Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne Zweifel gehört das Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts, das wir jetzt in zweiter Lesung zu beraten haben, zu den tief in unsere Rechtsordnung eingreifenden Gesetzen, auch wenn — das sage ich an die Adresse von uns allen — die Präsenz im Plenum in umgekehrtem Verhältnis zu der Bedeutung dieses Werkes steht.
Allein die Tatsache der Bedeutung dieses Gesetzes
macht es notwendig, auch in der zweiten Lesung
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Dr. Mikat
— die die Stunde der Einzelanträge ist — vor dem Hohen Haus einleitend auf die Grundsätze hinzuweisen, von denen unsere Haltung zu dem Gesetz insgesamt wie zu unseren einzelnen Anträgen bestimmt wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in seinen berühmten „Grundlinien der Philosophie des Rechts" hat Georg Wilhelm Friedrich Hegel die Ehe als das „unmittelbare sittliche Verhältnis" und die Familie als „sittliche Wurzel des Staates" beschrieben. In der Tat wirken sich sittliche Wertvorstellungen und weltanschauliche Standpunkte in wohl kaum einem anderen Zivilrechtsbereich so intensiv und folgenschwer aus wie im Ehe- und Familienrecht, und hier insbesondere im Recht der Ehescheidung.
In der heutigen Debatte über die Reform des Ehe- und Familienrechts ist es daher notwendig, sich zunächst auf diejenigen allgemeinverbindlichen Wertvorstellungen von Ehe und Familie zurückzubesinnen, die unserer verfassungsrechtlichen Ordnung zugrunde liegen.
Das Grundgesetz stellt in Art. 6 Abs. 1 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Auf welchen Wertvorstellungen diese Bestimmung beruht, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem denkwürdigen Gleichberechtigungsurteil vom 29. Juli 1959 festgestellt. Danach ist die Ehe auch für das Grundgesetz die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft und die Familie die umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern, in der den Eltern vor allem Recht und Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen. In demselben Urteil wird sodann ausgeführt, daß „dieser Ordnungskern der Institute für das allgemeine Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein unantastbar ist".
Es hieße dieses Urteil mißverstehen, wenn man darin eine Anerkennung und Sanktionierung eines kirchlich gebundenen Ethos erblicken würde. Staatliches Recht wird noch nicht dadurch zu einer Umsetzung kirchlicher Forderungen in Rechtsnormen, daß es mit den Wertvorstellungen beider oder einer der großen christlichen Kirchen im Ergebnis ganz oder teilweise übereinstimmt.
Die Gleichheit der Forderungen bedingt nicht ohne weiteres die Gleichheit der jeweils zugrundeliegenden Motive und Zielsetzungen. Es widerspräche im übrigen auch dem Selbstverständnis des eine pluralistische Gesellschaftsordnung voraussetzenden säkularen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, wenn er sich unbesehen die Wertvorstellungen einer oder mehrerer großer Gruppen der Gesellschaft zu eigen machte. Das schließt natürlich nicht aus, daß die christlichen Kirchen wie auch andere Gruppen unserer Gesellschaft an dem für unsere Gesetzgebung wichtigen Wertbildungs- und Meinungsbildungsprozeß teilnehmen. Wir sind dankbar für die Mitarbeit und Mitsorge, mit der gerade die christlichen Kirchen die Ehe- und Familienrechtsreform in unserem Land begleitet haben.
Das festzustellen mindert aber nichts an der Tatsache, daß es dem säkularen Staat verwehrt ist, transzendentale Vorstellungen als solche zur Grundlage staatlicher Gesetzgebung zu machen.
Andererseits wäre es verfehlt — und nur Ausdruck einer ebenso naiven wie ahistorischen Betrachtungsweise —, wollte man die Existenz eines in erster Linie durch Wertvorstellungen christlichen Ursprungs geprägten Ehebildes in unserem Lande schlechthin leugnen.
Jede Rechtsordnung steht in der Kontinuität ihrer Geschichte und kann hieraus nicht einfach entlassen werden,
weil anderenfalls Rechtsbewußtsein und Rechtsüberzeugung schweren Schaden nehmen. Dieser Tatsache hat jede sinnvolle und verantwortungsbewußte Rechtsreform Rechnung zu tragen, soll sie nicht Gefahr laufen, zum bloßen Instrument einer billigen Anpassungsideologie an vorübergehende modische Zeitströmungen herabzusinken.
Bei der kritischen Überprüfung des Bestehenden im Hinblick auf seine Verbindlichkeit für Gegenwart und Zukunft stellt das Festhalten an bewährter Überlieferung ein unentbehrliches Mittel der Rechtsfortbildung dar. Dieser Ausgangspunkt ist kein Vorurteil und kein Beharren auf Ewig-Gestrigem, sondern Respekt vor dem, was sich in langer, stetiger Entwicklung erfahrungsgemäß als kulturelles Gemeingut gefestigt hat. Der Gesetzgeber muß sich deshalb stets fragen, was er mit Neuerungen einhandelt, bevor er sich vom bewährten Überkommenen abwendet.
In diesem Sinne — das sei allen überstürzten Ideologen und sogenannten Progressiven ins Stammbuch geschrieben - ist der echte, nach vorn gerichtete Konservative geschichtlich in die Zukunft gerichtet und damit stärker als reaktionäre Progressive.
Denn nicht zu Unrecht, meine Damen und Herren, gelten stabile Institutionen als Gradmesser der Fähigkeiten eines Volkes. In Geschichte und Gegenwart, in Idee und Wirklichkeit ist die Ehescheidung jedenfalls Ausnahme. Wer schon in der bloßen Existenz der Scheidungsmöglichkeit den Gegenbeweis sieht, macht die Ausnahme zur Regel und verkennt damit die historischen Bezüge, aus denen die Ehe auch in ihrer bürgerlich-rechtlichen Form ausgestaltet worden ist.
