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ID0718302600

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    Vokabeln: 6
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    4. Herr: 1
    5. Bürgermeister: 1
    6. Oxfort: 1
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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 183. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Josten 12797 B Erklärung der Bundesregierung betr. KSZE Genscher, Bundesminister AA . . . . . 12797 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . . . 12803 C Brandt SPD 12812 B Hoppe FDP 12816 D Stücklen CDU/CSU . . . . . . . . 12819 D Schmidt, Bundeskanzler 12825 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . 12830 B Pawelczyk SPD 12834 B Dr. Bangemann FDP . . . . . . . . 12839 A Oxfort, Bürgermeister von Berlin . . . 12843 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 12845 B Mattick SPD 12850 A Dr. Schröder (Düsseldorf) CDU/CSU . . 12854 A Wehner SPD . . . . . . . . . . 12859 C Strauß CDU/CSU 12862 A Genscher, Bundesminister AA . . . . 12869 D Namentliche Abstimmungen . . . . . 12872 A Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 12875* A Anlage 2 Nichtanwendung des § 48 Absatz 2 BAföG durch einige Hochschulen SchrAnfr B 59 06.06.75 Drs 07/3737 Engholm SPD ErgSchrAntw StSekr Dr. Jochimsen BMBW 12875* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 12797 183. Sitzung Bonn, den 25. Juli 1975 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 181. Sitzung, Seite 12684 D ist statt „Gerstl (Passau) (CDU/CSU) " zu lesen „Gerstl (Passau) (SPD) ". 181. Sitzung, Seite 12726 C: Die Zeile 22 mit den Worten „was nun die Rechtsgrundlage sein soll," ist zu streichen. Einzufügen sind die Worte ,;Rechte dort habe". Vier Zeilen weiter ist hinter dem Wort „soll" ein Komma zu setzen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt für Alber 25. 7. Dr. Bayerl 25. 7. Dr. Böger 25. 7. von Bothmer 25. 7. Breidbach 25. 7. Prof. Dr. Burgbacher 25. 7. Burger 25. 7. Bühling 25. 7. Dürr 25. 7. Dr. Enders 25. 7. Geldner 25. 7. Gerster (Mainz) 25. 7. Gewandt 25. 7. Gierenstein 25. 7. Graaff 25. 7. Haase (Fürth) 25. 7. Dr. Häfele 25.7. Handlos 25. 7. Hölscher 25. 7. Horn 25. 7. Horstmeier 25. 7. Dr. Hupka 25. 7. Hussing 25. 7. Jaunich 25. 7. Kater 25. 7. Dr. Kiesinger 25. 7. Lange 25. 7. Dr. Klepsch 25. 7. Dr. Köhler 25. 7. Krampe 25. 7. Lattmann 25. 7. Leicht 25. 7. Lücker 25. 7. Dr. Luda 25. 7. Lüdemann 25. 7. Prof. Dr. Möller 25. 7. Opitz 25. 7. Pieroth 25. 7. Dr. Riede 25. 7. Rollmann 25. 7. Rommerskirchen 25. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein 25. 7. Prof. Dr. Schäfer (Tübingen) 25. 7. Prof. Dr. Schellenberg 25. 7. Schmidt (Kempten) 25. 7. Dr. Starke 25. 7. Stommel 25. 7. Vogel (Ennepetal) 25. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt für Volmer 25. 7. Walkhoff 25. 7. Dr. Walz 25. 7. Dr. Wex 25. 7. Wischnewski 25. 7. Dr. Wörner 25. 7. Prof. Dr. Zeitel 25. 7. Anlage 2 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Jochimsen auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engholm (SPD) (Drucksache 7/3737 Frage B 59, 178. Sitzung, Seite 12552*, Anlage 75) : Ihr Hinweis auf die ab 1. August 1975 geltende Neufassung des § 48 BAföG dürfte sich vermutlich nicht auf die Absätze 1 und 2, sondern auf Absatz 1, Nrn. 1 und 2 beziehen. Das Rundschreiben des Rektors der Universität Bonn an die Dekane der einzelnen Fakultäten befaßt sich, worauf Sie mit Recht hingewiesen haben, nur mit Absatz 1 Nr. 1. Insoweit gibt das Rundschreiben die in der ab 1. August 1975 geltenden Neufassung des Absatzes 1 Satz 1 enthaltenen beiden Möglichkeiten des Gesetzes zum Eignungsnachweis nicht erschöpfend wieder. Das ist auch die Auffassung des Ministers für Wissenschaft und Forchung des Landes Nordrhein-Westfalen als oberster Landesbehörde für Ausbildungsförderung. Aus der Tatsache, daß das Rundschreiben die neue Rechtslage nicht vollständig wiedergibt, wird man allerdings nicht auf eine beabsichtigte restriktive Handhabung der neuen Vorschriften durch die Universität Bonn und andere Hochschulen schließen können. Um jeden Zweifel auszuschließen, hat der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen den Hochschulen des Landes in einem Runderlaß die dazu von der Bundesregierung nach vorausgegangenen eingehenden Beratungen mit den obersten Landesbehörden beschlossenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 48 Abs. 1 übermittelt und gebeten, beide Alternativen des § 48 Abs. 1 Satz 1 sowie insbesondere Tz 48.1.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu beachten. Die gesamte allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BAföG liegt zur Zeit dem Bundesrat vor, der darüber nach der Sommerpause beraten wird.
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    Rede von Dr. Martin Bangemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Jäger, das ist nun wirklich eine Fortführung dessen, was ich Ihnen hier gerade als Methode genannt habe, die nicht weiterführt.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Ich habe Ihren Maßstab angewandt!)

