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ID0718301600

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    6. Pawelczyk.: 1
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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 183. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Josten 12797 B Erklärung der Bundesregierung betr. KSZE Genscher, Bundesminister AA . . . . . 12797 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . . . 12803 C Brandt SPD 12812 B Hoppe FDP 12816 D Stücklen CDU/CSU . . . . . . . . 12819 D Schmidt, Bundeskanzler 12825 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . 12830 B Pawelczyk SPD 12834 B Dr. Bangemann FDP . . . . . . . . 12839 A Oxfort, Bürgermeister von Berlin . . . 12843 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 12845 B Mattick SPD 12850 A Dr. Schröder (Düsseldorf) CDU/CSU . . 12854 A Wehner SPD . . . . . . . . . . 12859 C Strauß CDU/CSU 12862 A Genscher, Bundesminister AA . . . . 12869 D Namentliche Abstimmungen . . . . . 12872 A Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 12875* A Anlage 2 Nichtanwendung des § 48 Absatz 2 BAföG durch einige Hochschulen SchrAnfr B 59 06.06.75 Drs 07/3737 Engholm SPD ErgSchrAntw StSekr Dr. Jochimsen BMBW 12875* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 12797 183. Sitzung Bonn, den 25. Juli 1975 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 181. Sitzung, Seite 12684 D ist statt „Gerstl (Passau) (CDU/CSU) " zu lesen „Gerstl (Passau) (SPD) ". 181. Sitzung, Seite 12726 C: Die Zeile 22 mit den Worten „was nun die Rechtsgrundlage sein soll," ist zu streichen. Einzufügen sind die Worte ,;Rechte dort habe". Vier Zeilen weiter ist hinter dem Wort „soll" ein Komma zu setzen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt für Alber 25. 7. Dr. Bayerl 25. 7. Dr. Böger 25. 7. von Bothmer 25. 7. Breidbach 25. 7. Prof. Dr. Burgbacher 25. 7. Burger 25. 7. Bühling 25. 7. Dürr 25. 7. Dr. Enders 25. 7. Geldner 25. 7. Gerster (Mainz) 25. 7. Gewandt 25. 7. Gierenstein 25. 7. Graaff 25. 7. Haase (Fürth) 25. 7. Dr. Häfele 25.7. Handlos 25. 7. Hölscher 25. 7. Horn 25. 7. Horstmeier 25. 7. Dr. Hupka 25. 7. Hussing 25. 7. Jaunich 25. 7. Kater 25. 7. Dr. Kiesinger 25. 7. Lange 25. 7. Dr. Klepsch 25. 7. Dr. Köhler 25. 7. Krampe 25. 7. Lattmann 25. 7. Leicht 25. 7. Lücker 25. 7. Dr. Luda 25. 7. Lüdemann 25. 7. Prof. Dr. Möller 25. 7. Opitz 25. 7. Pieroth 25. 7. Dr. Riede 25. 7. Rollmann 25. 7. Rommerskirchen 25. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein 25. 7. Prof. Dr. Schäfer (Tübingen) 25. 7. Prof. Dr. Schellenberg 25. 7. Schmidt (Kempten) 25. 7. Dr. Starke 25. 7. Stommel 25. 7. Vogel (Ennepetal) 25. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt für Volmer 25. 7. Walkhoff 25. 7. Dr. Walz 25. 7. Dr. Wex 25. 7. Wischnewski 25. 7. Dr. Wörner 25. 7. Prof. Dr. Zeitel 25. 7. Anlage 2 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Jochimsen auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engholm (SPD) (Drucksache 7/3737 Frage B 59, 178. Sitzung, Seite 12552*, Anlage 75) : Ihr Hinweis auf die ab 1. August 1975 geltende Neufassung des § 48 BAföG dürfte sich vermutlich nicht auf die Absätze 1 und 2, sondern auf Absatz 1, Nrn. 1 und 2 beziehen. Das Rundschreiben des Rektors der Universität Bonn an die Dekane der einzelnen Fakultäten befaßt sich, worauf Sie mit Recht hingewiesen haben, nur mit Absatz 1 Nr. 1. Insoweit gibt das Rundschreiben die in der ab 1. August 1975 geltenden Neufassung des Absatzes 1 Satz 1 enthaltenen beiden Möglichkeiten des Gesetzes zum Eignungsnachweis nicht erschöpfend wieder. Das ist auch die Auffassung des Ministers für Wissenschaft und Forchung des Landes Nordrhein-Westfalen als oberster Landesbehörde für Ausbildungsförderung. Aus der Tatsache, daß das Rundschreiben die neue Rechtslage nicht vollständig wiedergibt, wird man allerdings nicht auf eine beabsichtigte restriktive Handhabung der neuen Vorschriften durch die Universität Bonn und andere Hochschulen schließen können. Um jeden Zweifel auszuschließen, hat der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen den Hochschulen des Landes in einem Runderlaß die dazu von der Bundesregierung nach vorausgegangenen eingehenden Beratungen mit den obersten Landesbehörden beschlossenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 48 Abs. 1 übermittelt und gebeten, beide Alternativen des § 48 Abs. 1 Satz 1 sowie insbesondere Tz 48.1.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu beachten. Die gesamte allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BAföG liegt zur Zeit dem Bundesrat vor, der darüber nach der Sommerpause beraten wird.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion bedauert, daß der Bundeskanzler in seiner Rede den Boden der sachlichen Argumentation verlassen

    (Widerspruch bei der SPD — Beifall bei der CDU/CSU)

    und erneut den Weg der Polemik bei der Auseinandersetzung über eine wichtige Frage der deutschen Politik beschritten hat. Ich will und muß dem mit aller Klarheit entgegentreten. Ich will zunächst nur mit einem Wort die kritischen Bemerkungen zurückweisen, die der Bundeskanzler in dem Sinne an die Adresse unseres Freundes Helmut Kohl gerichtet hat, daß er jetzt nicht auf der Bundesratsbank anwesend sei. Ich glaube, Herr Bundeskanzler, Sie müssen es den Mitgliedern des Bundesrates schon selbst überlassen, wann und bei welchen Gelegenheiten sie hier an den Debatten teilnehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Herr Bundeskanzler, im übrigen erinnere ich Sie daran, daß Sie bei anderer Gelegenheit ebenso hämisch kritisiert haben, daß eine Reihe der der CDU/CSU angehörenden Mitglieder des Bundesrates auf der Bundesratsbank anwesend war. Ich empfehle Ihnen also wenigstens bei Ihrer Polemik etwas mehr innere Konsequenz.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber nun zu Ihren sachlichen Vorwürfen. Der erste Vorwurf war, die CDU/CSU isoliere sich mit ihrer Position in Europa und überhaupt in der Welt.

    (Zuruf von der SPD: Das hat sie ja schon!)