Die zwar nicht absolute, wohl aber grundsätzliche Unauflöslichkeit der Ehe findet diesseits aller religiösen Motivation ihre Grundlage in dem von der allgemeinen, d. h. von der geschichtlichen Erfahrung und der philosophischen Ethik aussagbaren Sinngehalt der Ehe als dem Ort einer Gemeinschaft für das ganze Leben, einer Gemeinschaft, die in sehr hohem Maße gegenseitiges Vertrauen,
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opferwillige Bereitschaft und langfristige Lebensdisposition mit dem Ehepartner voraussetzt und die deswegen keinen Rücktrittsvorbehalt verträgt.
Wie problematisch und gebrochen eine solche eheliche Gemeinschaft im Einzelfall auch immer sein mag und welche Hilfen dann die staatliche Rechtsordnung auch anzubieten hat, sie hat unter allen Umständen von ihrer institutionellen Anlage her die Tendenz zur Dauer in sich. Diese Erkenntnis hat mit Konfessionalismus nichts zu tun, sie entspringt der sozialen Wirklichkeit, in der eine entsprechende Erwartungshaltung der Eheleute als realer Faktor vorhanden ist. Indem der Gesetzgeber die Ehe auch als Institut schützt und in seinem Eherecht bestimmte Forderungen an die Eheleute stellt und Sie andererseits auch in bestimmten Erwartungen schützt, zieht er gleichermaßen Konsequenzen aus der anthropologischen Gegebenheit, daß der als Mängelwesen instinktarme Mensch für gleiche Situationen in seiner persönlichen Lebensführung stereotype Modelle von Verhaltensfiguren schafft, die ihm als überpersönliches oder, wenn man so will, als institutionelles Verhaltensmuster eine willkommene Hilfe bei der Bewältigung eigener Lebensaufgaben bieten und so seine Kräfte für andere persönliche Aufgaben und Ziele freisetzen.
In diesem Sinne kann man mit der modernen Soziologie von einer Entlastungsfunktion der Institutionen sprechen, die zugleich zur Stabilisierung der persönlichen Unsicherheit führt und die Persönlichkeitsbildung und Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen ermöglicht oder fördert. So erlebt der einzelne auch die Ehe — worauf Arnold Gehlen zutreffend hingewiesen hat — „wie ein überpersönliches, vorgefundenes Muster, in das er sich einordnet", und so entsteht für ihn jene „wohltuende Fraglosigkeit in den Elementardaten, eine lebenswichtige Entlastung, weil von diesem Unterbau innerer und äußerer Gewohnheiten her die geistigen Energien nach oben abgegeben werden können, und das ist, was Freiheit auch bedeuten kann".
Das Leitbild der auf lebenszeitliche Dauer angelegten Ehe entspricht im übrigen den Ergebnissen moderner Persönlichkeitspsychologie. Personale Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung — die etwas anderes sind als die einseitige Befriedigung eines individualistischen Glücks- und Erfolgsstrebens, das ja in seiner Bedeutung nicht verkannt werden soll — erheischen eine dauerhafte Bindung. Dazu gehört der verantwortliche Wille, Mißstimmungen und Unzufriedenheiten, wie sie in jeder Ehe vorkommen können, in einer grundsätzlich positiven und bejahenden Einstellung zur eigenen Ehe zu meistern und zu überwinden. Die Ehe ist kein Vertragsverhältnis, das in seinem Bestand vom Belieben beider Eheleute abhängt und darauf abstellt, ob und wie lange und unter welchen Bedingungen beide noch beieinanderbleiben wollen oder nicht.
Es wäre verhängnisvoll, in diesem Zusammenhang die weltanschauliche Neutralität des pluralistisch verfaßten demokratischen Staates als Wertlosigkeit zu mißdeuten, um dann im Namen des Pluralismus die Schwelle von der Toleranz in den
Nihilismus des Geltenlassens von schlechthin allem zu überschreiten.
Gewiß, der eigentliche Kern der Ehe, die personale Begegnung und Bindung, ist einer Regelung durch die staatliche Gesetzgebung weitgehend entzogen. Es sind die Eheleute, die ihre Ehe zu gestalten haben, und nicht der Staat. Dieser Sachverhalt darf aber nicht dazu verführen, in der Ehe staatlicherseits nur die juristische Gestaltung zweier in ihrer Individualität im übrigen unberührt bleibender Menschen zu sehen. Denn dann wäre die Ehe in der Tat nichts anderes als eine dem Gesetz angepaßte Form des Zusammenlebens ohne inneren Gehalt.
Staatliches Ehe- und vor allem staatliches Ehescheidungsrecht hat eine Leitbildfunktion für die soziale Wirklichkeit und kann sich von daher nicht nur auf die gesetzliche Fixierung von Konfliktlösungen beschränken. Die CDU/CSU-Fraktion hält es deshalb für geboten, das unserer Verfassung zugrunde liegende, für uns alle verbindliche und von uns allen zu akzeptierende Leitbild der Ehe im neuen Eherecht gesetzlich zu beschreiben; dies um so mehr, als der Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip es mit sich bringt, daß im künftigen Recht ohne eine solche klarstellende Bestimmung die Wertvorstellungen des Gesetzgebers zu Ehe und Familie nicht einmal mehr auf dem Wege des Umkehrschlusses interpretierbar sind. Die mit unserem entsprechenden Änderungsantrag, der noch näher begründet wird, begehrte Neufassung des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ist für uns kein überflüssiges Rankenwerk, sondern ein klares Bekenntnis zu einer Wertentscheidung unserer Verfassung.