    Sie beschwören hier ein Gespenst, das ausgefüllt ist mit Ihren Ängsten, mit all dem, was Sie aus Ihren Erwartungen in die Haltung der anderen Länder projizieren.
    Ich will Ihnen einmal sagen, worin Sie jetzt hier eine Denkweise offenbart haben, die eben einfach in der Außenpolitik nicht weiterführt.

    (Pfeffermann [CDU/CSU] : Das ist der Unterschied zwischen Jäger und Bangemann!)

    — Nachdem ich nun seine Zwischenfrage zugelassen habe, muß ich Ihnen nun wenigstens insoweit



    Dr. Bangemann
    helfen, zu weiteren Zwischenfragen zu kommen, die ihn dann vielleicht weiterführen können. — Sie reden vom Ostblock, und damit unterstellen Sie eine Vorstellung dieses osteuropäischen Raumes, die mit der Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun hat. Das ist ein höchst differenziertes Gebilde, wenigstens geworden, meine Damen und Herren von der Opposition, und ich kann Ihnen nur dringend raten: Bereisen Sie — nachdem in Helsinki das alles hier verabschiedet ist, haben Sie viel mehr Möglichkeiten —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das wollen wir abwarten!)

    Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, und von mir aus bereisen Sie auch Albanien, damit Sie alle diese Unterschiede ganz genau feststellen können. Die sind nämlich ungeheuer.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Herr Bangemann, das ist doch nur die notwendige Kürze bei der Formulierung! Ich kann das doch nicht in einer Zwischenfrage behandeln!)

    — Sie wissen, daß ich zu denjenigen gehöre, die sich immer wieder die Mühe machen, sich ernsthaft mit Ihren Vorstellungen auseinanderzusetzen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Diesmal aber nicht!)

    Auf vielen Gebieten haben Sie sich schon entwickelt, aber auf dem Gebiet der Entspannungspolitik ist ja Ihre Enthaltung zum Moskauer Vertrag staatsmännische Weisheit gegenüber dem, was Sie hier vorschlagen!