    — Meine verehrten Damen und Herren, warten Sie doch erst einmal ab, was ich dazu zu sagen habe; Sie können hinterher dann ja noch weitere Zwischenrufe machen.
    Diese Ihre Behauptung, die CDU/CSU isoliere sich mit ihrer Position, ist sachlich falsch, denn unsere Bedenken werden von vielen Freunden in den anderen europäischen Staaten und in anderen Ländern der Welt geteilt. Ich gehe so weit zu sagen: Es gibt überhaupt keinen vernünftigen Menschen — Sie selbst müssen sich hier doch wohl einschließen, Herr Bundeskanzler —, der nicht auch die Gefahren und Bedenken sieht, die mit dieser Entspannungspolitik, so wie sie in den Dokumenten jetzt ihren Ausdruck findet, verbunden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Kollege Stücklen hat vorhin eine lange Reihe von Zitaten aus maßgeblichen Presseorganen der westlichen Welt vorgetragen, Presseorganen, die für wichtige politische Gruppen in Amerika, in Frankreich, in England und in anderen Ländern sprechen und die haargenau dieselben Bedenken und Einwendungen gegen die Schlußdokumente der Genfer Konferenz vortragen, wie wir, die CDU/CSU, es hier tun. Von einer Isolierung der CDU/CSU kann daher überhaupt keine Rede sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, das Argument, wir isolierten uns mit dieser Politik, die wir hier vertreten, ist auch in sich selbst widerspruchsvoll. Welches andere Land, so frage ich, befindet sich in der Lage, in der sich Deutschland befindet? Welches andere Volk ist so geteilt wie das deutsche Volk, daß es in zwei Staaten leben muß? Ergibt sich daraus nicht zwangsläufig, daß die deut-



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    schen politischen Parteien und insbesondere die deutsche Oppositionspartei, die CDU/CSU, Bedenken erheben müssen, wenn nach ihrer Auffassung die Interessen des geteilten deutschen Volkes nicht ausreichend wahrgenommen worden sind?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben sich, Herr Bundeskanzler — und das tun ja andere Sprecher Ihrer Regierung und der Regierungskoalition auch bei vielen anderen Gelegenheiten —, des neu gewonnenen Handlungsspielraums gerühmt und zum Ausdruck gebracht, wieviel besser Ihrer Meinung nach die Bundesrepublik Deutschland heute dastehe als vor einigen Jahren. Ja, ergibt sich nicht daraus dann um so mehr die Folgerung, für das Ziel, das, wie ich annehme, unser gemeinsames Ziel ist und bleibt, für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands durch freie Selbstbestimmung des deutschen Volkes aktiv einzutreten und dann, wenn es auf einer solchen Konferenz wie der KSZE in Genf und in Helsinki zu einer großen Dokumentation von Prinzipien über das Zusammenleben der Staaten in Europa kommt, auch dafür einzutreten, daß diese höchste Forderung, die wir für das deutsche Volk erheben müssen, förmlich und schriftlich Eingang in die Dokumente der Konferenz findet? Das ist doch eine ganz verständliche und aus der deutschen Sicht für jedermann, so möchte ich sagen, begreifliche Forderung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben dann gegen den Satz des Entschließungsantrags der CDU/CSU-Fraktion polemisiert, der lautet:
    Maßgebliche Inhalte des Schlußdokuments der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ...
    — dienen einer weltweiten Täuschung über die wahre Sicherheitslage in der Welt.
    Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen: Genau das ist der Fall! Überlegen Sie sich nur, wenn Sie die Dokumente lesen: Findet sich in diesen Dokumenten ein Wort über Portugal? In den Dokumenten wird davon gesprochen, daß sich jeder Teilnehmerstaat der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Teilnehmerstaates enthalten wird. Ist Ihnen denn entgangen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist Ihnen entgangen, Herr Bundeskanzler,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Typisch!)

    daß in Portugal eine massive Einwirkung auf die inneren Verhältnisse Portugals von außen stattfindet?

    (Brandt [SPD] : Hätten Sie das gesagt, wenn Salazar dran wäre?)

    — Ich habe mich nicht mit der Politik von Salazar identifiziert, Herr Kollege Brandt,

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD] sowie weitere Zurufe von der SPD)

    und ich identifiziere mich nicht mit der jetzigen
    Politik Portugals, sondern ich stelle fest, daß Portugal ein Land ist, auf das von außen in massiver Form eingewirkt wird,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU])

    und zwar in Form der Unterstützung der kommunistischen Kräfte in diesem Lande, sowohl der kommunistischen Partei Portugals wie auch der kommunistischen Kräfte in den Streitkräften selbst. Es wird gesagt — ich glaube, Herr Kollege Brandt hat es heute in seiner Rede auch wieder gesagt —, wir sollten Portugal nicht verloren geben. Das will niemand; niemand wird Portugal verloren geben, so lange eine Hoffnung besteht,

    (Dr. Ehrenberg [SPD] : Was wollen Sie denn?)

    daß in Portugal demokratische Verhältnisse wiederhergestellt werden. Aber was wir als eine Täuschung, zumindest als eine Selbsttäuschung bezeichnen müssen, ist die Tatsache, daß man über diese Entwicklung in Portugal, die doch überhaupt erst während der Konferenz eingesetzt hat,

    (Brandt [SPD] : Als die Konferenz begann, war Salazar noch dran! — Dr. Ehrenberg [SPD] : Das weiß der doch nicht! — Weitere Zurufe von der SPD)

    in den feierlich zu unterschreibenden Schlußdokumenten hinweggehen wird, ohne sich um das zu kümmern, was inzwischen vorgegangen ist.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Brandt [SPD]) Herr Außenminister, — —


    (Brandt [SPD] : Da war noch Salazar!)

    — Herr Kollege Brandt, nun reden Sie doch nicht immer von Salazar!

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich habe Salazar in meinem ganzen Leben nicht ein einziges Mal gesehen.

    (Anhaltende lebhafte Zurufe von der CDU/ CSU)

    Ich weiß gar nicht, was das mit der Debatte zu tun hat, in der wir jetzt sprechen.

    (Beifall und Zurufe bei der CDU/CSU)

    Wir sprechen über den feierlich bekräftigten Grundsatz der Schlußdokumente von Genf und von Helsinki, daß sich jeder Teilnehmerstaat einer direkten oder indirekten

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

    — indirekten, Herr Kollege Ehrenberg, hören Sie einmal zu! — Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates enthalten wird, und über das Thema Portugal geht man stillschweigend zur Tagesordnung über. Das ist in der Tat, wenn nicht eine Täuschung, eine schwerwiegende Selbsttäuschung über die Entwicklung in einem Lande, welches ohne Zweifel innerhalb der freien, der westlichen Welt liegt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])




    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Werfen Sie doch bitte einen Blick auf Angola, meine Damen und Herren! In Angola findet auch erst, seitdem diese Konferenz im Gange ist, ein erbitterter Freiheitskampf statt zwischen verschiedenen Freiheitsorganisationen und Freiheitsbewegungen. In letzter Zeit hat die kommunistische Freiheitsbewegung in Angola erhebliche Fortschritte gemacht. Die Hauptstadt des Landes, Luanda, befindet sich inzwischen in ihrem Besitz. Die kommunistische Freiheitsbewegung in Angola wird in massiver Form durch Waffenlieferungen von außen unterstützt.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Ja, warum ist denn das so?)