Sicher wird das Leitbild der Ehe noch stärker als durch Gesetze vor allem von Erziehung und menschlichem Vorbild geprägt. Hier, so befürchten wir, liegen Versäumnisse, deren Folgen auszuräumen in der Zukunft nicht leicht sein wird. Was wird denn an unseren Schulen in dieser Hinsicht getan? Wird von aller staatlichen Gewalt — und die Schulen und die hierfür Verantwortlichen gehören ja dazu —die besondere Obhutspflicht des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes überhaupt in gebührender Weise wahrgenommen? Ich meine, daß hier manches im argen liegt. Es ist mehr als an der Zeit, vornehmlich auf dem pädagogischen Sektor dafür Sorge zu tragen, daß die Leitbilder von Ehe und Familie so, wie sie dem Verständnis unserer grundgesetzlichen Ordnung entsprechen, unseren jugendlichen und jungen Mitbürgern wieder als positive Wertvorstellungen nahegebracht werden.
Hier gilt, was auch für den Gesamtaufbau unseres staatlichen Gemeinwesens gilt. Bei aller Bedeutung, die dem Problem von Konflikten und Konfliktlösung zukommt: Jede Sicht, die menschliches Zusammenleben, die staatliche Ordnung ausschließlich vom Konflikt her sieht und nicht von den positiven Wertgehalten der Gemeinschaften und Institutionen, führt letzten Endes zur Verneinung und zur Auf-
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gabe dieser Ordnung. Das ist der Punkt, um den es geht!
Staatliche Erziehung kann sich nicht mit der bloßen Vermittlung von Fähigkeiten zur kritischen Analyse der sozialen Wirklichkeit zufriedengeben; ihr ist es auch aufgegeben, die zentralen normativen Begriffe der Rechts- und Verfassungsordnung wertend zu festigen und zu schützen.
Staatliches Ehe- und Familienrecht hat aber nicht nur eine Leitbildfunktion. Ihm fallen auch Gestaltungs- und Ordnungsaufgaben zu, denen sich der Gesetzgeber nicht entziehen kann und nicht entziehen darf. Denn Ehe und Familie sind nicht nur isolierte, private Intimbereiche, sondern zugleich auch in Kommunikation mit der Gemeinschaft der übrigen Bürger stehende soziale Lebens- und Rechtsverhältnisse. Der Zustand der einzelnen, konkreten Familie ist für die Gesellschaft von so erheblicher Bedeutung, daß er von der staatlichen Rechtsordnung nicht negiert und ausgeklammert werden kann.
Zwar neigt unsere Zeit dazu, den privaten Intimbereich für dem Gesetzgeber entzogen zu halten, und eine Auffassung, die in der Ehe ausschließlich einen privaten Intimbereich sieht, wird dann zwangsläufig zu einer völligen Minimalisierung des staatlichen Eherechts führen müssen. Geht man aber davon aus, daß auch die einzelne konkrete Ehe in Beziehung zur Gesellschaft steht — ein Tatbestand, der besonders bei der gestörten oder zerbrochenen Ehe gravierend in Erscheinung tritt —, so wird man allein schon auf Grund der dem staatlichen Gesetzgeber obliegenden Sozialverpflichtung nicht darauf verzichten können, der staatlichen Rechtsordnung auch die Verpflichtung zuzuweisen, das Ehe- und Familienrecht entsprechend der Funktion von Ehe und Familie in der Gesellschaft auszugestalten.
Die Tatsache, daß wir es heute in unserem Kulturbereich ausschließlich mit der Kleinfamilie zu tun haben — also mit einer Familienform, die vielfach als Ausdruck des privaten Intimbereichs gilt —, zwingt den staatlichen Gesetzgeber nicht, wie man vielleicht zunächst meinen könnte, zu einer Reduktion, sondern zu einer Ausweitung seiner ehe- und familienrechtlichen Vorschriften. Das gilt insbesondere für den vermögensrechtlichen Bereich, z. B. für das eheliche Güterrecht, das Unterhaltsrecht, für die rechtlichen Folgen der Eheauflösung; aber auch die erbrechtlichen Bestimmungen und andere mehr wären hier zu nennen.
Diese Tendenz zur Ausweitung und Differenzierung der ehe- und familienrechtlichen Gesetzgebung sollte nicht mit der auf anderen Gebieten zu beobachtenden Neigung des modernen Staates zu möglichst umfassender gesetzlicher Regelung verwechselt werden. Sie ist vielmehr zwangsläufig, da mit dem Wegfall der Großfamilie bzw. der größeren Familie für die einzelne Ehe und Familie zugleich ein Verlust an gesellschaftlicher Stabilität und sozialer Sicherheit eintrat, der die staatliche Regelungsfunktion im Interesse des einzelnen auslösen mußte. Von hierher wird auch einsichtig, daß sich die eigentlich tragenden ehe- und familienrechtlichen
Vorschriften — sieht man einmal vom Eheschließungsrecht ab — mit der gestörten oder gar zerbrochenen Ehe und Familie befassen. Es ist — dies vorausgeschickt — nur konsequent, daß im Mittelpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Reform des Ehe- und Familienrechts ebenfalls die Neugestaltung des Rechts der Ehescheidung und ihrer Folgen steht.
In ihrer Haltung zu diesem Reformwerk bleiben für die CDU/CSU-Fraktion die drei Grundsätze und Forderungen bestimmend, die ich dem Hohen Hause für meine Fraktion von dieser Stelle aus schon bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs zur Reform des Ehe- und Familienrechts in der 6. Legislaturperiode vorgetragen habe.
Erstens: Entsprechend dem verfassungsrechtlichen Leitbild der Ehe muß auch im neuen Scheidungsrecht klargestellt sein, daß jede Ehescheidung nur Ausnahme von der prinzipiell unauflöslichen, auf Lebenszeit angelegten Ehe ist.
Zweitens: Das neue Recht muß die besondere Sozialfunktion des Ehe- und Familienrechts insgesamt und in allen Details berücksichtigen und verdeutlichen.
