Rede:
ID0718300800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 183. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Josten 12797 B Erklärung der Bundesregierung betr. KSZE Genscher, Bundesminister AA . . . . . 12797 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . . . 12803 C Brandt SPD 12812 B Hoppe FDP 12816 D Stücklen CDU/CSU . . . . . . . . 12819 D Schmidt, Bundeskanzler 12825 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . 12830 B Pawelczyk SPD 12834 B Dr. Bangemann FDP . . . . . . . . 12839 A Oxfort, Bürgermeister von Berlin . . . 12843 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 12845 B Mattick SPD 12850 A Dr. Schröder (Düsseldorf) CDU/CSU . . 12854 A Wehner SPD . . . . . . . . . . 12859 C Strauß CDU/CSU 12862 A Genscher, Bundesminister AA . . . . 12869 D Namentliche Abstimmungen . . . . . 12872 A Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 12875* A Anlage 2 Nichtanwendung des § 48 Absatz 2 BAföG durch einige Hochschulen SchrAnfr B 59 06.06.75 Drs 07/3737 Engholm SPD ErgSchrAntw StSekr Dr. Jochimsen BMBW 12875* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 12797 183. Sitzung Bonn, den 25. Juli 1975 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 181. Sitzung, Seite 12684 D ist statt „Gerstl (Passau) (CDU/CSU) " zu lesen „Gerstl (Passau) (SPD) ". 181. Sitzung, Seite 12726 C: Die Zeile 22 mit den Worten „was nun die Rechtsgrundlage sein soll," ist zu streichen. Einzufügen sind die Worte ,;Rechte dort habe". Vier Zeilen weiter ist hinter dem Wort „soll" ein Komma zu setzen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt für Alber 25. 7. Dr. Bayerl 25. 7. Dr. Böger 25. 7. von Bothmer 25. 7. Breidbach 25. 7. Prof. Dr. Burgbacher 25. 7. Burger 25. 7. Bühling 25. 7. Dürr 25. 7. Dr. Enders 25. 7. Geldner 25. 7. Gerster (Mainz) 25. 7. Gewandt 25. 7. Gierenstein 25. 7. Graaff 25. 7. Haase (Fürth) 25. 7. Dr. Häfele 25.7. Handlos 25. 7. Hölscher 25. 7. Horn 25. 7. Horstmeier 25. 7. Dr. Hupka 25. 7. Hussing 25. 7. Jaunich 25. 7. Kater 25. 7. Dr. Kiesinger 25. 7. Lange 25. 7. Dr. Klepsch 25. 7. Dr. Köhler 25. 7. Krampe 25. 7. Lattmann 25. 7. Leicht 25. 7. Lücker 25. 7. Dr. Luda 25. 7. Lüdemann 25. 7. Prof. Dr. Möller 25. 7. Opitz 25. 7. Pieroth 25. 7. Dr. Riede 25. 7. Rollmann 25. 7. Rommerskirchen 25. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein 25. 7. Prof. Dr. Schäfer (Tübingen) 25. 7. Prof. Dr. Schellenberg 25. 7. Schmidt (Kempten) 25. 7. Dr. Starke 25. 7. Stommel 25. 7. Vogel (Ennepetal) 25. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt für Volmer 25. 7. Walkhoff 25. 7. Dr. Walz 25. 7. Dr. Wex 25. 7. Wischnewski 25. 7. Dr. Wörner 25. 7. Prof. Dr. Zeitel 25. 7. Anlage 2 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Jochimsen auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engholm (SPD) (Drucksache 7/3737 Frage B 59, 178. Sitzung, Seite 12552*, Anlage 75) : Ihr Hinweis auf die ab 1. August 1975 geltende Neufassung des § 48 BAföG dürfte sich vermutlich nicht auf die Absätze 1 und 2, sondern auf Absatz 1, Nrn. 1 und 2 beziehen. Das Rundschreiben des Rektors der Universität Bonn an die Dekane der einzelnen Fakultäten befaßt sich, worauf Sie mit Recht hingewiesen haben, nur mit Absatz 1 Nr. 1. Insoweit gibt das Rundschreiben die in der ab 1. August 1975 geltenden Neufassung des Absatzes 1 Satz 1 enthaltenen beiden Möglichkeiten des Gesetzes zum Eignungsnachweis nicht erschöpfend wieder. Das ist auch die Auffassung des Ministers für Wissenschaft und Forchung des Landes Nordrhein-Westfalen als oberster Landesbehörde für Ausbildungsförderung. Aus der Tatsache, daß das Rundschreiben die neue Rechtslage nicht vollständig wiedergibt, wird man allerdings nicht auf eine beabsichtigte restriktive Handhabung der neuen Vorschriften durch die Universität Bonn und andere Hochschulen schließen können. Um jeden Zweifel auszuschließen, hat der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen den Hochschulen des Landes in einem Runderlaß die dazu von der Bundesregierung nach vorausgegangenen eingehenden Beratungen mit den obersten Landesbehörden beschlossenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 48 Abs. 1 übermittelt und gebeten, beide Alternativen des § 48 Abs. 1 Satz 1 sowie insbesondere Tz 48.1.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu beachten. Die gesamte allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BAföG liegt zur Zeit dem Bundesrat vor, der darüber nach der Sommerpause beraten wird.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Marx hat seine Rede mit einem Zitat von Solschenizyn geschlossen. Darin werden Idealvorstellungen für Gesellschaftssysteme und ihre innere Ordnung auf unserem Erdball beschrieben. Es sind Ziele, die zu verwirklichen alle Demokraten aufgerufen sind. Genauso begreifen wir den Inhalt unserer Politik. Wir stellen uns dieser Aufgabe, die Opposition aber weicht ihr aus.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)




    Hoppe
    Meine Damen und Herren, die Opposition begnügt sich mit der Beschreibung einer unvollkommenen Wirklichkeit, die Lösung der Probleme überläßt sie anderen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — van Delden [CDU/CSU] : Das Ergebnis der KSZE ist keine Lösung!)

    Im übrigen hört man aus dem Debattenbeitrag des Herrn Kollegen Marx immer wieder nur das Nein der Opposition zur Ost- und Deutschlandpolitik

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Hören Sie doch mal richtig zu! Was soll das?)

    und zum Entspannungskonzept der Bundesregierung. Nun darf, nein, nun muß die Opposition in der parlamentarischen Auseinandersetzung kritische Positionen einnehmen, Gegenpositionen beziehen, aber, meine Damen und Herren, sie müssen doch realistisch und glaubhaft sein. Ich frage mich, ob die Opposition diese Abseitsstellung in Europa, auch abseits vom Heiligen Stuhl, ebenfalls dann einnehmen würde, wenn sie in der Regierungsverantwortung wäre.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Marx [CDU/CSU]: Lachen Sie doch mal!)

    Meine Damen und Herren, diese Frage beantwortet sich dann aber von selbst. Über den „Vorwärts" möchte ich in diesem Zusammenhang genausowenig sprechen wie über den „Bayernkurier".