    Das sind alles Dinge, die sich erst, während man in Genf verhandelte, zugetragen haben, und sie werden mit Stillschweigen übergangen. Dies sind schwerwiegende Einwendungen gegen das Unternehmen der Konferenz, gegen die Schlußakte, wie sie uns vorliegt.

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Wie ist denn das gekommen in Angola? — Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    — Verehrter Herr Kollege Arndt, ich schätze Sie eigentlich immer besonders wegen der ausgeprägten Logik ihrer Argumentation, aber in diesem Fall, muß ich sagen, haben Sie mich sehr enttäuscht. Das hat mit dem, was ich hier sage, überhaupt nichts zu tun.
    Die Unmenschlichkeiten in der DDR sind während der Verhandlungen in Genf ganz unverändert weitergegangen, und sie werden — dessen müssen wir uns doch wohl leider gewärtig sein — bis zur Unterzeichnung der Schlußdokumente in Helsinki nicht beendet sein. Die Schießanlagen bestehen fort. Verstößt das, was in der DDR geschieht, gegen die so feierlich in der Schlußakte beschworenen Menschenrechte, oder tut es das nicht? Und was bedeutet es, wenn man es trotzdem mit Stillschweigen übergeht? Sehen Sie, das meinen wir, wenn wir davon sprechen, daß diese Schlußdokumente geeignet sind, eine Täuschung über die wahre Lage, in der wir uns befinden, hervorzurufen und zu verstärken.
    Der Außenminister hat gesagt, uns kann nicht alles schon am Anfang in den Schoß fallen. Aber, meine Damen und Herren, darum geht es doch überhaupt nicht, sondern dies sind doch Verschlechterungen, von denen ich spreche, die eingetreten sind, während man in Genf verhandelte, während man dort mühsam an den Formeln bastelte, die uns jetzt als Endergebnis vorliegen. Es hat sich herausgestellt, daß sich die östliche Seite durch diese gemeinsamen Bemühungen um mehr Menschlichkeit überhaupt nicht hat beeinflussen lassen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

    Ich vermisse auch, Herr Bundeskanzler, in dem, was Sie, was Kollege Brandt und was andere Redner der Koalition gesagt haben, ein Eingehen auf das meiner Meinung nach schwerwiegendste Problem, welches sich im Zusammenhang mit diesen Genfer Schlußdokumenten stellt: die Tatsache, daß Ost und West unter Entspanung etwas völlig Verschiedenes verstehen. Der Bundeskanzler hat gesagt, hier bestehen ideologische Gegensätze fort. Aber, meine Damen und Herren, mit dem Stichwort „ideologische Gegensätze" wird der Tatbestand überhaupt nicht erfaßt, um den es sich handelt. Wir müssen doch der Tatsache ins Auge sehen, daß für die östliche Seite friedliche Koexistenz eine Modalität, eine Formel zur Fortsetzung des Kampfes mit allen Mitteln außer dem Einsatz von Waffen ist, des Kampfes mit dem Ziel, dem Sozialismus, wie sie es nennen, weltweit zum Siege zu verhelfen. Friedliche Koexistenz, Entspannungspolitik ist also nach östlicher Auffassung ein offensives, ein expansives, ein aggressives Konzept, und dem stellt der Westen nichts entgegen, nichts, was damit vergleichbar wäre.
    Um so notwendiger ist es, daß wir uns bei diesen Debatten und im Rahmen der Dokumente, die jetzt in Helsinki unterzeichnet werden sollen, daran erinnern, daß wir aber nicht nur uns, sondern auch die Völker daran erinnern, daß hier mit „Entspannung" auf der Seite des Ostens und auf der Seite des Westens grundsätzlich Verschiedenes gemeint wird. Sonst besteht die Gefahr, daß Illusionen gefördert und Volksfrontbestrebungen ermutigt werden.

    (Oho-Rufe bei der SPD)

    Ich begrüße — das möchte ich ausdrücklich sagen — das, was Herr Kollege Brandt hier heute zum Thema „Volksfront" gesagt hat; ich begrüße die eindeutige Abgrenzung von diesem Konzept, die er für die SPD vollzogen hat. Aber, Herr Kollege Brandt, ich weiß nicht, ob Ihnen entgangen ist, was das Organ Ihrer Partei, der „Vorwärts", am 10. Juli 1975, glaube ich, geschrieben hat. Dort heißt es — ich zitiere jetzt wörtlich —:
    Die Sozialdemokraten werden damit in die Koexistenzpolitik des Kreml mit einbezogen, um eine möglichst breite Basis in Europa zu schaffen und um das kommunistisch-sozialdemokratische Lager gegenüber China zu festigen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Brandt [SPD]: Das ist das sowjetische Konzept!)

    In bezug auf die SPD hofft der Kreml wohl außerdem, sie durch ihren Vorsitzenden Willy Brandt als Motor in der Ostpolitik benutzen zu können.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Es ist richtig, daß der „Vorwärts" hier das sowjetische Konzept wiedergibt, aber ich glaube, es wäre dringend notwendig, daß sich die SPD und insbesondere ihr Vorsitzender davon klar distanzieren. Der „Vorwärts" jedenfalls tut das in dem Artikel, aus dem ich vorgelesen habe, nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und um das Thema „Illusionen" noch eine Weile fortzuspinnen: Hier liegt mir eine dpa-Meldung vom 4. Juli vor. Danach hat Kollege Brandt in Moskau in einer Rede vor der Gesellschaft UdSSR/Bundesrepublik Deutschland mit Bezug auf die Entspannungspolitik gesagt:
    Gewisse Enttäuschungen konnten nicht ausbleiben. Manche hochgespannte Erwartung hat sich



