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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 183. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Josten 12797 B Erklärung der Bundesregierung betr. KSZE Genscher, Bundesminister AA . . . . . 12797 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . . . 12803 C Brandt SPD 12812 B Hoppe FDP 12816 D Stücklen CDU/CSU . . . . . . . . 12819 D Schmidt, Bundeskanzler 12825 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . 12830 B Pawelczyk SPD 12834 B Dr. Bangemann FDP . . . . . . . . 12839 A Oxfort, Bürgermeister von Berlin . . . 12843 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 12845 B Mattick SPD 12850 A Dr. Schröder (Düsseldorf) CDU/CSU . . 12854 A Wehner SPD . . . . . . . . . . 12859 C Strauß CDU/CSU 12862 A Genscher, Bundesminister AA . . . . 12869 D Namentliche Abstimmungen . . . . . 12872 A Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 12875* A Anlage 2 Nichtanwendung des § 48 Absatz 2 BAföG durch einige Hochschulen SchrAnfr B 59 06.06.75 Drs 07/3737 Engholm SPD ErgSchrAntw StSekr Dr. Jochimsen BMBW 12875* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 12797 183. Sitzung Bonn, den 25. Juli 1975 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 181. Sitzung, Seite 12684 D ist statt „Gerstl (Passau) (CDU/CSU) " zu lesen „Gerstl (Passau) (SPD) ". 181. Sitzung, Seite 12726 C: Die Zeile 22 mit den Worten „was nun die Rechtsgrundlage sein soll," ist zu streichen. Einzufügen sind die Worte ,;Rechte dort habe". Vier Zeilen weiter ist hinter dem Wort „soll" ein Komma zu setzen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt für Alber 25. 7. Dr. Bayerl 25. 7. Dr. Böger 25. 7. von Bothmer 25. 7. Breidbach 25. 7. Prof. Dr. Burgbacher 25. 7. Burger 25. 7. Bühling 25. 7. Dürr 25. 7. Dr. Enders 25. 7. Geldner 25. 7. Gerster (Mainz) 25. 7. Gewandt 25. 7. Gierenstein 25. 7. Graaff 25. 7. Haase (Fürth) 25. 7. Dr. Häfele 25.7. Handlos 25. 7. Hölscher 25. 7. Horn 25. 7. Horstmeier 25. 7. Dr. Hupka 25. 7. Hussing 25. 7. Jaunich 25. 7. Kater 25. 7. Dr. Kiesinger 25. 7. Lange 25. 7. Dr. Klepsch 25. 7. Dr. Köhler 25. 7. Krampe 25. 7. Lattmann 25. 7. Leicht 25. 7. Lücker 25. 7. Dr. Luda 25. 7. Lüdemann 25. 7. Prof. Dr. Möller 25. 7. Opitz 25. 7. Pieroth 25. 7. Dr. Riede 25. 7. Rollmann 25. 7. Rommerskirchen 25. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein 25. 7. Prof. Dr. Schäfer (Tübingen) 25. 7. Prof. Dr. Schellenberg 25. 7. Schmidt (Kempten) 25. 7. Dr. Starke 25. 7. Stommel 25. 7. Vogel (Ennepetal) 25. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt für Volmer 25. 7. Walkhoff 25. 7. Dr. Walz 25. 7. Dr. Wex 25. 7. Wischnewski 25. 7. Dr. Wörner 25. 7. Prof. Dr. Zeitel 25. 7. Anlage 2 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Jochimsen auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engholm (SPD) (Drucksache 7/3737 Frage B 59, 178. Sitzung, Seite 12552*, Anlage 75) : Ihr Hinweis auf die ab 1. August 1975 geltende Neufassung des § 48 BAföG dürfte sich vermutlich nicht auf die Absätze 1 und 2, sondern auf Absatz 1, Nrn. 1 und 2 beziehen. Das Rundschreiben des Rektors der Universität Bonn an die Dekane der einzelnen Fakultäten befaßt sich, worauf Sie mit Recht hingewiesen haben, nur mit Absatz 1 Nr. 1. Insoweit gibt das Rundschreiben die in der ab 1. August 1975 geltenden Neufassung des Absatzes 1 Satz 1 enthaltenen beiden Möglichkeiten des Gesetzes zum Eignungsnachweis nicht erschöpfend wieder. Das ist auch die Auffassung des Ministers für Wissenschaft und Forchung des Landes Nordrhein-Westfalen als oberster Landesbehörde für Ausbildungsförderung. Aus der Tatsache, daß das Rundschreiben die neue Rechtslage nicht vollständig wiedergibt, wird man allerdings nicht auf eine beabsichtigte restriktive Handhabung der neuen Vorschriften durch die Universität Bonn und andere Hochschulen schließen können. Um jeden Zweifel auszuschließen, hat der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen den Hochschulen des Landes in einem Runderlaß die dazu von der Bundesregierung nach vorausgegangenen eingehenden Beratungen mit den obersten Landesbehörden beschlossenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 48 Abs. 1 übermittelt und gebeten, beide Alternativen des § 48 Abs. 1 Satz 1 sowie insbesondere Tz 48.1.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu beachten. Die gesamte allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BAföG liegt zur Zeit dem Bundesrat vor, der darüber nach der Sommerpause beraten wird.
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    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute mit der Regierungserklärung des Herrn Bundesaußenministers eingeleitete Debatte über die Abschlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hätte nach ihrem ganzen Verlauf und nach dem Austausch, um nicht zu sagen, der Erschöpfung aller Argumente, deren Subjektivität zum Teil sehr nachhaltig in Erscheinung getreten ist, mit der Rede des damaligen Bundesaußenministers und Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des Bundestages zu Ende gehen können. Ich weiß aber seit der letzten Minute, daß wir alle, wenn sie so abgelaufen wäre, um ein Erlebnis ärmer in die nächsten Ferienwochen gegangen wären.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Es gibt die Sage von der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, nach der die Leichen der Erschlagenen noch im Himmel weitergekämpft hätten. Es gibt das „Ungeheuer von Loch Ness", ,das in besonders schwülen Sommermonaten in den Tagen der „sauren Zitronen" immer wieder in Erscheinung tritt.

    (Zurufe von der SPD: Es gibt Sonthofen! Es gibt Passau!)

    — So wie Herr Wehner gesprochen hat, brauche ich von dem, was ich in Sonthofen in Wirklichkeit gesagt habe, wahrlich nichts zurückzunehmen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie noch dazu das Stichwort „Passau" erwähnen, so müssen Sie sich an Ihren Bundesparteivorsitzenden wenden, dem soeben von einem Gericht Fälschung des Textes bestätigt worden ist.