    (Zurufe des Abg. Dr. Barzel [CDU/CSU] und des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU])

    Meine Damen und Herren, die Darstellung der KSZE-Beratungen und die Würdigung der Ergebnisse, wie sie der Außenminister soeben für die Bundesregierung hier vorgetragen hat, finden die volle Zustimmung der Fraktion der Freien Demokraten. Diese Haltung meiner Fraktion darf ich mit einigen Bemerkungen kurz erläutern.
    Über Sinn und Zweck der zweijährigen Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit wird sicher noch lange debattiert und gestritten. Gestritten wird ja auch über das Mißverhältnis zwischen der politischen Substanz ihrer Schlußakte und der hochkarätigen Versammlung von Staats- und Regierungschefs, mit der in Helsinki ein demonstrativer Schlußpunkt unter die langen Verhandlungen gesetzt werden soll. Über diese Fragen mag man in der Tat streiten, ja, sie werden eine gesicherte Antwort tatsächlich erst viel später finden; denn was die KSZE für die beteiligten Länder und für den Frieden in Europa wirklich bedeutet, wird erst die Zukunft erweisen.
    Die in der Schlußakte formulierten Grundsätze und Absichtserklärungen zeigen politische Richtpunkte auf und schaffen selbst Bindungswirkungen aus übernommenen Pflichten. In jedem Fall bedürfen die festgehaltenen Prinzipien und erklärten Absichten aber der Konkretisierung durch die praktische Politik. Erfolge werden uns dabei auch künftig nicht in den Schoß fallen. Der Prozeß der Entspannung wird ein mühsames Ringen mit den Staaten des Otsblocks um mehr Menschlichkeit bleiben.
    Zähigkeit und Geduld werden unsere Anstrengungen auf diesem Weg gleichermaßen begleiten müssen. Die Aufgabe dürfen wir aber anpacken in dem Bewußtsein einer gestärkten Europäischen Gemeinschaft. In der Zusammenarbeit in der KSZE hat sich die Europäische Gemeinschaft in ihrer politischen Handlungsfähigkeit bewährt, ja sie hat sichtbar an Profil gewonnen. Wie in der Erklärung des Europäischen Rates sichtbar geworden, wird uns diese Geschlossenheit auch bei der Lösung der deutschen Probleme zugute kommen. Dieser Unterstützung bedürfen besonders die Deutschen in ihrer prekären Lage. Wir sollten deshalb dankbar dafür sein, daß sie uns in diesem Entspannungsprozeß zuteil wird.
    Meine Damen und Herren, was nun allerdings diese Sondersitzung des Deutschen Bundestages betrifft, so will sie mir im Grunde genauso unnötig erscheinen wie fast alle Sondersitzungen, zu denen dieses Parlament aus den Ferien zusammengerufen wurde.

    (Stücklen [CDU/CSU] : Sprechen Sie das einmal mit dem. Kanzler ab!)

    Die parlamentarische Behandlung eines rein exekutiven Vorgangs, der keiner Ratifizierung bedarf, ja überhaupt keiner Ratifizierung fähig ist, schafft völlig überflüssigerweise ein politisches Klima mit Quasi-Ratifizierungscharakter.
    Aber die Regierung konnte auf diese Sitzung nicht mehr verzichten, nachdem die Opposition ihre ablehnende Haltung im Auswärtigen Ausschuß mit der Behauptung zu rechtfertigen versuchte, das Ergebnis der KSZE sei für die nationalen deutschen Interessen schädlich. Es ist schon ein sehr widerspruchsvolles Verhalten: Auf der einen Seite befürchtet die Opposition, ja bejammert und beklagt sie, daß die Sowjetunion ganz sicher versuchen werde, das Ergebnis der KSZE in den Rang des Völkerrechts hineinzudiskutieren — eine Interpretation, die die Dinge in der Tat auf den Kopf stellen würde.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Herr Kollege, das tut die Gegenseite! Wir machen nur darauf aufmerksam!)

    Auf der anderen Seite wird dem Vorgang die größtmögliche politische Bedeutung eben dadurch verschaft, daß die Opposition durch den Inhalt ihrer Kritik und eine bereits seit langem angekündigte Entschließung die parlamentarische Behandlung geradezu erzwingt. So leisten wir uns denn — abweichend von allen beteiligten 35 Ländern — eine höchst bedenkliche und, wie ich meine, überflüssige Demonstration, und das auch noch zur Sommerzeit.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : War das ernstgemeint?)

    Meine Damen und Herren, nun ist es ja keineswegs abwegig, nach dem „cui bono?" zu fragen. Schließlich war es ein erklärtes Ziel der sowjetischen Politik, durch die Konferenz die territoriale Lage, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa entstanden war, bestätigen zu lassen und so ihre machtpolitischen Interessen abzusichern.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Und die politischen Veränderungen!)




    Hoppe
    Sie hätte der Konferenz deshalb am liebsten den Charakter einer Friedeskonferenz beigemessen. Aber genau das ist der Sowjetunion nicht gelungen. Es handelt sich eben um keine Friedenskonferenz, es wird kein Staatsvertrag abgeschlossen, und es entsteht kein neues Völkerrecht, auch kein regionales.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Hier hat Herr Hoppe recht! — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Er redet uns nach!)

    Erfreulicherweise werden nach Unterzeichnung der Schlußdokumente daraus auch die erforderlichen Konsequenzen gezogen. Die Übersendung der Schlußakte an das Sekretariat der Vereinten Nationen erfolgt mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß die Ergebnisse nach Art. 102 der Charta der Vereinten Nationen dort nicht registrierbar sind.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das haben Sie richtig erkannt!)

    Dies kann das Parlament natürlich nicht von der Pflicht entbinden, die Ergebnisse dennoch zur Kenntnis zu nehmen und politisch mit Sorgfalt zu würdigen und zu werten.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Also doch eine Sondersitzung!)

    Der Vorgang hätte sich aber doch wohl so nüchtern und distanziert abspielen müssen, daß nicht die den Verhandlungsergebnissen fehlende Vertragsqualität durch eine besondere politische Qualität ausgeglichen wird.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Jetzt reden Sie das herbei!)

    Es will mir so scheinen, als würde hier ungewollt mitgeholfen, Inhalt, Grenzen und Verantwortlichkeiten zu verwischen.
    Meine Damen und Herren, offensichtlich braucht die Opposition diesen Vorgang für ihre innenpolitische Selbstdarstellung. Auf dem Gebiet der Außen- und Entspannungspolitik hat sie nun einmal einen Nachholbedarf, den sie bei dieser Gelegenheit gern decken möchte. Die CDU/CSU hat es auf diesem Felde offenbar nötig, ihr Ansehen zu verbessern. Zugleich erfüllt sie professorale Strategiekonzeptionen und bayrische Forderungen, wenn sie sich von der Stimmenthaltung, dem bisherigen Generalnenner der außenpolitischen Gemeinsamkeiten, jetzt zu einem geschlossenen Nein aufschwingt.

