Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Männer und Frauen sind gleichberechtigt." „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." — Diese Forderungen des Grundgesetzes haben die Politik der Sozialdemokraten stets bestimmt. Sie waren auch richtungweisend für das heute zur Beschlußfassung vorliegende Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts.
Wir wollen durch diese Gesetzgebung nicht nur für mehr Gleichberechtigung und für einen besseren Schutz von Ehe und Familie sorgen, sondern auch für ein gerechtes, die Bedürfnisse des heutigen Menschen und die gesellschaftlichen Gegebenheiten respektierendes, sozial ausgewogenes Scheidungs-
und Scheidungsfolgenrecht, und wir wollen den Scheidungsprozeß wieder ehrlich und glaubwürdig machen.
Wie kann das neue Eherecht zu mehr Gleichberechtigung der Frau in Ehe und Familie beitragen? Nach geltendem Recht ist die Haushaltsführung Sache der Frau, während die Erwerbstätigkeit dem Mann obliegt. Dieser erst 1957 festgeschriebene Rechtszustand steht im Widerspruch zur Gleichberechtigung und zu einer partnerschaftlichen Eheauffassung. Der vorliegende Gesetzentwurf beseitigt daher diese gesetzliche Fixierung der Ehefrau auf die Rolle der Hausfrau und stellt klar, daß beide Ehegatten gleichermaßen zur Haushaltsführung verpflichtet und zur Erwerbstätigkeit berechtigt sind.
Der vorliegende Gesetzentwurf ersetzt das bisherige gesetzliche Leitbild der Hausfrauenehe nicht durch das der erwerbstätigen Ehefrau. Die Aufteilung der Aufgaben in der Ehe ist nach sozialdemokratischer Auffassung eine Angelegenheit, die die Eheleute selbst vornehmen können und die von staatlicher Einflußnahme und Reglementierung frei sein muß.
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Wir Sozialdemokraten wissen, daß die soziale Wirklichkeit — auf der einen Seite Isolierung und Vereinsamung der Ehefrau in der häuslichen Wohnung, andererseits Dreifachbelastung durch Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung und Kindererziehung — durch die neuen Bestimmungen über die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit unmittelbar nur wenig beeinflußt werden dürfte. Das kann aber nicht bedeuten, es bei der bisherigen gesetzlichen Rollenfixierung der Ehefrau zu belassen. Im Gegenteil, wir müssen jede Möglichkeit nutzen, um zu einem Wandel des Bewußtseins und damit der sozialen Wirklichkeit beizutragen.
Wir Sozialdemokraten können und wollen es, wenn die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Rede steht, nicht bei einer formalrechtlichen Gleichberechtigung bewenden lassen. Wichtiger ist uns die tatsächliche Gleichstellung der Frau. Deshalb haben wir so entschieden dafür gekämpft, daß die soziale Flanke des Scheidungsrechts beschlossen wird und bei einer Scheidung insbesondere die während der Ehe erworbenen Anwartschaften und Aussichten auf eine Alters- und Invaliditätssicherung nicht mehr wie bisher vom Erwerbstätigen, also regelmäßig vom Ehemann, mitgenommen werden und die nicht erwerbstätige Frau und Mutter leer ausgeht. Der Versorgungausgleich ist ein wesentlicher Fortschritt in Richtung auf eine nicht nur formale, sondern inhaltliche Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen.
Das wird auch das neue Unterhaltsrecht bewirken. Bisher trafen der Unterhaltsausschluß bei alleiniger bzw. überwiegender Schuld und die Unterhaltsminimierung bei beiderseitigem gleichen Verschulden die nicht erwerbstätige Hausfrau ungleich schwerer als den Mann. Bei einer Scheidung bleibt die Existenzgrundlage des Mannes erhalten, ohne Rücksicht darauf, ob er schuldig geschieden wird. Der allein bzw. überwiegend schuldig geschiedenen Hausfrau und Mutter dagegen wird ihre Existenzgrundlage, der Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann, bei einer Scheidung vollständig und übergangslos entrissen. Das neue Unterhaltsrecht wird auch dieser geschlechtsspezifischen Benachteiligung der Frauen ein Ende setzen.
Der Deutsche Bundestag hat das Seine bereits getan, um eine weitere Benachteiligung der Frauen im geltenden Recht zu beseitigen, nämlich die Privilegierung des Mannes bei der Festlegung des Ehe-und Familiennamens. Ich erinnere an das am 31. Januar dieses Jahres beschlossene Gesetz über den Ehe- und Familiennamen. Der Bundesrat hat diesem Gesetz bisher mit Mehrheit die Zustimmung verweigert. Wir erwarten, daß die Bundesratsmehrheit nach einer erneuten Anrufung des Vermittlungsausschusses ihre ablehnende Haltung überprüft und sich einer mit der Gleichberechtigung übereinstimmenden Regelung des Ehe- und Familiennamenrechts nicht länger entgegenstellt.