    (Erneuter Beifall und Zurufe von der CDU/ CSU)

    Aber wir haben trotz der zeitlichen Placierung dieser Debatte in der Mitte der Bundestagsferien keinen Anlaß, diese Aussprache über ein für die Zukunft nicht nur Europas, sondern weitgehend auch der übrigen Welt entscheidendes Thema ins Kabaretthafte oder Dämonische abgleiten zu lassen. Herr Wehner hat allerdings mit Recht wiederum die Gespenster früherer Jahre heraufbeschworen. Es gab eine Dolchstoßlegende nach dem ersten Weltkrieg. Diese Dochstoßlegende habe ich als damals junger Mensch, später als Student der Geschichte und noch später mehr als Mitleidender denn als Mitgestaltender als einen Beitrag zur Vergiftung der deutschen Innenpolitik empfunden, nämlich die Legende von dem im Felde unbesiegten deutschen Heer, dem die verräterische Heimat, u. a. Friedrich Ebert, der damals als Landesverräter bezeichnet wurde, in den Rücken gefallen sei — eine der groben Geschichtsklitterungen, eine der groben Verfälschungen, mit denen das Innenleben der Weimarer Republik bis zur Zerstörung des Konsensus über die demokratischen Gemeinsamkeitswerte vergiftet worden ist.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Dasselbe aber, Herr Wehner, ist die Dolchstoßlegende nach dem zweiten Weltkrieg, nach der durch die Schuld der CDU/CSU und durch die Schuld der Regierung Adenauer die von der Sowjetunion für die Wiedervereinigung Deutschlands ausgestreckte Hand mutwillig oder überheblich zurückgewiesen worden sei.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist, auch wenn sie durch den Mund eines Mannes verbreitet worden ist, der später ein hohes Staatsamt bekleidet hat, nichts anderes als eine vergiftende Dolchstoßlegende, mit der die wahren Verantwortlichkeiten und Schuldverhältnisse in den Augen der Zeit und der Nachwelt verwischt werden sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir alle wissen, wie es zum zweiten Weltkrieg kam. Wir wissen, wie er verlaufen ist, und wir wissen, wie er geendet hat. Wir wissen, daß die Besiegten für den verlorenen Krieg, den sie außerdem noch verschuldet haben, zu zahlen haben. Aber es genügt, diesen Krieg einmal zu verlieren; er muß nicht dauernd immer wieder von neuem verloren werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Wehner hat den Ausflug in die Vergangenheit unternommen. Anscheinend ist das ein Alptraum für ihn,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Ein neurotisches Erlebnis!)

    zu dem es ihn immer wieder hinzieht. Immerhin, es ist durchaus richtig, den historischen, den zeitgeschichtlichen Bezug herzustellen. Aber wenn man bei gründlicher Prüfung der Dokumente, der Reden, der Akten und der Vorgänge, die man selbst miterlebt, mitbeobachtet oder mitgestaltet hat, die Zeitgeschichte verfolgt, gibt es nicht den leisesten Zweifel daran, daß es für die Deutschland- und Europa-



    Strauß
    politik ,der Sowjetunion eine feststehende, seit Kriegsende mit unerhörter Zähigkeit und Beharrlichkeit und mit — nicht zuletzt durch Ihr Verschulden, Herr Brandt — sichtbaren Erfolgen durchgehaltene Konzeption gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist es ja, worunter wir im Westen leiden. Ich bin nicht Praeceptor Germaniae oder Praeceptor Europae, aber als Parlamentarier, der mit einer hohen Mehrheit gewählt ist, habe ich das Recht, meine Meinung zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Ich würde sie auch sagen, wenn ich allein stünde. Aber ich stehe hier nicht allein, weil alle meine Freunde diese Auffassung teilen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und weit darüber hinaus die öffentliche Meinung in unserem Lande, weit darüber hinaus politische und publizistische Kreise im befreundeten Ausland, im uns wohlwollend und neutral gegenüberstehenden Ausland, weil ein Unbehagen im Zusammenhang mit dieser Schlußakte durch Europa geht, ein Unbehagen, das nicht hier von dieser Opposition erfunden worden ist. Die Opposition gibt dem nur Ausdruck, was hier an Sorgen, Beschwerden und Zukunftsbesorgnissen aufzuzählen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie aber den historischen Bezug herstellen, Herr Wehner, gibt es nicht den leisesten Zweifel daran, daß die Sowjetunion — die Frage Osterreich ist hier nur eine Bestätigung, aber keine Widerlegung meiner Ausführungen — in ihrer Deutschlandpolitik eine von Anfang an festgelegte und mit größter Zähigkeit durchgehaltene Konzeption verfolgt hat.
    Wenige Tage nach der Kapitulation Berlins, nach der Einnahme Berlins durch die Rote Armee, ist — sinnigerweise mit einer amerikanischen Leihmaschine, einer DC 3 — Herr Ulbricht eingeflogen worden, um dort in dem von der Sowjetarmee besetzten und in dem später ihnen von den Amerikanern und Engländern noch überlassenem Teil des ehemaligen Reichsgebiets — Mecklenburg, Thüringen und einem großen Teil von Sachsen — die Gesellschaft und den Staat im Sinne sowjetkommunistischer Vorstellungen zwangsweise zu ordnen und zu gestalten.
    In den Außenministerkonferenzen nach dem zweiten Weltkrieg hat Herr Molotow drei Forderungen gestellt. An diesen drei Forderungen sind alle Konferenzen der vier Siegermächte über das Thema, Deutschland als Einheit zu behandeln, gescheitert. Ich darf diese drei Forderungen in kurzer Form, stichwortartig, darstellen:
    Erstens Reparationen in Höhe von 10 Milliarden Dollar; das war damals kein aktuelles Thema; das kann man hier übergehen. Zweitens die Beteiligung der Sowjetunion an der Kontrolle über Rhein und Ruhr. Drittens die Herstellung gleicher, friedliebender und demokratischer Zustände in den drei westlichen Besatzungszonen wie in der sowjetischen Besatzungszone. Das heißt, an diesen drei Forderungen ist die Einheit der Siegermächte zerbrochen. Warum hat denn damals der amerikanische Außenminister Byrnes im Herbst 1946 die aufsehenerregende Rede in Stuttgart gehalten? Warum ist die Moskauer Außenministerkonferenz vom Jahre 1947 geplatzt? — Weil die Sowjetunion ihre Hand nach dem Rhein-und Ruhrrevier ausstrecken wollte und weil sie darüber hinaus die Änderung von Gesellschaft und Staat in den drei westlichen Besatzungszonen im Sinne einer Gleichschaltung an die in ihrer Besatzungszone in der Zwischenzeit herbeigeführten Verhältnisse als Voraussetzungen verlangt hat.
    Wenn man Geschichte zitiert, dann muß man sie genau zitieren, Herr Wehner, und darf nicht wahlweise ein paar Beispiele herausgreifen, die einem für eine vehemente Darstellung des eigenen subjektiven Standpunktes gerade einfallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sind wie ich seit dem 1. September 1949 Abgeordneter in diesem Hohen Hause. Andere Kollegen waren vorher im Parlamentarischen Rat, andere waren vorher im Wirtschaftsrat. Der Wirtschaftsrat war die erste Einrichtung, in der die Menschen zweier Zonen, der amerikanischen und der britischen Zone, zur Lösung aktueller Notprobleme in Form einer parlamentarischen Vertretung zusammenarbeiten durften, die von den Landtagen aufgestellt worden war. Warum kam es überhaupt zur Bildung des Wirtschaftsrats? — Weil die beiden Westmächte der Tatsache gegenüberstanden, daß sich die Sowjetunion weigerte, einen Beschluß der Potsdamer Konferenz, Deutschland als politische und wirtschaftliche Einheit zu behandeln, ihrerseits auch tatsächlich einzuhalten. Denn als Molotow an diesen Beschluß der Potsdamer Konferenz erinnert wurde, stellte er die von mir vorhin genannten drei Bedingungen auf: Deutschland wird nur als wirtschaftliche und politische Einheit behandelt, wenn diese drei Forderungen — Reparationen, worüber man reden kann, Beteiligung der Sowjetunion an der Kontrolle über Rhein und Ruhr und die Änderung von Staat und Gesellschaft im Sinne volksfrontartiger Verhältnisse auch in den drei westlichen Besatzungszonen — erfüllt werden. Weil der Westen hier, auch im wohlverstandenen Interesse des deutschen Volkes, selbstverständlich auch unter egoistischer Wahrung seiner eigenen Interessen — das ist ja sein gutes Recht —, nein gesagt hat, daraus ist die Teilung erwachsen, sind die Probleme entstanden, mit denen wir heute noch ringen und die mit Ihrer Politik immer unlösbarer werden, so schwer sie ohnehin gewesen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dazu eine weitere Bemerkung: Sie haben, Herr Wehner, einen merkwürdigen Mut, aber das haben wir ja bei Ihnen schon mehrfach festgestellt. Wenn Sie an die außen- und deutschlandpolitischen Vorstellungen der SPD in den 50er Jahren anknüpfen und deren Ablehnung durch uns heute zum Gegenstand eines reichlich vehementen, um nicht zu sagen: demagogischen Auftritts machen, so muß ich fragen: Hätten wir denn, Herr Wehner, den Eintritt in die NATO ablehnen sollen?! Sie haben doch später sel-



