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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 183. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Josten 12797 B Erklärung der Bundesregierung betr. KSZE Genscher, Bundesminister AA . . . . . 12797 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Marx CDU/CSU . . . . . . . . 12803 C Brandt SPD 12812 B Hoppe FDP 12816 D Stücklen CDU/CSU . . . . . . . . 12819 D Schmidt, Bundeskanzler 12825 C Dr. Carstens (Fehmarn) CDU/CSU . . 12830 B Pawelczyk SPD 12834 B Dr. Bangemann FDP . . . . . . . . 12839 A Oxfort, Bürgermeister von Berlin . . . 12843 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 12845 B Mattick SPD 12850 A Dr. Schröder (Düsseldorf) CDU/CSU . . 12854 A Wehner SPD . . . . . . . . . . 12859 C Strauß CDU/CSU 12862 A Genscher, Bundesminister AA . . . . 12869 D Namentliche Abstimmungen . . . . . 12872 A Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 12875* A Anlage 2 Nichtanwendung des § 48 Absatz 2 BAföG durch einige Hochschulen SchrAnfr B 59 06.06.75 Drs 07/3737 Engholm SPD ErgSchrAntw StSekr Dr. Jochimsen BMBW 12875* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. Juli 1975 12797 183. Sitzung Bonn, den 25. Juli 1975 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 181. Sitzung, Seite 12684 D ist statt „Gerstl (Passau) (CDU/CSU) " zu lesen „Gerstl (Passau) (SPD) ". 181. Sitzung, Seite 12726 C: Die Zeile 22 mit den Worten „was nun die Rechtsgrundlage sein soll," ist zu streichen. Einzufügen sind die Worte ,;Rechte dort habe". Vier Zeilen weiter ist hinter dem Wort „soll" ein Komma zu setzen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt für Alber 25. 7. Dr. Bayerl 25. 7. Dr. Böger 25. 7. von Bothmer 25. 7. Breidbach 25. 7. Prof. Dr. Burgbacher 25. 7. Burger 25. 7. Bühling 25. 7. Dürr 25. 7. Dr. Enders 25. 7. Geldner 25. 7. Gerster (Mainz) 25. 7. Gewandt 25. 7. Gierenstein 25. 7. Graaff 25. 7. Haase (Fürth) 25. 7. Dr. Häfele 25.7. Handlos 25. 7. Hölscher 25. 7. Horn 25. 7. Horstmeier 25. 7. Dr. Hupka 25. 7. Hussing 25. 7. Jaunich 25. 7. Kater 25. 7. Dr. Kiesinger 25. 7. Lange 25. 7. Dr. Klepsch 25. 7. Dr. Köhler 25. 7. Krampe 25. 7. Lattmann 25. 7. Leicht 25. 7. Lücker 25. 7. Dr. Luda 25. 7. Lüdemann 25. 7. Prof. Dr. Möller 25. 7. Opitz 25. 7. Pieroth 25. 7. Dr. Riede 25. 7. Rollmann 25. 7. Rommerskirchen 25. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein 25. 7. Prof. Dr. Schäfer (Tübingen) 25. 7. Prof. Dr. Schellenberg 25. 7. Schmidt (Kempten) 25. 7. Dr. Starke 25. 7. Stommel 25. 7. Vogel (Ennepetal) 25. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt für Volmer 25. 7. Walkhoff 25. 7. Dr. Walz 25. 7. Dr. Wex 25. 7. Wischnewski 25. 7. Dr. Wörner 25. 7. Prof. Dr. Zeitel 25. 7. Anlage 2 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Jochimsen auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engholm (SPD) (Drucksache 7/3737 Frage B 59, 178. Sitzung, Seite 12552*, Anlage 75) : Ihr Hinweis auf die ab 1. August 1975 geltende Neufassung des § 48 BAföG dürfte sich vermutlich nicht auf die Absätze 1 und 2, sondern auf Absatz 1, Nrn. 1 und 2 beziehen. Das Rundschreiben des Rektors der Universität Bonn an die Dekane der einzelnen Fakultäten befaßt sich, worauf Sie mit Recht hingewiesen haben, nur mit Absatz 1 Nr. 1. Insoweit gibt das Rundschreiben die in der ab 1. August 1975 geltenden Neufassung des Absatzes 1 Satz 1 enthaltenen beiden Möglichkeiten des Gesetzes zum Eignungsnachweis nicht erschöpfend wieder. Das ist auch die Auffassung des Ministers für Wissenschaft und Forchung des Landes Nordrhein-Westfalen als oberster Landesbehörde für Ausbildungsförderung. Aus der Tatsache, daß das Rundschreiben die neue Rechtslage nicht vollständig wiedergibt, wird man allerdings nicht auf eine beabsichtigte restriktive Handhabung der neuen Vorschriften durch die Universität Bonn und andere Hochschulen schließen können. Um jeden Zweifel auszuschließen, hat der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen den Hochschulen des Landes in einem Runderlaß die dazu von der Bundesregierung nach vorausgegangenen eingehenden Beratungen mit den obersten Landesbehörden beschlossenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 48 Abs. 1 übermittelt und gebeten, beide Alternativen des § 48 Abs. 1 Satz 1 sowie insbesondere Tz 48.1.1 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu beachten. Die gesamte allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BAföG liegt zur Zeit dem Bundesrat vor, der darüber nach der Sommerpause beraten wird.
Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich muß Sie um Verständnis bitten für einige Schwierigkeiten der Technik. Die Techniker haben mir sagen lassen, daß die Beschallung — so heißt das — des Plenarsaals nicht ganz korrekt ist. Die elektroakustische Anlage des Plenarsaals wird nämlich im Laufe des Sommers erneuert, und wir konnten den Beginn dieser Arbeiten leider Gottes nicht so lange hinauszögern, weil wir sonst nicht fertiggeworden wären.
Wir haben heute also ein Provisorium. Es werden lediglich in den ersten Sitzreihen vier Zwischenmikrofone aufgestellt, die bei Bedarf durch den Technischen Dienst eingeschaltet werden. Sie können also nicht von den Zwischenmikrofonen dort hinten sprechen, sondern müssen hierherkommen in die ersten Reihen. Die Beschallung des Saales ist wahrscheinlich auch vermindert. Aber ich habe den Eindruck, die Lautstärke ist ausreichend. Wir werden also leider Gottes heute diese Schwierigkeiten hinnehmen müssen.
Ich darf bei dieser Gelegenheit noch ganz schnell mit Freude unserem Kollegen Herrn Peter Josten zum 60. Geburtstag gratulieren, den er am 15. Juli gefeiert hat.

