Rede:
ID0718304400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Dr.: 1
    8. Strauß.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 183. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Josten 12797 B Erklärung der Bundesregierung betr. KSZE Genscher, Bundesminister AA . . . . . 12797 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . . . 12803 C Brandt SPD 12812 B Hoppe FDP 12816 D Stücklen CDU/CSU . . . . . . . . 12819 D Schmidt, Bundeskanzler 12825 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . 12830 B Pawelczyk SPD 12834 B Dr. Bangemann FDP . . . . . . . . 12839 A Oxfort, Bürgermeister von Berlin . . . 12843 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 12845 B Mattick SPD 12850 A Dr. Schröder (Düsseldorf) CDU/CSU . . 12854 A Wehner SPD . . . . . . . . . . 12859 C Strauß CDU/CSU 12862 A Genscher, Bundesminister AA . . . . 12869 D Namentliche Abstimmungen . . . . . 12872 A Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 12875* A Anlage 2 Nichtanwendung des § 48 Absatz 2 BAföG durch einige Hochschulen SchrAnfr B 59 06.06.75 Drs 07/3737 Engholm SPD ErgSchrAntw StSekr Dr. Jochimsen BMBW 12875* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 12797 183. Sitzung Bonn, den 25. Juli 1975 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 181. Sitzung, Seite 12684 D ist statt „Gerstl (Passau) (CDU/CSU) " zu lesen „Gerstl (Passau) (SPD) ". 181. Sitzung, Seite 12726 C: Die Zeile 22 mit den Worten „was nun die Rechtsgrundlage sein soll," ist zu streichen. Einzufügen sind die Worte ,;Rechte dort habe". Vier Zeilen weiter ist hinter dem Wort „soll" ein Komma zu setzen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt für Alber 25. 7. Dr. Bayerl 25. 7. Dr. Böger 25. 7. von Bothmer 25. 7. Breidbach 25. 7. Prof. Dr. Burgbacher 25. 7. Burger 25. 7. Bühling 25. 7. Dürr 25. 7. Dr. Enders 25. 7. Geldner 25. 7. Gerster (Mainz) 25. 7. Gewandt 25. 7. Gierenstein 25. 7. Graaff 25. 7. Haase (Fürth) 25. 7. Dr. Häfele 25.7. Handlos 25. 7. Hölscher 25. 7. Horn 25. 7. Horstmeier 25. 7. Dr. Hupka 25. 7. Hussing 25. 7. Jaunich 25. 7. Kater 25. 7. Dr. Kiesinger 25. 7. Lange 25. 7. Dr. Klepsch 25. 7. Dr. Köhler 25. 7. Krampe 25. 7. Lattmann 25. 7. Leicht 25. 7. Lücker 25. 7. Dr. Luda 25. 7. Lüdemann 25. 7. Prof. Dr. Möller 25. 7. Opitz 25. 7. Pieroth 25. 7. Dr. Riede 25. 7. Rollmann 25. 7. Rommerskirchen 25. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein 25. 7. Prof. Dr. Schäfer (Tübingen) 25. 7. Prof. Dr. Schellenberg 25. 7. Schmidt (Kempten) 25. 7. Dr. Starke 25. 7. Stommel 25. 7. Vogel (Ennepetal) 25. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt für Volmer 25. 7. Walkhoff 25. 7. Dr. Walz 25. 7. Dr. Wex 25. 7. Wischnewski 25. 7. Dr. Wörner 25. 7. Prof. Dr. Zeitel 25. 7. Anlage 2 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Jochimsen auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engholm (SPD) (Drucksache 7/3737 Frage B 59, 178. Sitzung, Seite 12552*, Anlage 75) : Ihr Hinweis auf die ab 1. August 1975 geltende Neufassung des § 48 BAföG dürfte sich vermutlich nicht auf die Absätze 1 und 2, sondern auf Absatz 1, Nrn. 1 und 2 beziehen. Das Rundschreiben des Rektors der Universität Bonn an die Dekane der einzelnen Fakultäten befaßt sich, worauf Sie mit Recht hingewiesen haben, nur mit Absatz 1 Nr. 1. Insoweit gibt das Rundschreiben die in der ab 1. August 1975 geltenden Neufassung des Absatzes 1 Satz 1 enthaltenen beiden Möglichkeiten des Gesetzes zum Eignungsnachweis nicht erschöpfend wieder. Das ist auch die Auffassung des Ministers für Wissenschaft und Forchung des Landes Nordrhein-Westfalen als oberster Landesbehörde für Ausbildungsförderung. Aus der Tatsache, daß das Rundschreiben die neue Rechtslage nicht vollständig wiedergibt, wird man allerdings nicht auf eine beabsichtigte restriktive Handhabung der neuen Vorschriften durch die Universität Bonn und andere Hochschulen schließen können. Um jeden Zweifel auszuschließen, hat der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen den Hochschulen des Landes in einem Runderlaß die dazu von der Bundesregierung nach vorausgegangenen eingehenden Beratungen mit den obersten Landesbehörden beschlossenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 48 Abs. 1 übermittelt und gebeten, beide Alternativen des § 48 Abs. 1 Satz 1 sowie insbesondere Tz 48.1.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu beachten. Die gesamte allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BAföG liegt zur Zeit dem Bundesrat vor, der darüber nach der Sommerpause beraten wird.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeit ist weit fortgeschritten, und wenn man auch dazu verführt sein könnte, ein Resümee dieses Für und Wider zu ziehen, so wird man sich dessen auch nach diesem letzten Versuch des Herrn Dr. Schröder, noch einmal zu punktieren, was wirkliche Entspannung sei, wohl enthalten.
    Die Opposition ist hier angetreten mit dem Satz „Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Schlußdokumente der KSZE nicht zu unterzeichnen" — Punkt, und dann folgt eine seitenlange Begründung.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Eine Seite!)

    Das ist also Ihr Satz, und über den soll heute hier abgestimmt werden. Es ist klar, daß wir den in aller Eindeutigkeit ablehnen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Heute morgen ist hier schon mit großer Deutlichkeit und überzeugend dargelegt worden, wohin es führt, wenn man Ihrer Doppelrolle versuchen wollte zu folgen, die darin besteht, daß Sie einerseits als „Warner" auftreten auch gegenüber dem ganzen Westen, weil Sie sagen: „Wir sind ja die einzigen, die wissen, was ein Volk schon leiden muß",

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    und andereseits als der eigentliche „Wahrer" des Westens. Sie sind der Wahrer des Westens und haben den Stein des Weisen.

    (Weitere anhaltende Zurufe)

    Sie müssen sich über Ihre eigene Lage noch selber klarwerden. Da können wir Ihnen nicht helfen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sie verfälschen die Aussage Ihrer Kollegen!)

    Es ist Ihre Sache, sich untereinander durch ein System, wenn nicht anders, von kommunizierenden Röhren allmählich abzuklären.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Heute morgen ist hier gesagt worden, was das eigentlich für eine Unverfrorenheit in unseren kritischen Augen bedeutet, daß unter den Punkten, die als Kennzeichnung der maßgeblichen Inhalte des Schlußdokuments der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa aufgestellt wurden, auch jener tolle Satz steht, jene Wertung, „daß diese Dokumente einer weltweiten Täuschung über die wahre Sicherheitslage in der Welt dienen."

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Dazu ist alles Erforderliche gesagt worden. Nun sage ich Ihnen nur noch etwas umgekehrt. Sie täuschen sich selber. Sie täuschen sich selber auch über Ihre Lage und über Ihre Möglichkeiten. Da haben Sie rundherum Täuschungen; Täuschungen, die Sie denen vorwerfen, die unterzeichnen werden. Hier hat der Bundeskanzler mit Recht gesagt, wer die alles sind. Dagegen sind doch die noch so wortreichen Zeitungszitate — einige der besonders defti-



    Wehner
    gen, aus dem Bayernkurier nämlich, haben Sie, Herr Stücklen, aus angeborener Bescheidenheit gar nicht erst vorgelegt — Tinnef, verglichen mit dem, daß dort die Vertreter der Regierungen antreten und etwas unterschreiben, weil das ein Schritt nach vorn ist.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Was zu beweisen wäre!)