    Strauß
    ber die NATO als Rahmen und Grundlage unserer Sicherheits- und Außenpolitik bezeichnet. Ich habe Sie einmal einen Wanderer zwischen zwei Welten genannt; da waren Sie sehr beleidigt. Aber mit diesen Ausführungen heute sind Sie wieder zur Vorstellungswelt der SPD der 50er Jahre zurückgekehrt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hätten wir den Deutschlandplan der SPD mit seiner Konföderation unter gleichgewichtiger Besetzung aller Organe annehmen sollen und damit jede Möglichkeit einer westeuropäischen Einheit, jede Möglichkeit einer atlantischen Allianz von Grund auf zerstören sollen? Das war doch damals Ihre Außenpolitik! Sie haben sich doch uns erst später angeschlossen. Daß Sie sich heute auf Verbündete berufen können — ich sage es nur als Fußnote —, verdanken Sie denen, die diese Verbündeten damals gewonnen haben,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    als Sie noch gegen jede Art von Verbündeten gewesen sind.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer hatte denn diese verschrobenen Vorstellungen, daß die Deutschen — obendrein in vier Besatzungszonen geteilt — mit einer Demarkationslinie
    — Eiserner Vorhang — quer durch ihr verkleinertes Land ihre Politik allein, neutral zwischen Ost und West, gestalten könnten? Doch nicht wir! Wir haben die erste große Reform — —

    (Wehner [SPD] : Das ist eine Verleumdung der SPD!)

    — Sie müssen ausgerechnet von Verleumdung reden!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Natürlich!)

    Wir haben die größte Reform in der deutschen Geschichte auf außenpolitischem Gebiet durchgeführt, indem nicht nur im Grundgesetz, sondern dann auch in der politischen Praxis der Ersatz der nationalstaatlichen Idee durch eine übergreifende europäische Ordnungsidee von uns zur Leitschnur unseres Handelns gemacht worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Vorsitz : Vizepräsident Dr. Jaeger)

    Ich werde es — ganz gleich, wie lange ich noch diesem Hause angehöre — leider wohl nicht mehr erleben, daß man endlich mit dem Unfug aufhört, die sowjetischen Noten der Jahre 1952 und 1954 als ein reales Angebot über die Wiedervereinigung unseres Landes auf der Grundlage freier Wahlen zu betrachten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darüber ist hier schon sehr viel gesprochen worden; ich möchte es nicht mehr wiederholen. Aber diese Scheinangebote sind jedesmal erfolgt, wenn wir in der Bundesrepublik nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen — siehe gesamtdeutsche Wahlen unter UNO-Kontrolle — ein weiteres Stück Anschluß und Verbindung mit dem Westen gesucht haben. Um den Westen gegen uns mit Mißtrauen zu erfüllen, uns durch köderhafte Angebote von
    konkreten politischen Entscheidungen abzuhalten, sind diese Noten gekommen, meistens nicht einmal an uns, sondern an die Westmächte,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Jawohl, 1952 nur an die Westmächte!)

    und sie sind dann wieder zurückgezogen worden.
    Warum reden Sie denn nicht davon, daß in der Genfer Konferenz -- es gibt ja einen Geist von Genf — vom Jahre 1955 bei der Zusammenkunft der vier Großen — das war die letzte Gipfelkonferenz dieser Art — diese vier zusammen — ich habe den Wortlaut jetzt nicht hier, aber Sie kennen doch den Inhalt den Beschluß gefaßt haben, Deutschland auf der Grundlage freier Wahlen im Einklang mit seinen nationalen Interessen wiederzuvereinigen? Herr Bulganin und Herr Chruschtschow sind es meiner Erinnerung nach gewesen. Auf dem Heimweg sind sie über Berlin gefahren und haben die aufgebrachten und beunruhigten Machthaber in Ost-Berlin, Ulbricht und Konsorten, beruhigt, sie sollten sich ja nicht etwa beunruhigt fühlen, ja nicht verunsichert fühlen, sie würden diesen Beschluß schon so auslegen, daß ihrem Kind — der DDR, die ja bei freien Wahlen wie ein Kartenhaus eingefallen wäre —,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Heute noch!)

    nichts geschehen würde.
    Und im Herbst hat Herr Molotow, als er an diesen Beschluß erinnert wurde, gesagt „Ne Ponimaju nitschewo" — ich verstehe nichts. Da war es aus damit. Darum sind wir an Mogeletiketten nicht mehr interessiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich — und das ist die Schwierigkeit der Opposition, der CDU/CSU, dessen sind wir uns wohl bewußt — entwickelt die Verpackung einer Konferenz, die unter ganz anderen Vorzeichen konzipiert worden ist, die mit Fernzielen geplant worden ist, unter dem Titel „Sicherheit und Zusammenarbeit" von vornherein eine propagandistische, psychologische, verführerische Werbekraft. Würde man z. B. eine Konferenz zur Vermehrung der Krankheit, zur Ausdehnung des Hungers und zur Herbeiführung eines Krieges veranstalten, sie aber gegenteilig benennen, so würde man immer noch eine gewisse Werbewirkung am Anfang erzielen. Mich interessiert der Titel „Sicherheit und Zusammenarbeit" überhaupt nicht, denn wir verstehen unter Sicherheit Sicherheit und nicht Anerkennung durch gewalttätige Aktionen geschaffener Besitzstände.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wenn wenigstens in diesen Schlußakten wirklich etwas über Sicherheit enthalten wäre! Es geht doch hier nur darum, daß das im Jahre 1945 begonnene, in den 20 Jahren der CDU/CSU-Regierung — einschließlich einer SPD-Beteiligung in den letzten drei Jahren — von uns durchgehaltene, von der Sowjetunion bekämpfte politische Programm der Nichtanerkennung zweier deutscher Staaten endlich aufgegeben werden soll.
    Sie haben in der SPD nach den Vorverhandlungen mit den Kommunisten Italiens, die hinter unserem Rücken in diesen Jahren 1968/69 geführt worden



    Strauß
    sind, die Büchse der Pandora geöffnet. Sie haben den Weg für die Durchsetzung imperialer strategischer Ziele der Sowjetunion freigemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Es ist doch nicht so, daß die Konferenzpartner unter den Methoden und den Zielen der Konferenz etwas Gleichartiges verstanden haben. Das ist heute schon so oft gesagt worden, daß es nicht mehr wiederholt zu werden braucht. Wir, die neun Mächte der EG, die zwei nordamerikanischen Staaten, die demokratischen Staaten Europas, verstehen unter Sicherheit und Zusammenarbeit etwas ganz anderes, als die strategischen Planer des Kreml darunter verstehen. Es ist zwar heute unpopulär und vielleicht sogar gefährlich, so etwas zu sagen, aber es muß in einem freien Parlament noch gesagt werden dürfen, auch gegenüber psychologischem oder akustischem Terror oder publizistischer Verfolgung, der man dann ausgesetzt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und Zurufe von der SPD)