(Beifall)

Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnung auf: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! In wenigen Tagen werden sich in Helsinki die Repräsentanten von 35 europäischen und nordamerikanischen Staaten zur dritten und abschließenden Phase der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zusammenfinden, einer Konferenz, deren zweite Phase, also die eigentlichen Verhandlungen, nach eineinhalbjähriger Tätigkeit soeben in Genf zu Ende gegangen ist.
    Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung am 23. Juli 1975 die Zustimmung zu den Konferenzergebnissen beschlossen. Sie begrüßt die Gelegenheit, diese Entscheidung vor dem Deutschen Bundestag begründen zu können. Es ist heute das zweite Mal, daß sich der Deutsche Bundestag mit dieser Materie in einer besonderen Sitzung befaßt. Der Auswärtige Ausschuß hat in zehn Sitzungen allein in dieser Legislaturperiode die Konferenzmaterie beraten. Er ist außerdem ständig über den Gang der Verhandlungen eingehend unterrichtet worden.
    Wir, die Bundesrepublik Deutschland, haben die Konferenzergebnisse in dreifacher Hinsicht zu bewerten: 1. Welche Bedeutung haben sie für uns als einer freiheitlichen Demokratie, die dem Atlantischen Bündnis angehört? 2. Welche Bedeutung haben sie für uns als Teil der Europäischen Gemeinschaft der Neun? 3. Was bedeuten sie für uns als Deutsche angesichts der anhaltenden staatlichen Teilung?
    Wie die Dinge in Mitteleuropa liegen, meine Damen und Herren, muß das Thema Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa nach wie vor das zentrale Thema unseres politischen Denkens und Handelns sein. Niemand als wir Deutschen kann ein größeres Interesse daran haben, daß die Konferenz ihr Ziel erreicht, nämlich die Beziehungen und die Kontakte zwischen den Staaten und den Menschen in ganz Europa zu verbessern.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Niemand, so finden wir, hat mehr Anlaß als wir, Entspannung und Zusammenarbeit über die Grenzen und Blöcke hinweg zu fördern.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD)

    Hier, meine Damen und Herren, liegt die spezifische deutsche Beziehung zu der Konferenz, zu ihren Zielen und zu ihren Möglichkeiten. Ich glaube, daß niemand mehr als wir seine nationale Pflicht versäumen würde, wollte er zögern, auch nur die geringste Chance für eine Entwicklung zu nutzen, die schließlich auch das Schicksal der geteilten Nation erleichtern könnte.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Denn unverändert gilt fort, was der Bundeskanzler in der Regierungserklärung über die Lage der Nation am 30. Januar 1975 ausgeführt hat. Er sagte damals:



    Bundesminister Genscher
    Mauer, Stacheldraht, Todesstreifen und Schießbefehl haben ihre Unmenschlichkeit nicht verloren. Jeder weiß auch: es wäre Illusion, zu glauben, mit Protesten hier Abhilfe schaffen zu können. Wir finden uns jedoch mit diesen Zuständen nicht ab, sondern wir bemühen uns beharrlich um Änderung.
    Wir wissen, daß die Überwindung der jetzigen Lage
    — so schließt der Bundeskanzler an dieser Stelle —
    erst am Ende einer sehr langfristigen Entwicklung stehen kann.
    Gerade den letzten Gesichtspunkt, meine Damen und Herren, den der langfristigen Entwicklung, haben wir bei den Verhandlungen in Genf von Anfang an in Rechnung gestellt. In unserer Lage ist es nur selbstverständlich, daß auch ein begrenzter Fortschritt große Anstrengungen rechtfertigt. Deshalb sollte jeder von uns das Erreichte allein am real Möglichen messen und sich nicht durch das ideal Wünschenswerte den Blick für das heute Mögliche verstellen lassen.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD)

    Wir haben unsere Rolle bei der Konferenz positiv aufgefaßt. Wir wollten die Entspannung fördern und so zugleich unsere Interessen als Deutsche und als Europäer vertreten. Ich möchte an dieser Stelle den Mitgliedern der deutschen Verhandlungsdelegation, an der Spitze den Leitern — zunächst Dr. Brunner, dann Dr. Blech —, für die Zielstrebigkeit, die Beharrlichkeit und den persönlichen Einsatz, mit dem sie in Genf unsere Belange vertreten haben, hier ausdrücklich danken.

    (Beifall)

    Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit, meine Damen und Herren, ist nicht zu einer Konferenz über Deutschland oder Berlin geworden, auch wenn die Sorge, sie könne es werden, vorher nicht ganz unbegründet erscheinen mochte. Ich denke, angesichts dieser Tatsache sollten wir uns alle bei unseren Äußerungen zu der Konferenz, zu ihren Ergebnissen und auch in der Art, wie wir diese Debatte heute führen, vor der Gefahr hüten, diese Konferenz nun von uns aus und nachträglich noch zu einer Deutschland- oder Berlin-Konferenz zu machen.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD)

    Wir würden damit übrigens zugleich die umfassende
    Zielsetzung, die wir stets bejaht haben, verdecken.

    ( (Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre keine Entspannung mehr!)

    Unsere realistische Entspannungspolitik dient dem Frieden. Wer das bestreitet, muß die Alternative nennen. Realistische Entspannungspolitik ist eine Politik, die auch ihre Grenzen sehr klar erkennt. Entspannungspolitik erfordert das Fundament Sicherheit, und Sicherheit gibt es für uns nicht ohne das Bündnis und seine und damit auch unsere Verteidigungsbereitschaft. Wer glaubt, er könne seine Sicherheit gewährleisten allein durch Bemühung um Entspannung, wäre ein gefährlicher Träumer.
    Den Entspannungsprozeß haben wir durch deutsche Beiträge entscheidend mitbestimmt. Ich spreche von den Verträgen mit der Sowjetunion, mit Polen, mit der CSSR, vom Grundlagenvertrag mit der DDR und, verknüpft mit diesen Verträgen, auch vom Viermächteabkommen über Berlin.
    Meine Damen und Herren, halten wir uns kurz I die Entstehungsgeschichte der Konferenz vor Augen.
    Die Bestrebungen, die Mitte der fünfziger Jahre und dann wiederum Mitte der sechziger Jahre auf eine - wie es damals hieß — gesamteuropäische Sicherheitskonferenz gerichtet waren, konnten mit unseren politischen Positionen und Zielen nicht in Einklang gebracht werden. So konnte es etwa für den Westen nicht akzeptabel sein, durch eine solche Konferenz den durch den Krieg geschaffenen territorialen Status quo in Europa endgültig festzuschreiben und zu legitimieren, die Rolle der Vereinigten Staaten in Europa zu vermindern und durch Schaffung eines sogenannten gesamteuropäischen Sicherheitssystems der Auflösung der Bündnisse — das heißt im praktischen Effekt vor allem der NATO — den Weg zu öffnen.
    Die Lage änderte sich wesentlich, als, beginnend mit dem Harmel-Bericht von 1967, das Atlantische Bündnis dem Kozept einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz sein eigenes Entspannungskonzept gegenüberstellte — das übrigens unter Zustimmung der damaligen Bundesregierung und der Opposition. Dieses Konzept setzt den Bestand der engen Bindungen zwischen Westeuropa und Nordamerika als selbstverständliche Grundlage jeder Entspannung in Europa voraus.
    Es ging ferner von zwei Grundsätzen aus, nämlich dem Grundsatz, daß politische und militärische Sicherheit untrennbar sind, und dem Grundsatz, daß wirkliche Entspannung den Menschen unmittelbar zugute kommen und von ihnen getragen werden