    (Beifall bei der FDP)

    Das Objekt, an dem die Opposition diesen Gestaltungsprozeß vollzieht, scheint mir dafür allerdings völlig ungeeignet. In einer Welt m it zahlreichen Krisenherden und fortbestehenden Konflikten, in einer Welt voller Spannungen ist Entspannungspolitik noch eine zu zarte Pflanze und das Ringen um gemeinsame Verhaltensnormen noch zu mühevoll, als daß man sie bereits als taktisches Mittel für innerparteiliche Auseinandersetzungen einsetzen dürfte.

    (Beifall bei der FDP)

    Und doch darf der Dialog zwischen Regierung und
    Opposition nicht abreißen, gerade jetzt nicht. Wie
    könnten wir vor den internationalen Aufgaben bestehen, wenn es uns nicht gelänge, die aufgerissenen Gräben im nationalen Bereich zu überwinden?
    Was nun aber die Sache selbst angeht, so werden wir uns bemühen, die verbale Forderung der Opposition auch tatsächlich zu erfüllen. Wir werden uns hüten, die Konferenzergebnisse zu überschätzen. Wir überbewerten sie nicht, aber wir schätzen sie auch nicht gering.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir auch nicht!)

    Nach unserem Verständnis werden in der Schlußakte Positionen für die Zusammenarbeit im internationalen Maßstab dokumentiert; es werden damit Prinzipien als gemeinsam verpflichtend bestätigt, die bereits an anderer Stelle, wie z. B. in der UNO oder in zweiseitigen internationalen Verträgen, festgelegt und angewandt werden. Damit versuchen die 35 Teilnehmerstaaten in der Schlußakte die Summe der größtmöglichen Gemeinsamkeiten zum Ausgangspunkt ihrer zukünftigen Politik zu machen. Skeptiker werden sagen, es sei ein sehr geringes Maß an Gemeinsamkeit, das bei dem bestehenden Ideologiekonflikt auch noch der Gefahr unterschiedlicher Auslegung ausgesetzt sein werde. Und doch sollten wir das Erreichte nicht negieren. Zu Recht ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß Amerika und Kanada Teilnehmerländer sind. Nicht daß die Sowjetunion die Beteiligung überhaupt akzeptieren mußte, ist wichtig, entscheidend ist vielmehr, daß damit die Kompetenz der Vereinigten Staaten anerkannt worden ist, in und für Europa zu handeln, jetzt und in der Zukunft.

    (Beifall bei FDP und SPD)

    Die gemeinsame Verantwortung der Vier Mächte für Deutschland und Berlin als Ganzes hat damit eine bedeutungsvolle Entsprechung gefunden.
    Neben den wirtschaftlichen Prinzipien ist die Summe der Absichtserklärungen zur Verbesserung des Austauschs von Menschen und Meinungen von besonderem Gewicht. Gewiß sind hier nur Absichten formuliert, gewiß wird niemand übersehen, in wie viele Wenn und Aber das alles eingebettet ist. Und doch liegt in diesen Absichtserklärungen gerade für die Staaten des Ostblocks eine politische Bindung, die hoffnungsvoll stimmen sollte. Und hoffnungsvoll stimmt sie auch die Menschen in diesen Ländern.
    Meine Damen und Herren! Wir werden nicht müde werden, die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Pakts hier immer wieder beim Wort zu nehmen.
    Verehrter Herr Kollege Marx, in diesem Zusammenhang von einem Supermarkt von Attrappen zu sprechen, ist leider wohl mehr als nur ein bedauerliche Ausrutscher.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Machen Sie doch mal diese Dosen auf, dann sehen Sie, daß nur Luft drin ist.)

    Für Berlin, meine Damen und Herren, bringt das Ergebnis von Genf nicht die Lösung der staatsrechtlichen Problematik. Die staatsrechtliche Sonderstellung, die durch den alliierten Vorbehalt zu Art. 144



    Hoppe
    des Grundgesetzes entstanden ist, und die nach dem Viermächteabkommen so fortbesteht, wird von dem Ergebnis der KSZE nicht berührt und schon gar nicht verändert.
    Mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Art. 23 unseres Grundgesetzes und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1951, wonach Berlin Teil der Bundesrepublik ist, und den alliierten Vorbehalten sowie dem Viermächteabkommen, wonach Berlin kein konstitutiver Bestandteil der Bundesrepublik ist, müssen wir in unserer Tagespolitik nun einmal fertig werden. Wir sind allerdings davon überzeugt, daß dies nach den Ergebnissen der KSZE leichter möglich wird, als es in der Vergangenheit der Fall war.
    Bei dieser Sachlage ist es unnötig und zeugt nicht von politischer Klugheit, die Berlin-Frage ausgerechnet im Zusammenhang mit der KSZE in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu rücken.

    (van Delden [CDU/CSU] : Die andern tun das aber!)

    Es trägt fast schon masochistische Züge, in diesem Augenblick eine Berlin-Debatte vom Zaun zu brechen.

    (Na, na! bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das sagt ein Berliner!)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat auf die von der Opposition aufgeworfene Frage, inwieweit die Konferenzergebnisse auch für Berlin wirksam werden, eine allseits befriedigende Auskunft gegeben. Wir sollten es damit genug sein lassen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] und Dr. Marx [CDU/CSU]: Nicht allseits!)

    Die KSZE ist in der Tat der umfassendste Versuch einer Kooperation zwischen Ost und West, den es seit dem Ende des zweiten Weltkrieges gegeben hat. Die von der Regierung Brandt/Scheel 1969 eingeleitete neue Ostpolitik hat dazu den notwendigen und längst überfälligen deutschen Beitrag geleistet. Nicht zuletzt durch den Abschluß der Verträge von Moskau und Warschau sowie des Viermächteabkommens über Berlin hat die Bundesregierung die Voraussetzungen dafür mit schaffen helfen, daß die Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zum Konferenzthema wurden. Sie hat auf diese Weise mit Erfolg die Bemühungen der Sowjetunion vereitelt, die Konferenz zu einer Konferenz über Deutschland und Berlin zu machen. Wir sollten die erfolgreich abgewehrten Bestrebungen der Sowjetunion jetzt nicht nachträglich wieder beleben.
    Auch bei der prinzipiell positiven Beurteilung der auf dem Feld der Entspannungspolitik in einem zweijährigen Ringen zutage geförderten Ergebnisse darf die in der Welt tatsächlich fortbestehende Bedrohung nicht aus den Augen verloren werden. Die Konferenz kann die Verteidigungsbereitschaft und die Verteidigungsanstrengungen des Atlantischen Bündnisses nicht ersetzen. Wir haben deshalb nicht die Absicht, uns durch die Konferenz oder durch ihren glanzvollen Abschluß blenden zu lassen. Uns kann man nicht schlaftrunken machen, und wir haben schon gar nicht vor, an der Zerstörung unserer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung mitzuwirken. Solange die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Paktes ihre Rüstung in dem unerhörten Ausmaß vorantreiben, wie das gegenwärtig geschieht, leisten auch wir unseren Beitrag zur Friedenspolitik, ohne in unseren Verteidigungsanstrengungen im mindesten nachzulassen. Wir werden deshalb unsere Bündnisverpflichtungen erfüllen und dabei darauf achten, daß das Bündnis seine Schlagkraft bewahrt und dadurch seine abschreckende Wirkung behält.
    Meine Damen und Herren, es wäre allerdings gut, wenn sich dieser seltsame Wechselschritt von Entspannung und Rüstung in seinem Widersinn überall auf der Welt endlich auflösen lassen könnte. Erst wenn der Entspannung und der Friedenspolitik tatsächlich Vorrang vor der Rüstung eingeräumt wird, kann Entspannungspolitik glaubwürdig werden.