Drittens: Das neue Recht darf keinem Automatismus und Schematismus huldigen, sondern muß dem jeder Rechtsordnung immanenten Gebot der Einzelfallgerechtigkeit Rechnung tragen.
Wer wirklich humanes Recht will, muß das Recht am Grundsatz der Einzelfallgerechtigkeit orientieren und muß dem Gericht oder künftig dem Familienrichter die Möglichkeit geben, dem Grundsatz der Einzelfallgerechtigkeit entsprechen zu können.
Die Rechtsordnung kann sich nicht damit begnügen, durch das staatliche Ehescheidungsrecht ein möglichst schnelles, unauffälliges und unverbindliches Auseinandergehen der Eheleute in die Wege zu leiten. Sie hat vielmehr zur Überwindung von Konflikten beizutragen, indem sie Einrichtungen zur Verfügung stellt und Maßnahmen vorsieht, die der Wiederversöhnung der Ehepartner dienen können. Positive soziale Maßnahmen fördern nämlich weit mehr noch als ein strenges Scheidungsrecht Erhaltung und Bestand einer Ehe und einer Familie. Im Falle einer endgültig und unheilbar zerstörten Ehe sollte durch das staatliche Eherecht jedoch sichergestellt sein, daß diese Ehe durch richterlichen Urteilsspruch mit einem Maximum an Fairneß und Praktikabilität, einem Minimum an Bitterkeit und einem Optimum an sozialer Verantwortlichkeit gegenüber und unter allen Beteiligten geschieden werden kann. Die Praxis der Scheidungsgerichtsbarkeit hat gezeigt, daß das geltende Scheidungsrecht unter der Herrschaft des Verschuldensprinzips dieser Maxime nur sehr unvollkommen hat nachkommen können.
In seinem Ausgangspunkt, nämlich der Annahme, daß der für das Zerbrechen der Ehe Verantwortliche eindeutig ermittelbar sei, ist das Verschuldensprinzip der Komplexität menschlicher Schuldverstrik-
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kung und den Möglichkeiten richterlicher Erkenntnisse nicht gerecht geworden, hat oft nicht Befriedigung der Verhältnisse bewirkt, sondern — im Kampf um den Schuldspruch — neue und tiefere Bitterkeit erzeugt. Im einverständlichen Unterlaufen des geltenden Rechts durch heimliche schuldübernehmende Scheidungsabsprachen über das beiderseitige Vorbringen vor Gericht wurde und wird zu viel Unwahrhaftigkeit gefördert, so daß kaum noch von Achtung vor dem derzeit geltenden Scheidungsrecht die Rede sein kann.
Auch die CDU/CSU tritt daher dafür ein, im neuen Scheidungsrecht das Verschuldensprinzip durch das Zerrüttungsprinzip zu ersetzen. Wir wollen jedoch, worauf ich früher schon hingewiesen habe, keinen Zweifel darüber lassen, daß nach unserer Auffassung kein Anlaß dafür gegeben ist, allein den Abschied vom Verschuldensprinzip schon lautstark als Fortschritt zu feiern. Für sich allein genommen ist der Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip noch kein Fortschritt und noch keine verheißungsvolle Reform. Die Ersetzung des Verschuldensprinzips durch das Zerrüttungsprinzip darf vor allem nicht einer Flucht der Eheleute aus ihrer sittlichen Verantwortung für Bestand und Gestaltung ihrer Ehe Vorschub leisten.
Daß das wertblinde Zerrüttungsprinzip eine solche Gefahr in sich birgt, ist nicht zu verkennen. Gerade darum müssen wir bei der Neugestaltung des Ehescheidungsrechts deutlich machen, daß die Abkehr vom Verschuldensprinzip kein Freibrief zur Verantwortungslosigkeit ist,
daß wir zwar auf die Schuldfeststellung verzichten wollen, aber darum wissen, daß es künftig ebenso wie früher Schuld und Verantwortung gibt.
Ich darf auch hier noch einmal betonen, was ich 1971 von dieser Stelle aus ausführte: Eine Rechtsordnung, die Schuld und Verantwortung nicht mehr kennt, degradiert den Menschen letztlich zum pathologischen Fall.
Gehört nicht — so habe ich damals gefragt — die Möglichkeit, schuldig zu werden — schuldig werden zu können, nicht zu müssen —, zur unaufgebbaren Würde des Menschen? Wenn wir uns zur Preisgabe der Verschuldensscheidung entschlossen haben, so doch im wesentlichen darum, weil die Schuldfeststellung, die Bewertung und das Abwägen der Schuld in der scheidungsrichterlichen Praxis auf so große, oft unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Aber dies kann und darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es ein Schuldig-werden gibt, unabhängig davon, ob Gesetz oder Richterspruch es kennen oder nicht.
Bei der Ersetzung der Verschuldens- durch die Zerrüttungsscheidung wäre es an und für sich nur logisch, wenn der zentrale Begriff der Zerrüttung, und zwar der unheilbaren Zerrüttung, zum
gesetzlichen Dreh- und Angelpunkt des neuen Rechts würde. Der vorliegende Gesetzentwurf hat sich jedoch dieser Logik verschlossen. Statt auf den Begriff der unheilbaren Zerrüttung stellt er auf den des Scheiterns ab, was man nach allen Einlassungen, die Regierung und Koalition uns zum Begriff des Zerrüttungsproblems vortragen, überhaupt nicht versteht. Dennoch, dahinter steckt ja eine Absicht. — Statt auf den Begriff der unheilbaren Zerrüttung wird — noch einmal sei es gesagt — bei Ihnen auf den Begriff des Scheiterns abgestellt. Dieser Umstellung vermag die CDU/ CSU-Fraktion ihre Zustimmung nicht zu geben.