    — Das wird durch die Ereignisse bewiesen, verehrter Herr, und Sie werden Kommentator der Ereignisse bleiben. Glauben Sie mir das! Sie werden sie nicht gestalten. Sie, der nichts anderes kann als Fragen zu stellen.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Nur möchte ich Ihnen folgendes sagen. Was immer Sie von dem halten, das sich 1969 mit der Bildung der Regierung Brandt/Scheel auf dem Gebiet, über das wir hier im wesentlichen reden, vollzogen hat: das Wesentliche war, daß damals ein Schritt getan worden ist, um die Beiträge der Bundesrepublik Deutschland — und zwar reale Beiträge der Bundesrepublik Deutschland — zu einer Politik der Friedenssicherung zu leisten statt der Friedensdeklamationen und -deklarationen, an denen es nie gefehlt hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich nehme das Ihnen völlig ab. Sie glauben das wirklich. Sie sind so, Sie schillern so. Heute sagen Sie: „Hätte man doch die Sache mit der Wiener Konferenz für Truppenherabsetzung und Rüstungsbegrenzung" und so weiter und so weiter.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Ausgewogene!)

    — Natürlich. Der Beckmesser soll zu seinem Recht kommen. Etwas anderes sind Sie ja nicht als ein Beckmesser. Hans Sachs hätte Sie in seine Mannschaft aufgenommen.

    (Heiterkeit bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Besser als Herbert Wehner und seine Mannschaft!)

    Sie sagen, wie wichtig das wäre, wie wichtig überhaupt Abrüstung wäre. Aber Sie haben ja in den nächsten Wochen Zeit, genauso wie wir Zeit haben. Gucken Sie mal nach — Sie haben in so vielen Protokollen herumgeschnüffelt —; gucken Sie mal nach, wie negativ Sie, als Sie in der Regierungsführung waren, jeden konstruktiven Anspruch und Versuch der Sozialdemokraten, bundesrepublikanisch-deutsche Abrüstungskonferenzinitiativen einzuleiten, abgelehnt haben. Das ist eine ganze Serie. Sie hatten damals dafür ideologische Begründungen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das stimmt ja gar nicht!)

    Wenn ich sie wirklich ernstnehmen dürfte, dann würde sich herausstellen, daß Sie sich auch über Ihre eigene Lage in der Vergangenheit fortgesetzt getäuscht haben.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wie sieht das denn in Wirklichkeit aus? Sie haben in den 50er Jahren jede Aufforderung der Sozialdemokratischen Partei in diesem Hause zu gewissen Initiativen in den Fragen, die man später sehr geschäftsmäßig Deutschlandpolitik genannt hat, nämlich Schritte zu tun, die die weitere Trennung und Teilung Deutschlands hätten verringern können, soweit es in unseren und in den Kräften derer lag, die die Verantwortung für Deutschland als Ganzes haben und damals schon hatten, kalt, hochmütig, höhnisch zurückgewiesen und erklärt, daß das gar nicht in Frage komme. Sie haben deutlich gemacht, worauf es ankomme, sei die „Integration Westeuropas"; damals ging es um die Sechs.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben doch eine Zeit gehabt, in der von diesem Platze aus gesagt worden ist, warum man einen Vorschlag zu Friedensvertragsverhandlungen im Jahre 1952 nicht einmal zum Gegenstand von Verhandlungen machen lassen werde,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    nämlich weil das nur Betrug sein könne und weil, wenn die Russen damals schon einen solchen Vorschlag gemacht hätten, sie in ein paar Jahren einen noch viel besseren machen würden. Die Geschichte dieser Jahrzehnte ist eine Geschichte auch Ihrer eigenen Irrtümer.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn es etwas Versöhnliches gibt, meine Damen und Herren, ist es doch nicht das, daß man sich hinterher noch die eine oder andere Rosine aus diesem Geschichtskuchen herausholt.
    Es ist heute mit Recht, wenn auch nur von unserer Seite und leider nie von Ihrer Seite, an die dreißig Jahre seit dem zweiten Weltkrieg erinnert worden. Wir alle stehen in dem Bann, daß Deutschland als Folge dieses Krieges und der Kontroversen zwischen den Siegermächten aufgetrennt und geteilt worden ist. Wenn wir aber über die Etappen reden, müssen wir alle in uns gehen, meine Damen und Herren.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn Sie glauben, es reichte, daß Sie dann irgend etwas herausholten, möchte ich Ihnen entgegnen: Der erste Vorschlag 1952, überhaupt einmal in Friedensvertragsverhandlungen einzutreten, ist von Ihnen als nicht einmal erwägungswürdig und nicht reif für den Verhandlungstisch zurückgewiesen worden.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    So fing es an!
    Sie haben doch, meine Damen und Herren, westeuropäische Integration falsch verstanden. Sie meinten, mit einer Addition von Stärken könnte man die andere Seite schließlich nötigen, in das, was Sie die Lösung der deutschen Frage nennen, nämlich die Wiedervereinigung, friedlich und freiheitlich, einzuwilligen. Auch das war ein Irrtum von Ihnen.



    Wehner
    In den 60er Jahren, meine Damen und Herren — um das nächste Jahrzehnt zu nehmen —, wollten Sie nicht einmal die unbestreitbar notwendigen Änderungen in dem vornehmen, was sich in den 50er Jahren entwickelt und fehlentwickelt hatte. Sie lehnten damals höhnisch und hochmütig unseren Vorschlag ab, den ich vor 15 Jahren in diesem Hause vortrug, eine Bestandsaufnahme zu machen, in uns zu gehen und zu prüfen, wie wir erreichen könnten, daß die Lage im geteilten Deutschland nicht durch einseitige Veränderungen verhängnisvoll verschlimmert werden könnte.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Das war ein Jahr, einen Monat und eine Woche vor der Errichtung der Mauer, meine Damen und Herren. Damals haben Sie darüber gefeixt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zu Beginn der 70er Jahre, im darauffolgenden Jahrzehnt, haben wir um die Verträge gerungen.

    (Zurufe von der CDU)

    Ich weiß nicht, ob ich Herrn Dr. Schröder falsch verstanden habe — das kann auch einmal vorkommen, obwohl man sich lange genug kennt —: Er hat hier erwähnt, daß in den Augen Breschnews Willy Brandt der Mann sei, ohne den es nicht zu den Verträgen gekommen wäre, von denen dann die Rede ist. Das kann ja wohl kein Vorwurf sein.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Eine Feststellung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ach! Ja, dann richten Sie bitte den Vorwurf gegen den Europäischen Rat, in dessen Erklärung über die KSZE steht:
    Die Verbesserung der Beziehungen zwischen den Staaten in Europa, die vor allem durch den Abschluß des Viermächteabkommens über Berlin und des Vertrags zwischen den beiden deutschen Staaten gefördert worden ist, hat die Einberufung der Konferenz ermöglicht.
    Das heißt, hier werden das Viermächteabkommen über Berlin und die Verträge zwischen den beiden deutschen Staaten sowie die weiteren Verträge, die dann noch an einer anderen Stelle genannt werden, deutlich gemacht als Voraussetzung für diese Konferenz, die von dem Rat der Neun ja nicht nur gebilligt, sondern gewollt wird und gewollt worden ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn dann dort steht, daß dieser selbe Europäische Rat der Ansicht ist, „daß der Inhalt der Schlußakte einen Schritt auf dem Weg der Entspannung darstellt, dessen wirkliche Bedeutung aber erst beurteilt werden kann, wenn erkennbar wird, wie alle erneut bekräftigten Grundsätze und vereinbarten Maßnahmen durch die einzelnen Teilnehmerstaaten in die Tat umgesetzt werden", so ist das ja, sowohl was die Voraussetzungen betrifft als was die Folgerungen betrifft, rundherum eindeutig. Und so kann man doch nicht mit etwas süffisantem Unterton sagen: Na ja, der Herr Breschnew, für den ist der Herr Brandt der wichtige Mann, weil es ohne den die Verträge nicht gegeben hätte! — Das sagen Sie
    bitte auch denen, die hier als Europäischer Rat der Neun diese Feststellung über die historische Rolle unserer Verträge niedergeschrieben haben!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nun noch eine Bemerkung zu Ihrer eigenen Vortrefflichkeit, meine Damen und Herren. Da ist hier wiederholt gesagt worden, daß Sie in der Zeit unter CDU-Regierungsführung nie Verträge abgeschlossen hätten mit jener Seite, die die Ursache in sich gehabt hätten — —

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Die mehrdeutig waren!)