    (Beifall bei der FDP)

    Vielleicht bringen das Ergebnis von Genf und die Schlußakte von Helsinki die Bemühungen der Staaten auf diesem Weg der Vernunft einen Schritt weiter. Es wäre jedenfalls zu wünschen, daß die Beteuerung des Willens zur Entspannung mehr ist als nur ein gruppendynamischer Vorgang zur Selbstbestätigung der Staats- und Regierungschefs.
    Die Abrüstungsgespräche in Wien werden hier für die beteiligten Länder sehr bald zur Nagelprobe. Wir können es uns jedenfalls nicht leisten, die Verbindung zwischen politischer und militärischer Sicherheit aus dem Auge zu verlieren. Erst praktische Ergebnisse bei den MBFR-Verhandlungen über ausgewogene Truppenverminderungen in Europa können die Voraussetzungen dafür schaffen, daß ein Zustand gegenseitigen Vertrauens in Europa erreichbar wird. Die bloße Wiederholung von Entspannungsabsichten auf Redner-Olympiaden wird uns diesem Ziel keinen Schritt näherbringen. Dazu sind vielmehr vertrauensbildende Maßnahmen erforderlich. Die Minderung der Rüstung muß Schritt für Schritt durchgeführt und für die Menschen auf unserem Kontinent zur greifbaren Wirklichkeit werden.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr gut!)

    Wenn dieser Zustand einmal tatsächlich erreicht sein sollte, werden sich auch mehr Menschen in unserem Lande unter Entspannungspolitik konkret etwas vorstellen können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Stücklen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zum Eingang meiner Ausführungen, daß ich auf ein paar Bemerkungen des Herrn Kollegen Brandt eingehe, insbesondere auf seine Feststellung, daß Hit-



    Stücklen
    ler und seine Gehilfen 1945 in Europa einen Zustand hinterlassen haben, der es erst ermöglicht hat, daß der Bolschewismus diesen Weg in Richtung auf Westeuropa antreten konnte. Sie haben bei dieser Feststellung nur eines außer acht gelassen: daß es ohne den Hitler-Stalin-Pakt am 23. August 1939 nicht möglich gewesen wäre, daß dieser Weg mit dem Ergebnis angetreten wurde, das Sie für 1945 hier bedauert haben.

    (Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun, ich hatte auch geglaubt, Herr Kollege Brandt, daß Sie zu den Ausführungen, die mein Kollege Marx hier gemacht hat, und zu dem Zitat aus dem „Vorwärts" Stellung nehmen würden.

    (Brandt [SPD] : Nehmen Sie mal zum „Bayernkurier" Stellung, zu dem ganzen Quatsch! — Gegenrufe von der CDU/CSU)

    — Nein, jetzt sind wir beim „Vorwärts", nicht beim „Bayernkurier".

    (van Delden [CDU/CSU] : Der hält auch nichts mehr vom „Vorwärts" !)

    Sie haben diese Ungeheuerlichkeit unwidersprochen stehenlassen.

    (Brandt [SPD] : Ach was! Quatsch!)

    Sie haben auch die von Ihnen getragene Regierung und einen Vorgang in diesem Parlament, den Sie mitkonzipiert und mitgetragen haben, desavouieren lassen, wodurch jene zu Handlangern Ihrer Politik werden, von denen Sie sagten, daß sie es nicht sein sollten.
    Ich möchte das wiederholen, damit es vielleicht ein nachfolgender Redner

    (Brandt [SPD] Der denkt gar nicht daran!) auch im Interesse des Vorsitzenden der SPD — —


    (Brandt [SPD] : Wir springen nicht über den Stock, den Sie uns hinhalten!)

    — Nein, nein, wir sprechen über das, was im „Vorwärts" vom 24. Juli 1975 stand. Darüber sprechen wir, ob Ihnen das jetzt gefällt oder nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Dort haben ganz andere den Stock hingehalten!)

    Hier steht:
    Die Union versichert zwar, sie wolle die Verträge achten, doch nur in der Auslegung des Verfassungsgerichtsurteils zum Grundvertrag und der schrecklichen Bundestagsresolution vom Frühjahr 1972.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Diese Auslegung grenzt an die Aufhebung der Verträge. Wer in ihrem Geist Ostpolitik treiben will, muß die Resolution wie das Urteil ignorieren,

    (Dr. Ritz [CDU/CSU] : Unerhört!) ohne mit ihm zu kollidieren.


    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) Da frage ich, Herr Vorsitzender der SPD: Wer betreibt hier die Sache der anderen Seite, hier im „Vorwärts"?


    (Beifall bei der CDU/CSU — Jahn [Marburg] [SPD] : Sie! Sie! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Herr Jahn, das schaffen Sie auch mit so einfachen Zwischenrufen nicht aus der Welt.

    (Jahn [Marburg] [SPD] : Andere verstehen Sie ja nicht! — Heiterkeit bei der SPD)