Zum einen ist der Begriff der unheilbaren Zerrüttung nicht nur von unserer Rechtsprechung bereits erläutert und ausgestaltet, sondern er findet sich auch in den Rechtsordnungen unserer europäischen Nachbarn und könnte deswegen bei seiner Weiterverwendung in unserem Scheidungsrecht die Lösung von Fragen aus dem Bereiche des internationalen Ehe- und Familienrechts erleichtern. Zum anderen haftet dem Begriff des Scheiterns ein Moment des Schicksalhaften an;
er assoziiert die Vorstellung, daß jede fehlgeschlagene Ehe im Grunde nur das Ergebnis außerpersönlicher, anonymer Fremddetermination sei und nicht auch wesentlich oder doch zumeist wenigstens teilweise menschlichen Versagens
vor einer selbst gestellten und freiwillig übernommenen Verpflichtung. Wir sollten nicht unnötig in unserer Rechtsordnung jenen geistigen Zeitströmungen das Tor öffnen, die dazu neigen, menschliches Versagen ausschließlich dem Schicksal, der Umwelt oder den gesellschaftlichen Verhältnissen zuzuweisen.
Wohlgemerkt, ich habe gesagt: ausschließlich.
— Herr Emmerlich, ich habe nicht gesagt, daß Sie das tun; ich habe gesagt, wir sollten nicht Strömungen Tür und Tor öffnen, die dazu neigen, menschliches Versagen ausschließlich diesen Umständen zuzuweisen.
Wenn ich hier, Herr Kollege Emmerlich, Ihres Beifalls gewiß bin, um so besser! Vielleicht erleben wir dann in der Abstimmung zur zweiten Lesung noch eine Änderung Ihrer bisherigen Haltung.
Darüber hinaus würde der Begriff des Scheiterns jene Ehen abwertend etikettieren, die vor der Zerrüttung für die Ehepartner, für die gemeinsamen Kinder wie auch für Staat und Gesellschaft durchaus wertvoll waren. Ist denn eine Ehe, die 20 Jahre bestanden hat, „gescheitert"? Hat sie unter Umständen nicht ihren Sinn erfüllt, auch wenn dann eine
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Zerrüttung zwischen den Partnern eingetreten ist? Wollen Sie das „Scheitern" nennen? — Doch wohl kaum.
Beim Übergang auf den Begriff „Scheitern" wären im übrigen auch die Differenzierungen ausgeschlossen, die beim Begriff „Zerrüttung" noch möglich sind.
Die CDU/CSU-Fraktion beantragt deshalb, den in § 1565 des Gesetzentwurfs enthaltenen Satz „Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist" zu ersetzen durch den Satz „Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie unheilbar zerrüttet ist".
— Wenn Sie sagen, der Unterschied sei mit der Lupe zu suchen, haben Sie nicht zugehört. Sie können sagen „Ich bin anderer Meinung" ; aber die Behauptung, daß der Unterschied mit der Lupe zu suchen sei, ist allenfalls aus dem Begriff „Lupe" bei Ihnen zu erklären.
Ich weiß natürlich nicht, ob wir dasselbe meinen; wir könnten es ja einmal klären.
Ein auf dem Zerrüttungsprinzip aufbauendes Scheidungsrecht bedarf jedoch wirksamer Korrektive, wenn es nicht zu neuen Ungerechtigkeiten führen soll. Das gilt sowohl für die Scheidungsgründe als auch für die Scheidungsfolgen. Bedingungsloser Prinzipientreue steht das Gebot der Einzelfallgerechtigkeit entgegen. Diesem Gebot hat das neue Recht ebenso zu entsprechen wie dem Grundsatz, daß niemand aus eigenen Rechtsverletzungen für sich günstige Rechtsfolgen herleiten kann.
Mit unserer Auffassung vom Wesen des sozialen Rechtsstaats ist es jedenfalls nicht zu vereinbaren, entscheidende Lebenskonflikte und Schicksalsfragen von Menschen von starrem Fristenschematismus und unwiderlegbaren Vermutungen abhängig zu machen.
Unter Berufung auf die konsequente Durchführung
eines Prinzips und im Namen der Rechtssicherheit
darf nicht letztlich inhumanes Recht gesetzt werden.
Unsere Ablehnung des Fristenschematismus bedeutet freilich nicht, daß wir damit Fristen als Indiz für die richterliche Feststellung der unheilbaren Zerrüttung einer Ehe überhaupt ablehnen. Die Berücksichtigung der von uns vorgeschlagenen Trennungsfristen soll den zuständigen Richtern bei ihrer Urteilsfindung in der Regel vielmehr eine wertvolle Hilfe sein. Wir wollen allerdings nicht die Freiheit der richterlichen Entscheidungsfindung dadurch praktisch auf Null reduzieren, daß wir die Richter zwingen, lediglich auf Grund bloßen Zeitablaufs bzw. im Falle der einverständlichen Scheidung auf Grund der zusätzlichen übereinstimmenden Erklärungen der Ehegatten immer und in jedem Falle die Scheidung der Ehe automatisch aussprechen zu müssen.
Sicher, auch der vorliegende Entwurf stellt es dem Richter frei, gegebenenfalls das Scheidungsverfahren auszusetzen. Aber welchen Sinn soll diese Regelung noch haben, wenn im Endeffekt auf Grund der unwiderlegbaren Vermutung der Zerrüttung
— oder, um in der Sprache des Entwurfs zu bleiben, des Scheiterns — die Ehe dennoch geschieden werden muß? Die Ausgestaltung der Trennungsfristen als unwiderlegbare Vermutungen macht das Scheidungsverfahren zur Farce und die Richter zu Scheidungsautomaten, zu gerichtlich bestallten Ehescheidungsurkundsbeamten.
Sie ermöglicht darüber hinaus die Verstoßungsscheidung — zumindest hindert sie diese nicht — und entspricht damit nicht der grundgesetzlichen Obhutspflicht des Staates zum besonderen Schutz von Ehe und Familie.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung läßt schließlich auch den Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs völlig außer Betracht.