    Bundesminister Genscher
    muß. Entspannung ist nach westlichem Verständnis ein Prozeß, der der Geschichte unterliegt, der den Status quo also nicht auf ewig festschreibt, sondern dynamisch die Möglichkeit neuer Entwicklungen offenhält. Das schließt für uns sowohl die Möglichkeit der deutschen Einheit wie auch die der Vollendung der europäischen Einigung ein.
    Es war entscheidend, daß dieses Konzept in der ersten Phase in Helsinki zur Wirkung kam. Als die zweite Phase im Herbst 1973 in Genf einberufen wurde, da trug ihr Mandat den westlichen Vorstellungen Rechnung. Die Teilnahme der Vereinigten Staaten und Kanadas an der Konferenz war sichergestellt; der Bereich der menschlichen Kontakte war als eines der drei Hauptthemen der Konferenz anerkannt. Und parallel zur Genfer Konferenz begannen die Wiener Verhandlungen über beiderseitige ausgewogene Truppenverminderungen.
    Deshalb, meine Damen und Herren, waren wir nicht nur berechtigt, sondern — wie die Bundesregierung meint — in Wahrnehmung unserer Interessen verpflichtet, die Konferenz auch als eine Chance für uns zu begreifen und entsprechend zu handeln.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir können heute sagen: die Konferenz hat den Status quo in Europa nicht festgeschrieben, und deshalb sollten wir ihn auch selbst nicht festreden, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In Wahrheit hat die Konferenz ausdrücklich und in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht die Möglichkeit friedlicher und einvernehmlicher Grenzänderungen anerkannt. Sie hat damit sowohl die deutsche wie die europäische Option offengehalten.
    Die Diskussion über die friedliche Veränderbarkeit der Grenzen, die Beharrlichkeit, mit der wir und unsere Freunde gerade um diese Passagen gerungen haben, hat einen wichtigen und positiven Effekt über den Inhalt dieser Aussage im Dokument hinaus: Wir haben damit der europäischen und darüber hinaus der Weltöffentlichkeit erneut deutlich gemacht, daß wir unbeirrbar an unserer Politik festhalten, wie sie unser Grundgesetz legitimiert, wie sie in den Briefen zur deutschen Einheit niedergelegt ist, und deutlich gemacht, daß wir entschlossen sind, den Prozeß der europäischen Einigung fortzusetzen. Wir haben das in Übereinstimmung und mit Unterstützung aller Partner in der Gemeinschaft und im Bündnis getan — eine Haltung, für die ich an dieser Stelle unseren Freunden ausdrücklich danken möchte.

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie vereinzelt bei der CDU/CSU)

    Gleiches gilt, wo es auf die Interessen Berlins ankam, die wir in der Konferenz wahrzunehmen hatten. Zwar ist deren Schlußakte kein völkerrechtlicher Vertrag, dessen Geltung auf Berlin nach dem üblichen Verfahren zu erstrecken wäre. Um so mehr mußte auf andere Weise sichergestellt werden, daß alle Teilnehmerstaaten, vor allem diejenigen, die mit Berlin in besonderer Weise zu tun haben, sich dann auch an die politischen Verhaltensregeln halten, zu denen sie sich in der Schlußakte bekennen, wenn es um Berlin geht, wenn es darum geht, daß den Berlinern die Vorteile zukommen, die aus den Konferenzergebnissen hervorgehen; und das ist geschehen. Die Schlußakte macht deutlich, daß jene Vorteile eben nicht nur zwischen den Teilnehmerstaaten selbst gewährleistet sein sollen, sondern diese Staaten die Vorteile auch überall dort in Europa gewährleisten werden, wo man sie in Anspruch nehmen will. Es entspricht der Auffassung aller Teilnehmerstaaten, daß es keine weißen Flekken auf der Landkarte der Entspannung geben kann, soweit es sich um Gebiete handelt, für die sie in der einen oder anderen Weise Verantwortung tragen. Die Regierungschefs der neun europäischen Staaten haben in der gemeinsamen Erklärung des Europäischen Rates vom 17. Juli 1975 ausdrücklich festgestellt, daß die Ergebnisse der Konferenz überall in Europa, also auch in Berlin, zur Geltung kommen sollen.
    Die Konferenz hat, das wird heute niemand mehr bestreiten, die Rolle der Vereinigten Staaten und Kanadas in Europa bestärkt. Das Einverständnis aller anderen Staaten mit der Teilnahme dieser beiden Länder an der Konferenz war zugleich das Anerkenntnis der Verantwortung der USA und Kanadas in und für Europa.
    Die Konferenz hat das Atlantische Bündnis zum aktiven Partner des Entspannungsprozesses werden lassen. Neben der militärischen Aufgabe, das Gleichgewicht der Kräfte zu erhalten, übernahm das Bündnis eine zweite, eine politische und dynamische Aufgabe, nämlich: gemeinsam nach Fortschritten in Richtung auf spannungsfreiere Ost-West-Beziehungen zu suchen.
    Es ist ein bisher einmaliger Vorgang, daß die Partner eines Bündnisses auf der Grundlage gemeinsam in diesem Bündnis erarbeiteter Positionen multilaral auch mit den Staaten verhandeln, gegen die sie sich zur Verteidigung zusammengeschlossen haben, verhandeln über die Frage, wie die Konfliktgefahr verringert und mehr Stabilität gewonnen werden kann. Diese neue Rolle hat das Bündnis in seinem politischen Zusammenhalt gestärkt und ihm Gelegenheit gegeben, über zwei Verhandlungsjahre hinweg eben diesen Zusammenhalt unter Beweis zu stellen.
    Das gleiche können wir von der Europäischen Gemeinschaft sagen. Auch hier hat die Konferenz dem politischen Einigungsprozeß starke Impulse gegeben. Die politische Zusammenarbeit und die Solidarität der Neun haben in Genf ihre Probe bestanden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wenn einer der Neun ein wesentliches Interesse hatte, wurde dies auch zum Interesse der anderen Acht. Die Neun wurden in dieser Zeit zu einer politischen Einheit und zu einer politischen Kraft, die den Gang der Konferenz ganz entscheidend beeinflußt hat. Wir haben während der Konferenz ein Stück gemeinsamer europäischer Außenpolitik definiert und gemeinsam vertreten. Die Ihnen vorliegende Erklärung des Europäischen Rates — abgege-