    — Andere haben Sie noch nie fertiggebracht. Sie konnten die Nagelprobe noch nicht machen, Herr Jahn. Vielleicht kommen Sie noch dahinter.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn in wenigen Tagen in Helsinki die Abschlußsitzung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa stattfindet, hat Moskau damit ein wichtiges Etappenziel mit Hilfe der Bundesregierung während der Bundeskanzlerschaft Brandts mit seinem Gehilfen Bahr erreicht. Der Schwerpunkt dieser Konferenz ist in erster Linie in Zielrichtung auf Deutschland angelegt, auch wenn es nicht ausdrücklich im Text so beschrieben ist. Der Sowjetunion geht es entscheidend darum, daß die Gebietseinverleibungen und die dadurch von ihr neu gezogenen Grenzen nach dem Abschluß der Ostverträge durch eine feierliche Erklärung der übrigen europäischen Staaten, erweitert durch die USA und Kanada, bestätigt werden, ohne daß sie und die anderen Staaten des Ostblocks verbindliche Zugeständnisse in dem Bereich der Menschenrechte, der Freizügigkeit
    von Menschen, des Austauschs von Informationen und Meinungen zu machen bereit sind. Die Sowjetunion wird dieses Ergebnis bestätigt erhalten, ohne daß bei der Konferenz über eine gegenseitige und ausgewogene Truppenreduzierung in Europa in Wien, die derzeit auf dem toten Punkt angelangt ist, auch nur die geringsten Zugeständnisse, die eine wirklich erkennbare Verbesserung der Sicherheitssituation in der Bundesrepublik und in Europa bedeuten würden, gemacht werden. Wir sehen also wiederum einseitige Zugeständnisse des Westens ohne entsprechende Gegenleistungen des Ostblocks.
    Deshalb muß erneut festgestellt werden, daß das Ergebnis der KSZE unausgewogen ist und zu Lasten Deutschlands geht. Wenn die Sowjetunion auch nicht alles erreicht hat, so hat sie doch weitere wesentliche Pflöcke in Richtung endgültiger Entscheidungen eingerammt und gleichzeitig über diesen Weg begonnen, ihren Einfluß auf die Entwicklung des freien Teils Europas mit dem Ziel auszudehnen, die politische Einigung Europas zu verhindern und die Truppen der USA aus Europa zu verdrängen. Wovor wir warnen, ist, daß wir uns mit einer nur scheinbaren Sicherheit abfinden, ohne daß die tatsächlichen Voraussetzungen für unsere Sicherheit und die Sicherheit des freien Europas geschaffen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Die ungeheuren Rüstungen des Ostens, die verstärkte Abgrenzung der DDR gegenüber der Bun-

    Stücklen
    desrepublik auf der einen Seite und die feierlichen Erklärungen, die jetzt in Helsinki vorgesehen sind, auf der anderen Seite stehen in einem unvereinbaren Gegensatz zueinander. Sie sind ein unüberbrückbarer Widerspruch.
    Deutschland als ein geteiltes Land hat darüber hinaus besondere Interessen wahrzunehmen, die bei keinem anderen Konferenzteilnehmer vorhanden sind. Nicht die Vereinigten Staaten, nicht Frankreich, nicht England und andere Staaten sind geteilt, sondern Deutschland insgesamt ist in die Bundesrepublik Deutschland und die DDR geteilt und hat das besondere Problem Berlin. Deshalb sind eben die Interessen der Bundesrepublik Deutschland weitergehend als die Interessen der anderen teilnehmenden Staaten an dieser Konferenz.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Es ist in erster Linie Aufgabe unserer Regierung, mit äußerster Konsequenz unsere nationalen Interessen zu vertreten und sich nicht damit abzufinden, daß die anderen Staaten, die von der Schlußakte kaum berührt werden, ihre Zustimmung dazu geben. Da Einstimmigkeit als Voraussetzung für den Abschluß der KSZE vereinbart war, bestand die Möglichkeit, Dinge richtigzustellen — und zwar unmißverständlich richtigzustellen —, die seit dem Abschluß der Ost-Verträge trotz der gemeinsamen Entschließung vom 17. Mai 1972, die in einem offiziösen Organ der SPD bestritten wird, und des Briefes zur deutschen Einheit gegen uns ausgelegt werden.
    Rechtzeitig vor Ende der Konferenz mußte das eingebracht werden, was die Bayerische Staatsregierung zu diesem Fragenkomplex vorgelegt hat. Diese Vorlage verfolgte einen einzigen Zweck: Schaden von Deutschland abzuwenden und sicherzustellen, daß unserer Verfassung gemäß in der Regelung der deutschen Frage durch die Konferenz nichts vorweggenommen wird.
    In diesem Entschließungsantrag der Bayerischen Staatsregierung wird nochmals bekräftigt, was unsere Verfassung jeder Bundesregierung und jedem unserer Verfassungsorgane vorschreibt und was das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Grundvertrag nochmal verpflichtend festgestellt hat: daß die Fortexistenz Gesamtdeutschlands von den Ergebnissen der KSZE nicht berührt werden darf, daß im Sinne des weiterhin fortgeltenden Deutschlandsvertrags von 1954 erst eine frei vereinbarte friedensvertragliche Regelung die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands schaffen kann, daß mit friedlichen Mitteln eine Wiedervereinigung Deutschlands mit freiheitlich-demokratischer Verfassung verwirklicht werden muß, daß die Bindungen zwischen Berlin und der übrigen Bundesrepublik aufrechtzuerhalten und zu entwickeln sind und daß Berlin in die prinzipiellen und praktischen KSZE-Beschlüsse einschließlich der Folgevereinbarungen einzubeziehen ist.
    Das war ein Vorschlag, der im Bundesrat von der Bayerischen Staatsregierung vorgetragen worden ist. Es wäre möglich gewesen, weil es Dissens gibt, weil es unterschiedliche Auslegungen gibt, daß man das im nationalen Interesse Deutschlands jetzt gerade vor Unterzeichnung der Ergebnisse der Konferenz von Genf mit der notwendigen Deutlichkeit festgelegt hätte, was man beim Abschluß der Verträge versäumt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In der Entschließung sollte außerdem das Prinzip der Sicherheitskonferenz — Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht der Völker — ausdrücklich begrüßt werden. Es sollte darauf hingewiesen werden, daß es dem deutschen Volk bislang versagt blieb, die ihm auferlegte Teilung durch Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts zu überwinden. Eine mit friedlichen Mitteln verfolgte Politik der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts in Freiheit verstößt keinesfalls gegen einen der Grundsätze der KSZE.
    Wie schon die Große Anfrage der CDU/CSU vom 8. Juli 1974 hatte auch die von Bayern im Bundesrat eingebrachte Entschließung das Ziel, konstruktive Opposition zu leisten

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Im Bundesrat?!)

    — sie hatte das Ziel, konstruktive Opposition zu leisten —

    (Dr. Arndt [Hamburg] [SPD] : Im Bundesrat?!)

    — wir haben dies hier im Bundestag übernommen, Herr Kollege Arndt —, wie dies unsere verfassungsmäßige Pflicht ist und so, wie wir es auffassen, der Bundesregierung in schwierigen internationalen Verhandlungen in grundsätzlichen Fragen unseres nationalen Selbstverständnisses im Interesse Deutschlands den Rücken zu stärken. Das war der Sinn unserer Vorstellungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit der Großen Anfrage der CDU/CSU haben wir unsere warnende Stimme erhoben, mit dem Entschließungsantrag der Bayerischen Staatsregierung im Bundesrat haben wir unsere Hilfe angeboten. Sie haben beides in den Wind geschlagen; Sie tragen somit auch allein die Verantwortung für das, was Sie auf dieser Konferenz ausgehandelt haben. Dies möchten wir für heute und für die Zukunft festhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Das ist gut! Bleiben Sie mal dabei!)