    Diese KSZE und ihre Schlußakte sind gleichzeitig Ende einer politischen Entwicklung und werden Auftakt für eine neue, aber in der gleichen Richtung weiter geplante politische Entwicklung werden.
    Ich verkenne nicht, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister, daß aus dem sowjetischen Plan — europäische Sicherheitskonferenz und europäisches Sicherheitssystem in der KSZE — nichts geworden ist. Das habe ich nie bestritten. Die Sowjets haben mit ihren Ideen einer europäischen Sicherheitskonferenz und eines europäischen kollektiven Sicherheitssystems sozusagen den Gesamtplan auf den Tisch gelegt. Wenn man sich heute fragt, wie diese KSZE einzuordnen ist, so bedeutet sie nicht die Erfüllung des Gesamtplanes, nicht zuletzt dank dem Zusammenhalt der neun EG-Mächte, mit gewissen Verdiensten der Bundesregierung — ich sage das auch öffentlich, nicht nur hier —, und nicht zuletzt auch dank dem Verhalten der beiden nordamerikanischen Partner. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, in welche Richtung der Weg führt, der mit dieser KSZE um ein Stück verlängert worden ist. „Ein Schritt auf dem richtigen Wege." Aber für wen ein Schritt auf dem richtigen Wege?
    Man soll doch mit dem Aberglauben aufhören, daß die Sowjetunion, mit der wir gute Zusammenarbeit wünschen, aber auf der Basis ehrlicher, klarer, durchsichtiger Formulierungen und nicht doppeldeutiger Phraseologien, etwa die Verfolgung ihrer machtpolitischen Ziele imperialer Expansion und weltrevolutionärer Durchsetzung nunmehr aufgegeben habe. Diese KSZE ist in unseren Augen ein Instrument des Friedens, der Sicherheit, der Zusammenarbeit — oder soll es jedenfalls sein —, in den Augen der Sowjetunion ist es ein Stück Ringen um die Macht in Europa als dem vorrangigen Ziele, das wir nun einmal auf Grund unseres wirtschaftlichen Potentials und unserer geographischen Lage darstellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU Zurufe von der SPD)

    — Ich möchte Ihnen darauf antworten. Es ist schon
    einige Zeit her, und vielleicht haben Sie nicht mehr persönlich in Erinnerung, was weder Ihre Schuld noch ein Verdienst ist, daß wir — die Gruppe kann man nicht genau definieren, es gab solche im Inland und im Ausland — am 1. Oktober 1938 in dem allgemeinen Freudentaumel in der Welt über das Münchner Abkommen tief deprimiert, tief erschüttert und tief verzagt waren. Wer damals das Münchner Abkommen abgelehnt hat, wer damals den Mut hatte, als Alleingänger — wie es einige Parlamentarier in europäischen Parlamenten, in England und Frankreich gab — das Münchner Abkommen nicht als ein Werk des Friedens, sondern als ein Instrument der Hitlerschen Machtpolitik zu bezeichnen, der stand damals genauso allein, wie wir heute dastehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe und Lachen bei der SPD)

    Wer damals zum Münchner Abkommen nein sagte, war im günstigsten Fall noch ein Querulant, das war ein Störenfried, das war ein Feind der Entspannung, das war ein Kriegshetzer. Man sprach vom hundertjährigen Frieden, der in Europa gesichert sei. Meine Damen und Herren, ich denke nicht in den Kategorien, daß die KSZE etwa ein Büchsenöffner für den dritten Weltkrieg sei. So primitiv beurteilen mich höchstens die, die es sind und mich nicht kennen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Die KSZE ist nicht der Büchsenöffner zum dritten Weltkrieg, aber die KSZE und ihre Schlußakte helfen, einen Vorhang über die wirklichen Veränderungen der Sicherheitslage in der Welt zu ziehen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    ein trügerisches Gefühl zu vermitteln, das eines Tages zu einem bösen Erwachen führen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In einem Zeitalter, in dem es für Nachrichtentechnik, Verkehrstechnik und Zerstörungstechnik — im Blick auf die Zerstörungstechnik kann man nur sagen: Gott sei's geklagt — leider keine Grenzen mehr gibt, was unübersehbare psychologische und politische Folgen hat, gibt es eine spezifische europäische Sicherheit nicht mehr. Wohl ist eines richtig, nämlich daß — darüber streiten wir uns doch nicht — vom Boden Europas aus kein weiterer Krieg, weder ein Weltkrieg noch überhaupt ein Krieg, mehr hervorgehen darf. Dafür haben wir ja gearbeitet. Das ist ja der Sinn der europäischen Einigung. Das war ja die Zielsetzung der atlantischen Allianz. Es war doch unsere Arbeit im Rahmen dieser beiden großen Organisationen, den Frieden in Europa mit handfesten und zuverlässigen Methoden und nicht mit doppeldeutigen Formulierungen und bunt schillernden Lampions der Zukunftsverheißung zu sichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir heute die Sicherheitslage in der Welt beurteilen, dürfen wir doch nicht die Augen vor einigen Tatsachen verschließen. Herr Carstens hat dies heute schon gesagt. Wir dürfen doch nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, daß der Friede über eine große Zahl von Jahren hinweg in Europa selbst am allerwenigsten — mit und ohne KSZE — gefährdet war. Die Sowjetunion verfolgt



    Strauß
    ihre Ziele jetzt mit anderen Mitteln, allerdings bleibt die Zielsetzung die gleiche; siehe die neue Strategie des Herrn Ponomarew. Der Friede ist woanders gefährdet, und dort vollziehen sich die Verschiebungen im Machtgleichgewicht der Welt, aber alle in einer Richtung. Am Ende werden die Europäer merken, daß sie den Zug der Geschichte versäumt haben. Sie können ihn nur einholen, wenn sie sich politisch und militärisch innerhalb ganz weniger Jahre einigen. Nur dann werden sie in den Fragen, die über ihr Leben entscheiden werden, am Ende dieses Jahrhunderts noch etwas mitzureden haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich nehme zu dem Streit zwischen Israel auf der einen Seite und den arabischen Ländern auf der anderen Seite nicht Stellung. Ein doppelzüngiges Verhalten habe ich allerdings nie für richtig gehalten. Daß dieser Streit, in dem bekanntlich nie eine Partei allein recht hat, die Europäer an ihrer Südflanke aber immer an die Grenze eines heißen Krieges bringt, der wie ein Funke auf sie überspringen kann, ist doch in erster Linie den jahrelangen riesigen Rüstungslieferungen der Sowjetunion in diese Zone zuzuschreiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn die Arbeit in Genf so gut gewesen wäre wie die auf dem Wiener Kongreß, hätte man in Genf genauso tanzen dürfen, wie man es beim Wiener Kongreß getan hat. Damals kam wenigstens noch ein handfestes Werk von Diplomaten heraus.

    (Zuruf von der SPD: Na, na!)

    — Ja, beim Wiener Kongreß war das so. Ich gebe Ihnen gern Nachhilfeunterricht, aber dafür ist dieses Gremium hier zu kostbar.

    (Zurufe von der SPD)

    Während die Diplomaten in Genf Tonnen von Papier beschrieben, Hunderte von Redestunden verbracht haben — man kann allerdings sagen, daß die Menge der Papiere in umgekehrtem Verhältnis zum wirklichen Ergebnis dieser Konferenz im Sinne der in der Überschrift ausgewiesenen Ziele steht — —

    (Konrad [SPD] : Wie bei Ihrer Rede zum Inhalt!)