    Bundesminister Genscher
    ben von den neun Regierungschefs — zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat diese Entschlossenheit erneut unterstrichen. Sie spricht zugleich die Absicht aus, nach der Konferenz und auf der Grundlage ihrer Ergebnisse auch die europäische Entspannungspolitik gemeinsam, d. h. als Politik der Neunergemeinschaft zu gestalten. Die Gemeinschaft ist damit zu einem aktiven Partner des Entspannungdialogs geworden.
    Meine Damen und Herren, wir, die Deutschen, die vom gegenwärtigen Zustand in Europa hauptsächlich und schmerzlich betroffen sind, sollten als erste erkennen, was es bedeutet, wenn wir unsere Belange nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit unseren europäischen Partnern und damit auch mit ihrer Unterstützung verfolgen können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Auch die Rolle der neutralen und ungebundenen Staaten ist hervorzuheben. Das Konsensprinzip, nach dem die Konferenz arbeitet, hat diesen Staaten ein volles Mitspracherecht gesichert; sie haben es wirksam gebraucht. Sie haben das selbstverständlich im Sinne ihrer durch Neutralität und Ungebundenheit bestimmten außenpolitischen Interessen getan. Es hat sich aber erwiesen, daß überall dort, wo sie und wir dieselben Wertvorstellungen von Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und einer offenen Gesellschaft haben, die Gemeinsamkeit dieser Vorstellungen immer wieder eindrucksvoll zur Geltung kam.
    Schließlich sollte noch hervorgehoben werden, daß die 35 Teilnehmerstaaten der Konferenz sich der Probleme bewußt waren, die ihr Verhältnis zur übrigen Welt stellt. Das kommt an mehreren Stellen der Schlußakte zum Ausdruck, nicht zuletzt in dem Teil, der sich mit der Sicherheit und Zusammenarbei im Mittelmeerraum befaßt. Auch die schon zitierte Erklärung des Europäischen Rates nimmt darauf Bezug und hebt nochmals die Entschlossenheit hervor, auch die Beziehungen zu den nichteuropäischen Mittelmeerstaaten weiterzuentwickeln.
    Meine Damen und Herren, das Konferenzergebnis liegt Ihnen in Gestalt der Schlußakte vor; es ist bekannt. Ich will deshalb hier nur zu einigen Schwerpunkten Stellung nehmen.
    Die Schlußakte umschließt mit einigen einleitenden und Schlußbestimmungen die eigentlichen Sachergebnisse der Konferenz, und zwar in drei Hauptbereichen, die man in Genf „Körbe" genannt hat. Es geht um Fragen der Sicherheit in Europa, die Zusammenarbeit in den Bereichen von Wirtschaft, Wissenschaft, Technik sowie Umwelt sowie die Zusammenarbeit in humanitären und anderen Bereichen. Hinzu treten noch besondere Texte über Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittelmeerraum und — das ist von besonderer Bedeutung — über die Folgen der Konferenz.
    Die operativen Aussagen der Schlußakte beziehen sich einmal auf die Entschlossenheit der Teilnehmerstaaten, den Ergebnissen der Konferenz volle Wirksamkeit zu verleihen und die Vorteile, die aus diesen Ergebnissen hervorgehen, zwischen ihren Staaten und — ich wiederhole dies — in ganz Europa zu gewährleisten. Ich habe schon darauf hingewiesen, was das positiv für Berlin bedeutet.
    Zum anderen wird klargestellt, daß die Schlußakte kein völkerrechtlicher Vertrag ist, der nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen registrierbar wäre. Der Text läßt aber auch keinen Zweifel daran, daß die Teilnehmerstaaten das Dokument als ein Dokument von sehr hoher politischer Bedeutung betrachten.
    Nun zu den inhaltlichen Bestimmungen, zunächst zur Erklärung über die Prinzipien. Diese Prinzipien, die die Beziehungen zwischen den Teilnehmerstaaten leiten sollen, geben zu einem großen Teil geltendes allgemeines Völkerrecht wieder. Zum anderen enthalten sie Verhaltensregeln, wie sie von allen Staaten als angemessen und vernünftig akzeptiert werden. Insgesamt sind diese Prinzipien alle einander gleichgeordnet; jedes muß im Zusammenhang der anderen interpretiert und angewendet werden.
    Nach dem Prinzip der souveränen Gleichheit soll jeder Staat selbst über seine inneren Angelegenheiten entscheiden und seine auswärtigen Beziehungen unter Beachtung des Völkerrechts nach seinem Belieben gestalten. Das bestätigt nicht nur seine Freiheit, Verträge zu schließen, internationalen Organisationen beizutreten, auch Mitglied von Bündnissen zu sein, sondern auch sein grundsätzliches Recht — und hier kommt die Bestimmung, die für uns besonders bedeutungsvoll ist —, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht seine Grenzen zu einem anderen Staat einvernehmlich und friedlich zu verändern, also auch aufzuheben. Ich möchte noch einmal auf die Bedeutung dieser Aussage für die deutsche und die europäische Option hinweisen.
    Das Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen kann von vornherein dem nicht entgegenstehen, da es das Verbot der Grenzänderung unter Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zum Inhalt hat. Wir bekennen uns in diesem Sinne uneingeschränkt zu diesem Prinzip, so wie wir uns uneingeschränkt zum Gewaltverbot überhaupt bekennen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es ist deshalb auch unserer Haltung in der deutschen Frage nicht entgegengesetzt. Wir sollten uns deshalb auch davor hüten, die in diesem Prinzip enthaltene Absage an jeden Anschlag auf eine Grenze auch nur gedanklich in die Nähe unseres durch die Verfassung gebotenen und völkerrechtlich legitimen Ziels der friedlichen Verwirklichung der Wiedervereinigung zu bringen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Von gleicher Bedeutung wie die Feststellung der friedlichen Veränderbarkeit der Grenzen ist für uns das deutlich formulierte Prinzip der Selbstbestimmung und die Aussage über die Unberührtheit bestehender Rechte und Verpflichtungen und der diesbezüglichen Verträge und Vereinbarungen. Damit ist klargestellt, daß die Konferenzergebnisse — einmal ganz abgesehen davon, daß sie keinen