    Wir haben leider schon nachträglich recht bekommen.

    (Wehner [SPD] : Vor allen Dingen in den 50er Jahren haben Sie immer recht bekommen!)

    Es wäre gut gewesen, wir hätten vergeblich gewarnt und es wäre die Warnung nicht nötig gewesen.

    (Wehner [SPD] : In den 50er Jahren haben Sie immer recht bekommen!)

    — Wir haben gewarnt und haben nachträglich recht bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Stücklen
    Ich komme noch darauf, Herr Wehner. Es wird Ihnen sehr unangenehm sein, wenn Sie noch einige Wahrheiten von mir erfahren müssen.
    Diese Konferenz behandelt Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Ich frage Sie: Wer rüstet denn auf wie nie zuvor, wer bedroht denn die Sicherheit Europas? Wer kapselt sich ab, geistig durch Verhinderung freien Gedankenaustausches und materiell durch Errichtung eines Eisernen Vorhangs? Wer behindert denn die Zusammenarbeit in Europa? — Doch ganz gewiß nicht die Bundesrepublik Deutschland und ebensowenig die mit ihr befreundeten verbündeten Staaten und neutralen Staaten des freien Europas!
    Vor wenigen Tagen schrieb die „Neue Zürcher Zeitung", die man wohl kaum als Zeitung des Kalten Krieges bezeichnen kann, Bemerkenswertes zu diesem Thema. In ihrem Aufmacher war die Überschrift: „Taube Nüsse in den KSZE-Körben". Ich bringe einige Stellungnahmen aus dem Westen, weil ich der Mär begegnen will, als ob es nur die böse Opposition sei, die Bedenken äußert, die skeptisch gegenüber dem Ergebnis dieser Konferenz ist. Deshalb bringe ich die Stimmen aus dem westlichen Ausland, meine sehr verehrten Damen und Herren, um Ihrer Legendenbildung schon von Beginn an begegnen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Die „Neue Zürcher Zeitung" schreibt — ich zitiere:
    In der ,Sicherheitskonferenz', die auf langjähriges sowjetisches Drängen zustande gekommen ist, sitzen auf der westlichen Seite Leute, deren Sicherheit nur durch Machtpolitik der Sowjetunion bedroht ist. Die kommunistischen Herrscher in Osteuropa und der Sowjetunion dagegen fürchten sich vor allem vor der atlantischen Freiheit. Im eigenen Machtbereich, der auf Beherrschung von Untertanen, nicht auf Zustimmung freier Bürger beruht, würde eine ähnliche Freiheit
    — wie im Westen —
    Unordnung und Unsicherheit bedeuten. Darum hat man auf dem Genfer Papier mit Worten Kompromisse gefunden und in der Substanz aneinander vorbeigeredet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich nehme an, daß wenigstens von der linken Seite hier nun von Anfang an die Objektivität bestätigt wird.
    Der Vorsitzende der größten Arbeiterbewegung der westlichen Welt, der Präsident des amerikanischen Gewerkschaftsbundes, George M e a n y, hat vor dem Auswärtigen Ausschuß des amerikanischen Senats erklärt — ich zitiere —:
    Wir sind für eine Entspannung, in der die Sowjetunion ihren ideologischen Kampf gegen den Westen einstellt. Nur dann können wir mit einem Abbau der internationalen Spannungen rechnen. Wir treten für eine Entspannung ein,
    bei der die Sowjetunion die ehrliche Bereitschaft beweist, das Aufrüsten einzustellen. Wir bejahen eine Entspannung, bei der dem Fluß westlicher Hilfe für den Osten durch einen freien Fluß von Menschen und Meinungen in Osteuropa und in der Sowjetunion entsprochen wird.
    Und er fährt fort:
    Wir bejahen eine Entspannung, bei der die Sowjetunion ihre Rüstung stoppt und die Guerillabewegungen. und andere Untergrundorganisationen nicht länger unterstützt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Meany hat uns hier völlig aus dem Herzen gesprochen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Das kann ich mir denken!)

    Wird auf der europäischen Sicherheitskonferenz auch nur ein Schritt in diese Richtung getan? Ich fürchte, nein; ich fürchte, daß das Gegenteil eintreten wird. Die Sicherheitskonferenz ist ein Schritt in die falsche Richtung. Sie fördert nicht die Entspannung, sondern sie wird Ursache neuer Spannungen sein.
    Während der Westen hofft, menschliche Erleichterungen vom Osten gewährt zu bekommen, sieht Moskau in dieser Konferenz eine internationale Absicherung der Kriegsbeute Stalins, gewährt jedoch im humanitären Bereich außer vagen Inaussichtstellungen keinerlei Zugeständnisse.
    So schreibt der Pariser „Figaro":
    Man kann ein wenig nachdenklich sein angesichts dieses Tauwetters, das für das Ende des Kalten Krieges gehalten wird.
    Und er fährt fort:
    Die sowjetischen Gewinne sind rechtlich abgesichert, aber Westeuropa ist mehr denn je zerbrechlich und geteilt.
    Italien taumelt, Portugal kippt um ... die Sowjets erreichen in Helsinki einen Erfolg, an dem sie sich viel Mühe gemacht haben und ohne dafür zu bezahlen.
    Soweit der „Figaro".
    Auch die angesehene Wochenzeitschrift „Economist" sieht in dem bevorstehenden Gipfeltreffen einen klaren Erfolg Moskaus und stellt fest:
    Die Zeiten ändern sich. Israel wird gerade aufgefordert, das 1967 durch Krieg gewonnene Territorium wieder herauszugeben, während diese Konferenz die Zustimmung dazu gibt, daß 114 000 Quadratmeilen Land geschluckt werden, die einst zu Polen, Deutschland, Finnland, der Tschechoslowakei und Rumänien gehörten, ... von der riesigen von Polen auf die gleiche Weise erlangte Portion Deutschlands ganz zu schweigen.
    Wenn man stark genug ist — schreibt der „Economist" —,
    . . . ist man von den Prinzipien ausgenommen, die kleinere Mächte einzuhalten aufgefordert werden . . .



    Stücklen
    Das ist die doppelte Moral, die von der anderen Seite immer wieder praktiziert wird und der wir nicht rechtzeitig mit aller Entschiedenheit und erfolgreich begegnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und ich zitiere noch die „New York Times", sicherlich eine Zeitung, die bisher immer zu den entschiedensten Verfechtern einer Entspannung mit Moskau zählte. In der „New York Times" steht:
    Die 35-Nationen-Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die sich nach 32 Monaten der Wortklauberei ihrem Höhepunkt nähert, hätte nicht stattfinden sollen. Niemals haben so viele Menschen so lange Zeit um so wenig — und doch so viel gerungen ... So wenig, weil die Hunderte von Diplomaten im Schlußdokument festlegen, daß es legal für niemanden bindend sein wird. So viel, weil es die USA, Kanada und 33 Länder Europas zur Unverletzlichkeit der Grenzen verpflichtet und damit die Teilung Deutschlands und Europas sowie den riesigen Gebietserwerb der Sowjetunion ratifiziert.
    Sie fährt fort:
    Was den Karneval des Gipfeltreffens in Helsinki angeht, so sollten dort alle Anstrengungen unternommen werden, um Euphorie im Westen zu verhindern. Ebenso wichtig ist es, die Sowjetunion davon zu unterrichten, daß eine kommunistische Machtübernahme Portugals nicht hingenommen werden wird.
    So weit die „New York Times".