Meine Damen und Herren, der heute schon glossierte und kolportierte Satz „Ehe kündbar, Miete unkündbar" darf nicht zur Maxime unseres Ehe-und Familienrechts werden!
— Herr Kollege Wehner, ich will jetzt mit Ihnen nicht noch in eine Diskussion darüber eintreten, ob das etwas billig ist. Ich wiederhole: Der Satz, das Diktum, das durch die Lande kursiert — ich gebe zu, daß es übertrieben ist — „Ehe kündbar, Miete unkündbar", darf nicht zur Maxime des Gesetzes werden!
— Ich brauche mich, Herr Kollege, weder auf das „Bild-Zeitungs"-Niveau herunterzubegeben noch davon zu erheben.
Ich will Ihnen eines sagen: So billig kommen Sie auch nicht davon. Ausgerechnet diejenigen von Ihnen, die durch die Lande laufen und uns vorwerfen, wir hätten nicht die Belange der Frau im Auge, wir wollten ein rückschrittliches, ein vermottetes Scheidungsrecht, erklären mir jetzt hier, wenn wir unsere Konzeption darlegen, das sei nun Niveau der „Bild-Zeitung". Meine Damen und Herren, so geht es nicht. Wir können dann ja auch einmal in der Sprache reden, in der oft von Ihnen zu diesem Punkte Zurufe gemacht werden.
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Nur, auf dieses Niveau begebe ich mich nicht, um das hier ganz klar zu sagen.
— Das ist nicht sehr selbstgerecht, Herr Wehner; aber über die Kunst der Zwischenrufe wollen wir beide uns hier nun wirklich nicht unterhalten.
Denn da sind Sie Meister, aber mich werden Sie in diesem Punkte niemals in Ihre Lehre bekommen.
— Nun kommen wir einmal wieder hier zur Sache.
— Eine unwiderlegbare Vermutung macht im übrigen jeden Vortrag eheerhaltender Tatsachen unschlüssig und jeden richterlichen Versöhnungsversuch unzulässig. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt daher die Ausgestaltung der Trennungsfristen als unwiderlegbare Vermutungen ganz entschieden ab.
Wir sind ferner der Auffassung, daß eine Ehe trotz unheilbarer Zerrüttung dann nicht geschieden werden soll, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder notwendig ist oder wenn die Scheidung für den Ehegatten, der sie ablehnt und noch eine innere Bindung an die Ehe hat, auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten eine unzumutbare Härte darstellen würde.
Wenn wir in unserem Änderungsvorschlag zu den Scheidungsvoraussetzungen auf das Interesse der minderjährigen Kinder an der Aufrechterhaltung der Ehe abstellen, so übersehen wir dabei nicht die Tatsache, daß dem Interesse der Kinder durch die Aufrechterhaltung einer unheilbar zerrütteten Ehe zumeist nicht gedient ist; das sehen wir durchaus. Es sind jedoch Fälle denkbar, für die eine solche Kinderschutzklausel erforderlich ist. So ist es z. B. nicht ausgeschlossen — darauf ist von unseren Kollegen in den Ausschußberatungen auch mehrfach hingewiesen worden —, daß sich ein Ehegatte, der die Scheidung beantragt hat, auf seine Elternpflicht gegenüber seinen Kindern besinnt und fortan im Interesse der Kinder eine äußerlich geordnete Ehe führt und die Kinder gut erzieht, wenn ihm die Notwendigkeit hierzu verdeutlicht und die Scheidung versagt wird. Dies zeigen Erfahrungen auch in der DDR, in der das Zerrüttungsprinzip schon seit längerer Zeit gilt, wo es sich gar nicht so selten als erforderlich erwiesen hat, die Scheidung einer unheilbar zerrütteten Ehe im Interesse minderjähriger Kinder abzulehnen.
Da wir bei der Neugestaltung des Scheidungsrechtes die Sozialfunktion des Rechts hervorheben, halten wir im Gegensatz zum vorliegenden Entwurf außer der Berücksichtigung von immateriellen Härten zum Schutz des sozial schwächer gestellten Ehepartners auch die Einbeziehung von materiellen Härten in eine entsprechende Härteklausel für zwingend geboten. Abgesehen von den praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich bei der Differenzierung zwischen materiellen und immateriellen Härten unweigerlich ergeben müßten, liegt es in der Natur einer Härteklausel, daß sie nicht auf den Herkunftsbereich der Härte abstellen kann, sondern von der auf den Betroffenen zukommenden Wirkung ausgehen muß.
Weil nicht die Ursache, sondern die Wirkung der Härte das Entscheidende ist, würde es auch dem Sinn einer Härteklausel zuwiderlaufen, sie einer zeitlichen Befristung zu unterwerfen. Da die Mehrheit des Ausschusses — übrigens abweichend von der Regierungsvorlage den Anwendungsbereich der Härteklausel auf den Grundtatbestand der Scheidungsvoraussetzungen beschränkt hat, kommt dies im Ergebnis einer zeitlichen Befristung der eingeschränkten Härteklausel auf drei Jahre nach der Trennung gleich. Diese Befristung wird von uns ebenfalls abgelehnt.
Es ist im übrigen nicht überzeugend, den Ausschluß einer auch materiellen Härteklausel damit zu begründen, daß durch die vorgesehene Verbesserung des Unterhaltsrechts Nachteile für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten ausgeschaltet würden; denn wenn das neue Recht keine wirtschaftlichen Nachteile brächte, so könnte ja die materielle Härteklausel ruhig im Gesetz stehen, wiewohl sie dann von den Gerichten kaum bemüht werden müßte. Ist aber dennoch mit wirtschaftlichen Nachteilen, vor allen Dingen für die Frau, zu rechnen, so muß auch eine Berücksichtigung materieller Härten kraft Gesetzes möglich sein. Das heißt: da auch der beste Gesetzgeber nie die Komplexität und die Fülle aller Tatbestände beim Akt der Gesetzgebung im Auge haben kann, ist es gut, im Gesetz eine Vorschrift zu haben, die vielleicht nur ganz selten bemüht zu werden braucht, die aber dann bemüht werden kann, wenn es darum geht, dem Grundsatz der Gerechtigkeit im konkreten Fall zu entsprechen.