    Bundesminister Genscher
    völkerrechtlichen Charakter haben — die Rechtslage in Deutschland nicht verändern können, daß die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und auf Berlin in keiner Weise beeinträchtigt werden. Hier wird besonders deutlich, daß die Konferenzergebnisse dem Zustand in Deutschland eben keinen definitiven Charakter verleihen. Gleiches gilt für unsere Verträge, von denen ich in diesem Zusammenhang nicht nur die Verträge mit den osteuropäischen Staaten und den Grundlagenvertrag mit der DDR, sondern auch den Deutschland-Vertrag ausdrücklich nenne. In Helsinki werden die Regierungschefs und Staatschefs unserer drei Partner des Deutschland-Vertrages, also der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Großbritanniens, mit dem Bundeskanzler zusammenkommen, so wie das auch vor anderen wichtigen internationalen Konferenzen üblich ist, und damit noch einmal sichtbar vor der ganzen Welt die gemeinsame Verantwortung für die deutsche Sache zum Ausdruck bringen. Namens der Bundesregierung möchte ich die Befriedigung über diesen erneuten Solidaritätsbeweis unserer Freunde hier zum Ausdruck bringen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Im zweiten Teil des 1. Korbes findet sich das Dokument über vertrauensbildende Maßnahmen und wichtige Aspekte der Sicherheit und Abrüstung, das ebenfalls besondere Aufmerksamkeit verdient. Es trägt der Tatsache Rechnung, daß politische und militärische Sicherheit voneinander nicht zu trennen sind, auch nicht geographisch. Eine geographische Beschränkung hätte die Gefahr des Mißverständnisses mit sich bringen können, daß die Diskussion von Fragen der militärischen Sicherheit etwa grundsätzlich auf Mitteleuropa beschränkt sein müsse, daß es also in diesen Fragen für Mitteleuropa einen Sonderstatus gebe. Deshalb ist es so wichtig, daß die in der KSZE vereinbarten Maßnahmen zur Vertrauensbildung, etwa die Ankündigung von Manövern, für ganz Europa gelten, mit Ausnahmeregelungen nur für diejenigen Staaten, deren Gebiet über Europa hinausreicht. Sie schließen in ihrem Geltungsbereich einen substantiellen Teil der europäischen Gebiete der Sowjetunion ein.
    Im übrigen ist dem Zusammenhang zwischen politischer und militärischer Sicherheit, wie sie das Schwerpunktthema der KSZE war, noch auf andere Weise Rechnung getragen worden. Die Verhandlungen über beiderseitige ausgewogene Truppenverminderung in Europa, die in Wien stattfinden, begannen bewußt in zeitlichem Zusammenhang mit der zweiten Phase der KSZE.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das war auch alles!)