    — ja, die mehrdeutig waren — Sie helfen mir glücklicherweise —, Verträge, die keinerlei Auslegungsschwierigkeiten zur Folge gehabt hätten. Nun, hier sitzt und eben hat gesprochen der seinerzeitige Außenminister Schröder. Wie war das mit dem Schiffahrts- und Konsularabkommen, als hier der Kollege Birrenbach als Berichterstatter des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten erklärte
    — nachzulesen im Plenarprotokoll —, daß uns versichert worden ist, auf Drängen vor allen Dingen der damaligen Opposition im Auswärtigen Ausschuß, daß alle Dinge, Berlin und die Berliner betreffend, geklärt seien und daß es da keine Schwierigkeiten gebe. Kurz darauf stellte sich heraus, daß das alles nicht stimmte? Das, was als Voraussetzung für die Ratifikation und den dazugehörigen Beschluß unseres Deutschen Bundestages zum Schiffahrts- und Konsularabkommen uns dargestellt worden war, amtlich, regierungsamtlich, das war falsch. Ich nehme zur Entlastung der Regierung an, es war ihr — — Schütteln Sie doch nicht Ihr Haupt! Es war vielleicht ein Irrtum.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das stimmt doch alles nicht, was Sie sagen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Das ist doch nachweisbar. Das ist genauso nachweisbar wie ,die Beteiligung mancher Dienste an manchen unsauberen Geschäften.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

    Das ist ein sehr einfacher Fall. Ich habe viele Monate von dem damaligen Staatssekretär Lahr verlangt, er solle sich dafür entschuldigen, daß er damals lapidar gesagt hat, es sei doch wohl nicht zuviel verlangt von den Berlinern, daß sie einen Zettel in ihren Ausweis legen lassen. Damit war die Sache abgetan für die damaligen Herren unter Herrn Schröder und für seine Staatssekretäre. Wir konnten und damit nicht zufriedengeben.
    Es gibt doch eine ganze Reihe solcher Fälle, meine Damen und Herren. Nur, hat das denn Sinn, hier darüber herumzureden, indem Sie so tun, als hätten Sie alles immer auf trefflichste und unter Inanspruchnahme aller Fähigkeiten prüfend zustande gebracht? Sie sind vielseitig. Sie sind auf der einen Seite diejenigen, die den in sein Unheil marschierenden Westen glauben warnen zu müssen, von hoher Warte aus. Sie sind zugleich auch der Westen in seiner besten Inkarnation.

    (Maucher [CDU/CSU]: Sie sind mehrseitig!)




    Wehner
    — Ja, ja, das sind Sie auch: in Ihrem eigenen Denken.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Herr Wehner, mäßigen Sie sich etwas!)

    Heute morgen ist ein Zitat gebracht worden, das nicht untergehen, sondern am Schluß noch einmal hervorgehoben werden sollte, wenn auch nicht so pompös, wie es sich wohl eigentlich gehörte. In einem ,der Wochenblätter, die Ihnen zuzuschreiben sind, war von der „Unzuverlässigkeit von Jalta bis Helsinki" die Rede. So schillern Sie.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Und was steht im „Vorwärts" ?)

    — Im „Vorwärts" steht manches Komische. (Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU) Aber so etwas Stumpfsinniges steht selbst dort nicht.

    (Heiterkeit — Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe und ironischer Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Strauß.

(Zurufe von der SPD — Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute mit der Regierungserklärung des Herrn Bundesaußenministers eingeleitete Debatte über die Abschlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hätte nach ihrem ganzen Verlauf und nach dem Austausch, um nicht zu sagen, der Erschöpfung aller Argumente, deren Subjektivität zum Teil sehr nachhaltig in Erscheinung getreten ist, mit der Rede des damaligen Bundesaußenministers und Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des Bundestages zu Ende gehen können. Ich weiß aber seit der letzten Minute, daß wir alle, wenn sie so abgelaufen wäre, um ein Erlebnis ärmer in die nächsten Ferienwochen gegangen wären.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Es gibt die Sage von der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, nach der die Leichen der Erschlagenen noch im Himmel weitergekämpft hätten. Es gibt das „Ungeheuer von Loch Ness", ,das in besonders schwülen Sommermonaten in den Tagen der „sauren Zitronen" immer wieder in Erscheinung tritt.

    (Zurufe von der SPD: Es gibt Sonthofen! Es gibt Passau!)

    — So wie Herr Wehner gesprochen hat, brauche ich von dem, was ich in Sonthofen in Wirklichkeit gesagt habe, wahrlich nichts zurückzunehmen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie noch dazu das Stichwort „Passau" erwähnen, so müssen Sie sich an Ihren Bundesparteivorsitzenden wenden, dem soeben von einem Gericht Fälschung des Textes bestätigt worden ist.

    (Erneuter Beifall und Zurufe von der CDU/ CSU)

    Aber wir haben trotz der zeitlichen Placierung dieser Debatte in der Mitte der Bundestagsferien keinen Anlaß, diese Aussprache über ein für die Zukunft nicht nur Europas, sondern weitgehend auch der übrigen Welt entscheidendes Thema ins Kabaretthafte oder Dämonische abgleiten zu lassen. Herr Wehner hat allerdings mit Recht wiederum die Gespenster früherer Jahre heraufbeschworen. Es gab eine Dolchstoßlegende nach dem ersten Weltkrieg. Diese Dochstoßlegende habe ich als damals junger Mensch, später als Student der Geschichte und noch später mehr als Mitleidender denn als Mitgestaltender als einen Beitrag zur Vergiftung der deutschen Innenpolitik empfunden, nämlich die Legende von dem im Felde unbesiegten deutschen Heer, dem die verräterische Heimat, u. a. Friedrich Ebert, der damals als Landesverräter bezeichnet wurde, in den Rücken gefallen sei — eine der groben Geschichtsklitterungen, eine der groben Verfälschungen, mit denen das Innenleben der Weimarer Republik bis zur Zerstörung des Konsensus über die demokratischen Gemeinsamkeitswerte vergiftet worden ist.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Dasselbe aber, Herr Wehner, ist die Dolchstoßlegende nach dem zweiten Weltkrieg, nach der durch die Schuld der CDU/CSU und durch die Schuld der Regierung Adenauer die von der Sowjetunion für die Wiedervereinigung Deutschlands ausgestreckte Hand mutwillig oder überheblich zurückgewiesen worden sei.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist, auch wenn sie durch den Mund eines Mannes verbreitet worden ist, der später ein hohes Staatsamt bekleidet hat, nichts anderes als eine vergiftende Dolchstoßlegende, mit der die wahren Verantwortlichkeiten und Schuldverhältnisse in den Augen der Zeit und der Nachwelt verwischt werden sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir alle wissen, wie es zum zweiten Weltkrieg kam. Wir wissen, wie er verlaufen ist, und wir wissen, wie er geendet hat. Wir wissen, daß die Besiegten für den verlorenen Krieg, den sie außerdem noch verschuldet haben, zu zahlen haben. Aber es genügt, diesen Krieg einmal zu verlieren; er muß nicht dauernd immer wieder von neuem verloren werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Wehner hat den Ausflug in die Vergangenheit unternommen. Anscheinend ist das ein Alptraum für ihn,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Ein neurotisches Erlebnis!)

    zu dem es ihn immer wieder hinzieht. Immerhin, es ist durchaus richtig, den historischen, den zeitgeschichtlichen Bezug herzustellen. Aber wenn man bei gründlicher Prüfung der Dokumente, der Reden, der Akten und der Vorgänge, die man selbst miterlebt, mitbeobachtet oder mitgestaltet hat, die Zeitgeschichte verfolgt, gibt es nicht den leisesten Zweifel daran, daß es für die Deutschland- und Europa-