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Sie gehen immer wieder davon aus, daß die gute alte, heile Welt, die auch eine einfache Welt war, weiterbesteht. Das ist nicht so. Die Beziehungen sind in einem ungewöhnlichen Maße komplex geworden, und die großen Vereinfachungen wie z. B. „der Ostblock" bringen eben nicht mehr eine Basis für vernünftige und rationale Politik, wie wir sie uns alle wünschen müssen. Das muß man denjenigen sagen, die hier davon gesprochen haben, daß sich die Bundesrepublik in einer besonderen Lage befindet und daß wir deswegen vielleicht kritischer, skeptischer gegenüber den Ergebnissen sein müssen. Meine Damen und Herren und vor allen Dingen Herr Carstens, der das noch einmal betont hat: Da wir in einer besonderen Lage sind — und zwar nicht nur wegen der Spaltung in zwei deutsche Staaten, sondern auch wegen einer ungewöhnlich prekären Sicherheitslage —, sind wir diejenigen, die an einer Unterzeichnung dieser Schlußakte in einem höchsten Maße interessiert sind, viel stärker als beispielsweise Kanada. Das ist die Wahrheit!

    (Beifall bei der FDP und SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn man sich Ihre ablehnende Haltung einmal in der ganzen Breite vor Augen führt, wird im Grunde immer wieder dokumentiert, daß Sie dieses Grundprinzip der Entspannungspolitik entweder bewußt ablehnen oder in Ihre Politik nicht einführen können. Es dreht sich doch, meine Damen und Herren, nicht darum, daß in dieser Ihrer Politik der Versuch gemacht werden soll, die Prinzipien, die wir in unserer demokratischen Welt, in unserem politischen Zusammenleben für richtig halten und die wir so praktizieren — und nicht nur in Worten ausdrücken —, wie wir das bei uns in der Bundesrepublik tun, anderen Ländern vorzuschreiben, die dann durch einen Vertrag — wie auch immer — diesen Prinzipien zu folgen hätten. Das geht eben nicht! Wir müssen vielmehr Versuchen, mit anderen Ländern, mit anderen Staaten mit anderen Auffassungen von politischem Zusammenleben in ein Verhältnis zu kommen, das folgendes gewährleistet: einmal die schlichte militärische Sicherheit, die Möglichkeit des physischen Überlebens. Es darf bei der Entspannungspolitik nicht vergessen werden, daß ein ganz wesentlicher Bestandteil dieser Politik der Versuch ist, dieser Bundesrepublik — wenn wir das schon einmal in einem nationalstaatlich-egoistischen Begriffssystem darstellen wollen — und den Menschen, die in ihr leben, die Möglichkeit zu verschaffen, zu überleben in einer Welt, die nun einmal immer wieder zur Aufrüstung neigt und vielleicht auch durch ihre gegenseitigen Ängste getrieben wird. Es geht also — am Beispiel der Aufrüstung kann man das sehr gut darlegen — nicht darum, hier die Augen vor den Fakten zu verschließen, davor, daß aufgerüstet wird, sondern darum, die Ursachen dafür, daß aufgerüstet wird, zu beseitigen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Und die sind?)

    Und diese Ursachen sind z. B. Vorurteile gegeneinander, die unbegründete Angst voreinander — alles das, was zu den spannungsfördernden Elementen dazugehört.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Und sonst nichts?)

    Über die Friedenspolitik und über die Friedenswissenschaft ist ja schon viel Kritisches gesagt worden. Aber es empfiehlt sich, einiges darüber nachzulesen, was an Erkenntnissen über menschliche Eigenschaften vorhanden ist, wie z. B. Angst oder Furcht oder Mißtrauen, was im Spannungsprozeß, wenn es drinbleibt, eben auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen kann, selbst dann, wenn man das nicht will. Das ist doch das Problem, um das es hier geht.
    Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, entdecken „neue soziale Fragen", aber Sie geben immer wieder die alten Antworten. Und da fragen wir uns natürlich: Wo ist in einem solchen Parlament eine Möglichkeit, über solche wichtigen Fragen so zu diskutieren, daß wir auch von dem profitieren können, was Sie hier an begründeter Kritik vortragen könnten?
    Sie haben sich darüber gewundert, daß fast alle Redner von einer Isolation, in die Sie geraten sind, gesprochen haben. Sie haben das abgelehnt. Sie haben auf die „Neue Zürcher Zeitung" verwiesen und auf irgendein anderes Blatt, an dessen Namen ich mich jetzt nicht mehr erinnere.