    Neben den Fragen, die in erster Linie mit Sicherheit zu tun haben, stehen in den weiteren Kapiteln des Schlußdokuments die umfangreichen Aussagen über die Kooperation und die menschlichen Kontakte. Die Realisierung dieser Aussagen, die neben allgemeinen Leitlinien eine Fülle von ganz konkreten spezifischen Ansatzpunkten für die Intensivierung der Beziehungen bieten, wird ein integraler Bestandteil des Entspannungsprozesses sein, und gerade hier wird sich zeigen, meine Damen und Herren, wie weit dieser Prozeß geführt werden kann.
    In den Aussagen zur wirtschaftlichen, und wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit sowie zur Zusammenarbeit im Umweltschutz wurde zum erstenmal anerkannt, daß die Unterschiede der wirtschaftlichen Systeme die Einführung eines Prinzips der gleichwertigen Gegenseitigkeit notwendig machen. In den an die Leitlinien anschließenden konkreten Vereinbarungen ging es unter anderem darum, für unsere Wirtschaft und unsere Geschäftsleute die zahllosen bürokratischen Hemmnisse zu verringern, wie sie für staatswirtschaftliche Systeme charakteristisch sind. In dieser und einer Vielzahl anderer Fragen sind in Korb 2 konkrete Verbesserungen zugesagt worden. Werden sie Wirklichkeit, so wird damit die wirtschaftliche Zusammenarbeit wesentlich gefördert werden.
    Die Ausweitung des Handels, die langfristigen Kooperationsvereinbarungen sowie die Vermehrung der Geschäftskontakte, wie sie in Korb 2 angestrebt werden, können über den unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen hinaus auch eine günstige Auswirkung auf das gesamte politische Klima in Europa haben. Sie schaffen Interdependenz. Je dichter das Netz der Kooperation und damit auch der gegenseitigen Vorteile wird, um so größer wird das Interesse beider Seiten sein, diese Entwicklung nicht durch Verhalten in anderen Bereichen der Politik zu stören.
    Korb 3 schließlich befaßt sich mit den Maßnahmen zur Förderung der Kontakte, des Informationsaustauschs und des kulturellen Austausches zwischen den Menschen in Ost und West. Erinnern wir uns bei dieser Gelegenheit, meine Damen und Herren, noch einmal daran, daß die internationale Diskussion dieser Themen vor der Konferenz keineswegs eine Selbstverständlichkeit war. Das Thema der menschlichen Erleichterungen ist jetzt endgültig auf der europäischen Tagesordnung. Die Erklärungen in Korb 3 besagen, daß die Zusammenführung von Familien, persönliche Reisen, Jugendbegegnungen, Sporttreffen usw. gefördert werden sollen. Sie haben das Ziel, den Informationsaustausch zu verbessern und z. B. den Bezug ausländischer Zeitungen in allen Konferenzstaaten in breiterem Umfange als bisher zu ermöglichen und die Arbeitsbedingungen von Journalisten zu verbessern. Sie eröffnen schließlich die Möglichkeit, die kulturelle Zusammenarbeit zu erweitern.
    Bei Korb 3, meine Damen und Herren, geht es um Fragen, die das Leben und das Schicksal unzähliger Menschen unmittelbar berühren. Es geht darum, ob Menschen ihre Angehörigen besuchen können, ob Familien, die auseinandergerissen sind, zusammenkommen, ob Menschen, die einander lieben, heiraten können, ob die Menschen überall in Europa mehr voneinander erfahren, ob sie einander besser verstehen können. An den praktischen Auswirkungen gerade dieser Aussagen wird die Bundesregierung den Wert der Konferenzergebnisse messen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)




    Bundesminister Genscher
    Und, meine Damen und Herren, sie wird wie ihre Freunde den Willen jedes Teilnehmerstaates zu echter Entspannung danach beurteilen, wie er diese Zusagen erfüllt.