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    nicht erfüllt. Wer Illusionen hatte, ist eines anderen belehrt worden. Doch lassen Sie mich hinzufügen: Wir stehen noch immer an einem Anfang.
    Herr Kollege Brandt, das ist ein spätes Eingeständnis des Fehlschlagens Ihrer eigenen Ostpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Während Sie noch in Moskau waren, sagten Sie, Herr Kollege Brandt, daß Sie meinten, es könne in der nächsten Zeit möglich sein, aus der unfruchtbaren Polemik um Berlin herauszukommen. Aber kaum waren Sie wieder in der Bundesrepublik eingetroffen, erhob die „Prawda" einen geharnischten Protest gegen den Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Rabin in Berlin. Das, was Sie da meinten, war offenbar von der „Prawda" und von Ihren sowjetischen Gesprächspartnern nicht richtig verstanden worden.
    Diese Gefahr, daß wir weiterhin Illusionen über die Absichten des politischen Gegners anhängen, ist eine schwere Bedrohung für unsere Sicherheit und unsere Freiheit, und es ist die Aufgabe der Opposition im Deutschen Bundestag, diesen Illusionen mit aller Klarheit und Deutlichkeit entgegenzutreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Konferenz nennt sich „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa". Ja, ich möchte fragen: Ist denn nicht schon der Name, den diese Konferenz hat, in Wirklichkeit eine Täuschung? Was verstehen wir denn unter Sicherheit in Europa? Verstehen wir darunter, daß ein paar unverbindliche Vereinbarungen über Manöverbeobachtungen ausgetauscht werden? Oder verstehen wir darunter, daß die ständige Steigerung des Rüstungspotentials des Warschauer Paktes endlich aufhören, man endlich zu einer geregelten Begrenzung der Bewaffnung kommen müsse? Ist denn nicht das die zentrale Frage der Sicherheit in Europa? Von dieser ganzen Thematik enthält die Konferenz und enthalten die Dokumente der Konferenz nicht ein einziges Wort. Wenn also von Täuschung gesprochen wird, dann, muß man leider sagen, beinhaltet diese Überschrift, dieser Titel schon eine schwerwiegende Täuschung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jetzt wird uns gesagt: Die MBFR-Verhandlungen sollen die Rüstungsbegrenzungen bringen. Aber, meine Damen und Herren, wie war es denn? Am Anfang, als die Konferenz über KSZE in Genf begonnen wurde, war sich der Westen einig, daß zwischen dem Abschluß dieser Konferenz und dem Abschluß der Parallelkonferenz in Wien über Truppenreduzierungen ein Zusammenhang bestehen müsse, daß es zur Erhöhung der europäischen Sicherheit und, damit man überhaupt in Wahrheit von Sicherheit sprechen könne, notwendig sei, gleichzeitig mit dem Abschluß dieser Konferenz in Genf eine Begrenzung der Rüstungen in Ost und West, eine ausgewogene gegenseitige Reduzierung der Streitkräfte in Ost und West herbeizuführen. Davon, meine Damen und Herren, ist nichts übriggeblieben.
    Man hat den Zusammenhang zwischen den beiden Konferenzen gelöst. Heute heißt es — der Außenminister hat es ja wohl gesagt —, man hoffe, daß es in der MBFR nun auch weitergehen werde. Hoffnungen, für die niemand eine Gewißheit hat!
    Wir sind der Meinung, daß das, was die Bundesregierung als die Erfolge ihrer Politik darstellt, in Wahrheit und bei Licht besehen nur besagt, daß die Sowjetunion nicht alle Ziele, die sie sich zu Beginn der Konferenz gesetzt hat, erreicht hat. Das ist natürlich zu begrüßen. Es wäre sicherlich wesentlich schlechter, wenn die USA und Kanada an der Konferenz nicht teilgenommen hätten. Es wäre sicherlich noch schlechter, wenn die Konferenz dazu geführt hätte, daß die europäischen Staaten, die europäische politische Gemeinschaft dabei auseinandergefallen wären. Das ist alles richtig. Aber das ist doch nicht ein Beweis dafür, daß das, was uns als Konferenzergebnis vorliegt, dem entspricht, was wir als Parlament, als Vertreter des deutschen Volkes von dieser Konferenz und ihren Schlußdokumenten erwarten müssen.
    Herr Bundeskanzler, machen Sie sich keine Sorge darüber, wie die CDU/CSU die Interessen unseres Landes nach außen vertreten wird, wenn die CDU/ CSU nach der nächsten Bundestagswahl die Regierung in der Bundesrepublik Deutschland übernehmen wird!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Die CDU/CSU hat eine aktive Friedenspolitik betrieben, lange bevor es die sozialliberale oder SPD/ FDP-Koalition in der Bundesrepublik Deutschland gab. Der ABC-Verzicht, der hier erwähnt wurde, ist ein Verzicht, den Adenauer, der Kanzler der CDU/CSU, für die Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen hat. Meine Damen und Herren, das ist, ich möchte das noch einmal unterstreichen, ein großer, zentraler Beitrag für den Gedanken des Friedens und der Rüstungsbegrenzung in der Welt gewesen, und bis heute steht die Bundesrepublik Deutschland immer noch allein mit dieser Verpflichtung da, die sie übernommen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es waren die von CDU und CSU geführten Regierungen, die 1955 anläßlich des Beitritts der Bundesrepublik Deutschland zur WEU und zur NATO den Gewaltverzicht ausgesprochen haben. Die Friedensnote aus den sechziger Jahren ist von der Regierung Erhard und Schröder abgefaßt und an sämtliche Staaten der Welt gesandt worden. Die CDU/CSU hat während der ganzen Zeit, wo sie in diesem Lande in der Regierung war, immer wieder umfassende Vorschläge zur Abrüstung gemacht. Die CDU/CSU läßt sich in den Anstrengungen um die Erhaltung des Friedens in Europa und in der Welt durch niemanden übertreffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wo bleibt die Praxis?)

    Aber sie fordert eine Politik, die bei allen Bemühungen um eine Verbesserung der Beziehungen
    auch zu den osteuropäischen Staaten zugleich ent-



    Dr. Carstens (Fehmarn)

    schlossen ist, die politische Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Sozialismus zu führen, und zwar so, daß deutlich wird, daß nicht nur ideologische Gegensätze bestehen, sondern daß das Konzept der kommunistischen Parteien in Osteuropa darauf hinausläuft, den Sozialismus in der ganzen Welt, und das heißt in erster Linie in Westeuropa, zum Siege zu führen.
    Die CDU/CSU fordert eine Politik, die deutlich macht, daß die deutsche Frage weiterhin ungelöst ist, daß das deutsche Volk das Recht auf Selbstbestimmung nicht ausgeübt hat und daß die Wiederherstellung der deutschen Einheit auf Grund einer freien Selbstbestimmung weiterhin das Ziel deutscher Politik bleiben muß. Die CDU/CSU fordert eine Politik, die wirkliche Sicherheit bringt und nicht nur scheinbare Sicherheit auf Grund von Formeln, die bei Licht besehen unverbindliche Absichtserklärungen sind. Die CDU/CSU fordert eine Politik, die mehr Freiheit für Menschen, für die Informationen, für den Meinungsaustausch über die Grenzen zwischen Ost und West hinweg bringt. Das ist eine alte Forderung, die die CDU/CSU seit Jahren erhoben hat. Diese Forderung ist in die westliche Verhandlungsposition eingegangen.
    Aber die Ergebnisse der Konferenz sind — das ist eingehend dargelegt worden — in dieser Hinsicht enttäuschend.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Eine Verhöhnung!)