Die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts mit dem Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip ist in Wissenschaft und Praxis unbestritten. Die Gründe für die Abkehr von der Verschuldensscheidung und die Folgen, die sich daraus ergeben, sind in den vergangenen Jahren schon mehrfach dargelegt worden. Es ist nach meiner Auffassung gleichwohl nützlich, sie sich heute noch einmal in Erinnerung zurückzurufen.
Wir haben ein Scheidungsrecht, in dem die Scheidung nach § 43 des Ehegesetzes nur erfolgen darf, wenn der Scheidungswillige darlegt und beweist, daß der andere sich einer schweren Eheverfehlung schuldig gemacht und dadurch die Ehe zerrüttet hat. Die gerichtliche Praxis sieht dagegen so aus, daß regelmäßig ein ehewidriges Verhalten der Scheidung zugrunde gelegt wird, das nicht Ursache der Zerrüttung, sondern Ausdruck einer bereits eingetretenen Zerrüttung ist. Mit anderen Worten: die eigentlichen Ursachen der Zerrüttung bleiben unberücksichtigt. Aus den Streitigkeiten infolge der Zerrüttung werden je nach den vorhandenen Beweismöglichkeiten mehr oder weniger zufällig und damit mehr oder weniger willkürlich einzelne herausgegriffen und zur Grundlage der Entscheidung gemacht.
Diese gerichtliche Praxis ist nicht zurückzuführen auf ein Fehlverhalten der Gerichte, sondern darauf, daß diese hoffnungslos überfordert sind, wenn man von ihnen die Feststellung der eigentlichen Ursachen für die Zerrüttung einer Ehe verlangt.
Die Zerrüttung einer Ehe ist in der Mehrzahl der Fälle ein lange Zeit währender Prozeß, in dem sich die Beziehungen zwischen den Ehegatten immer mehr verschlechtern, so daß die eheliche Lebensgemeinschaft schließlich zerbricht. Die Gründe für diese Entwicklung sind überaus vielgestaltig; sie liegen nicht nur in schuldhaften Eheverfehlungen. Sie sind auch zu suchen in Anlässen und Umständen, die vom Verhalten der Ehepartner unabhängig, von ihren Lebensumständen und Lebensverhältnissen bestimmt oder gar schicksalbedingt sind. Infolgedessen sind die Eheleute oft selbst nicht in der Lage, alle Zerrüttungsursachen zu erkennen und ihre Gewichtung für die Zerrüttung der Ehe richtig einzuschätzen. Das setzt sie außerstande, dem Gericht eine zutreffende Darstellung über den Gesamtvorgang zu unterbreiten. Noch viel weniger als die Ehegatten vermögen die Gerichte den gesamten zur Zerrüttung führenden Eheverlauf zu rekonstruieren. Das gilt um so mehr, als für ihn in wesentlichen Teilen meist keine Beweise vorliegen. Es ist deshalb zwangsläufig, daß in den Scheidungsprozessen zumeist einzelne Ereignisse aus der letzten Phase des ehelichen Zerwürfnisses herausgegriffen werden, während die tiefer liegenden eigentlichen Ursachen für die ehelichen Schwierigkeiten unbeachtet und unerörtert bleiben.
Wir haben ferner festzustellen, daß das Verschuldensrecht die Gerichte zwingt, sich nicht selten in geradezu halsbrecherischer Weise damit auseinanderzusetzen, ob das Verhalten eines Ehegatten ehewidrig ist, ob es schwer ehewidrig ist und ob das Verschulden des einen erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Dabei werden die Gerichte sehr oft genötigt, in den Intimbereich der Ehe einzu-
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dringen, in einen Bereich, der einer Überprüfung und Bewertung, jedenfalls mit prozessualen Mitteln, nicht zugänglich ist.
Wir haben es weiter mit einem Scheidungsrecht zu tun, das die Ehegatten in eine Situation bringt, in der sie sich gegenseitig möglichst viele und möglichst schwere Eheverfehlungen vorwerfen müssen. Das hat zur Folge, daß das Scheidungsverfahren die Beziehungen zwischen ihnen häufig weiter vergiftet und damit eine faire Auseinandersetzung, insbesondere über die Scheidungsfolgen, beträchtlich behindert. Das führt nicht selten dazu, daß die Interessen und das Wohl der Kinder mißachtet werden und die Kinder Schaden erleiden.
Wir sehen uns schließlich einem Scheidungsrecht gegenüber, das dem Scheidungsunwilligen selbst bei langjähriger Zerrüttung ein so starkes Widerspruchsrecht einräumt, daß er eine Scheidung praktisch verhindern kann. Die Folge ist, daß Eheleute seit 10, 15 oder gar 20 Jahren getrennt leben und der eine Ehegatte längst eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, aus der auch Kinder hervorgegangen sein mögen, daß aber eine Scheidung nicht möglich ist.