    Strauß
    politik ,der Sowjetunion eine feststehende, seit Kriegsende mit unerhörter Zähigkeit und Beharrlichkeit und mit — nicht zuletzt durch Ihr Verschulden, Herr Brandt — sichtbaren Erfolgen durchgehaltene Konzeption gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist es ja, worunter wir im Westen leiden. Ich bin nicht Praeceptor Germaniae oder Praeceptor Europae, aber als Parlamentarier, der mit einer hohen Mehrheit gewählt ist, habe ich das Recht, meine Meinung zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Ich würde sie auch sagen, wenn ich allein stünde. Aber ich stehe hier nicht allein, weil alle meine Freunde diese Auffassung teilen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und weit darüber hinaus die öffentliche Meinung in unserem Lande, weit darüber hinaus politische und publizistische Kreise im befreundeten Ausland, im uns wohlwollend und neutral gegenüberstehenden Ausland, weil ein Unbehagen im Zusammenhang mit dieser Schlußakte durch Europa geht, ein Unbehagen, das nicht hier von dieser Opposition erfunden worden ist. Die Opposition gibt dem nur Ausdruck, was hier an Sorgen, Beschwerden und Zukunftsbesorgnissen aufzuzählen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie aber den historischen Bezug herstellen, Herr Wehner, gibt es nicht den leisesten Zweifel daran, daß die Sowjetunion — die Frage Osterreich ist hier nur eine Bestätigung, aber keine Widerlegung meiner Ausführungen — in ihrer Deutschlandpolitik eine von Anfang an festgelegte und mit größter Zähigkeit durchgehaltene Konzeption verfolgt hat.
    Wenige Tage nach der Kapitulation Berlins, nach der Einnahme Berlins durch die Rote Armee, ist — sinnigerweise mit einer amerikanischen Leihmaschine, einer DC 3 — Herr Ulbricht eingeflogen worden, um dort in dem von der Sowjetarmee besetzten und in dem später ihnen von den Amerikanern und Engländern noch überlassenem Teil des ehemaligen Reichsgebiets — Mecklenburg, Thüringen und einem großen Teil von Sachsen — die Gesellschaft und den Staat im Sinne sowjetkommunistischer Vorstellungen zwangsweise zu ordnen und zu gestalten.
    In den Außenministerkonferenzen nach dem zweiten Weltkrieg hat Herr Molotow drei Forderungen gestellt. An diesen drei Forderungen sind alle Konferenzen der vier Siegermächte über das Thema, Deutschland als Einheit zu behandeln, gescheitert. Ich darf diese drei Forderungen in kurzer Form, stichwortartig, darstellen:
    Erstens Reparationen in Höhe von 10 Milliarden Dollar; das war damals kein aktuelles Thema; das kann man hier übergehen. Zweitens die Beteiligung der Sowjetunion an der Kontrolle über Rhein und Ruhr. Drittens die Herstellung gleicher, friedliebender und demokratischer Zustände in den drei westlichen Besatzungszonen wie in der sowjetischen Besatzungszone. Das heißt, an diesen drei Forderungen ist die Einheit der Siegermächte zerbrochen. Warum hat denn damals der amerikanische Außenminister Byrnes im Herbst 1946 die aufsehenerregende Rede in Stuttgart gehalten? Warum ist die Moskauer Außenministerkonferenz vom Jahre 1947 geplatzt? — Weil die Sowjetunion ihre Hand nach dem Rhein-und Ruhrrevier ausstrecken wollte und weil sie darüber hinaus die Änderung von Gesellschaft und Staat in den drei westlichen Besatzungszonen im Sinne einer Gleichschaltung an die in ihrer Besatzungszone in der Zwischenzeit herbeigeführten Verhältnisse als Voraussetzungen verlangt hat.
    Wenn man Geschichte zitiert, dann muß man sie genau zitieren, Herr Wehner, und darf nicht wahlweise ein paar Beispiele herausgreifen, die einem für eine vehemente Darstellung des eigenen subjektiven Standpunktes gerade einfallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sind wie ich seit dem 1. September 1949 Abgeordneter in diesem Hohen Hause. Andere Kollegen waren vorher im Parlamentarischen Rat, andere waren vorher im Wirtschaftsrat. Der Wirtschaftsrat war die erste Einrichtung, in der die Menschen zweier Zonen, der amerikanischen und der britischen Zone, zur Lösung aktueller Notprobleme in Form einer parlamentarischen Vertretung zusammenarbeiten durften, die von den Landtagen aufgestellt worden war. Warum kam es überhaupt zur Bildung des Wirtschaftsrats? — Weil die beiden Westmächte der Tatsache gegenüberstanden, daß sich die Sowjetunion weigerte, einen Beschluß der Potsdamer Konferenz, Deutschland als politische und wirtschaftliche Einheit zu behandeln, ihrerseits auch tatsächlich einzuhalten. Denn als Molotow an diesen Beschluß der Potsdamer Konferenz erinnert wurde, stellte er die von mir vorhin genannten drei Bedingungen auf: Deutschland wird nur als wirtschaftliche und politische Einheit behandelt, wenn diese drei Forderungen — Reparationen, worüber man reden kann, Beteiligung der Sowjetunion an der Kontrolle über Rhein und Ruhr und die Änderung von Staat und Gesellschaft im Sinne volksfrontartiger Verhältnisse auch in den drei westlichen Besatzungszonen — erfüllt werden. Weil der Westen hier, auch im wohlverstandenen Interesse des deutschen Volkes, selbstverständlich auch unter egoistischer Wahrung seiner eigenen Interessen — das ist ja sein gutes Recht —, nein gesagt hat, daraus ist die Teilung erwachsen, sind die Probleme entstanden, mit denen wir heute noch ringen und die mit Ihrer Politik immer unlösbarer werden, so schwer sie ohnehin gewesen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dazu eine weitere Bemerkung: Sie haben, Herr Wehner, einen merkwürdigen Mut, aber das haben wir ja bei Ihnen schon mehrfach festgestellt. Wenn Sie an die außen- und deutschlandpolitischen Vorstellungen der SPD in den 50er Jahren anknüpfen und deren Ablehnung durch uns heute zum Gegenstand eines reichlich vehementen, um nicht zu sagen: demagogischen Auftritts machen, so muß ich fragen: Hätten wir denn, Herr Wehner, den Eintritt in die NATO ablehnen sollen?! Sie haben doch später sel-



    Strauß
    ber die NATO als Rahmen und Grundlage unserer Sicherheits- und Außenpolitik bezeichnet. Ich habe Sie einmal einen Wanderer zwischen zwei Welten genannt; da waren Sie sehr beleidigt. Aber mit diesen Ausführungen heute sind Sie wieder zur Vorstellungswelt der SPD der 50er Jahre zurückgekehrt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hätten wir den Deutschlandplan der SPD mit seiner Konföderation unter gleichgewichtiger Besetzung aller Organe annehmen sollen und damit jede Möglichkeit einer westeuropäischen Einheit, jede Möglichkeit einer atlantischen Allianz von Grund auf zerstören sollen? Das war doch damals Ihre Außenpolitik! Sie haben sich doch uns erst später angeschlossen. Daß Sie sich heute auf Verbündete berufen können — ich sage es nur als Fußnote —, verdanken Sie denen, die diese Verbündeten damals gewonnen haben,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    als Sie noch gegen jede Art von Verbündeten gewesen sind.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer hatte denn diese verschrobenen Vorstellungen, daß die Deutschen — obendrein in vier Besatzungszonen geteilt — mit einer Demarkationslinie
    — Eiserner Vorhang — quer durch ihr verkleinertes Land ihre Politik allein, neutral zwischen Ost und West, gestalten könnten? Doch nicht wir! Wir haben die erste große Reform — —

    (Wehner [SPD] : Das ist eine Verleumdung der SPD!)

    — Sie müssen ausgerechnet von Verleumdung reden!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Natürlich!)