Die CDU/CSU-Fraktion besteht weiterhin darauf, daß eine Ehe — den Fall des einverständlichen Scheidungsbegehrens eingeschlossen — grundsätzlich nur dann geschieden werden darf, wenn sie mindestens ein Jahr bestanden hat, es sei denn, daß die Fortsetzung der Ehe aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Durch diese Mindestfrist wollen wir übereilte Scheidungsanträge vor allem junger Eheleute verhindern. Sie sollen bei ersten auftretenden Schwierigkeiten nicht gleich die Flucht aus der Ehe ins Auge fassen, sondern den Versuch unternehmen, aufgetretene Schwierigkeiten einvernehmlich und eingedenk ihrer sittlichen Verantwortung für den Bestand ihrer Ehe zu überwinden.
Was Friedrich Carl von Savigny in seinem Kampf um das Ehescheidungsrecht in Preußen schon im Jahre 1844 schrieb, hat in diesem Zusammenhang auch heute an Aktualität noch nichts verloren. Ich möchte mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Savigny zitieren:
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Bei vielen Ehen liegt der Grund des Verderbens schon in der Art, wie sie geschlossen werden. Nicht selten steht den neuen Ehegatten . . . schon der bestimmte Gedanke an die leichte Auflösung vor Augen, in vielen anderen Fällen wird wenigstens die Ehe mit gedankenlosem Leichtsinn geschlossen . . . Betrachten wir . . . die Art, wie der Unfriede in schlechten Ehen entsteht, und endlich unerträglich wird, so werden dabei nur höchst selten mächtige Leidenschaften zum Grunde liegen. Vielmehr werden zuerst leichte Anwandlungen von übler Laune, Selbstsucht, Roheit, böser Lust vorhanden sein, denen durch einen mäßigen Aufwand von Selbstbeherrschung begegnet werden könnte. Nur weil der Versuch dazu nicht gemacht wird, gewinnen solche Neigungen durch Nachgiebigkeit und Gewöhnung einen solchen Grad von Herrschaft über den Menschen, daß sie ihm und anderen verderblich werden.
Nun kommt der entscheidende Satz bei Savigny:
Wenn nun dem Ehegatten, der auf solche Abwege kommt, der Gedanke an ein ernstes, die bloße Willkühr beschränkendes Gesetz vor Augen steht, so wird er vielleicht jene Selbstbeherrschung anwenden und der Friede wird wiederhergestellt werden. Weiß er dagegen, daß das Gesetz die Willkühr nicht zügelt, sondern frei läßt, so wird er sich selbst jene mäßige Gewalt nicht anthun, und das Übel wird bald unheilbar werden.
Sie werden natürlich einwenden können, diese Sprache Savignys sei nicht mehr unsere Sprache. Aber die rechtspolitische Maxime, die hinter diesem vielleicht größten Juristen des 19. Jahrhunderts stand, sollte auch die unsere sein.
In diesem Sinne verstehen wir von der CDU/CSU-Fraktion die Vorschrift über die einjährige Mindestdauer als Voraussetzung einer Scheidung auch als Beitrag zur Festigung der unserer Verfassung zugrunde liegenden Leitbildvorstellung von der prinzipiell unauflöslichen, auf Lebenszeit angelegten Ehe.
Was den weiten Komplex der Neuordnung des Unterhaltsrechts der Ehegatten nach der Scheidung angeht, so ist für die CDU/CSU-Fraktion das vornehmste gesellschaftspolitische Ziel — und hier sei nochmals auf die Sozialfunktion des Rechtes hingewiesen — die soziale Sicherung des schwächeren Teils, also in der Regel der Frau, auf Grund eigener Ansprüche. Da wir uns vom Verschuldensprinzip trennen, können die Entscheidungen über die Scheidungsfolgen nicht mehr vom Schuldspruch abhängig gemacht werden, sondern müssen an andere Erwägungen anknüpfen. Richtungweisend ist hier die Antwort auf die Frage, ob durch die Ehescheidung alle Rechtsbeziehungen der Ehepartner beendet werden oder nicht. Zwar entspräche es der Logik eines konsequent aufgeformten Zerrüttungsprinzips, wenn durch die Scheidung gleichzeitig die Rechtsbeziehungen der Eheleute untereinander und
füreinander beendet würden, doch müßte diese Logik in der Praxis in einer Vielzahl von Fällen den wirtschaftlich schwächer gestellten Ehepartner besonders hart treffen. Juristische Logik und soziale Gerechtigkeit sind ja durchaus nicht deckungsgleich. Der Gesetzgeber kann auch nicht an der Tatsache vorbeisehen, daß die Geschiedenen einmal in ehelicher Lebensgemeinschaft verbunden waren, füreinander Verantwortung getragen und mit ihrer Eheschließung gleichzeitig im grundsätzlich vorbehaltlosen Vertrauen in die gemeinsame Zukunft, im Vertrauen auf die einander geschuldete Hilfe und gegenseitige Ergänzung regelmäßig den weiteren Lebensweg entscheidend bestimmende Festlegungen im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des einzelnen und seine Rolle in Ehe, Familie und Gesellschaft getroffen haben.