    (Stücklen [CDU/CSU] : „New York Times" ! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: „Economist" !)




    Dr. Bangemann
    — Gut, nehmen wir also die „New York Times" und den „Economist" noch dazu.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sind das Provinzzeitungen?)

    Das ist ja alles ganz schön und gut. Die Frage ist aber doch nicht, ob Sie sich mit einigen Journalisten in deren Bedenken zusammenfinden — da finden Sie sogar noch mehr Leute, die diese Bedenken auch haben —, sondern die Frage ist doch, ob Sie sich mit Leuten zusammenfinden, die diese Bedenken so weit treiben, daß sie die Unterzeichnung der Schlußakte ablehnen. Darum geht es, und da, meine Damen und Herren, befinden Sie sich jetzt sogar schon zu Ihrer eigenen Jugendorganisation in einer Isolation.
    Vorhin bin ich aufgefordert worden, zum „Vorwärts" etwas zu sagen. Das kann ich nicht, denn ich habe den Artikel, um den es hier geht, nicht gelesen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Alles, was wichtig ist, lesen Sie offenbar nicht!)

    — Das halte ich nicht für so wichtig. Aber ich will hier einmal zur stillen Freude der SPD, der Sie ja immer die Jusos vorhalten, verlesen — mit der gütigen Genehmigung des Herrn Präsidenten —, was der RCDS zu der Haltung gesagt hat, die Sie heute hier praktizieren. Das ist ganz neu; nicht von vorgestern, wie beim „Vorwärts", das ist von heute. Da heißt es:
    Gegen die Ablehnung der KSZE-Ergebnisse
    durch die CDU/CSU hat sich der Ring Christlich-Demokratischer Studenten ausgesprochen.

    (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

    In Bonn erklärte der RCDS-Bundesvorsitzende, bessere Ergebnisse seien bei realistischer Sicht im Ost-West-Dialog nicht erreichbar. Die Sowjetunion habe ihre ursprünglichen Ziele, insbesondere die Einrichtung eines ständigen europäischen Sicherheitsrates, der ihr Einfluß in Westeuropa verschaffen sollte, keineswegs erreicht. Die KSZE-Ergebnisse garantierten nicht Entspannung in Europa, sondern seien die Maßstäbe, an denen die Verwirklichung der Entspannung gemessen werden müsse.
    Sehr richtig!

    (Zuruf)

    — Hören Sie gut zu!
    Die Ablehnung der KSZE-Ergebnisse durch die CDU/CSU bedeute einen Rückfall in außenpolitischen Immobilismus, meinte der Student.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Immer noch besser als die Judos!)

    Meine Damen und Herren, Sie erinnern mich an die Geschichte von dem Elternpaar, das bewundernd am Rande einer Straße steht, auf der ein Regiment vorbeimarschiert. Ihr Sohn Werner ist der einzige, der nicht Tritt hält; und beide Eltern sagen: „Schau
    mal! Der gute Werner ist der einzige, der im Gleichschritt marschiert!"