Wir haben letztlich ein Scheidungsrecht, das dem Schuldausspruch für die Regelung der Scheidungsfolgen eine unangemessene Bedeutung beimißt. Es ist z. B. ungerecht, dem sozial schwächeren Ehegatten trotz jahrzehntelang gut geführter Ehe wegen einer einmaligen schweren Eheverfehlung nach einer Scheidung jeden Unterhaltsanspruch zu versagen, und zwar selbst dann, wenn er aus der Ehe hervorgegangene Kinder zu versorgen hat.
Noch ungerechter ist es, daß in solchen Fällen keine Geschiedenen-Witwenrenten bzw. bei geschiedenen Beamtenehefrauen kein Unterhaltsbeitrag gewährt wird, obwohl die zur Scheidung führende Eheverfehlung nichts daran ändert, daß die geschiedene Ehefrau durch ihre Leistungen für Haus und Familie in gleicher Weise wie der Mann für die Alterssicherung gesorgt hat. Es ist ferner eine diskriminierende Unterstellung mit Sanktionscharakter, wenn das geltende Recht davon ausgeht, es widerspreche im Zweifel dem Wohl der Kinder, daß das Sorgerecht dem für schuldig erklärten Elternteil übertragen wird.
Lassen Sie mich an Hand eines Beispiels noch einmal verdeutlichen, wie gravierend sich die Mängel des geltenden Rechts auswirken können. Eine Frau, die von ihrem Mann ständig drangsaliert und gedemütigt wird, dafür aber keine Beweise hat — im Zweifel ist eine derartige Beweisnot gegeben —, kann sich diesem Martyrium nicht entziehen, weil sie dann nämlich wegen böswilligen Verlassens schuldig geschieden wird mit der Folge, ohne Unterhalt und ohne Alterssicherung dazustehen. Außerdem läuft sie noch Gefahr, ihre Kinder zu verlieren. Natürlich kann es auch so sein, daß die Sache umgekehrt liegt und die Ehefrau durch ihr Verhalten ein weiteres Zusammenleben unmöglich macht. Würde der Ehemann seine Frau verlassen und infolgedessen geschieden, so bedeutet es für ihn aber
nicht den Verlust seiner Existenzgrundlage und seiner Alterssicherung.
Diese schwerwiegenden Folgen des Schuldausspruchs für das Sorgerecht, den Unterhalt und die Alterssicherung bewirken es, daß die Ehegatten vor Gericht oft nur scheinbar über das „ob" der Scheidung streiten, während sie in Wahrheit beide geschieden werden wollen. Den Scheidungsprozeß führen sie nur — und dann meist mit gesteigerter Verbissenheit —, um eine günstige Ausgangsposition für die Scheidungsfolgeverfahren zu erlangen.
Das geltende Recht, meine Damen und Herren, verkennt die eigentliche Verantwortung, welche die Ehegatten mit der Eheschließung füreinander übernommen haben.
Es gibt die Möglichkeit, sich unter Berufung auf ehezerstörendes Verhalten des anderen Teils gleichsam durch eine außerordentliche Kündigung im Wege der Scheidung bequem aller Verpflichtungen gegenüber dem anderen zu entledigen. Bei der Ehe handelt es sich jedoch nicht um vertragliche oder vertragsähnliche Pflichten, sondern um Verantwortlichkeiten, die sich aus dem gemeinsam angenommenen Status der Ehe und dem gemeinsamen ehelichen Leben ergeben. Diesen Mängeln des geltenden Rechts kann nur durch die Abkehr vom Verschuldens- und den Übergang zum Zerrüttungsprinzip begegnet werden. Ehe und Familie werden nicht geschützt, wenn das rechtliche Band formal aufrechterhalten wird, obwohl die Ehegatten außer ihrem Namen nichts mehr gemeinsam haben.
Eine Ehe soll deshalb zukünftig geschieden werden können, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft objektiv zerbrochen ist und ihre Wiederherstellung nicht erwartet werden kann. Damit wird der von Zufall und Willkür bestimmte und deshalb ungerechte Anknüpfungspunkt des Verschuldens aufgegeben und das Scheidungsrecht auf eine objektive Grundlage gestellt. Es wird ausschließlich darauf abgestellt, worauf es in Wahrheit ankommt, nämlich ob die Eheleute in der Lage sind, dem Sinn und Wesen der Ehe gerecht zu werden, in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben.