    Die Freiheiten, die dort in Aussicht gestellt werden, sind nicht abgesicherte Freiheiten, sondern unverbindliche Absichtserklärungen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Einer solchen Politik, wie ich sie skizziert habe, wäre die CDU/CSU bereit ihre Unterstützung zu geben. Aber mit diesen Grundsätzen steht das, was uns als Konferenzergebnis von Genf vorliegt, nicht im Einklang. Deswegen stellt die CDU/CSU-Fraktion den Antrag, die Bundesregierung aufzufordern, die Schlußdokumente der KSZE nicht zu unterzeichnen.
    Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Hört! Hört!)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Pawelczyk.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alfons Pawelczyk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Nichts Neues!" haben die Kollegen meiner Fraktion in der Rede mehrfach gesagt, und ich denke, dieses kann man unterschreiben. Sie können Außenpolitik nicht betreiben, indem Sie wie das Kaninchen auf die Schlange starren, unfähig für eigene Konzeptionen sind, Alternativen zu einem allmählichen Veränderungsprozeß auf der Basis realistischer Möglichkeiten ausschlagen, ohne hier auch nur den Ansatz einer eigenen Alternative auf den Tisch zu legen.

    (Beifall bei der SPD) Ich sage hier für meine Fraktion: Wir identifizieren uns mit den Ergebnissen dieser Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.


    (Beifall bei der SPD)

    Die Drucksache liegt Ihnen vor. Es handelt sich bei diesem Ergebnis um einen wichtigen Beitrag der sozialliberalen Koalition für die Weiterentwicklung der europäischen Politik. Ich bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf die Erklärung der Neun am Schluß dieser Bundestagsdrucksache zu richten. Dort heißt es:
    Die Verbesserung der Beziehungen zwischen den Staaten in Europa, die vor allem durch den Abschluß des Viermächteabkommens über Berlin und des Vertrages zwischen den beiden deutschen Staaten gefördert worden ist, hat die Einberufung der Konferenz ermöglicht.
    Meine Damen und Herren, hier kommt zum Ausdruck, daß die Bundesrepublik Deutschland endlich d e n Beitrag zur Stabilisierung des Friedens in Europa geleistet hat und daß es sich hier um ein erstes Ergebnis handelt. Diesem Ergebnis stimmen zu: alle westeuropäischen Staaten, die Vereinigten Staaten und Kanada. Sie unterschlagen, daß die Vereinigten Staaten durch dieses Ergebnis zum Ausdruck bringen, daß sie näher an Europa herangerückt sind, daß es eine konzeptionelle Übereinstimmung gibt, die es in der Vergangenheit nicht gab. Wann hatte die Rolle der EG je so starkes Gewicht wie jetzt?

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Zeigen Sie mir ein vergleichbares Dokument zu der Erklärung der Neun in dieser Bundestagsdrucksache, die Ihnen hier vorliegt! Wann gab es je eine derart lückenlose Übereinstimmung im entspannungspolitischen Konzept zwischen den europäischen Staaten in der NATO und den neutralen Staaten Europas? Dies ist eine gute Ausgangsbasis für weitere Entwicklungen in Europa.
    Sie sehen es natürlich anders. Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen darauf hingewiesen, daß wir in diesen Tagen den englischen Premier, den französischen Staatspräsidenten und den amerikanischen Präsidenten zu Gast haben. Innerhalb einer Woche kommen die Regierungschefs der drei wichtigsten Länder doch nicht in die Bundesrepublik, um fehlende Übereinstimmung in Grundfragen der Politik hier auf dem Boden der Bundesrepublik zu korrigieren, sondern um die bestehende Übereinstimmung ausdrücklich optisch zu bestätigen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Sie können sich drehen und wenden wie Sie wollen, — Sie werden nicht dazu in der Lage sein, sich davon zu befreien. daß Sie auf der Basis Ihrer Außenpolitik nur Albanien als Partner in Europa haben.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)




    Pawelczyk
    — Herr Professor Carstens, wer denn außer Albanien wehrt sich gegen die Ergebnisse, wer denn? Sagen Sie es hier!

    (Zurufe von der SPD: Die CDU!)

    — Ja, CDU ist klar; darüber brauchen wir hier nicht zu reden.

    (Nordlohne [CDU/CSU] : Reden Sie nicht so einen Stuß!)

    Ihr Kollege Stücklen und auch Sie waren nur imstande, Presseorgane als Zeugen anzuführen. Uns interessieren hier die Stellungnahmen der Regierungen und die der Völkerrechtsexperten, die die Regierungen beraten; hier gibt es nur Zustimmung.
    Meine Damen und Herren, im Grunde geht es für Sie darum, zu versuchen, diese Debatte in eine deutschlandpolitische Debatte umzudrehen, weil Sie natürlich spüren, daß das Nein, das totale Nein, das in Ihrer Entschließung zum Ausdruck kommt, Ihnen zunehmend Schwierigkeiten bei Ihren Schwesterparteien in Europa bereitet.

    (Zurufe von der SPD: So ist es!)

    Wir werden Ihnen diesen Weg verstellen; wir führen hier eine europapolitische Debatte, und wir sind unserer Regierung ausgesprochen dankbar dafür, daß sie es in den zweieinhalbjährigen Verhandlungen verhindert hat, die deutschen Fragen durch die 35 Staaten mitentscheiden zu lassen. Es kann doch nicht in unserem Interesse liegen, daß die Regelung unserer Fragen zu einer 35-Mächte-Verantwortung wird. Nur die Vier Mächte, die Bundesrepublik und die DDR sind verantwortlich.
    Etwas zweites ist zu sagen. Wir Sozialdemokraten werden uns auch nicht mit einer rein verteidigenden Interpretation der KSZE-Ergebnisse begnügen. Dieses Ergebnis ist — und ich zitiere die Erklärung der Neun — eine Leitlinie für künftige Beziehungen. Es wird eine Ausgangslage geschaffen. Eine Leitlinie! Lothar Rühl, ein anerkannter Journalist, nennt es: Geschäftsordnung für praktische Politik. Mit diesen beiden Definitionen ist das Ergebnis korrekt umschrieben.
    Uns geht es darum, wie nach der Phase 3, also nach der Gipfelkonferenz von Helsinki, die Entwicklung fortgesetzt wird. Wie erhalten und bauen wir die Stellung der Neun weiter aus? Wie lösen wir — wie helfen wir zu lösen — die Fragen, die sich im Mittelmeerraum stellen? Wie erreichen wir erste konkrete MBFR-Ergebnisse? Wir sind realistisch genug, zu wissen, daß in Europa und in der Welt die Entspannung nicht wie eine reife Frucht vom Baum fällt. Wir gehen den Weg, mühsam, Schritt für Schritt, ein Ergebnis nach dem anderen zu erzielen, ohne unsere völkerrechtlichen Grundlagen zu verletzen. Eine Alternative gibt es nicht. Wer diesen mühsamen Weg ausschlägt, der ist nicht fähig, die Regierungsverantwortung zu übernehmen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es hilft auch nicht weiter, daß Sie immer den übernächsten Schritt fordern, aber nein sagen zu dem
    davorliegenden, der zunächst einmal gegangen werden muß.