    (Hört! Hört! bei der FDP) — Haben Sie gehört!?

    Wie bei den Ostverträgen fehlt offenbar bei den gegenseitigen Zugeständnissen der europäischen Sicherheitskonferenz das ausgewogene Verhältnis von Geben und Nehmen zwischen Ost und West. Dies aber ist die Grundlage jeder guten Politik, und dieses Ziel ist hier in keiner Weise erreicht worden.

    (Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

    Nun wird uns entgegengehalten, es gebe ja die menschlichen Erleichterungen. Leider sind wir durch die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren mit der von der SPD/FDP-Regierung betriebenen Ostpolitik machen mußten, sehr skeptisch und mißtrauisch geworden.

    (Wehner [SPD] : Aus welcher Zeitung lesen Sie das vor?)

    Leider zu Recht. Wenn Sie uns hier gleich einen ganzen Korb, nämlich den Korb 3 der Konferenz, voller menschlicher Erleichterungen und humanitärer Regelungen als Konferenzergebnis vorlegen, so müssen wir doch erst einmal wissen: was steht denn da nun wirklich drin, Herr Wehner?

    (Wehner [SPD] : Sie müssen die Zeitung lesen! — Jahn [Marburg] [SPD] : Zugabe, Zugabe!)

    Sind das nur schöne Worte, oder ist dies wirklich abgesichert? Das Ergebnis einer solchen Konferenz muß man doch nach den Grundsätzen eines ehrlichen Maklers und eines ehrbaren Kaufmanns betrachten können. Man muß nach genauer Untersuchung zu der Feststellung gelangen können: hier hat jede Seite Gleichwertiges gegeben und erhalten. Dies ist bei der KSZE nicht der Fall. Während Moskau die Grenzen Europas, den Status quo, die Kriegsbeute Stalins absichern will, ist im Korb 3 nicht eine einzige menschliche Erleichterung zu finden, zu der der Kreml und die übrigen Regierungen der Warschauer-Pakt-Staaten sich bindend verpflichten. Das heißt, auf der einen Seite wird gegeben, auf der anderen Seite werden lediglich Versprechungen gemacht und Dinge in Aussicht gestellt. Wenn tatsächlich etwas verwirklicht werden sollte, so liegt es doch in der Hand der kommunistischen Machthaber, dieses jederzeit zurückzunehmen oder sich erneut mit Leistungen bezahlen zu lassen.
    Hat denn die Bundesregierung aus den traurigen Erfahrungen mit ihren Ostverträgen immer noch nicht gelernt, wie wertlos verschwommene Begriffe und unbestimmte Floskeln sind, die die andere Seite uns als Äquivalent anbietet?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier geht es wirklich um Menschlichkeit und um die Menschen. Ist es nicht bezeichnend, daß gerade diejenigen, die unter der Unmenschlichkeit in kommunistischen Ländern haben leiden müssen, am nachdrücklichsten und deutlichsten vor dem Abschluß der Sicherheitskonferenz warnen? Ist es nicht der Nobelpreisträger Alexander Solchenizyn, der vor kurzem in einer großen Rede in Amerika vor vielen Zuhörern darunter auch der amerikanische Verteidigungsminister Schlesinger, der frühere Verteidigungsminister Laird, der Arbeitsminister und der UNO-Botschafter der Vereinigten Staaten, auf Einladung von Gewerkschaftspräsident Meany mit bewegten Worten vor der schlechten westlichen Entspannungspolitik gewarnt und darin insbesondere die KSZE angeprangert hat? Wir sollten diese Stimme ernst nehmen. Wir sollten solche Stimmen so werten, wie diese Menschen, die diese Unrechts-und unmenschlichen Verhältnisse dort am eigenen Leib erlebt haben, sie uns darstellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich hatte geglaubt, daß gerade Herr Brandt für solche Stimmen ganz besonders empfänglich wäre.
    Moskau fährt zu rüsten fort. Moskau und der Warschauer Pakt sind nicht zu einer gegenseitigen und ausgewogenen Truppenverminderung auf der Wiener Konferenz über eine gegenseitige und ausgewogene Truppenreduzierung in Europa bereit. Moskau errichtet einen Flottenstützpunkt nach dem anderen, vom Nordmeer bis zum Indischen Ozean, von Afrika entlang der für den Westen lebenswichtigen Ölroute bis ins Mittelmeer. Moskau betreibt und verstärkt seine Unterwanderungspolitik von Portugal bis hin zur subversiven Tätigkeit in unserem Lande. Das ist die offensive sowjetische Politik nach außen. Ihr entspricht eine Politik der Unterdrückung der



    Stücklen
    Menschen und der Knebelung der Gewissen nach innen. Meine Damen und Herren, dies sind doch die Gründe, die die Sicherheit in Europa gefährden und die eine Zusammenarbeit in Europa erschweren. Wir wollen den Frieden. Wir wollen Sicherheit für alle in Europa. Wir wollen die Zusammenarbeit mit allen in Europa, die guten Willens sind. Durch die Ergebnisse der Genfer Konferenz werden jedoch die Gegensätze zwischen Ost und West mit einem Mantel nicht der christlichen Nächstenliebe, sondern

    (Wehner [SPD] : Der „christlich-sozialen" !)