Gegen das Zerrüttungsprinzip wird eingewandt, daß es dabei möglich sei, sich einseitig aus der Ehe zu lösen, selbst dann, wenn die Zerrüttung nur auf dem Verhalten des Scheidungswilligen beruhe und der andere Ehegatte an der Ehe festhalten wolle. Dazu ist festzustellen: Der Staat kann es nicht verhindern, daß ein Ehegatte einseitig und ohne einen in der Person des anderen liegenden Grund seine Ehe aufgibt. Der Staat kann es insbesondere nicht verhindern, daß ein Ehegatte von seinem Ehepartner getrennt lebt. Der Gesetzgeber kann nur festlegen, unter welchen Voraussetzungen er eine Scheidung zuläßt. Wer die Scheidung in den soeben angeführten Fällen verweigert, bewirkt, daß Ehegatten auf eine Ehe fixiert bleiben, die nur noch auf dem Papier existiert, daß der aus der Ehe Herausstrebende neue Bindungen nicht legalisieren kann und auch der an der Ehe festhaltende Partner daran gehindert wird, sich ein neues Leben aufzubauen. Die Folgen
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einer endgültigen Scheidungsverweigerung in solchen Fällen sind nicht nur unvereinbar mit Gerechtigkeit und Billigkeit, sie verstoßen meist auch gegen die Grundsätze der Humanität.
Das scheint auch die Opposition nicht zu verkennen. Sie will nämlich in den hier in Rede stehenden Fällen die Scheidung nicht unbegrenzt verweigern, sondern dem anderen Ehegatten gegen die Scheidung nur ein Widerspruchsrecht für die Dauer von drei Jahren geben. Der Unterschied zu unserem Vorschlag besteht darin, daß danach die Scheidung durch Aussetzung nur bis zu einem Jahr hinausgeschoben werden kann und daß das nicht vom Widerspruch des scheidungsunwilligen Ehegatten abhängt, sondern von der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung des Familienrichters. Davon, daß der Familienrichter dem Einzelfall gerechter wird als der befangene Ehepartner, dürfen wir aus gutem Grunde ausgehen, ebenso davon, daß eine einjährige Karenzzeit ausreicht, um dem an sich zur Fortsetzung der Ehe bereiten Ehepartner die Umstellung auf seine neue Lebenssituation zu ermöglichen und um nötigenfalls auch den erforderlichen Abstand zwischen dem etwaigen Unrecht der Ehezerstörung und dem Ausspruch der Scheidung herzustellen. Von einer Verstoßung könnte man nur dann sprechen, wenn die Scheidung ohne eine gerechte und sozial ausgewogene Verteilung der Scheidungsfolgen ausgesprochen würde. Es ist unbestreitbar, daß das neue Scheidungsfolgenrecht eine durchgreifende Verbesserung bringt. Niemand hat bisher dargelegt, daß es gravierende zusätzliche Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
Ich kann daher den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes in aller Eindeutigkeit erklären: Eine Verstoßensscheidung wird es durch das neue Eherecht in unserem Lande nicht geben.
Wir bekunden, meine sehr geehrten Damen und Herrn, denen unseren ausdrücklichen Respekt, für die eine Ehe schlechthin unauflöslich ist. Sie müssen es jedoch verstehen und hinnehmen, daß das staatliche Recht den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe nicht übernehmen kann. Das staatliche Recht muß die Scheidung dann zulassen, wenn ein schwerwiegender Grund dafür gegeben ist. Welcher Grund für eine Scheidung könnte aber schwerer wiegen und beachtlicher sein als der, daß die Ehegatten endgültig und unwiederbringlich außerstande sind, ihr Leben miteinander in ehelicher Lebensgemeinschaft zu führen?
Die Zulässigkeit der Scheidung steht dagegen nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit. Wer das akzeptiert, dürfte eigentlich nicht behaupten, der neue Scheidungsgrund des endgültigen Scheiterns einer Ehe stelle die Ehe auf Lebenszeit in Frage.
Wessen Bedenken, meine sehr geehrten Damen und Herren, darauf beruhen, daß die Vermutung des endgültigen Scheiterns der Ehe bei dreijähriger Trennung unwiderlegbar ausgestaltet ist, der möge bitte folgendes bedenken: Auch wir sind ja zunächst von der Widerlegbarkeit der Vermutung ausgegangen. Wir sind dabei jedoch nicht stehengeblieben und haben über die Auswirkungen einer solchen widerlegbaren Vermutung weiter nachgedacht. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen,
daß eine widerlegbare Vermutung nicht ehefreundliche und eheerhaltende Tendenzen hat, sondern das genaue Gegenteil bewirken würde: Vorzeitige und voreilige Scheidungsklagen würden begünstigt, zwischen den getrennt lebenden Ehegatten würden Kontakte unterbleiben, die in ihrem Interesse, vor allem aber im Interesse der Kinder und letztlich auch zur Ausschöpfung aller Chancen auf Aufrechterhaltung der Ehe, dringend geboten sind. Die widerlegbare Vermutung würde bei dem Ehegatten, der die Scheidung nicht will, die Hoffnung wecken, die Scheidung verhindern und eine Fortsetzung der Ehe erreichen zu können, eine Hoffnung, die sich nachträglich praktisch immer als eine Illusion entpuppen wird. Wir haben den Eindruck, daß sich unsere Kritiker mit diesen Konsequenzen der widerlegbaren Vermutung bisher nicht genügend auseinandergesetzt haben. Wir bitten Sie zu überprüfen, ob Ihre Haltung nicht zu sehr von dogmatischen und prinzipiellen Ansätzen geprägt ist und zu wenig die praktischen Auswirkungen einbezieht.