    (Beifall bei der SPD)

    Schritt für Schritt, das ist die Geschäftsbasis für weitere Fortschritte, das Ergebnis der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.
    Die Bedeutung dieser Konferenz erschließt sich, wenn man den Zusammenhang mit der Entspannungspolitik der letzten Jahre herstellt. Es geht um friedliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil. Wir haben es alle gemeinsam geschafft, daß aus jahrhundertelanger Erbfeindschaft ein freundschaftliches Verhältnis unter Bündnispartnern geworden ist. Diese Übereinstimmung beeinflußt auch unsere Möglichkeiten einer offensiven Politik gegenüber dem Osten. Die westlichen Teilnehmer, wir und unsere Freunde, waren sich jeden Augenblick darüber im klaren, daß wir keinen Schritt ohne die Berücksichtigung unserer Sicherheitsinteressen tun können. Wir wissen, daß das Netz gegenseitiger Abhängigkeiten mit dem Osten nicht so stark ist, daß es nicht beschädigt werden könnte.
    Deswegen verzichten wir nicht auf das Nordatlantische Bündnis; wir bestätigen es ausdrücklich. Nur auf der Basis unseres Bündnisses ist aktive, realistische Entspannungspolitik möglich. Ich verwehre auch niemandem — warum denn eigentlich? —, eine realistische Haltung zur Entspannungspolitik an den Tag zu legen. Aber, ich finde, jener demonstrative Pessimismus, der den Gegnern der Zusammenarbeit von vornherein die Entschuldigungsgründe mitliefert, kann nicht Basis unserer Argumentation sein.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir müssen uns hier noch einmal gegenseitig klar vor Augen führen: Dieser mühsame Weg setzt voraus, daß jeder Staat die Mittel zur Kontrolle des Veränderungsprozesses selbst in der Hand behält. Wenn es zu Ergebnissen kommt, bei denen der Staat in Gefahr gerät, wird er nicht zustimmen. Die Bereitschaft zur Entspannungspolitik setzt innenpolitische Stabilität in den einzelnen Ländern voraus.
    Der Wert, den ein spannungsfreies Europa für unseren Kontinent bedeutet, verpflichtet uns, diesen mühsamen Weg zu gehen, jede Chance wahrzunehmen. Die Opposition lehnt diesen Weg leider ab. Ich finde es hochinteressant — ich gehe davon aus, daß die Überprüfung, die jemand für mich angestellt hat, zutrifft —, daß in der „Alternative '76", die Sie in Mannheim verabschiedet haben, kein Wort über SALT, kein Wort über MBFR, kein Wort über KSZE zu finden ist.
    Einige Bemerkungen zu den vertrauensbildenden Maßnahmen. Hier geht es um die freie Disposition über die Streitkräfte im eigenen Land. Diese Disposition ist zentrales Element der Souveränität jedes Staates. Zum erstenmal hat sich der Ostblock auf dieser Konferenz bereit erklärt, Manöver in einer Größenordnung ab 25 000 Mann in einem bestimmten geographischen Raum vorher anzukündigen. Jeder, der die 30jährige Nachkriegsgeschichte kennt, weiß, daß dies ein Durchbruch ist. Jeder weiß, daß dies ein Politikum ersten Ranges ist. Hier ist zum erstenmal eine psychologische Barriere durchbro-



    Pawelczyk
    chen worden. Es geht darum, Barrieren zu beseitigen, gerade in diesem Bereich.
    Die Ankündigung von Manövern baut Mißtrauen ab und schafft damit Voraussetzungen für weitere Verhandlungen zur Verminderung von Rüstungen im nuklearen und im konventionellen Bereich. Das Ergebnis der KSZE fordert beide Seiten heraus, ihre Vorschläge zu überprüfen, zu modifizieren, um konkrete MBFR-Ergebnisse zu erreichen.
    Herr Kollege Stücklen, ich muß hier eines noch einmal ganz deutlich sagen: Wenn Sie die Ergebnisse der Sicherheitspolitik und die sicherheitspolitischen Leistungen bemängeln, haben Sie hoffentlich nicht die Bundesrepublik gemeint. Die Bundesrepublik leistet einen hohen Beitrag. Die Bundesrepublik, diese Bundesregierung und die Koalition, die sie trägt, haben dafür gesorgt, daß die Bundeswehr intakt ist — mit einem guten inneren Gefüge, mit einem guten Stand von Ausrüstung und Bewaffnung, anerkannt in der Bevölkerung. Das ist ein qualifizierter Beitrag, den wir unseren westlichen Freunden zur Verfügung stellen. Sie werden nicht davon ausgehen, daß wir nachlassende Beiträge der anderen übernehmen können.

    (Stücklen [CDU/CSU] : In dieser Richtung habe ich überhaupt nicht Stellung genommen! — MBFR, Herr Kollege!)

    — Dann ist es gut. Wenn Sie aber die sicherheitspolitischen Beiträge kritisieren, dann müssen Sie doch einen Lösungsvorschlag machen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dann müssen Sie doch sagen: Bezüglich der Sicherheitspolitik schlage ich als CSU-Mitglied vor, die Bundesrepublik sollte zusammen mit den Vereinigten Staaten und diesen oder jenen anderen Ländern materielle Anstrengungen unternehmen, auf die anderen verzichten wir; wir sind bereit, dafür den Haushaltsplan der Bundesrepublik in dieser und jener Weise abzuändern.
    Sie kritisieren, machen aber keine Änderungsvorschläge und führen Ihre Gedanken auch nicht zu Ende.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Stücklen [CDU/CSU] : Sie sind auf dem völlig falschen Dampfer!)

    Ich stelle fest, die Bundesrepublik leistet einen wichtigen Beitrag für die Sicherheitspolitik im Bündnis. In der Sicherheitspolitik kann kein Versuch ausgelassen werden, um auf diesem Gebiet zu konkreten Ergebnissen zu kommen.
    Gerade wir sind in besonderer Weise auf die Übereinstimmung mit den Staaten in Europa angewiesen. Wir müssen in voller Übereinstimmung mit dem Bündnis handeln. Ihre Politik der Negation katapultiert uns geradezu aus dieser Übereinstimmung heraus.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist doch Unsinn!)