    (Heiterkeit)

    Wobei das Schlimme ist, daß Sie ja nicht einmal diese Eltern haben, die Ihnen das bestätigen. Ihre Söhne verlassen Sie; Sie müssen sich selber bestätigen, daß Sie recht haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Letzten Endes, meine Damen und Herren — und das ist vielleicht im Zusammenhang mit der Tatsache, daß hier die europäische Union zum erstenmal praktiziert worden ist, besonders wichtig —: Wenn man sich einmal den Entspannungsprozeß anschaut, wie er abgelaufen ist, dann kann man sagen, daß dieser Prozeß von 1969 bis 1972 im wesentlichen durch die Vier Mächte und die beiden deutschen Staaten getragen worden ist. In dieser Zeit wurde alles das, was in der Verantwortlichkeit der Vier Mächte und der beiden deutschen Staaten lag, zustande gebracht. Von 1972 bis 1973 ging das Gesetz des Handelns auf die USA und die Sowjetunion über. In 1974 und in diesem Jahr, meine Damen und Herren, lag das Gesetz des Handelns ohne jeden Zweifel beim Europa der Neun, und alle diejenigen, die immer wieder billige Skepsis verbreiten, wenn es um europäische Dinge geht, sind hier ganz eindrucksvoll eines Besseren belehrt worden. Nur so, wie hier die Gemeinschaft gehandelt hat, nur so wird sie zu einer europäischen Identität finden. Das ist nämlich nicht ein Begriff, den man in theoretischen Diskussionen ermitteln kann, sondern das ist eine politische Wirklichkeit, die durch Handeln erreicht wird. Die Europäische Gemeinschaft muß handeln, auch dann, wenn es für sie kritisch ist, auch dann, wenn es vielleicht einmal beschwerlich ist. Dann wird sie zu sich selbst kommen. Diese Zusammenarbeit hat sich bei der KSZE in einem ungewöhnlichen Maße bewährt und hat mit zu den Ergebnissen beigetragen.
    Es hat sich auch eines gezeigt, das für die Zukunft der Europäischen Gemeinschaft von großer Bedeutung sein wird. Das, was an politischem Einfluß für diese Gemeinschaft entstanden ist, entstand, weil die Gemeinschaft in der Konferenz in Genf sich leichter getan hat als die klassischen Großmächte mit den neutralen und blockfreien Ländern. Hier ist zum erstenmal, was auch in der Entwicklungspolitik dieser Gemeinschaft anklang, deutlich geworden, daß die europäische Union dann eine Zukunft hat und dann in einem ungewöhnlichen Maße auch politische Einflußmöglichkeiten gewinnt, wenn sie sich von einer Großmachtpolitik fernhält und eine Politik echter Partnerschaft und Aufgeschlossenheit auch gegenüber den Problemen anderer Länder, ohne eigene Interessen, zumindest ohne eigene hegemoniale Interessen, betreibt. Das ist etwas, was auch zur Überwindung der Blockgrenzen beigetragen hat und was ganz sicher bei dem Ergebnis, das wir jetzt diskutieren, nicht vergessen werden darf.
    Ein letztes Wort, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu der Frage des, wie man im Neuhochdeutschen sagt, „Follow-up". Ich teile die Meinung der Regierung, daß wir im Augenblick nicht in einen institutionellen Rahmen hätten gelangen dür-