Wir bitten auch zu sehen, daß wir dem Familiengericht die Möglichkeit geben, das Verfahren von Amts wegen auszusetzen, wenn in kaum vorstellbaren, vielleicht aber doch nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließenden extremen Ausnahmefällen trotz der dreijährigen Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht oder die Aussetzung aus anderen Gründen billig erscheint. Damit haben wir auch solchen Einwendungen Rechnung getragen, die von der Unwiderlegbarkeit der Vermutung eine unangemessene Entscheidungsautomatik und eine zu weit gehende Beschränkung der Möglichkeiten des Scheidungsunwilligen befürchten, sich gegen die Scheidung zur Wehr zu setzen.
Wir weisen letztlich darauf hin, daß die praktische Bedeutung dieser Frage denkbar gering ist und im umgekehrten Verhältnis zu dem Aufwand und dem Engagement steht, mit dem sie diskutiert wird. Wir halten es jedenfalls nicht für gerechtfertigt, die Regelung dieser Einzelfrage zum alleinigen oder hauptsächlichen Kriterium für die Bewertung des zukünftigen Scheidungsrechts, ja sogar der gesamten Eherechtsreform, hochzustilisieren.'
Vor allem aber muß die Behauptung des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken in der Erklärung vom 24. Oktober 1975 zurückgewiesen werden, die Unwiderlegbarkeit der Vermutung habe zur Folge, daß das staatliche Recht nicht mehr vom
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Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit ausgehe. Eine solche Aussage kann nur darauf beruhen, daß die Verfasser dieser Erklärung über die Gründe für unseren Regelungsvorschlag nicht genügend unterrichtet waren. Die Erklärung des Zentralkomitees ist auch insofern bemerkenswert, als in ihr behauptet wird, der Entwurf gefährde den Bestand der Institution Ehe. Es wird deutlich, wie sehr das Zentralkomitee institutionellem Denken verhaftet ist und wie wenig dabei die Rede von den Menschen ist, um die es doch schließlich geht, und von den konkreten Auswirkungen, die dieses Eherechtsreformgesetz für sie hat.
Die Stellungnahme des Arbeitskreises für Eherecht beim Kommissariat der Deutschen Bischöfe vom 10. Oktober 1975 hebt sich von einer derartigen Stellungnahme insofern ab, als in ihr immerhin ausgeführt wird, es seien nicht nur die konkrete Lebensgemeinschaft zweier Ehepartner, sondern darüber hinaus Ehe und Familie als Institution unter den besonderen Schutz des Staates zu stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir dürfen Ehe und Familie nicht nur und auch nicht vorwiegend als eine Institution sehen und darüber den Menschen, sein Glück und sein Leid vergessen oder in den Hintergrund treten lassen. Im Mittelpunkt aller Politik steht der Mensch. Institutionen sind nichts ohne den Menschen. Institutionen sind in dem Maße gut, wie sie dem Menschen dienen. Wer die Ehe als Institution im Auge hat und dabei den Menschen und seine Sehnsucht nach Erfüllung, Glück und Zufriedenheit übersieht oder hintanstellt, der mag zu manchen Dingen fähig sein, ein guter Berater des Gesetzgebers ist er jedenfalls nicht.
Bei der Kritik an dem vorliegenden Gesetzentwurf kommt einerseits immer wieder hoch, daß dadurch die Scheidung erleichtert werde. Andererseits — hier darf ich z. B. auf Äußerungen von Herrn Dr. Lenz und Frau Will-Feld hinweisen — wird vorgebracht, das neue Scheidungsrecht, insbesondere der Versorgungsausgleich, bringe vor allem für die Männer solche zusätzlichen Belastungen mit sich, daß die Scheidung zukünftig schwerer statt leichter werde und — ich zitiere Frau Kollegin Will-Feld jetzt wörtlich — „die Unauflöslichkeit der Ehe durch die ökonomischen Daten wieder eingeführt werde". Dazu ist zu sagen.: Unsere Aufgabe bei einem neuen Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht besteht nicht darin, die Scheidung zu erleichtern oder zu erschweren. Wir müssen ein Gesetz schaffen, das auf die bei einer Scheidung auftauchenden Probleme eine Antwort gibt, eine Antwort, die vor den Postulaten der Gerechtigkeit, der sozialen Ausgewogenheit und der Menschlichkeit Bestand hat. Wir halten es daher für wenig sachdienlich, den vorliegenden Gesetzentwurf mit der Elle „Erleichterung oder Erschwerung der Scheidung" zu messen.
