ich glaube, bei allem Verständnis für diejenigen, die in schlechter, in gescheiterter Ehe leben und daran oft schwer zu tragen haben, ist es notwendig, darauf in der Diskussion hinzuweisen. Wir helfen ihnen nicht, wenn wir mit Scheidungsverboten zu operieren suchen. Wir können uns nur bemühen, die Ehescheidung künftig weniger zu einem Strafgericht als vielmehr zu einem Mittel werden zu lassen, mit dem versucht wird, persönliche Konflikte zu lösen.