    Dr. Bangemann
    fen, der politische Möglichkeiten geschaffen hätte, die wir zum Teil nicht voll überblicken, die zum Teil möglicherweise durch den augenblicklichen Zustand, in dem wir zusammen leben, auch gar nicht voll gerechtfertigt gewesen wären.
    Andererseits muß ich aber doch ganz deutlich machen, daß, einmal abgesehen von der Frage der Bilanzziehung im Jahre 1977, eine Verankerung der Zusammenarbeit und auch eine Kontrolle und eine Diskussion über die Ergebnisse der Zusammenarbeit dieser Zusammenarbeit nur dienlich sein können. Wir sollten uns vielleicht noch einmal überlegen, ob ein solcher Gedanke nicht im Rahmen der Bilanz im Jahre 1977 sehr viel realistischer und vielleicht sogar notwendiger wird, als er es heute ist.
    Auch die Kritik, die heute gegen eine solche Institution laut wird, etwa daß sie der Sowjetunion Möglichkeiten der Kontrolle verschaffte, die ihr heute nicht zustünden, oder daß sie zur Auflösung der NATO beitragen könnte, daß sie möglicherweise den Hegemonieanspruch der Sowjetunion unterstützen könnte, und daß sie den Prozeß der europäischen Einigung wenn nicht ausschließen, so doch behindern könnte, diese Kritik ist vielleicht im Jahre 1977 in einem anderen Licht zu sehen.
    Eines ist schon heute in einem anderen Licht zu sehen, und das bekräftigt nach meiner Meinung immer wieder die Position, die die Regierung und die Regierungsfraktionen hierzu einnehmen: Es kam einmal von Ihnen ein Rat, den ich nicht vergessen werde, weil ich ihn schon damals für falsch hielt, und weil ich glaube, daß wir in der Ablehnung Ihres Vorschlags recht behalten haben. Ihr Vorschlag lief darauf hinaus, erst einmal die westeuropäische Einigung voranzutreiben und dann mit irgendwelchen Bemühungen, seien es auch nur Bemühungen der Handelspolitik, nach Osteuropa hinauszuschreiten. Sie behaupteten, dieses beides könne man nicht gleichzeitig tun. Das war falsch.
    Es ist in Genf — das ist vielleicht eines der Ergebnisse, die von Dauer sein werden — sehr eindrucksvoll bewiesen worden, daß sich der Entspannungsprozeß nach Osten hin mit einem Integrationsprozeß nach Westen hin in die europäische Union nicht nur verträgt, sondern daß sich beide Prozesse in einem ungewöhnlichen Maße gegenseitig günstig beeinflussen. Je mehr Entspannung wir nach Osten zustande bringen, meine Damen und Herren, um so besser wird der Integrationsprozeß nach Westen in Gang zu setzen sein, und je größer der Zusammenhalt der Neun in der Europäischen Gemeinschaft wird, um so wirkungsvoller werden die Bemühungen sein, den Entspannungsprozeß nach Osten hin zu betreiben.
    Aus diesen Gründen stimmt meine Fraktion der Haltung der Bundesregierung in Genf zu und befürwortet und begrüßt, daß die Bundesregierung bereit ist, die Schlußakte in Helsinki zu unterzeichnen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Bürgermeister Oxfort (Berlin).

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß sich Berlin in dieser Debatte zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zum Wort meldet, hat seinen Grund in einigen Feststellungen, die für Berlin zu treffen sind, bevor die Gipfelkonferenz in Helsinki dieses europäische Dokument in wenigen Tagen annehmen wird.
    Vorweg dies: Berlin hält das Ergebnis für befriedigend. Das heißt, wir sehen weder Anlaß zur Euphorie, noch tragen wir uns mit Bedenken. Die von der Opposition befürchteten nachteiligen Auswirkungen für Berlin sind gegenstandslos.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — Ich würde gelegentlich, verehrter Herr Kollege, auch diejenigen fragen, die davon betroffen sind und von denen Sie hier am meisten reden,

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    vor allem die in Berlin frei gewählte Regierung.

    (Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU] : Wie ist es mit der stärksten Partei?)

    — Bitte, Frau Kollegin Berger, nehmen Sie es mir nicht übel: Wenn Sie bei Ihrem Kummerkasten bleiben, machen Sie sich überzeugender.

    (Frau Berger [Berlin] [ CDU/CSU] : Wie ist es denn mit der stärksten Partei?)