    Wir haben die größte Reform in der deutschen Geschichte auf außenpolitischem Gebiet durchgeführt, indem nicht nur im Grundgesetz, sondern dann auch in der politischen Praxis der Ersatz der nationalstaatlichen Idee durch eine übergreifende europäische Ordnungsidee von uns zur Leitschnur unseres Handelns gemacht worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Vorsitz : Vizepräsident Dr. Jaeger)

    Ich werde es — ganz gleich, wie lange ich noch diesem Hause angehöre — leider wohl nicht mehr erleben, daß man endlich mit dem Unfug aufhört, die sowjetischen Noten der Jahre 1952 und 1954 als ein reales Angebot über die Wiedervereinigung unseres Landes auf der Grundlage freier Wahlen zu betrachten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darüber ist hier schon sehr viel gesprochen worden; ich möchte es nicht mehr wiederholen. Aber diese Scheinangebote sind jedesmal erfolgt, wenn wir in der Bundesrepublik nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen — siehe gesamtdeutsche Wahlen unter UNO-Kontrolle — ein weiteres Stück Anschluß und Verbindung mit dem Westen gesucht haben. Um den Westen gegen uns mit Mißtrauen zu erfüllen, uns durch köderhafte Angebote von
    konkreten politischen Entscheidungen abzuhalten, sind diese Noten gekommen, meistens nicht einmal an uns, sondern an die Westmächte,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Jawohl, 1952 nur an die Westmächte!)

    und sie sind dann wieder zurückgezogen worden.
    Warum reden Sie denn nicht davon, daß in der Genfer Konferenz -- es gibt ja einen Geist von Genf — vom Jahre 1955 bei der Zusammenkunft der vier Großen — das war die letzte Gipfelkonferenz dieser Art — diese vier zusammen — ich habe den Wortlaut jetzt nicht hier, aber Sie kennen doch den Inhalt den Beschluß gefaßt haben, Deutschland auf der Grundlage freier Wahlen im Einklang mit seinen nationalen Interessen wiederzuvereinigen? Herr Bulganin und Herr Chruschtschow sind es meiner Erinnerung nach gewesen. Auf dem Heimweg sind sie über Berlin gefahren und haben die aufgebrachten und beunruhigten Machthaber in Ost-Berlin, Ulbricht und Konsorten, beruhigt, sie sollten sich ja nicht etwa beunruhigt fühlen, ja nicht verunsichert fühlen, sie würden diesen Beschluß schon so auslegen, daß ihrem Kind — der DDR, die ja bei freien Wahlen wie ein Kartenhaus eingefallen wäre —,

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Heute noch!)

    nichts geschehen würde.
    Und im Herbst hat Herr Molotow, als er an diesen Beschluß erinnert wurde, gesagt „Ne Ponimaju nitschewo" — ich verstehe nichts. Da war es aus damit. Darum sind wir an Mogeletiketten nicht mehr interessiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich — und das ist die Schwierigkeit der Opposition, der CDU/CSU, dessen sind wir uns wohl bewußt — entwickelt die Verpackung einer Konferenz, die unter ganz anderen Vorzeichen konzipiert worden ist, die mit Fernzielen geplant worden ist, unter dem Titel „Sicherheit und Zusammenarbeit" von vornherein eine propagandistische, psychologische, verführerische Werbekraft. Würde man z. B. eine Konferenz zur Vermehrung der Krankheit, zur Ausdehnung des Hungers und zur Herbeiführung eines Krieges veranstalten, sie aber gegenteilig benennen, so würde man immer noch eine gewisse Werbewirkung am Anfang erzielen. Mich interessiert der Titel „Sicherheit und Zusammenarbeit" überhaupt nicht, denn wir verstehen unter Sicherheit Sicherheit und nicht Anerkennung durch gewalttätige Aktionen geschaffener Besitzstände.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wenn wenigstens in diesen Schlußakten wirklich etwas über Sicherheit enthalten wäre! Es geht doch hier nur darum, daß das im Jahre 1945 begonnene, in den 20 Jahren der CDU/CSU-Regierung — einschließlich einer SPD-Beteiligung in den letzten drei Jahren — von uns durchgehaltene, von der Sowjetunion bekämpfte politische Programm der Nichtanerkennung zweier deutscher Staaten endlich aufgegeben werden soll.
    Sie haben in der SPD nach den Vorverhandlungen mit den Kommunisten Italiens, die hinter unserem Rücken in diesen Jahren 1968/69 geführt worden



    Strauß
    sind, die Büchse der Pandora geöffnet. Sie haben den Weg für die Durchsetzung imperialer strategischer Ziele der Sowjetunion freigemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Es ist doch nicht so, daß die Konferenzpartner unter den Methoden und den Zielen der Konferenz etwas Gleichartiges verstanden haben. Das ist heute schon so oft gesagt worden, daß es nicht mehr wiederholt zu werden braucht. Wir, die neun Mächte der EG, die zwei nordamerikanischen Staaten, die demokratischen Staaten Europas, verstehen unter Sicherheit und Zusammenarbeit etwas ganz anderes, als die strategischen Planer des Kreml darunter verstehen. Es ist zwar heute unpopulär und vielleicht sogar gefährlich, so etwas zu sagen, aber es muß in einem freien Parlament noch gesagt werden dürfen, auch gegenüber psychologischem oder akustischem Terror oder publizistischer Verfolgung, der man dann ausgesetzt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und Zurufe von der SPD)

    Diese KSZE und ihre Schlußakte sind gleichzeitig Ende einer politischen Entwicklung und werden Auftakt für eine neue, aber in der gleichen Richtung weiter geplante politische Entwicklung werden.
    Ich verkenne nicht, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister, daß aus dem sowjetischen Plan — europäische Sicherheitskonferenz und europäisches Sicherheitssystem in der KSZE — nichts geworden ist. Das habe ich nie bestritten. Die Sowjets haben mit ihren Ideen einer europäischen Sicherheitskonferenz und eines europäischen kollektiven Sicherheitssystems sozusagen den Gesamtplan auf den Tisch gelegt. Wenn man sich heute fragt, wie diese KSZE einzuordnen ist, so bedeutet sie nicht die Erfüllung des Gesamtplanes, nicht zuletzt dank dem Zusammenhalt der neun EG-Mächte, mit gewissen Verdiensten der Bundesregierung — ich sage das auch öffentlich, nicht nur hier —, und nicht zuletzt auch dank dem Verhalten der beiden nordamerikanischen Partner. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, in welche Richtung der Weg führt, der mit dieser KSZE um ein Stück verlängert worden ist. „Ein Schritt auf dem richtigen Wege." Aber für wen ein Schritt auf dem richtigen Wege?
    Man soll doch mit dem Aberglauben aufhören, daß die Sowjetunion, mit der wir gute Zusammenarbeit wünschen, aber auf der Basis ehrlicher, klarer, durchsichtiger Formulierungen und nicht doppeldeutiger Phraseologien, etwa die Verfolgung ihrer machtpolitischen Ziele imperialer Expansion und weltrevolutionärer Durchsetzung nunmehr aufgegeben habe. Diese KSZE ist in unseren Augen ein Instrument des Friedens, der Sicherheit, der Zusammenarbeit — oder soll es jedenfalls sein —, in den Augen der Sowjetunion ist es ein Stück Ringen um die Macht in Europa als dem vorrangigen Ziele, das wir nun einmal auf Grund unseres wirtschaftlichen Potentials und unserer geographischen Lage darstellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU Zurufe von der SPD)

    — Ich möchte Ihnen darauf antworten. Es ist schon
    einige Zeit her, und vielleicht haben Sie nicht mehr persönlich in Erinnerung, was weder Ihre Schuld noch ein Verdienst ist, daß wir — die Gruppe kann man nicht genau definieren, es gab solche im Inland und im Ausland — am 1. Oktober 1938 in dem allgemeinen Freudentaumel in der Welt über das Münchner Abkommen tief deprimiert, tief erschüttert und tief verzagt waren. Wer damals das Münchner Abkommen abgelehnt hat, wer damals den Mut hatte, als Alleingänger — wie es einige Parlamentarier in europäischen Parlamenten, in England und Frankreich gab — das Münchner Abkommen nicht als ein Werk des Friedens, sondern als ein Instrument der Hitlerschen Machtpolitik zu bezeichnen, der stand damals genauso allein, wie wir heute dastehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe und Lachen bei der SPD)