    — Sie müssen mit dem Kopf denken und nicht mit dem Kehlkopf!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Während die Diplomaten in Genf Tonnen von Papier beschrieben haben, hat doch einer der Hauptpartner in Genf, der an dem Abschluß dieser Konferenz und auch an einer zeitlichen Festlegung noch vor dem 1. August ein geradezu dramatisches Interesse bewiesen hat, an einer Reihe von Krisenherden der Weltpolitik durch sein Verhalten Veränderungen der bestehenden Machtverhältnisse, eine Verschärfung der Kriegsgefahr und nicht zuletzt auch blutige Auseinandersetzungen herbeigeführt. Ich rede einmal vom Nahen Osten. Die Problematik ist Ihnen bekannt. Wie steht es denn in Vietnam? In Vietnam hat sich in diesem Jahre ein ungeheures Drama zugetragen. Ich hatte über die amerikanische Vietnampolitik immer meine eigene Meinung. Ich weiß, daß ich da eine allergische Nervenkonzentration der SPD treffe, denn Herr Leber kann zwar seine Meinung über Vietnam in der FAZ veröffentlichen, weil sie ein liberales Blatt ist, im „Vorwärts" käme er damit nicht zu Wort.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte hier auch nicht ironisch die Äußerungen des Bundeskanzlers, der damals als Praeceptor Americae in den USA eine dramatische Rede gehalten und die Amerikaner abgekanzelt hat, wie sie sich in Vietnam richtig verhalten sollten, noch einmal in ,die Erinnerung zurückrufen. Daß aber der Zusammenbruch der amerikanischen Machtposition einerseits und andererseits dieses ungeheure Elend mit seinen blutigen Massakern von unübersehbarem Ausmaß überhaupt hat stattfinden können, das ist die Handschrift der Sowjetunion und die Folge ihrer Waffenlieferungen in diese Gebiete zur gleichen Zeit, wo in Genf verhandelt worden ist. Hier hat sich doch auf der Welt eine Verschiebung der Machtverhältnisse zugetragen, die wir Europäer mit unserem oft kontinental beschränkten Blick in ihrer Dramatik leider nicht voll wahrzunehmen vermögen oder nur schwer wahrnehmen können.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ja, man kann mit Leuten nur über Literatur reden, wenn sie das Alphabet beherrschen. Das ist meine Schwierigkeit Ihnen gegenüber.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Erneute Zurufe von der SPD)

    Ich darf aus einem im Juni dieses Jahres in der „Neuen Zürcher Zeitung" erschienenen Artikel wenige Sätze zitieren. Da heißt es:
    Auf Glückwünsche aus Moskau antwortend, haben die nordvietnamesischen Staatsmänner . . .
    — hier sind die Namen aufgeführt —
    erklärt, der kommunistische Sieg in Südvietnam sei nicht zu trennen von der gewaltigen Hilfe und Unterstützung durch die kommunistische Partei, die Regierung und das Volk der Sowjetunion sowie andere sozialistische Staaten. Diese nominellen Machthaber im Süden zeigen sich überzeugt, daß der Kreml auch in Zukunft mit Hilfe und Rückhalt fortfahren werde.
    Das hat doch erst begonnen. Wie steht es denn mit Laos und Kambodscha? Wie wird es mit Thailand kommen, mit Burma? Was wird die Zukunft Koreas sein? Ist auch dort die Lösung im Sinne von Vietnam in absehbarer Zukunft zu erwarten? So, wie sich die Machtverhältnisse in der anderen Hemisphäre der Welt verschieben, so verändert sich auch die Sicherheitslage der Europäer. Wir müssen ja blind sein, wenn wir an dieses Gespinst von Sicherheitsphrasen glauben und nicht sehen, wie sich die Weltlage in diesen letzten Monaten in dramatischer Weise verändert und verschlechtert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Über Portugal ist heute mit Recht viel gesprochen worden, anscheinend weniger in Genf. Herr Kollege Carstens hat schon auf einen Vorgang hingewiesen, dessen Dramatik und Bedeutung richtig einzuschätzen man sich hier schwertut, und das sind die Vorgänge in Angola. Man kann sagen: Was geht uns Europäer Angola an? Angola ist nicht nur ein großes afrikanisches Land mit ungeheuren Rohstoffvor-



    Strauß
    räten. Es hat 1 000 Kilometer Küste am Atlantischen Ozean. Die Frage, wer dieses Land in Zukunft haben wird, ob es eine freie Entwicklung der afrikanischen Freiheitsbewegungen geben wird

    (Zuruf von der SPD)

    oder ob es zum Sieg einer von Moskau gesteuerten und von dort mit Waffen und Munition versorgten Freiheitsbewegung kommt, wird für unsere Sicherheit in Europa bedeutsamer sein als all das, was in Genf geschrieben und gesagt worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei mir ist vor einigen Tagen der Führer einer Freiheitsbewegung gewesen, von dem man — —

    (Zuruf von der SPD: Führer!)

    — Lachen Sie doch nicht! Das ist doch wirklich unter dem Niveau dieses Hauses, mit so dämlichen Zwischenrufen ein ernstes Thema gebührend würdigen zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Sie kennen den Namen. Ich habe die Informationen bekommen, die notwendig waren, um die Entwicklung dort einigermaßen zutreffend beurteilen zu können.

    (Zurufe von der SPD)

    Sicherlich gibt es bei Ihnen auch eine Reihe von solchen, die darüber informiert sind.
    Von den drei schwarzen Freiheitsbewegungen ist eine, die MPLA unter der Führung von Neto, Sitz in Brazzaville, Kongo, diejenige, die im Bunde mit den heutigen kommunistischen Machthabern in Lissabon, auch mit Herrn Gonçalves und der Rolle, die er wirklich spielt, und im Bunde mit der Sowjetunion bis zum 11. November dieses Jahres, wenn die portugiesischen Truppen abziehen, das fait accompli einer moskauhörigen afrikanischen Kolonie schaffen wollen. Mir sagte der Vorsitzende dieser Freiheitsbewegung, mit dem einer Ihrer führenden Politiker gut bekannt bis befreundet ist, mit Tränen in den Augen: „Ich habe nicht 15 Jahre gegen die Kolonialherrschaft der Portugiesen gekämpft, um jetzt in einem blutigen Bürgerkrieg hinnehmen zu müssen, daß aus diesem Lande eine sowjetrussische Kolonie wird." Das sind die Vorgänge, wie sie sich dort vollziehen.
    Und was wird mit der Zukunft Jugoslawiens, wenn dort die Führung dieses Staates aus den heutigen Händen abgegeben werden muß? Das sind, um nur Stichworte zu nennen, die wirklichen Fragen der europäischen Sicherheit und nicht diese Aneinanderreihung.

    (Behrendt [SPD] : Mao! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Sie würden nicht so laut schreien, wenn Sie a) etwas davon verstünden und b) kein schlechtes Gewissen hätten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie können mich ruhig mit dem Namen Mao anrufen. Ich habe, wie Sie mir ja immer kritisch vorgehalten haben, seit Jahren die Auffassung vertreten, daß eine sämtliche Zusammenhänge der Weltpolitik erfassende deutsche Politik, die nur in bestimmtem Rahmen — europäischem Rahmen, atlantischem Rahmen — unter Berücksichtigung unserer
    geographischen Mittelstellung konzipiert sein kann, nicht in Moskau aufhören darf, sondern auch die Volksrepublik China einschließen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Meinung habe ich immer vertreten. Wenn die Breschnew-Pilger sich ausgerechnet darüber mokieren, daß Politiker der CDU und CSU sich mit dem Nachbarn der Sowjetunion unterhalten, so ist das entweder Ignoranz in höchster Stufe oder Heuchelei in vollkommenster Perfektion.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich interessiert uns die Frage, welche Politik und welche politischen Vorstellungen eine Großmacht hat, die über 800 Millionen Menschen und einen riesigen Raum verfügt und die der östliche Nachbar unserer östlichen Nachbarn ist. Sich darum nicht zu kümmern, wäre doch kurzsichtigste Verblendung. Das heißt noch lange nicht, daß man deshalb ideologische Gemeinsamkeiten hat.