Durch das Unterhaltsrecht und den Versorgungsausgleich entstehen keine negativen Auswirkungen einer Scheidung. Die ohnehin vorhandenen Folgen einer Scheidung werden durch das Gesetz lediglich zwischen den Ehegatten aufgeteilt. Nach geltendem Recht ist diese Lastenverteilung ungerecht, weil sie den sozial Starken begünstigt und den sozial Schwachen benachteiligt. Der vorliegende Gesetzentwurf wird diese Ungerechtigkeit beseitigen und die soziale Symmetrie auch im Scheidungsfolgenrecht herstellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie ich dargelegt habe, wird das neue Eherecht für die Frauen mehr Gleichberechtigung bringen und für Gerechtigkeit und soziale Ausgewogenheit im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht sorgen. Darüber hinaus stärkt das neue Eherecht Ehe und Familie. Indem das Eherecht für mehr Gleichberechtigung in der Ehe sorgt, leistet es einen Beitrag dazu, daß die Ehe als Partnerschaft Gleichberechtigter, Gleichverpflichteter und Gleichwertiger verstanden und gelebt wird. Nur eine partnerschaftliche Ehe kann aber unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen und den absehbaren zukünftigen Entwicklungen Bestand haben.
— Seien Sie doch nicht so ungeduldig, Herr Erhard; es kommt ja noch.
Das neue Eherecht schützt und stärkt die Familie ferner, indem es dafür sorgt, daß Ehen, die nur noch auf dem Papier existieren, nicht länger zeitlich unbegrenzt von Rechts wegen aufrecht erhalten werden müssen. Ein Recht, das Ehen bewahren will, von denen nur noch die leere Hülse des rechtlichen Bandes vorhanden ist, schützt die Ehe nicht, sondern diskriminiert sie.
Es leistet der Bildung nicht legalisierter Lebensgemeinschaften Vorschub und entspricht weder der Menschenwürde noch der Menschlichkeit.
Ein Recht, meine Damen und Herren, das Ehegatten, obwohl ihre Ehe auch aus ihrer Sicht zerstört ist, dazu zwingt, an der Ehe festzuhalten, ja sich an diese Ehe festzuklammern,
weil im Falle einer Scheidung ihr Lebensunterhalt, vor allem aber ihre Altersversorgung nicht gesichert ist, degradiert die Ehe zum bloßen Versorgungsinstitut; es dient der Institution Ehe nicht, es gefährdet, ja es untergräbt sie. Ein Recht, das die gemeinsame Lebensleistung der Ehegatten im Falle der Scheidung nur unter Bedingungen akzeptiert und sie bei Nichtvorliegen dieser Bedingungen ignoriert, relativiert die sich aus der Eheschließung und der gemeinsamen Lebensführung ergebende Verantwortung in einem solchen Maße, daß darin eine Relativierung der Ehe selbst liegt.
Diese für Ehe und Familie schädlichen Wirkungen des geltenden Rechts werden durch das neue Eherecht beseitigt. Darüber hinaus schützt die erstmals vorgesehene besondere Verfahrensgestaltung vor Familiengerichten, insbesondere der Verhandlungs-
und Entscheidungsverbund zwischen Scheidung und Scheidungsfolgen nicht nur die Ehe als solche, sondern auch die Ehegatten selbst, indem vorzeitigen und voreiligen Scheidungen entgegengewirkt wird. Heute ist es so, daß zunächst die Scheidung durch-
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geführt werden muß und erst anschließend in völlig neuen und selbständigen Verfahren vor neuen Richtern die Scheidungsfolgen geregelt werden. Ich habe einmal nachgerechnet, daß mit einer Scheidung in erster Instanz sechs Richter des Landgerichts und vier Richter des Amtsgerichts in sechs Verfahren befaßt sein können. Dieses Durcheinander von Zuständigkeiten und Verfahren wird es nach der Errichtung der Familiengerichte nicht mehr geben. Alle aus dem Scheitern einer Ehe resultierenden Fragen werden zukünftig von einem Richter, dem Familienrichter, entschieden, und zwar nicht in bis zu sechs Verfahren, sondern, soweit das irgend möglich ist, in einem einzigen Verfahren.
Damit wird nicht nur der Arbeitsaufwand verringert, und zwar sowohl auf seiten der Parteien als auch bei der Justiz. Wichtiger ist, daß Zusammenhängendes nicht auseinandergerissen wird, daß eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung eines einheitlichen Lebensvorganges stattfinden kann und sachgerechte Entscheidungen möglich sind. Das gilt um so mehr, als der Familienrichter sich auf die Familiensachen spezialisieren kann, d. h., sich in diesem Rechtsgebiet größere Erfahrung, aber auch tiefere juristische Kenntnisse zu verschaffen vermag.