Für die CDU/CSU ist daher für die Regelung der Scheidungsfolgen und insbesondere des Unterhaltsrechts die fortwirkende Verantwortung der geschiedenen Eheleute füreinander der entscheidende Ausgangspunkt. In Verfolgung dieses Ausgangspunktes schlagen wir in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Bundesrates deshalb eine Regelung des Unterhaltsrechts vor, die sicherstellt, daß ein früherer Ehegatte dem anderen, soweit dieser sich selbst nicht helfen kann, auch dann noch Unterhalt zu gewähren hat, wenn dieser aus Gründen unterhaltsbedürftig wird, die schicksalsbedingt sind und in keinem Zusammenhang mit der früheren Ehe stehen.
In diesem Punkt unterscheidet sich die von uns vorgeschlagene Regelung deutlich von derjenigen des Entwurfs, da dort nur die ehebedingte Bedürftigkeit eine Unterhaltspflicht auslöst. Die von uns angestrebte, im Grundtatbestand als Generalklausel ausgestaltete Unterhaltsverpflichtungsregelung, die in der Debatte von meinen Freunden noch eingehend erläutert wird, hat zudem den Vorteil, sich nahtlos in das übrige unterhaltsrechtliche System des Bürgerlichen Gesetzbuches einzufügen.
Auch bei der Neugestaltung des gesamten Unterhaltsrechts ist für uns die Maxime bestimmend, daß Einzelfallgerechtigkeit den Vorrang vor jeglichem, die Wechselfälle des Lebens in ein Zwangskorsett pressenden Schematismus haben muß. So haben wir denn auch zur Vermeidung von Härten aller Art in unserer Regelung positive und negative Billigkeitsklauseln eingefügt, die im einzelnen bei der Begründung der entsprechenden Anträge hier noch erörtert werden.
Und schließlich: Das Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs, durch das der im geltenden Recht bereits verankerte Grundsatz des Zugewinnausgleichs auch im Bereiche der Versorgung verwirklicht werden soll, wird von meiner Fraktion prinzipiell bejaht. Wir haben jedoch gegen die Einzelheiten der Durchführung dieses Versorgungsausgleichs, so wie er im Entwurf vorgesehen ist, eine Reihe schwerwiegender Bedenken, die im Verlauf der Debatte noch dargelegt werden, so daß ich es mir ersparen will, sie jetzt schon im Detail vorzutragen. Nur auf einen entscheidenden Punkt will ich im Vorgriff hinweisen: auf die Vorschläge meiner Fraktion zur Gestaltungsfreiheit der Ehegatten
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 209. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1975 14417
Dr. Mikat
auch im Bereiche des Ausgleichs ihrer Versorgungsansprüche. Dabei lassen wir uns entsprechend den Grundwerten, für die die CDU/CSU eintritt, von dem Gedanken leiten, auch in diesem Bereich die persönliche Freiheit des einzelnen überall dort zu stärken, wo es möglich ist, andererseits aber auf der sittlichen Veranwortung des einzelnen überall dort zu bestehen, wo es nötig und geboten ist. Beiden Anliegen, sowohl der Stärkung und Sicherung des sozial schwächeren Teils als auch der Stärkung der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Eheleute, muß die Ausgestaltung und Durchführung des Versorgungsausgleichs gleichermaßen Rechnung tragen.
Die Zeit verbietet es mir, nun auch noch auf die Frage des Leitbildes der sogenannten Hausfrauenehe einzugehen. Ich habe schon früher von dieser Stelle aus deutlich gemacht: Wie auch immer die Konzeption sein mag, die eine Partei, ein Abgeordneter oder ein Bürger von der zukünftigen Gesellschaft hat, eines ist sicherlich dem Gesetzgeber verwehrt: das Ehe- und Familienrecht, insbesondere das Scheidungsrecht als Zwangsmittel zur Durchführung solcher Konzeptionen einzusetzen.
Wir bejahen durchaus die gewandelte Sicht von Ehe und Familie, den Abbau patriarchalischer Vorstellungen, ein neues partnerschaftliches Verhältnis von Mann und Frau, eine größere Rollenvariabilität, meinen aber auch, daß wir uns sehr wohl im Hinblick auf die Zukunft unserer Gesamtgesellschaft überlegen müssen, was wir zu tun haben, um gerade wiederum die Tätigkeit der Frau als Hausfrau und Mutter in jenen hohen Rang zu setzen, der nicht nur ihr entspricht, sondern der konstitutiv für eine stabile, leistungsfähige, aber auch für eine wirklich humane Gesellschaft ist.
Hier liegt die Aufgabe künftiger sozialer Gesetzgebung. Ich warne aber davor, über das Ehescheidungsrecht einen ganz bestimmten Rollentypus Frau gleichsam zum Angelpunkt gesellschaftlicher Veränderungen zu machen.
Ich habe hierzu früher schon Stellung genommen und muß es mir versagen, hierauf weiter einzugehen; ich muß zum Schluß kommen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 13. Oktober 1971 habe ich bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts für die Fraktion der CDU/CSU hier erklärt, daß es für meine Fraktion entscheidend darauf ankommt, ob der Entwurf einerseits dem Grundsatz der Sozialfunktion des Rechts entspricht und ob er andererseits dem Gedanken der Einzelfallgerechtigkeit genügend Raum gibt. Diese fundamentalen rechtspolitischen Maximen und die unverzichtbare Orientierung an den Wertentscheidungen unserer Verfassung haben die Arbeit meiner Fraktion am Gesetzentwurf und ihre Alternativen bestimmt. Eine Rechtsreform, die der Wertentscheidung unserer
Verfassung, der Sozialfunktion des Rechts und der Einzelfallgerechtigkeit nicht entsprechen würde, verdient nicht den Namen „Reform"; sie wird unserer Ablehnung gewiß sein. Unser Wille zur beständigen, Maß und Mitte wahrenden Reform hat sich in unseren Anträgen konkretisiert, erschöpft sich aber nicht in ihnen, sondern wird auch unsere weitere Arbeit am Ehe- und Familienrecht tragen.