    Wer damals zum Münchner Abkommen nein sagte, war im günstigsten Fall noch ein Querulant, das war ein Störenfried, das war ein Feind der Entspannung, das war ein Kriegshetzer. Man sprach vom hundertjährigen Frieden, der in Europa gesichert sei. Meine Damen und Herren, ich denke nicht in den Kategorien, daß die KSZE etwa ein Büchsenöffner für den dritten Weltkrieg sei. So primitiv beurteilen mich höchstens die, die es sind und mich nicht kennen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Die KSZE ist nicht der Büchsenöffner zum dritten Weltkrieg, aber die KSZE und ihre Schlußakte helfen, einen Vorhang über die wirklichen Veränderungen der Sicherheitslage in der Welt zu ziehen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    ein trügerisches Gefühl zu vermitteln, das eines Tages zu einem bösen Erwachen führen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In einem Zeitalter, in dem es für Nachrichtentechnik, Verkehrstechnik und Zerstörungstechnik — im Blick auf die Zerstörungstechnik kann man nur sagen: Gott sei's geklagt — leider keine Grenzen mehr gibt, was unübersehbare psychologische und politische Folgen hat, gibt es eine spezifische europäische Sicherheit nicht mehr. Wohl ist eines richtig, nämlich daß — darüber streiten wir uns doch nicht — vom Boden Europas aus kein weiterer Krieg, weder ein Weltkrieg noch überhaupt ein Krieg, mehr hervorgehen darf. Dafür haben wir ja gearbeitet. Das ist ja der Sinn der europäischen Einigung. Das war ja die Zielsetzung der atlantischen Allianz. Es war doch unsere Arbeit im Rahmen dieser beiden großen Organisationen, den Frieden in Europa mit handfesten und zuverlässigen Methoden und nicht mit doppeldeutigen Formulierungen und bunt schillernden Lampions der Zukunftsverheißung zu sichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir heute die Sicherheitslage in der Welt beurteilen, dürfen wir doch nicht die Augen vor einigen Tatsachen verschließen. Herr Carstens hat dies heute schon gesagt. Wir dürfen doch nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, daß der Friede über eine große Zahl von Jahren hinweg in Europa selbst am allerwenigsten — mit und ohne KSZE — gefährdet war. Die Sowjetunion verfolgt



    Strauß
    ihre Ziele jetzt mit anderen Mitteln, allerdings bleibt die Zielsetzung die gleiche; siehe die neue Strategie des Herrn Ponomarew. Der Friede ist woanders gefährdet, und dort vollziehen sich die Verschiebungen im Machtgleichgewicht der Welt, aber alle in einer Richtung. Am Ende werden die Europäer merken, daß sie den Zug der Geschichte versäumt haben. Sie können ihn nur einholen, wenn sie sich politisch und militärisch innerhalb ganz weniger Jahre einigen. Nur dann werden sie in den Fragen, die über ihr Leben entscheiden werden, am Ende dieses Jahrhunderts noch etwas mitzureden haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich nehme zu dem Streit zwischen Israel auf der einen Seite und den arabischen Ländern auf der anderen Seite nicht Stellung. Ein doppelzüngiges Verhalten habe ich allerdings nie für richtig gehalten. Daß dieser Streit, in dem bekanntlich nie eine Partei allein recht hat, die Europäer an ihrer Südflanke aber immer an die Grenze eines heißen Krieges bringt, der wie ein Funke auf sie überspringen kann, ist doch in erster Linie den jahrelangen riesigen Rüstungslieferungen der Sowjetunion in diese Zone zuzuschreiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn die Arbeit in Genf so gut gewesen wäre wie die auf dem Wiener Kongreß, hätte man in Genf genauso tanzen dürfen, wie man es beim Wiener Kongreß getan hat. Damals kam wenigstens noch ein handfestes Werk von Diplomaten heraus.

    (Zuruf von der SPD: Na, na!)

    — Ja, beim Wiener Kongreß war das so. Ich gebe Ihnen gern Nachhilfeunterricht, aber dafür ist dieses Gremium hier zu kostbar.

    (Zurufe von der SPD)

    Während die Diplomaten in Genf Tonnen von Papier beschrieben, Hunderte von Redestunden verbracht haben — man kann allerdings sagen, daß die Menge der Papiere in umgekehrtem Verhältnis zum wirklichen Ergebnis dieser Konferenz im Sinne der in der Überschrift ausgewiesenen Ziele steht — —

    (Konrad [SPD] : Wie bei Ihrer Rede zum Inhalt!)

    — Sie müssen mit dem Kopf denken und nicht mit dem Kehlkopf!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Während die Diplomaten in Genf Tonnen von Papier beschrieben haben, hat doch einer der Hauptpartner in Genf, der an dem Abschluß dieser Konferenz und auch an einer zeitlichen Festlegung noch vor dem 1. August ein geradezu dramatisches Interesse bewiesen hat, an einer Reihe von Krisenherden der Weltpolitik durch sein Verhalten Veränderungen der bestehenden Machtverhältnisse, eine Verschärfung der Kriegsgefahr und nicht zuletzt auch blutige Auseinandersetzungen herbeigeführt. Ich rede einmal vom Nahen Osten. Die Problematik ist Ihnen bekannt. Wie steht es denn in Vietnam? In Vietnam hat sich in diesem Jahre ein ungeheures Drama zugetragen. Ich hatte über die amerikanische Vietnampolitik immer meine eigene Meinung. Ich weiß, daß ich da eine allergische Nervenkonzentration der SPD treffe, denn Herr Leber kann zwar seine Meinung über Vietnam in der FAZ veröffentlichen, weil sie ein liberales Blatt ist, im „Vorwärts" käme er damit nicht zu Wort.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte hier auch nicht ironisch die Äußerungen des Bundeskanzlers, der damals als Praeceptor Americae in den USA eine dramatische Rede gehalten und die Amerikaner abgekanzelt hat, wie sie sich in Vietnam richtig verhalten sollten, noch einmal in ,die Erinnerung zurückrufen. Daß aber der Zusammenbruch der amerikanischen Machtposition einerseits und andererseits dieses ungeheure Elend mit seinen blutigen Massakern von unübersehbarem Ausmaß überhaupt hat stattfinden können, das ist die Handschrift der Sowjetunion und die Folge ihrer Waffenlieferungen in diese Gebiete zur gleichen Zeit, wo in Genf verhandelt worden ist. Hier hat sich doch auf der Welt eine Verschiebung der Machtverhältnisse zugetragen, die wir Europäer mit unserem oft kontinental beschränkten Blick in ihrer Dramatik leider nicht voll wahrzunehmen vermögen oder nur schwer wahrnehmen können.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ja, man kann mit Leuten nur über Literatur reden, wenn sie das Alphabet beherrschen. Das ist meine Schwierigkeit Ihnen gegenüber.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Erneute Zurufe von der SPD)

    Ich darf aus einem im Juni dieses Jahres in der „Neuen Zürcher Zeitung" erschienenen Artikel wenige Sätze zitieren. Da heißt es:
    Auf Glückwünsche aus Moskau antwortend, haben die nordvietnamesischen Staatsmänner . . .
    — hier sind die Namen aufgeführt —
    erklärt, der kommunistische Sieg in Südvietnam sei nicht zu trennen von der gewaltigen Hilfe und Unterstützung durch die kommunistische Partei, die Regierung und das Volk der Sowjetunion sowie andere sozialistische Staaten. Diese nominellen Machthaber im Süden zeigen sich überzeugt, daß der Kreml auch in Zukunft mit Hilfe und Rückhalt fortfahren werde.
    Das hat doch erst begonnen. Wie steht es denn mit Laos und Kambodscha? Wie wird es mit Thailand kommen, mit Burma? Was wird die Zukunft Koreas sein? Ist auch dort die Lösung im Sinne von Vietnam in absehbarer Zukunft zu erwarten? So, wie sich die Machtverhältnisse in der anderen Hemisphäre der Welt verschieben, so verändert sich auch die Sicherheitslage der Europäer. Wir müssen ja blind sein, wenn wir an dieses Gespinst von Sicherheitsphrasen glauben und nicht sehen, wie sich die Weltlage in diesen letzten Monaten in dramatischer Weise verändert und verschlechtert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Über Portugal ist heute mit Recht viel gesprochen worden, anscheinend weniger in Genf. Herr Kollege Carstens hat schon auf einen Vorgang hingewiesen, dessen Dramatik und Bedeutung richtig einzuschätzen man sich hier schwertut, und das sind die Vorgänge in Angola. Man kann sagen: Was geht uns Europäer Angola an? Angola ist nicht nur ein großes afrikanisches Land mit ungeheuren Rohstoffvor-



    Strauß
    räten. Es hat 1 000 Kilometer Küste am Atlantischen Ozean. Die Frage, wer dieses Land in Zukunft haben wird, ob es eine freie Entwicklung der afrikanischen Freiheitsbewegungen geben wird

    (Zuruf von der SPD)

    oder ob es zum Sieg einer von Moskau gesteuerten und von dort mit Waffen und Munition versorgten Freiheitsbewegung kommt, wird für unsere Sicherheit in Europa bedeutsamer sein als all das, was in Genf geschrieben und gesagt worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei mir ist vor einigen Tagen der Führer einer Freiheitsbewegung gewesen, von dem man — —

    (Zuruf von der SPD: Führer!)