    Durch westliche Initiative wurde erreicht, daß militärische Fragen Gegenstand dieser Konferenz wurden und damit eine Verbindung zwischen militärischen und politischen Sicherheitserwägungen erreicht wurde. Dies ist ein Element unserer Entspannungskonzeption.
    Ein zweites. Wir haben auf den wirtschaftlichen Aspekt Wert gelegt. Es wurden Geschäftsbedingungen ausgehandelt, die über den augenblicklichen Zustand hinausführen. Es gibt konkrete Ansätze, auf der Basis dieser Geschäftsbedingungen vorzugehen. Die wirtschaftliche Kooperation stützt die politische Entspannung und ist als ein Pfeiler dieser Konzeption westlicher Entspannungspolitik gar nicht wegzudenken.
    Herr Kollege Stücklen hat in besonderem Maße den Tagesordnungspunkt III — Zusammenarbeit im humanitären Bereich — kritisiert. Es geht um mehr Bewegungsfreiheit, mehr Kontakte zwischen den Menschen

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Unter der Überschrift!)

    — ja, unter der Überschrift — und einen verstärkten Fluß von Informationen zwischen den Menschen in Europa. Die westlichen Staaten haben versucht und erreicht, daß die Fragen der Zusammenarbeit im humanitären Bereich zum Gegenstand eines Tagesordnungspunktes der Konferenz werden. Haben Sie die Entwicklung nicht mitvollzogen, daß wir entgegen den Absichten des Ostens diesen Bereich in die Konferenz mit einbezogen haben? Damit ist doch unsere Konzeption klar: Verzahnung militärischer und politischer Fragen im selben geographischen Bereich, wirtschaftliche Kooperation; Hereinnahme der Fragen des humanitären Bereichs. Dies ist ein unauflösbarer Zusammenhang, dies ist Grundlage unserer Konzeption. Wenn Sie das zu kritisieren haben, dann zeigen Sie doch Ihr Konzept!
    Ich würde nicht in den Wind schlagen, daß seit der Spaltung Europas in Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung dies die erste Konferenz in Europa ist, auf der die humanen Wertvorstellungen, die sich aus der europäischen Geschichte entwickelt haben, Plattform für eine gemeinsame Willenserklärung geworden sind. Wort für Wort stehen die Kritikpunkte in diesem dritten Tagesordnungspunkt, Wort für Wort sind unsere Überlegungen zur Verbesserung der Lage aufgenommen. Unser Standpunkt hat sich durchgesetzt. Was gibt es daran zu kritisieren?
    Hauptpunkt Ihrer Kritik ist der Prinzipienkatalog. Sie geben zwar zu, daß dies kein Vertrag ist, aber Sie argumentieren in Ihrer Kritik ständig so, als ob es einer sei.

    (Nordlohne [CDU/CSU] : Sie haben Herrn Marx gar nicht zugehört!)

    Der Westen hat sich sorgfältig gehütet, auf einseitige Interpretation durch den Ostblock einzugehen, um den Anschein einer übereinstimmenden Rechtsauffassung überhaupt nicht erst entstehen zu lassen. Er hat dafür gesorgt, daß die Konferenztexte der westlichen Auffassung entsprechen. Nur Sie, die



    Pawelczyk
    Opposition, scheren hier aus, und zwar öffentlich, über Wochen und Monate, Herr Kollege Marx.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das behaupten Sie, das stimmt gar nicht! Thema nicht erkannt!)

    Das ist tief bedauerlich. Es unterminiert die westliche Position. Sie stellen sich damit direkt gegen die Interessen des eigenen Landes. Es läßt Sie völlig unbeeindruckt, daß die neun EG-Staaten eine ganz eindeutige Interpretation abgegeben haben; das interessiert Sie nicht.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Doch!)

    Es interessiert Sie auch nicht, daß sich noch in den letzten Tagen der amerikanische Präsident Ford dazu sehr exakt geäußert hat.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Weil Solschenizyn ihn dazu provoziert hat!)

    Meine Damen und Herren, die Auffassung, die der Regierung hier vorgetragen hat, ist auch unsere eigene. Es sind keine völkerrechtlichen Vorbehalte verletzt worden. Wir haben in unseren Ostverträgen eine bilaterale Grundlage für praktische Verbesserungen geschaffen, ohne die völkerrechtliche Substanz zu beschädigen. Das KSZE-Ergebnis ist eine Multilateralisierung. Die Fragen der Zusammenarbeit, die praktisch regelbar sind, werden formuliert.
    Eine Bemerkung zu den Prinzipien I und III. Meine Damen und Herren! Wenn ich am Beginn meiner Ausführungen sagte, wir stehen hinter diesen KSZE-Ergebnissen, dann gilt das ganz ausdrücklich für den Prinzipienkatalog. Wir wollen uns nicht eine Grenzänderung mit Gewalt offenhalten. Jeder, der argumentiert, sollte nicht den Eindruck erwecken, daß andere eine derartige Interpretation anstellen könnten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Diese Belehrung brauchen Sie uns nicht zu geben!)

    Meine Damen und Herren! Die KSZE ist durch eine gute westliche Zusammenarbeit zu einer Konferenz geworden, der der Westen, der Osten und die neutralen Staaten zustimmen. Anders kann keine Ausgangsbasis für eine allmähliche Entwicklung zu mehr Entspanung erreicht werden. Und es kann keine Rede davon sein, daß hier, Herr Kollege Stücklen, das sowjetische Konzept der fünfziger Jahre einer europäischen Sicherheitskonferenz übernommen worden ist. Das ist doch einfach nicht wahr.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Eine Etappe davon!)

    — Ja, eine Etappe. Haben Sie denn übersehen, daß die Vereinigten Staaten und Kanada herausgehalten werden sollten? Haben Sie denn übersehen, daß das Ende dieses Dialogs, der über 20 Jahre dauerte, zu unseren Gunsten ausging. Die Vereinigten Staaten sind mehr in Europa integriert als vorher. Ist das ein Ergebnis zu unserem Nachteil? Hat der Westen denn hier daraufgezahlt?
    Wir haben dafür gesorgt, daß wir eine Tagesordnung bekommen, die die militärischen Elemente der
    Entspannung enthält; das sollte nach dem Willen des Ostens verhindert werden. Wir haben dafür gesorgt, daß humanitäre Fragen Gegenstand der Verhandlungen werden. Auch dagegen wehrte sich der Osten. Wo haben wir denn hier eine Etappe oder alles verspielt?
    Ich finde es geradezu beschämend, wenn Ihr Parteivorsitzender die Sicherheitskonferenz bezeichnet — ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung" —
    als einen Versuch, mit Hilfe einer Aktionsgemeinschaft zwischen Sozialdemokraten und KPdSU zu einer von militärischen Machtdemonstrationen unterstützten Diplomatie die europäische Politik aus den Angeln heben.
    Das ist die Bewertung Ihres Vorsitzenden Strauß. Wodurch ist diese Beurteilung gerechtfertigt? Was ist denn das für eine Beurteilung?
    Sie nehmen auch nicht die Rolle zur Kenntnis, die die Neun gespielt haben. Von der Vorbereitungsphase bis zum abschließenden Ergebnis in Helsinki haben die neun EG-Staaten eine hervorragende Rolle gespielt. Zum erstenmal waren sie im Ost-West-Dialog herausgefordert. Zum erstenmal hatten sie sich zu bewähren. Die Neun haben sich vorzüglich bewährt. Es wurde eine gute Basis für die weitere Entwicklung in Europa geschaffen. Sie wissen, daß der christlich-demokratische Ministerpräsident Moro auch namens der Neun seine Unterschrift unter das Schlußergebnis setzen wird.
    Es ist bedauerlich, daß die CDU sich das Nein von der CSU hat abringen lassen.