    der Heuchelei zugedeckt. — Davon verstehen Sie nichts.
    Wir dürfen eben gerade keine Politik betreiben, die unmenschliche Systeme stabilisiert und die menschenrechtsfeindliche Politik hoffähig macht, die die Verweigerung grundlegender Menschenrechte in Mitteldeutschland und in allen unseren östlichen Nachbarstaaten „normalisiert" und die die unnatürliche Lage im geteilten Deutschland vor der Weltöffentlichkeit als normal darstellt.
    Ich muß Sie, Herr Bundeskanzler, daran erinnern, daß das Bundesverfassungsgericht für alle deutschen. Verfassungsorgane, insbesondere für die Bundesregierung, ausdrücklich die bindende Verpflichtung festgelegt und an die verfassungsmäßige Pflicht erinnert hat, das öffentliche Bewußtsein auch dafür wachzuhalten, welche weltanschaulichen, politischen und sozialen Unterschiede zwischen der Lebens- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Lebens- und Rechtsordnung der DDR bestehen. Es muß im Sinne des Bundesverfassungsgerichtes klar sein, daß die gegenwärtige Praxis an der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR — also Mauer, Stacheldraht, Todesstreifen und Schießbefehl — mit Grundvertrag, Selbstbestimmungsrecht und Menschenrechten unvereinbar ist und daß die Bundesregierung in Wahrnehmung ihrer grundgesetzlichen Pflicht alles ihr Mögliche tun muß, um diese unmenschlichen Verhältnisse zu ändern und abzubauen.
    In der Schlußakte der Europäischen Konferenz stehen jedoch Aussagen über Menschenrechte, die für den Westen selbstverständlich sind. Der Osten aber verpflichtet sich zu nichts, sondern macht alles von seinem Ermessen abhängig. Hier werden — entgegen den Verpflichtungen unserer Verfassung — Gegensätze verdeckt, aber nicht abgebaut.
    Wenn Moskau, Ost-Berlin und die anderen kommunistischen Staaten im Osten wirklich bereit wären, Sicherheit zu gewähren und die Hand zur Zusammenarbeit zu reichen — warum tun sie es nicht seit langem? Wer hat sie denn bisher daran gehindert? Entgegnen Sie mir bitte nicht, daß diese Konferenz und ihre Ergebnisse die kommunistischen Machthaber nun hierzu bewegen werden. Was an Informationen und menschlichen Kontakten in den Endergebnissen der Konferenz enthalten ist, ist mehr als dürftig. Es bringt überhaupt nichts Neues. In dieser Hinsicht ist nichts erreicht worden, denn alles, was dort steht, ist weitaus dürftiger als das, was in der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen bereits steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe hier vor mir das Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik vom 26. Februar 1975. Darin ist die Bekanntmachung über die Ratifikation der Internationalen Konvention vom 16. Dezember 1966 über zivile und politische Rechte enthalten. In dieser Konvention ist vom Ideal freier Menschen, von allseitiger Achtung und Wahrung der Menschenrechte und Freiheiten die Rede. In Art. 1 steht:
    Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung.
    In Art. 8 heißt es:
    Von niemandem darf verlangt werden, Zwangsarbeit und Pflichtarbeit zu verrichten.
    In Art. 9 wird festgelegt:
    Jeder hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person. Niemand darf willkürlich festgenommen oder verhaftet werden.
    In Art. 12 heißt es:
    Es steht jedem frei, jedes Land, auch sein eigenes, zu verlassen.
    Jeder soll dorthin auch wieder zurückkehren dürfen. In Art. 19 steht:
    Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich um Informationen und Ideen aller Art, ungeachtet der Grenzen, mündlich, schriftlich oder gedruckt, in Form von Kunstwerken oder durch jedes andere Mittel seiner Wahl zu bemühen, diese zu empfangen und mitzuteilen.
    So steht es in dieser Konvention. Dieser Konvention ist die DDR beigetreten. Sie hat nicht nur unterschrieben, sondern sie hat diesen Vertrag auch ratifiziert. Von diesen Menschenrechten, die ich hier angezogen habe, ist nichts, aber auch nichts in die Wirklichkeit umgesetzt worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sollten das nicht einfach mit irgendwelchen Bemerkungen abtun. Das ist eine Sorge, die uns alle gleichmäßig belastet. An der Beseitigung dieser Mißstände, an der Beseitigung der Unmenschlichkeit sollten wir alle gemeinsam — ohne Rücksicht, welcher Partei wir zugehören — arbeiten.
    An Mauer und Stacheldraht wird weiterhin auf die Menschen geschossen, die das feierlich beschworene Menschenrecht der Freizügigkeit ausüben wollen. Vor wenigen Wochen haben die SED-Machthaber damit begonnen, nun auch an der Zonengrenze gegenüber Bayern Metallgitterzäune mit perfektionierten Mordautomaten zu errichten. So sieht die Wirklichkeit aus.
    In den KSZE-Texten stehen aber nicht einmal rechtliche Verpflichtungen. Dort heißt es: „Wollen prüfen", „drücken ihre Absicht aus", „beabsichtigen, Möglichkeiten zu entwickeln", „Vorschriften flexibler zu gestalten", natürlich „unter Berücksich-



    Stücklen
    tigung von Sicherheitserfordernissen", „Gesuche betreffend Familienzusammenführung, denen nicht stattgegeben wird, können auf entsprechender Ebene erneut eingereicht werden; sie werden . . . in angemessen kurzen Zeitabständen von neuem geprüft". Das kann man also fortführen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.
    Meine Damen und Herren, dies alles ist doch kaum mehr als Augenwischerei. Wenn schon die Menschenrechtsbestimmungen der Vereinten Nationen von den kommunistischen Machthabern mit Füßen getreten werden, was wollen Sie dann von der Einhaltung solcher unverbindlicher Floskeln erwarten?! Es wäre besser, wenn statt schillernder Worte über Absichten im Bereich der Menschenrechte und der Freizügigkeit der unter sowjetischer Hegemonie stehende östliche Teil in Europa durch Taten beweisen würde, daß er nun endlich bereit ist, im Sinne der feierlich unterzeichneten Menschenrechtserklärung zu handeln.
    Zusammenfassend muß ich feststellen, daß die Ergebnisse der Europäischen Sicherheitskonferenz leider nur zu sehr den Ergebnissen der unglücklichen Ostpolitik dieser Koalitionsregierung ähneln.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was vom Westen gewährt wird, wird von Moskau als unwiderruflich betrachtet und eingeheimst; was vom Osten gewährt wird, ist unverbindlich und jederzeit widerruflich. Welche Hoffnungen hat man bei Abschluß der Ostverträge auf Familienzusammenführung und Auswanderungsmöglichkeiten gehegt! Und was ist eingetreten? Noch nie war die Zahl der Umsiedler aus Polen und der Tschechoslowakei so gering wie nach Abschluß dieser Verträge. Selbst wenige Tage vor Unterzeichnung der Schlußakte der KSZE in Helsinki ereignen sich doch so skandalöse Schikanen wie bei dem Paddelbootfahrer Klaus Lange aus Luneburg. Das, meine Herren, sind die Erfahrungen, die das deutsche Volk mit dieser Vertragskunst bei den Ostverträgen hat machen müssen. Es sind bittere Erfahrungen!
    Nachdem all dies geschehen ist, können Sie nicht erwarten, daß wir die Ergebnisse, die Sie von der Europäischen Sicherheitskonferenz nach Hause gebracht haben, hoch einschätzen. Wie bei Ihren Ostverträgen werden im Ergebnis der KSZE entscheidende Grundfragen nicht gelöst, sondern durch Formelkompromisse überdeckt. Es sind Doppeldeutigkeiten enthalten, die nicht zu mehr Sicherheit und Zusammenarbeit, sondern zu Unsicherheit und zu neuen Auseinandersetzungen führen werden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus diesem Grunde können wir der Bundesregierung keinesfalls empfehlen, ihre Unterschrift unter die Schlußakte zu setzen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] : Ihre Zeit ist um!)