    — Lachen Sie doch nicht! Das ist doch wirklich unter dem Niveau dieses Hauses, mit so dämlichen Zwischenrufen ein ernstes Thema gebührend würdigen zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Sie kennen den Namen. Ich habe die Informationen bekommen, die notwendig waren, um die Entwicklung dort einigermaßen zutreffend beurteilen zu können.

    (Zurufe von der SPD)

    Sicherlich gibt es bei Ihnen auch eine Reihe von solchen, die darüber informiert sind.
    Von den drei schwarzen Freiheitsbewegungen ist eine, die MPLA unter der Führung von Neto, Sitz in Brazzaville, Kongo, diejenige, die im Bunde mit den heutigen kommunistischen Machthabern in Lissabon, auch mit Herrn Gonçalves und der Rolle, die er wirklich spielt, und im Bunde mit der Sowjetunion bis zum 11. November dieses Jahres, wenn die portugiesischen Truppen abziehen, das fait accompli einer moskauhörigen afrikanischen Kolonie schaffen wollen. Mir sagte der Vorsitzende dieser Freiheitsbewegung, mit dem einer Ihrer führenden Politiker gut bekannt bis befreundet ist, mit Tränen in den Augen: „Ich habe nicht 15 Jahre gegen die Kolonialherrschaft der Portugiesen gekämpft, um jetzt in einem blutigen Bürgerkrieg hinnehmen zu müssen, daß aus diesem Lande eine sowjetrussische Kolonie wird." Das sind die Vorgänge, wie sie sich dort vollziehen.
    Und was wird mit der Zukunft Jugoslawiens, wenn dort die Führung dieses Staates aus den heutigen Händen abgegeben werden muß? Das sind, um nur Stichworte zu nennen, die wirklichen Fragen der europäischen Sicherheit und nicht diese Aneinanderreihung.

    (Behrendt [SPD] : Mao! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Sie würden nicht so laut schreien, wenn Sie a) etwas davon verstünden und b) kein schlechtes Gewissen hätten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie können mich ruhig mit dem Namen Mao anrufen. Ich habe, wie Sie mir ja immer kritisch vorgehalten haben, seit Jahren die Auffassung vertreten, daß eine sämtliche Zusammenhänge der Weltpolitik erfassende deutsche Politik, die nur in bestimmtem Rahmen — europäischem Rahmen, atlantischem Rahmen — unter Berücksichtigung unserer
    geographischen Mittelstellung konzipiert sein kann, nicht in Moskau aufhören darf, sondern auch die Volksrepublik China einschließen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Meinung habe ich immer vertreten. Wenn die Breschnew-Pilger sich ausgerechnet darüber mokieren, daß Politiker der CDU und CSU sich mit dem Nachbarn der Sowjetunion unterhalten, so ist das entweder Ignoranz in höchster Stufe oder Heuchelei in vollkommenster Perfektion.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich interessiert uns die Frage, welche Politik und welche politischen Vorstellungen eine Großmacht hat, die über 800 Millionen Menschen und einen riesigen Raum verfügt und die der östliche Nachbar unserer östlichen Nachbarn ist. Sich darum nicht zu kümmern, wäre doch kurzsichtigste Verblendung. Das heißt noch lange nicht, daß man deshalb ideologische Gemeinsamkeiten hat.

    (Lachen bei der SPD)

    Von mir wird die chinesische Presse nicht schreiben, daß ich „in die Entspannungsstrategie Pekings einbezogen" worden bin, wie es Herrn Brandt mit Breschnew jüngst in seinem Parteiorgan „Vorwärts" geschehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Brandt [SPD])

    Und wenn ich an Ihre Rolle in Moskau denke, an das Angebot einer außenpolitischen Zusammenarbeit zwischen der KPdSU und der SPD, dann muß ich fragen: Was muß denn eigentlich noch passieren, bis man erkennt, daß diese SPD sich grundlegend gewandelt hat, bis man erkennt, daß sie hier das sowjetische taktische Instrument einer Verbrüderung mit gewissen sozialistischen Parteien, bis diese überflüssig werden — —

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehrenberg [SPD] : Das darf doch nicht wahr sein! — Pfui-Rufe bei der SPD — Zuruf von der SPD: Aufhören! — Gegenrufe von der CDU/ CSU)

    Wie war es denn in Portugal?

    (Zuruf von der SPD: Verleumder!)

    Welche Rolle hat denn dort Herr Soares gespielt, bis er auf einmal merkte, wohin die Reise ging, und hat er nicht noch am Tage vor den italienischen Wahlen in Italien zur Unterstützung der Volksfrontpolitik erklärt, daß die italienischen Kommunisten nicht so gefährlich seien wie die portugiesischen Kommunisten?
    Herr Brandt, Sie werden nicht nach Ihren Absichten beurteilt — ob ich diese richtig kenne, weiß ich nicht —; Sie werden nach der Rolle beurteilt, die Sie in Wirklichkeit spielen, und den Ergebnissen, die mit dieser Rolle verbunden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Ich weiß, Sie vertragen die Wahrheit nicht. Sie reden dann von „Hetze".

    (Anhaltende Zurufe von der SPD Dr. Marx [CDU/CSU] : Da ist offenbar der Nerv getroffen bei diesen Leuten!)




    Strauß
    Ich bin das von Versammlungen gewohnt, wo Ihre Hilfstruppen operieren.

    (Schinzel [SPD] : Sie sollten bei der Wahrheit bleiben!)

    Aber immerhin, im „Vorwärts" stand über Ihre Moskau-Reise, Herr Brandt:
    Die Sozialdemokraten werden damit in die Koexistenzpolitik des Kreml mit einbezogen, um eine möglichst breite Basis in Europa zu schaffen und um das kommunistisch-sozialdemokratische Lager gegenüber China zu festigen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    In bezug auf die SPD hofft der Kreml wohl außerdem, sie durch ihren Vorsitzenden Willy Brandt als Motor in der Ostpolitik benutzen zu können.
    Sie sagen mit Recht: Das ist die Darstellung des Kremls, was habe ich damit zu tun? Wenn aber der Kreml diese Darstellung geben kann, müssen Sie durch Ihre Politik und Ihre Verhaltensweisen und Ihre Geheimabsprachen zu dieser Sprachregelung Anlaß geboten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Unruhe bei der SPD)

    Und es hieß ja doch in der gleichen Zeitung:

    (Zuruf von der SPD: Fahren Sie zurück nach Sonthofen!)

    Die Union versichert zwar, sie wolle die Verträge achten, doch nur in der Auslegung des Verfassungsgerichtsurteils zum Grundvertrag und der schrecklichen Bundestagsresolution vom Frühjahr 1972.

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    Sehen Sie, das ist doch der Verbalschwindel, den wir mit unserem Nein bekämpft haben und auch jetzt bekämpfen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben doch erklärt, die Anrufung des Verfassungsgerichts sei überflüssig, denn Sie würden das Urteil und seine Begründung als Grundlage Ihrer Politik betrachten. Einer Ihrer Jubelredner, Herr Brandt — wir kennen ihn vom Fernsehen —, Herr Peter Bender, schreibt doch hier, daß das Urteil des Verfassungsgerichts und die „schreckliche Bundestagsresolution" die Verträge praktisch aufheben würden. Und genau dasselbe Spiel, genau dasselbe Doppelspiel begegnet uns wieder in der Auslegung der Formulierungen der KSZE.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie, Herr Wehner, haben hier in einer gekonnten, Weise mit einer gut zurechtgemachten Erregung darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung ja auch bei früheren Verträgen Auslegungsschwierigkeiten nicht habe vermeiden können. Auslegungsschwierigkeiten bei Verträgen, Fehlbeurteilungen durch Politiker und Beamte wird es immer geben. Man wird sogar bei Verträgen mit Verbündeten oder mit einem Staat, dessen Gesellschaftsordnung mit der unseren in ihrer liberalen Gesamtstruktur übereinstimmt, immer wieder Auslegungsschwierigkeiten haben; ich habe in meiner Amtspraxis unzählige Fälle dieser Art erlebt.