Die wichtigste Folge des Verhandlungs- und Entscheidungsverbundes — jetzt passen Sie gut auf, Herr Erhardt — ist — darauf hat der Bischof von Osnabrück zu Recht hingewiesen —, daß durch die möglichst gleichzeitige Verhandlung und Entscheidung der Scheidung selbst und der Folgeverfahren jedem Ehegatten vor der Ehescheidung unmißverständlich klar wird, welche Konsequenzen die Scheidung mit sich bringt. Gerade dadurch ist es möglich, voreilige Scheidungen zu verhindern und das Verantwortungsbewußtsein der Ehegatten zu stärken.
— Sie haben eine ungeheure Skepsis, Herr Erhardt, gegenüber der Verantwortungsfähigkeit des Menschen. Wir teilen diese Skepsis nicht.
Auch in diesem Zusammenhang, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist erneut darauf hinzuweisen, daß der Familienrichter das Scheidungsverfahren von Amts wegen, also notfalls auch gegen den Willen des Ehegatten, der geschieden werden will, aussetzen kann, wenn nach seiner Überzeugung Aussicht auf Fortsetzung der Ehe besteht oder die Aussetzung aus anderen Gründen billig erscheint. Mit der Aussetzung soll das Familiengericht den Ehegatten nahelegen, eine Eheberatungsstelle in Anspruch zu nehmen. Auch durch all dies wird erreicht, daß jede Chance zur Aufrechterhaltung und Fortsetzung der Ehe ausgeschöpft werden kann. Die ehefreundliche Tendenz des neuen Eherechts wird damit eindringlich unterstrichen.
Das Eherechtsreformgesetz wird die durch das geltende Recht in Frage gestellte Glaubwürdigkeit des Ehescheidungsverfahrens wiederherstellen. Die Gerichte werden nicht länger genötigt sein, auf Verlangen der Parteien jedes wie auch immer geartete Verhalten von Ehegatten als „ehewidrig" oder „nicht ehewidrig" kategorisieren und in die Privat- und Intimsphäre der Ehe eindringen zu müssen. Die Parteien und die Gerichte brauchen nicht länger das als Ursache einer Ehezerrüttung zu bezeichnen, was in Wahrheit nicht Ursache, sondern Folge einer bereits eingetretenen Zerrüttung ist. Es wird auch nicht mehr vorkommen, daß Eheleute in Kenntnis des Gerichts über die Scheidung streiten müssen, obwohl beide geschieden werden wollen und den Kampf um die Scheidung nur führen wegen der vom Ausgang des Scheidungsverfahrens abhängigen Scheidungsfolgenregelung.
Von besonderer Bedeutung für die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit des gerichtlichen Verfahrens ist es, daß nunmehr endlich die einverständliche Scheidung vom Gesetzgeber anerkannt wird. Parteien und Gerichte müssen zukünftig nicht mehr so tun, als gäbe es sie nicht. Die Gerichte brauchen nicht mehr vorzuspiegeln, das Einverständnis der Parteien sei rechtlich ohne Bedeutung. Die Parteien werden bei Konventionalscheidungen vom Gesetz nicht mehr in die Zwangslage gebracht, entweder sie nicht belastende und damit meist unwichtige sogenannte „Eheverfehlungen" vorzutragen oder überhaupt nicht vorliegende Eheverfehlungen zu fingieren. Die Gerichte brauchen sich nicht länger so zu verhalten, als wüßten sie nicht, welches Scheingefecht sich vor ihnen abspielt. Die Gerichte brauchen vor allem nicht länger bei einer derartigen Farce mitzuspielen. Viele Rechtsuchende, viele Rechtsanwälte und viele Richter haben sich mit Empörung und Widerwillen gegen dieses Spiel mit der Wahrheit vor Gericht gewehrt. Zu Recht: wenn vor Gericht nicht mehr die Wahrheit zählt, sondern Spiegelfechterei, die halbe Wahrheit und statt des Seins der Schein verlangt wird, so werden die Würde des Rechts und der Rechtsstaat preisgegeben.
Wir begrüßen es, meine Damen und Herren, daß die CDU/CSU nach gewissen Startschwierigkeiten, die durchaus verständlich sind, mehrheitlich das Erste Eherechtsreformgesetz, aus welchen Motiven auch immer, in seinen Grundzügen mitträgt. Einigkeit besteht darüber, daß folgende Grundsatzentscheidungen zu treffen sind:
Erstens. Die gesetzliche Fixierung verheirateter Frauen auf die Rolle der Hausfrau wird beseitigt.
Zweitens. Im Ehescheidungsrecht soll das Schuldprinzip durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt werden.
Drittens. Dadurch wird der Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit nicht in Frage gestellt.
Viertens. Eine dreijährige Trennung rechtfertigt die Vermutung, daß die Ehe endgültig gescheitert ist.