    (Lachen bei der SPD)

    Von mir wird die chinesische Presse nicht schreiben, daß ich „in die Entspannungsstrategie Pekings einbezogen" worden bin, wie es Herrn Brandt mit Breschnew jüngst in seinem Parteiorgan „Vorwärts" geschehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Brandt [SPD])

    Und wenn ich an Ihre Rolle in Moskau denke, an das Angebot einer außenpolitischen Zusammenarbeit zwischen der KPdSU und der SPD, dann muß ich fragen: Was muß denn eigentlich noch passieren, bis man erkennt, daß diese SPD sich grundlegend gewandelt hat, bis man erkennt, daß sie hier das sowjetische taktische Instrument einer Verbrüderung mit gewissen sozialistischen Parteien, bis diese überflüssig werden — —

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehrenberg [SPD] : Das darf doch nicht wahr sein! — Pfui-Rufe bei der SPD — Zuruf von der SPD: Aufhören! — Gegenrufe von der CDU/ CSU)

    Wie war es denn in Portugal?

    (Zuruf von der SPD: Verleumder!)

    Welche Rolle hat denn dort Herr Soares gespielt, bis er auf einmal merkte, wohin die Reise ging, und hat er nicht noch am Tage vor den italienischen Wahlen in Italien zur Unterstützung der Volksfrontpolitik erklärt, daß die italienischen Kommunisten nicht so gefährlich seien wie die portugiesischen Kommunisten?
    Herr Brandt, Sie werden nicht nach Ihren Absichten beurteilt — ob ich diese richtig kenne, weiß ich nicht —; Sie werden nach der Rolle beurteilt, die Sie in Wirklichkeit spielen, und den Ergebnissen, die mit dieser Rolle verbunden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Ich weiß, Sie vertragen die Wahrheit nicht. Sie reden dann von „Hetze".

    (Anhaltende Zurufe von der SPD Dr. Marx [CDU/CSU] : Da ist offenbar der Nerv getroffen bei diesen Leuten!)




    Strauß
    Ich bin das von Versammlungen gewohnt, wo Ihre Hilfstruppen operieren.

    (Schinzel [SPD] : Sie sollten bei der Wahrheit bleiben!)

    Aber immerhin, im „Vorwärts" stand über Ihre Moskau-Reise, Herr Brandt:
    Die Sozialdemokraten werden damit in die Koexistenzpolitik des Kreml mit einbezogen, um eine möglichst breite Basis in Europa zu schaffen und um das kommunistisch-sozialdemokratische Lager gegenüber China zu festigen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    In bezug auf die SPD hofft der Kreml wohl außerdem, sie durch ihren Vorsitzenden Willy Brandt als Motor in der Ostpolitik benutzen zu können.
    Sie sagen mit Recht: Das ist die Darstellung des Kremls, was habe ich damit zu tun? Wenn aber der Kreml diese Darstellung geben kann, müssen Sie durch Ihre Politik und Ihre Verhaltensweisen und Ihre Geheimabsprachen zu dieser Sprachregelung Anlaß geboten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Unruhe bei der SPD)

    Und es hieß ja doch in der gleichen Zeitung:

    (Zuruf von der SPD: Fahren Sie zurück nach Sonthofen!)

    Die Union versichert zwar, sie wolle die Verträge achten, doch nur in der Auslegung des Verfassungsgerichtsurteils zum Grundvertrag und der schrecklichen Bundestagsresolution vom Frühjahr 1972.

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    Sehen Sie, das ist doch der Verbalschwindel, den wir mit unserem Nein bekämpft haben und auch jetzt bekämpfen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben doch erklärt, die Anrufung des Verfassungsgerichts sei überflüssig, denn Sie würden das Urteil und seine Begründung als Grundlage Ihrer Politik betrachten. Einer Ihrer Jubelredner, Herr Brandt — wir kennen ihn vom Fernsehen —, Herr Peter Bender, schreibt doch hier, daß das Urteil des Verfassungsgerichts und die „schreckliche Bundestagsresolution" die Verträge praktisch aufheben würden. Und genau dasselbe Spiel, genau dasselbe Doppelspiel begegnet uns wieder in der Auslegung der Formulierungen der KSZE.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie, Herr Wehner, haben hier in einer gekonnten, Weise mit einer gut zurechtgemachten Erregung darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung ja auch bei früheren Verträgen Auslegungsschwierigkeiten nicht habe vermeiden können. Auslegungsschwierigkeiten bei Verträgen, Fehlbeurteilungen durch Politiker und Beamte wird es immer geben. Man wird sogar bei Verträgen mit Verbündeten oder mit einem Staat, dessen Gesellschaftsordnung mit der unseren in ihrer liberalen Gesamtstruktur übereinstimmt, immer wieder Auslegungsschwierigkeiten haben; ich habe in meiner Amtspraxis unzählige Fälle dieser Art erlebt.

    (Zurufe von der SPD)

    Das ist aber nicht das Thema!

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Das Thema ist, ob der Dissens, die Doppeldeutung, die gegensätzliche Auslegung schon als Mittel der Vertragsformulierung vorsätzlich auf beiden Seiten benutzt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie werden fragen: Wie kommen Sie denn zu diesen Verleumdungen? Aber wir haben doch vor dem Moskauer Vertrag, vor dem Warschauer Vertrag, vor dem Grundlagenvertrag und auch jetzt vor dem Abschluß der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa den Anschauungsunterricht erlebt, daß man einerseits sagte, diese Verträge seinen keine völkerrechtliche Anerkennung eines zweiten deutschen Staates, aber gleichzeitig eine Politik getrieben hat, die zu einer völkerrechtlichen Anerkennung durch alle Staaten der Welt mit Ausnahme der Bundesrepublik geführt hat. Wenn Sie von Isolierung reden, könnte ich Ihnen sagen: Sie haben sich selbst isoliert; der einzige Staat, der die DDR völkerrechtlich nicht anerkannt hat — Gott sei Dank, wir sind ja nicht für die Anerkennung —, ist jetzt die Bundesrepublik Deutschland. Daß aber der Rest der Welt sie anerkannt hat, ist das Verdienst Ihrer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In Moskau hat man doch von vornherein erklärt, was man unter diesen Verträgen versteht. Es ist doch nicht so, daß Sie etwa nach dem Vertragsabschluß auf einmal überrascht, harmlos, edelmütig darauf hingewiesen worden wären, wie arglistig die Formulierungen anders ausgelegt werden können. Nein, das haben Sie gewollt und von Anfang an in Ihre Formulierungsüberlegungen einbezogen, um zu einem trügerischen Abschluß zu kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist es, was wir meinen, wenn wir hier in unserer Entschließung von „neuem Konfliktstoff" reden. Sie leben doch auch hier auf Pump, genauso wie Sie in Ihrer Staatswirtschaft mehr und mehr auf Pump leben.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe aus der Fülle der gegebenen Probleme nur einige herausgreifen können. Fehlentwicklungen in der Innenpolitik — über die wir bei anderer Gelegenheit oft geredet haben und noch zu reden haben werden, nicht zuletzt im Zusammenhang mit den finanziellen und wirtschaftlichen Problemen — können, wenn auch unter großen Opfern, Entbehrungen, Einschränkungen und Anstrengungen, im allgemeinen wieder in Ordnung gebracht werden. Fehlentwicklungen in der Außenpolitik erhalten eine Eigengesetzlichkeit, so daß der Urheber nicht mehr in der Lage ist, die tatsächliche Entwicklung unter Kontrolle zu behalten. Wir wissen natürlich, Herr Wehner, daß wir Ihnen etwas zumuten, was Sie nicht tun können — oder: Herr Bundeskanzler —, wenn wir Sie auffordern, diese Dokumente nicht zu unterzeichnen.