    (Zurufe von der SPD)

    Das ist aber nicht das Thema!

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Das Thema ist, ob der Dissens, die Doppeldeutung, die gegensätzliche Auslegung schon als Mittel der Vertragsformulierung vorsätzlich auf beiden Seiten benutzt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie werden fragen: Wie kommen Sie denn zu diesen Verleumdungen? Aber wir haben doch vor dem Moskauer Vertrag, vor dem Warschauer Vertrag, vor dem Grundlagenvertrag und auch jetzt vor dem Abschluß der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa den Anschauungsunterricht erlebt, daß man einerseits sagte, diese Verträge seinen keine völkerrechtliche Anerkennung eines zweiten deutschen Staates, aber gleichzeitig eine Politik getrieben hat, die zu einer völkerrechtlichen Anerkennung durch alle Staaten der Welt mit Ausnahme der Bundesrepublik geführt hat. Wenn Sie von Isolierung reden, könnte ich Ihnen sagen: Sie haben sich selbst isoliert; der einzige Staat, der die DDR völkerrechtlich nicht anerkannt hat — Gott sei Dank, wir sind ja nicht für die Anerkennung —, ist jetzt die Bundesrepublik Deutschland. Daß aber der Rest der Welt sie anerkannt hat, ist das Verdienst Ihrer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In Moskau hat man doch von vornherein erklärt, was man unter diesen Verträgen versteht. Es ist doch nicht so, daß Sie etwa nach dem Vertragsabschluß auf einmal überrascht, harmlos, edelmütig darauf hingewiesen worden wären, wie arglistig die Formulierungen anders ausgelegt werden können. Nein, das haben Sie gewollt und von Anfang an in Ihre Formulierungsüberlegungen einbezogen, um zu einem trügerischen Abschluß zu kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist es, was wir meinen, wenn wir hier in unserer Entschließung von „neuem Konfliktstoff" reden. Sie leben doch auch hier auf Pump, genauso wie Sie in Ihrer Staatswirtschaft mehr und mehr auf Pump leben.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe aus der Fülle der gegebenen Probleme nur einige herausgreifen können. Fehlentwicklungen in der Innenpolitik — über die wir bei anderer Gelegenheit oft geredet haben und noch zu reden haben werden, nicht zuletzt im Zusammenhang mit den finanziellen und wirtschaftlichen Problemen — können, wenn auch unter großen Opfern, Entbehrungen, Einschränkungen und Anstrengungen, im allgemeinen wieder in Ordnung gebracht werden. Fehlentwicklungen in der Außenpolitik erhalten eine Eigengesetzlichkeit, so daß der Urheber nicht mehr in der Lage ist, die tatsächliche Entwicklung unter Kontrolle zu behalten. Wir wissen natürlich, Herr Wehner, daß wir Ihnen etwas zumuten, was Sie nicht tun können — oder: Herr Bundeskanzler —, wenn wir Sie auffordern, diese Dokumente nicht zu unterzeichnen.



    Strauß
    Sie ziehen damit nur die Konsequenzen aus einer Fehlentwicklung, die Sie eingeleitet haben und der Sie jetzt nicht entrinnen können. Wer A sagt, muß auch B sagen, und wie das Z aussehen wird, wenn auf diesem Wege weitergeschritten würde, das können wir uns vorstellen. Und dazu ist diese Opposition ja da; nicht, um als Zustimmungsverein in holder trauter Gemeinsamkeit mit allen anderen oder auch mit unseren Partnern und neutralen Nachbarn in Gemeinsamkeit den falschen Weg zu gehen. Sicherlich ist es gut gewesen, daß die Neun der EG zusammengehalten haben. Aber Gemeinsamkeit allein ist doch noch nicht ein politischer Erfolg. Wenn die Truppe den Marsch ohne Ausfälle überstanden hat, muß man nachher fragen, ob der Marsch notwendig war und ob er in die richtige Richtung unternommen worden ist. Dieser Marsch ist nicht in die richtige Richtung unternommen worden.

    (Zurufe von der SPD)

    Sie würden dann sagen: „Sie wollten überhaupt keine Verträge." O doch! Man kann sich in der Politik die Hände nicht aussuchen, die man schütteln muß. Man kann sich die Partner nicht aussuchen. Es ist einfach eine Fabel oder eine Lüge, zu behaupten, daß CDU und CSU keine Verhandlungen mit kommunistischen Mächten wollten und zu Vertragsabschlüssen mit Ihnen nicht bereit seien. Das wird draußen im Lande immer wieder zur Irreführung der .öffentlichen Meinung behauptet. Erstens sind solche Verträge zustande gekommen; ich brauche sie hier nicht aufzuzählen. Zweitens wird jede CDU/CSU-Regierung zu solchen Verhandlungen und zum Abschluß von Verträgen bereit und imstande sein. Auch darüber gibt es nicht den leisesten Zweifel. Wir leben doch auf dieser Welt. Wir sind doch keine Träumer. Wir geben uns doch keinen Illusionen hin. Wir können doch den Partner richtig einschätzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Wenn Herr Schmidt die Frage stellt: „Was würden Sie auf dem Rheindampfer am nächsten Sonntag bei dieser KSZE-Vorfeier dem Herrn Ford und dem Herrn Wilson und dem Herrn Giscard d'Estaing denn sagen, wenn Sie an unserer Stelle wären?" — Nun, aus d e m Anlaß wären die nie zu uns gekommen, wenn wir an der Regierung geblieben wären.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber natürlich hätte das andere Verhandlungsmethoden, hätte das Klarheit über die Ziele der anderen Seite und hätte das dieselbe eisenharte Zähigkeit erfordert, mit der die Sowjetunion um die Durchsetzung ihrer politischen Ziele in Europa kämpft.
    Immer wieder hören wir, wir seien Schwarzseher, wir unterrichteten das Volk falsch, wiegelten es auf, wir beurteilten den Partner falsch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, strapazieren Sie Ihre Phantasie so ehrlich, wie man in der Lage ist, es zu tun. Wenn Ihnen im Jahre 1949/50, als die Politik der Bundesregierung und der Bundesrepublik begann, jemand gesagt hätte, daß die damals erhobenen Forderungen der Sowjetunion auf völkerrechtliche Anerkennung der DDR, auf Durchsetzung ihres Besitzstandes mit internationaler Verbriefung eines Tages, und zwar durch die deutsche Sozialdemokratie, ermöglicht würden, — Sie hätten damals, wenn ein Unionspolitiker das behauptet hätte, ihn als Verleumder und als Demagogen und als Lügner bezeichnet. Und heute ist es soweit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sagen nicht nein zu diesem oder jenem Inhalt der Dokumente; wir sagen zu der Systematik, zu der Konzeption, zu der eingebauten Konsequenz dieses Vertragswerks nein, weil mit derselben Sicherheit, mit der in 25 Jahren die Sowjetunion ein Ziel erreicht hat, das damals, vor 25 Jahren, utopisch schien, sie die nächste Etappe erreichen wird. Und die nächste Etappe beginnt nach der KSZE, mit der Tagung der europäischen kommunistischen Parteien, mit der Tagung der KPdSU, mit der anschließenden Tagung der weltkommunistischen Parteien. Dann wird die nächste strategische Etappe abgesteckt. Und da wären allerdings eine Bundesregierung und ihre parlamentarische Mehrheit sehr gut beraten, wenn sie der Opposition ihr Nein honorieren würden. Denn dieses Nein ist für Sie, so lange Sie an der Regierung sind —

    (Lachen bei der SPD)

    Gott sei es geklagt! —, wertvoller als das ganze entspannungspolitische Gerede, mit dem Sie nur das Volk getäuscht,

    (Pfui-Rufe von der SPD)

    die andere Seite ermutigt und die Bundesgenossen auf die falsche Bahn gebracht haben.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)