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Fünftens. Selbst demjenigen, der die Ehe allein oder mutwillig zerstört hat, darf die Scheidung zeitlich nicht unbegrenzt verweigert werden.
Sechstens. Die Gerichte sollen in Ehescheidungsfragen, soweit das möglich ist, nicht mehr gezwungen werden können, in die Privat- und Intimsphäre der Ehegatten einzudringen.
Siebtens. Übereilten Scheidungen muß entgegengewirkt werden.
Achtens. Die Ehescheidung hebt die sich aus der Ehe ergebende Verantwortung für den Ehepartner in wirtschaftlicher Hinsicht insoweit nicht auf, als dieser infolge der Scheidung nicht in der Lage ist, für seinen angemessenen Lebensunterhalt selbst zu sorgen.
Neuntens. Während der Ehe erworbene Anwartschaften und Aussichten auf Versorgung wegen Alter und Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit sollen wie während der Ehe erworbenes Vermögen als von beiden Ehegatten erarbeitet behandelt und zwischen ihnen zu gleichen Teilen aufgeteilt werden.
Zehntens. Scheidungs- und Scheidungsfolgeverfahren sollen zukünftig von einem Richter, dem Familienrichter, möglichst in einem Verfahren verhandelt und entschieden werden.
Richtig ist, daß die Opposition nicht allen Paragraphen dieses Gesetzentwurfs zustimmt. Der leider noch verbliebene Dissens ist aber erheblich geringer, als das in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Er betrifft im wesentlichen folgende Punkte:
Erstens. Die Opposition will bei einer Scheidung nach dem Grundtatbestand dem Antragsgegner ein bedingtes Widerspruchsrecht gegen die Scheidung einräumen. Die Abweichung vom vorliegenden Gesetzentwurf wird dadurch relativiert, daß dieser Widerspruch einerseits nur in den ersten drei Jahren nach der Trennung geltend gemacht werden kann und andererseits unser Entwurf die Aussetzung des Verfahrens bis zu einem Jahr zuläßt.
Zweitens. Die Opposition will, daß die Vermutung, die Ehe sei bei dreijähriger Trennung gescheitert, widerlegbar sein soll. Das würde am Ergebnis des Scheidungsverfahrens, nämlich daß die Scheidung trotzdem erfolgt, praktisch nichts ändern, weil der Beweis kaum zu führen sein dürfte, daß trotz dreijähriger Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Ehe noch intakt ist.
Drittens. Die Opposition will die Härteklausel erweitern, wird aber nicht in Abrede stellen können, daß ihr Anwendungsbereich gleichwohl so eng bleibt, daß auch insoweit keine wirklich ins Gewicht fallenden praktischen Folgen einträten. Das gilt um so mehr, als auch die Opposition anerkennt, daß der Anwendungsbereich einer ihren Vorstellungen entsprechenden Härteklausel mit zunehmender Dauer der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft immer geringer wird.
Viertens. Im Unterhaltsrecht hält die Opposition einen anderen dogmatischen Ausgangspunkt für richtig. Die Unterschiede, die sich daraus für die Gesetzesanwendung ergeben, muß man mit der Lupe suchen, um sie überhaupt erkennen zu können.
Fünftens. Die Opposition möchte schließlich, daß der Versorgungsausgleich bei Eingehung der Ehe durch übereinstimmende Erklärung der Ehegatten abdingbar sein soll. Wenn man sich überlegt, wie wenig von einer derartigen Möglichkeit Gebrauch gemacht würde, so wird deutlich, daß dieses Änderungsbegehren gleichfalls nur eine geringe praktische Bedeutung hat.
Ich will die zwischen Koalition und Opposition in einzelnen Fragen bestehenden Divergenzen keineswegs herunterspielen. Ich möchte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, jedoch bitten, die zwischen uns und Ihnen bestehenden Differenzen nicht hochzuspielen und sie nicht aufzubauschen.
Wir alle, die Koalition und die Opposition, vor allem aber die Bürger unseres Landes, brauchen in Lebensfragen unseres Staates und unserer Gesellschaft eine Grundübereinstimmung der Demokraten. Gerade für Ehe und Familie ist eine solche Grundübereinstimmung der Demokraten erforderlich.
Diese Grundübereinstimmung ist vorhanden. Sie dürfen nicht den Eindruck erwecken, als sei das nicht der Fall.
Abschließend möchte ich für meine Fraktion allen danken, die geholfen haben, diese Eherechtsreform zustande zu bringen; denen, die sie mit uns initiiert, konzipiert und formuliert haben; denen, die uns ermutigt und angespornt haben; und last not least auch denen, die uns ihre Kritik geschenkt und die mit uns gestritten haben. Sie alle haben einen nicht wegzudenkenden Anteil daran, daß der Deutsche Bundestag heute das erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts beschließen kann.