    Strauß
    Sie ziehen damit nur die Konsequenzen aus einer Fehlentwicklung, die Sie eingeleitet haben und der Sie jetzt nicht entrinnen können. Wer A sagt, muß auch B sagen, und wie das Z aussehen wird, wenn auf diesem Wege weitergeschritten würde, das können wir uns vorstellen. Und dazu ist diese Opposition ja da; nicht, um als Zustimmungsverein in holder trauter Gemeinsamkeit mit allen anderen oder auch mit unseren Partnern und neutralen Nachbarn in Gemeinsamkeit den falschen Weg zu gehen. Sicherlich ist es gut gewesen, daß die Neun der EG zusammengehalten haben. Aber Gemeinsamkeit allein ist doch noch nicht ein politischer Erfolg. Wenn die Truppe den Marsch ohne Ausfälle überstanden hat, muß man nachher fragen, ob der Marsch notwendig war und ob er in die richtige Richtung unternommen worden ist. Dieser Marsch ist nicht in die richtige Richtung unternommen worden.

    (Zurufe von der SPD)

    Sie würden dann sagen: „Sie wollten überhaupt keine Verträge." O doch! Man kann sich in der Politik die Hände nicht aussuchen, die man schütteln muß. Man kann sich die Partner nicht aussuchen. Es ist einfach eine Fabel oder eine Lüge, zu behaupten, daß CDU und CSU keine Verhandlungen mit kommunistischen Mächten wollten und zu Vertragsabschlüssen mit Ihnen nicht bereit seien. Das wird draußen im Lande immer wieder zur Irreführung der .öffentlichen Meinung behauptet. Erstens sind solche Verträge zustande gekommen; ich brauche sie hier nicht aufzuzählen. Zweitens wird jede CDU/CSU-Regierung zu solchen Verhandlungen und zum Abschluß von Verträgen bereit und imstande sein. Auch darüber gibt es nicht den leisesten Zweifel. Wir leben doch auf dieser Welt. Wir sind doch keine Träumer. Wir geben uns doch keinen Illusionen hin. Wir können doch den Partner richtig einschätzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Wenn Herr Schmidt die Frage stellt: „Was würden Sie auf dem Rheindampfer am nächsten Sonntag bei dieser KSZE-Vorfeier dem Herrn Ford und dem Herrn Wilson und dem Herrn Giscard d'Estaing denn sagen, wenn Sie an unserer Stelle wären?" — Nun, aus d e m Anlaß wären die nie zu uns gekommen, wenn wir an der Regierung geblieben wären.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber natürlich hätte das andere Verhandlungsmethoden, hätte das Klarheit über die Ziele der anderen Seite und hätte das dieselbe eisenharte Zähigkeit erfordert, mit der die Sowjetunion um die Durchsetzung ihrer politischen Ziele in Europa kämpft.
    Immer wieder hören wir, wir seien Schwarzseher, wir unterrichteten das Volk falsch, wiegelten es auf, wir beurteilten den Partner falsch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, strapazieren Sie Ihre Phantasie so ehrlich, wie man in der Lage ist, es zu tun. Wenn Ihnen im Jahre 1949/50, als die Politik der Bundesregierung und der Bundesrepublik begann, jemand gesagt hätte, daß die damals erhobenen Forderungen der Sowjetunion auf völkerrechtliche Anerkennung der DDR, auf Durchsetzung ihres Besitzstandes mit internationaler Verbriefung eines Tages, und zwar durch die deutsche Sozialdemokratie, ermöglicht würden, — Sie hätten damals, wenn ein Unionspolitiker das behauptet hätte, ihn als Verleumder und als Demagogen und als Lügner bezeichnet. Und heute ist es soweit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sagen nicht nein zu diesem oder jenem Inhalt der Dokumente; wir sagen zu der Systematik, zu der Konzeption, zu der eingebauten Konsequenz dieses Vertragswerks nein, weil mit derselben Sicherheit, mit der in 25 Jahren die Sowjetunion ein Ziel erreicht hat, das damals, vor 25 Jahren, utopisch schien, sie die nächste Etappe erreichen wird. Und die nächste Etappe beginnt nach der KSZE, mit der Tagung der europäischen kommunistischen Parteien, mit der Tagung der KPdSU, mit der anschließenden Tagung der weltkommunistischen Parteien. Dann wird die nächste strategische Etappe abgesteckt. Und da wären allerdings eine Bundesregierung und ihre parlamentarische Mehrheit sehr gut beraten, wenn sie der Opposition ihr Nein honorieren würden. Denn dieses Nein ist für Sie, so lange Sie an der Regierung sind —

    (Lachen bei der SPD)

    Gott sei es geklagt! —, wertvoller als das ganze entspannungspolitische Gerede, mit dem Sie nur das Volk getäuscht,

    (Pfui-Rufe von der SPD)

    die andere Seite ermutigt und die Bundesgenossen auf die falsche Bahn gebracht haben.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß am Ende der Beratung zwei namentliche Abstimmungen durchgeführt werden.
Das Wort als vorläufig letzter Redner hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte ist es geboten, noch einmal die Argumente zu werten, die hier vorgebracht worden sind. Herr Kollege Mertes hat gesagt, es gehe um einen Streit über den Weg und nicht über die Ziele. Ich muß namens der Bundesregierung feststellen: Die Opposition hat uns mitgeteilt, daß unser Weg untauglich sei, aber sie hat es versäumt, zu zeigen, welchen Weg sie beschreiten würde.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie meine Damen und Herren, haben uns beschuldigt, die Interessen der Nation nicht wahrgenommen zu haben, aber Sie haben nicht gesagt, auf welchem Wege Sie die Not der geteilten Nation lindern wollen. Diese Antwort sind Sie schuldig geblieben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)




    Bundesminister Genscher
    Herr Kollege Strauß hat gesagt, wenn die Union jetzt regierte, stünde jedenfalls eines fest: Dann würden die Gäste, die wir in diesen Tagen in der Bundesrepublik Deutschland haben, aus diesem Grunde nicht kommen. Ich fürchte, meine Damen und Herren, wenn wir heute Ihrem Votum folgten und in Helsinki nicht unterzeichneten, wären wir bald so isoliert, daß sie gar nicht mehr zu uns kommen würden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich will der Versuchung widerstehen, nach einmal in den Streit über die Entwicklung in den 50er Jahren einzutreten. Ich meine nur, meine Damen und Herren: Bei ernster Würdigung der Entwicklung sollten wir uns in einem Punkte einig sein: Die Zeit bis zum Bau der Mauer, dem schrecklichsten Einschnitt in der Geschichte unseres Volkes, hat nicht für, sondern gegen uns gearbeitet. Das ist eine historische Tatsache.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Erlauben Sie mir nun, daß ich mich mit den Argumenten auseinandersetze, die die Opposition zur Begründung ihrer Auffassung vorgebracht hat.
    Erstens. Sie hat gemeint, wir hätten die deutschen Interessen nicht wahrgenommen. Was mußten die deutschen Interessen sein, die wir wahrzunehmen hatten? Die Offenhaltung der deutschen Frage. Und niemand, meine Damen und Herren, wird bestreiten, daß mit der Aufnahme der friedlichen Veränderbarkeit der Grenzen die deutsche Frage nicht nur einseitig offengehalten ist, sondern daß dafür erstmalig die Unterschrift aller europäischen Staaten erreicht werden wird. Ich halte das für einen Erfolg.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Zweitens. Wir mußten die Interessen Berlins wahrnehmen. Es ist unbestritten — Herr Kollege Marx hat das heute bestätigt —, daß das, was als Ergebnis der Konferenz erreicht werden soll, für Berlin gilt.
    Drittens. Es ging darum, daß das Bündnis nicht belastet und unsere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten nicht geschwächt wird. Das ist nicht nur vermieden worden, sondern die Position — ich wiederhole es — der Vereinigten Staaten ist gestärkt.
    Schließlich ging es darum, den Weg zur europäischen Einigung offenzuhalten. Das ist geschehen.
    Der französische Außenminister hat sich heute zu diesen Fragen erklärt, und er hat gesagt, Befürchtungen, die Sowjetunion könne durch die Ergebnisse der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ihren Einfluß auf Westeuropa verstärken, müßten als vollkommen unrealistisch zurückgewiesen werden. Er hat hinzugefügt, die Vier-Mächte-
    Rechte für Berlin seien auch in der Schlußakte garantiert. Außerdem werde eine mögliche friedliche Änderung der Grenzen sichergestellt. Er erklärte wörtlich: Wir haben alles, was wir wollten. — Ich denke, wir sollten das Ergebnis nicht geringer würdigen als der Außenminister einer befreundeten Regierung.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Mertes hat heute, wie andere Redner, über die Besonderheit der deutschen Lage gesprochen, und er hat
    gemeint, er fühle sich einsam wegen der besonderen deutschen Position. Herr Kollege Mertes, der heute hier kritisch apostrophierte englische Außenminister z. B. hat mir gestern zusammen mit dem Premierminister einen Beweis gegeben, daß genau das falsch ist. Als wir gestern mit dem englischen Regierungschef und dem Außenminister zusammensaßen, haben sie uns gefragt, was notwendig sei, was gut sei für die deutschen Belange, daß man es erwähnen könne in der Rede, die der englische Premierminister als erster Redner in Helsinki halten wird. Meine Damen und Herren, entwerten wir nicht das Verhältnis zu unseren Verbündeten! Sie sehen die deutsche Frage nicht als lästige Frage, sondern als eigenes Problem an.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und der SPD)