    Nach all den Erfahrungen, die wir in Berlin in der Vergangenheit machen mußten, wissen wir nur zu genau, daß der Weg zu Verständigungen oder gar zu Regelungen, Abmachungen, Übereinkünften und Abkommen sehr mühsam ist und auch dann, wenn kleinere Schritte gemacht oder größere Ziele erreicht sind, Schwierigkeiten fortdauern und Differenzen auftreten können und daß die Gegensätze im Prinzipiellen unaufhebbar bleiben.
    Wir haben darum von vornherein von der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa nicht die großen, nicht die durchschlagenden, nicht die überzeugenden Lösungen erwartet, auch nicht die Lösung der deutschen Frage. Aber wir sehen in dem Konferenzergebnis eine brauchbare Grundlage für Verbesserungen in Europa, und das ist sehr viel. Wer sich eine gesamteuropäische Lösung ausmalte, der wird enttäuscht sein. Wer an die europäischen Nachkriegskonfrontationen denkt, der wird zufrieden sein.
    Lassen Sie mich einen Vergleich ziehen, meine Damen und Herren. Als die Vereinbarungen zwischen dem Senat von Berlin und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über Erleichterungen und Verbesserungen des Reise- und Besucherverkehrs paraphiert worden waren, bewerteten wir das Ergebnis so: unvollkommen nach dem Ideal hin, befriedigend nach der Wirklichkeit hin. Das meinen wir auch zum Ergebnis der Verhandlungen in Genf.
    Ich habe den Vergleich nicht von ungefähr gezogen. Jeder Vertrag, den die Bundesregierung seit 1970 mit der Sowjetunion und den osteuropäischen Ländern sowie mit der DDR schloß, hat selbstver-



    Bürgermeister Oxfort (Berlin)

    ständlich Kompromißcharakter. Das für die Existenz Berlins fundamentale Viermächteabkommen hat selbstverständlich Kompromißcharakter. Wenn wir davor zurückgescheut hätten, würden wir heute noch in den Verhältnissen der fünfziger und sechziger Jahre stecken.
    Das Ergebnis dieser Konferenz über Europa unter Einschluß Kanadas und der Vereinigten Staaten von Amerika ist kein Friedensvertrag, es schafft auch kein neues Völkerrecht, und es ist auch kein Ersatz für beides, wie die Bundesregierung hier überzeugend dargelegt hat. Die Schlußdokumente sind das Ergebnis des Bemühens von 35 Staaten, den Entspannungswillen gemeinsam zu formulieren. Dies ist trotz der unterschiedlichen Interessen unter gegenseitigen Zugeständnissen gelungen. Das kann helfen, die Verhältnisse in Europa und damit auch in unserem Lande und in Berlin nach vorn zu bewegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es kommt nun darauf an, die Absichts- und Willensäußerungen der KSZE mit Leben zu erfüllen, und wir sehen in dem Beschluß, eine neue europäische Konferenz für 1977 nach Belgrad einzuberufen, das allseitige Interesse am Fortgang dieser Politik, die geeignet ist, den Frieden in Europa sicherer zu machen. Maßstab für den Erfolg werden die konkreten Verbesserungen bei der angestrebten Zusammenarbeit auf den verschiedenen Gebieten sein wie bei der gegenseitigen Information und den menschlichen Erleichterungen. Gerade Berlin wird Fortschritte über das bisher Erreichte hinaus sehr aufmerksam verfolgen. Wir stellen fest, daß die Bundesregierung, soweit es nicht wie im ersten Korb um Sicherheit und Status ging, und die Drei Mächte Berlin auf der KSZE vertreten und seine Interessen voll gewahrt haben. Wir danken dafür.
    Es ist sichergestellt, daß Berlin an den Ergebnissen der Konferenz teilhat. In der Präambel der Gesamtdokumente bekunden die Regierungen der Teilnehmerstaaten bekanntlich ihre Entschlossenheit, den Konferenzergebnissen Wirksamkeit zu verleihen und die Vorteile, die aus diesen Ergebnissen hervorgehen, in ganz Europa, also auch in Berlin, zu gewährleisten. Die Stellung Berlins ist im übrigen in den Dokumenten voll gesichert durch die Rechtswahrungsklausel, in der die Teilnehmerstaaten feststellen, daß die Dokumente weder ihre Rechte und Verpflichtungen noch die diesbezüglichen Verträge und andere Abkommen und Abmachungen berühren.