    (Dr. Marx [CDU/CSUC] : Das ist eine Erfindung von Ihnen! — Stücklen [CDU/CSU] : Wie kommen Sie darauf?)

    Und, Herr Kollege Carstens, ich finde es gar nicht befremdlich, daß der Herr Bundeskanzler hier dieses Nein, diese totale Isolierung in Europa, zum Gegenstand ernster Sorge macht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich finde es überhaupt nicht eigenartig, daß er nach der Auffassung und der Position seines Gegenkandidaten fragt. Stützt er dieses Nein? Will er Außenpolitik auf der Basis dieser totalen Isolierung mitmachen oder nicht? Warum ist Strauß hier, und warum fehlt Kohl? Es kann doch nicht sein, daß Sie plötzlich der KSZE einen so geringen Wert zumessen, daß es sich für den Kanzlerkandidaten der Opposition nicht lohnt, bei einer Debatte über die Grundfragen westlicher Politik und deutscher Außenpolitik durch Abwesenheit zu glänzen, wo er doch unwichtigere und wichtigere Debatten von der Bank des Bundesrates aus verfolgt.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [ CDU/CSU] : Haben Sie doch Respekt vor der freien Entscheidung!)

    Ich finde es bedauerlich, daß wegen dieser Absprache zum totalen Nein eine Differenzierung auf Ihrer Seite nicht möglich ist.

    (Zuruf des Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU])




    Pawelczyk
    — Nein, nein, Herr Kollege Mertes. — Sie werden auch mit diesem Nein die unterschiedlichen Auffassungen, die Dissense, die in Ihrer Außenpolitik liegen, nicht los.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Lassen Sie das unsere Sorge sein!)

    Sie können damit heute eine Abstimmung überstehen. Aber die Risse in Ihrer Fraktionsgemeinschaft, die Sie uns in den letzten fünf Jahren bei allen Abstimmungen vorgeführt haben, werden Sie so nicht los.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Stücklen [CDU/CSU])

    Sie haben kein außenpolitisches Konzept, das die Fraktionsgemeinschaft akzeptiert, und Sie sind, zumindest außenpolitisch, deshalb nicht regierungsfähig;

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    daran gibt es nichts wegzudiskutieren.

    (Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU]: Suchen Sie den Balken im eigenen Auge! — Stücklen [CDU/CSU] : Wer will denn aus der NATO, wollen das die Jungsozialisten oder wir? — Lachen bei der SPD — Pfeffermann [CDU/CSU] : Wann kommen Sie endlich auf Sonthofen zu sprechen? Das fehlt doch bisher noch!)

    — Ja, die Jungsozialisten!

    (Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU)

    — Herr Präsident, ich fasse dies als eine Frage des Kollegen Stücklen auf und bitte, das bei meiner Redezeit zu berücksichtigen; an sich wäre ich in zwei Minuten fertig gewesen. — Da werden natürlich wieder die Jusos vorgeführt.

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU — Nordlohne [CDU/CSU] : 40 % Ihrer Mitglieder! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Machen Sie doch weiter!)

    — Nein, ich möchte ihn erst zu Ende reden lassen.
    — Ich will Ihnen folgendes sagen. Wir Sozialdemokraten als demokratische Partei treffen unsere Entscheidungen auf Bundesparteitagen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

    Wir stellen politische Probleme zur offenen Diskussion.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das machen wir nicht? — Aha!)

    — Was heißt „Aha" ? Wenn das für Sie ein Aha-Erlebnis ist, dann lernen Sie doch daraus!

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir diskutieren politische Grundfragen in aller Offenheit kontrovers, wir treffen auf Bundesparteitagen eine Entscheidung, gehen dann mit einheitlicher Auffassung in die Parlamente

    (Aha-Rufe und Lachen bei der CDU/CSU)

    und tragen die Dissense nicht als Fraktion in den Parlamenten aus, wie Sie es tun.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Nordlohne [CDU/CSU] : Sie sollten mal etwas zum „Vorwärts" von gestern sagen!)

    Wenn der Bürger Abgeordnete wählt, dann erwartet er, daß innerparteiliche Streitpunkte vorher auf Parteitagen ausgetragen werden. Sonst können politische Versprechen parlamentarisch nicht durchgesetzt werden. Ihre Entscheidungen bei allen Grundfragen der Außenpolitik — Beitritt zur UNO, Atomwaffensperrvertrag — die eine Hälfte dafür, die andere dagegen, sind doch kein Ausdruck gemeinsamer Außenpolitik. Wem wollen Sie denn das einreden?

    (Beifall bei der SPD und ,der FDP — Stücklen [CDU/CSU] : Es tut Ihnen wohl leid, daß wir einig sind?!)

    — Wieso soll es mir leid tun, daß Sie sich hier nicht verständigen können? Das tut mir überhaupt nicht leid.
    Meine Damen und Herren, zu einer tragfähigen Entspannungskonzeption gehört es, mit den befreundeten Staaten ein einheitliches außenpolitisches Konzept zu entwickeln. Dazu gehört erstens, die politischen und militärischen Aspekte der Entspannungspolitik zusammenzuführen, so daß sie gemeinsam von allen unterstützt werden. Das haben wir Ihnen in den zweieinhalb Jahren KSZE-Verhandlungen eindrucksvoll vorgeführt.
    Dazu gehört zweitens die Unterstützung durch wirtschaftliche Kooperation und gemeinsame Absprachen über die Zielrichtung. Wir und die uns befreundeten Staaten im Westen haben Ihnen vorgeführt, daß hier Einstimmigkeit besteht.

    (Nordlohne [CDU/CSU] : Große Worte!)

    Dazu gehört drittens die Einbeziehung der Zusammenarbeit im humanitären Bereich und in anderen Bereichen. Auch das haben wir Ihnen gemeinsam mit den westlichen Freunden und den neutralen Staaten eindrucksvoll vorgeführt.