    Treten wir hier nicht in eine Schelte der Verbündeten ein; wir könnten sonst bald einsam sein.
    Ich wiederhole noch einmal: Die besondere deutsche Beziehung zu dieser Konferenz ist eine andere. Sie ist, daß ein geteiltes Volk das größte Interesse an jedem Versuch der Entspannung, an jeder Chance der Entspannung hat, und deshalb wollten wir sie wahrnehmen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es ist gesprochen worden über die Unverbindlichkeit der Aussagen in Korb 3 zu den humanitären Fragen. Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nicht ersparen, daß ich einmal zitiere, was Herr Kollege Mattick schon zitiert hat, nämlich die Erklärung Ihres eigenen Fraktionskollegen von Hassel, der gesagt hat:
    Der Verhandlungserfolg der nichtkommunistischen Parteien ist, daß in diesem Dokument Ziele angesprochen sind und für wichtig erklärt werden, die früher tabu waren: freie Bewegung, mehr menschliche Kontake auch auf individueller und privater Ebene, also nicht nur im Kollektiv. Wenn die Sowjetunion und ihre Freunde dieses Grundsatzbekenntnis unterschreiben werden, dann könnte das zum Abbau der Spannungen beitragen.
    Und dann fordern Sie, das müsse auch realisiert werden. In dieser Forderung, Herr Kollege von Hassel, sind wir einig, aber wir sind mit Ihnen auch darin einig, daß man eben diese Chance nicht auslassen darf, und Ihre Fraktion täte gut daran, sich auf den Boden dieser Ihrer Erklärung zu stellen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ein Argument, meine Damen und Herren, das man sicher nicht gering einschätzen sollte, ist die Erklärung, daß viele Begriffe verwendet werden — auch in diesen Dokumenten wie in anderen Verträgen nicht nur mit uns, wie auch in der Charta der Vereinten Nationen —, die unterschiedliche Begriffsinhalte für uns und für kommunistische Staaten haben. Nur, Herr Kollege Mertes, dann müssen Sie sich die Gegenfrage gefallen lassen, ob Sie so lange vertragliche Beziehungen zurückstellen wollen, bis Kommunisten unter bestimmten Begriffen dasselbe verstehen wie wir.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das habe ich doch beantwortet, Herr Minister!)




    Bundesminister Genscher
    Ich fürchte, dann werden Sie niemals zu vertraglichen Regelungen kommen können.
    Man kann natürlich Klarheit auf eine ganz andere, auf eine ganz besondere Weise schaffen; Herr Kollege Wehner hat das heute schon erwähnt. Sehen Sie, da ist der Kollege Mattick gefragt worden, ob er denn einmal ein Abkommen aus Ihrer Zeit nennen könne, bei dem Unklarheiten aufgetreten seien. Er hätte drei Beispiele nennen können, und da muß man sehen, ob es dort Unklarheiten gibt: das Handelsabkommen von 1958, das Konsularabkommen von 1958 und das Kulturabkommen von 1959, drei Abkommen, die Sie geschlossen haben in einer Zeit, in der Sie hier in Bonn allein regiert haben. Meine Damen und Herren, hierzu kann ich Ihnen sagen: In der Berlin-Frage haben diese Abkommen keine Unklarheit gebracht. Es war eine düstere Klarheit, die Klarheit nämlich, daß diese Abkommen keine Einbeziehung Berlins in die Verträge enthalten haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Schwabe [SPD] : So ist 'es!)

    Ich denke, daß wir auf diese Art der Klarheit verzichten können.
    Wenn sich die Opposition oder, ich muß in diesem Zusammenhang sagen: die CDU bei ihrer Entscheidung heute an eigenen Beschlüssen messen lassen will, dann muß es erlaubt sein, den Beschluß des letzten Bundesparteitages der CDU heranzuziehen. Dort heißt es:
    Der Bundesparteitag fordert die Bundesregierung auf, die Verhandlungen der KSZE erst abzuschließen, wenn unzweideutig klargestellt ist,
    1. daß die Prinzipien der Achtung der Menschenrechte und des Rechts auf Selbstbestimmung keinen geringeren Rang als andere Prinzipien des Konferenzkatalogs haben,
    — diese Gleichstellung ist da —2. daß die Ergebnisse der Konferenz auch indirekt kein neues europäisches Völkerrecht schaffen.
    Meine Damen und Herren, das ist bestätigt. Drittens heißt es, daß die Forderung nach Wiederherstellung der deutschen Einheit nicht als Anschlag gewertet werden könne. — Das ist durch die friedliche Veränderbarkeit der Grenzen bestätigt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Na, na! Das würde ich aber nicht sagen!)

    Sinngemäß wird weiter gefordert: Die Konferenztexte dürfen keine friedensvertragliche Regelungen vorwegnehmen. — Das ist unbestritten nicht der Fall.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Nachher kommen wir noch einmal auf die friedliche Grenzänderung zurück!)

    Sie dürfen keine Rechtsgrundlagen für bestehende Grenzen und Demarkationslinien schaffen. — Wo wäre das der Fall? Die geltenden Verträge dürfen in keiner Weise berührt werden.
    Dann: Die Viermächteverantwortung für Deutschland als ganzes und für ganz Berlin muß unangetastet bleiben. — Sie ist nicht angetastet worden. — Die Konferenzergebnisse müssen für Berlin gelten. — Das ist erreicht. — Die europäische Einigung darf nicht behindert werden. -- Meine Damen und Herren, wenn Sie Ihre Parteitagsentschließung zum Maßstab Ihrer heutigen Entscheidung machen, dann müßten Sie den Ergebnissen der Konferenz zustimmen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Marx [CDU/CSU] : Jetzt können wir die ganze Debatte noch einmal beginnen!)

    Für uns ging es darum, die deutsche Frage offenzuhalten, unsere Ziele nicht zu beeinträchtigen. Für uns ging es darum, die Chance zu eröffnen, in der Entspannung einen Schritt voranzukommen. Wir sind der Meinung: beides ist erreicht. Die Debatte, die wir heute geführt haben, hat diese unsere Auffassung nicht beeinflußt. Die Debatte, die wir heute geführt haben, hat uns in unserer Auffassung bestätigt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)