    (Erneuter Beifall bei der FDP und der SPD)

    Konzentrieren wir uns also nach der Konferenz auf die Frage der Durchführung der Konferenzbeschlüsse gerade im Bereich des Korbes III.
    Schließlich noch zu den Konferenzfolgen: Ursprünglich war die Schaffung eines permanenten Nachfolgeorgans in der Diskussion; es sollte nach den Vorstellungen seiner Initiatoren Kern und Ansatzpunkt eines künftigen gesamteuropäischen Sicherheitssystems sein. Es wird kein solches Folgeorgan geben. Statt dessen wird 1977 nach entsprechender Vorbereitung ein erstes Treffen von hohen Beamten stattfinden. Bei dieser Gelegenheit werden wir mit den anderen Teilnehmerstaaten zu prüfen haben, ob die Konferenzbeschlüsse in der erwünschten Weise Wirklichkeit geworden sind. Zugleich wird dabei festzustellen sein, wie diese Wirklichkeit das politische Klima in Europa zu beeinflussen vermochte. Wir werden uns dann auch schlüssig werden können, in welcher Form wir den multilateralen Entspannungsprozeß in Europa fortsetzen wollen. Eine Automatik wird es dabei nicht geben; jedes neue Treffen und jede neue Konferenz wird dann nach dem Konsensprinzip von jedem einzelnen der 35 Teilnehmerstaaten gutgeheißen werden müssen. Die praktischen Erfahrungen, die dann vorliegen, werden über die weitere Praxis entscheiden.
    Meine Damen und Herren, wenn wir die Verhandlungsergebnisse bewerten, so ist eine nüchterne Einschätzung des Charakters und des Erfolgswertes der Konferenzergebnisse erforderlich. Die Konferenzergebnisse sind nach Auffassung der Bundesregierung ein wichtiger und notwendiger Schritt innerhalb des komplizierten und Geduld erfordernden Prozesses der Entspannung. Sie in die Wirklichkeit umzusetzen wird nicht minder wichtig sein; das wird nicht weniger Beharrlichkeit erfordern als die Verhandlungen während der Konferenz selbst.
    Die Bundesregierung erwartet keine spektakulären Fortschritte in der Phase unmittelbar nach der KSZE, aber sie wird um kontinuierliche Fortschritte auf der Basis des Ergebnisses von Genf ringen. Meine Damen und Herren, hüten wir uns vor der Illusion, es könne eine Politik geben, mit der uns schon am Anfang des Entspannungsprozesses all das in den Schoß fällt, was wir am Ende als sein Ergebnis für möglich halten und wünschen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wenn sich also der Fortschritt nur in kleinen Schritten zeigen sollte, so müssen die Schritte doch konkret sein, d. h. spürbar für die Menschen.
    Für die Menschen in unserem Lande ist Entspannung kein abstrakter Begriff. Sie kann sich nur in Fortschritten für ungezählte Einzelschicksale ausdrücken, und das begründet die Pflicht für uns, die Instrumente zu nutzen, die diese Konferenz und ihre Ergebnisse uns bieten. Nicht nur wir, nicht nur die unter der Teilung leidenden Menschen bei uns werden die Formulierungen der Konferenztexte mit der
    Wirklichkeit vergleichen, und es gehört keine Phantasie dazu, die Unterschiede festzustellen. Aber gerade dieser Gegensatz zwischen Wirklichkeit und Forderung veranlaßt uns, die Chance von Helsinki zu ergreifen und im Interesse der Menschen auf die Realisierung der Beschlüsse hinzuwirken.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, Protest und Klage allein bringen uns nicht weiter; das haben wir lange genug erlebt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Die Schlußakte von Helsinki wird kein völkerrechtlicher Vertrag, kein völkerrechtliches Abkommen sein, das eine neue Rechtssituation schafft. Worüber sich die 35 Teilnehmerstaaten geeinigt haben und was sie sich in feierlicher Form zu eigen machen, sind Regeln ihres zukünftigen politischen Verhaltens und damit Regeln von hohem politisch' moralischem Rang.
    Mit dieser Qualifizierung des Konferenzergebnisses schmälern wir ihre Bedeutung nicht; im Gegenteil: Wir bekennen uns zu diesen politischen Bindungen, und wir erwarten, daß die anderen es ebenso halten, daß sie diese Regeln als Richtschnur ihres zukünftigen Handelns betrachten. Wir können uneingeschränkt ja sagen zu diesen Regeln. Die jetzt formulierten Absichten verlangen von uns keine Änderung der Grundsätze unserer Politik; im Gegenteil, sie beschreiben die Politik, die wir auf Grund unserer Ideale und unseres Bildes vom Menschen als eines freien Individuums betreiben. Zusammenarbeit auf allen Gebieten, vertrauensbildende Maßnahmen, menschliche Erleichterungen, Gewaltverbot, auch hinsichtlich der Grenzen, aber die Möglichkeit friedlicher Veränderbarkeit: meine Damen und Herren, niemandem in unserem Lande kann eine solche Politik auch nur die geringsten Schwierigkeiten bereiten.
    Wie die Konferenzergebnisse keine Charta für ein Gesamteuropa darstellen, so schaffen sie auch kein sogenanntes gesamteuropäisches Sicherheitssystem. Die KSZE hat die Machtstruktur in dieser Welt und in Europa nicht verändert. Die Schlußakte ist kein Ersatz für das atlantische Bündnis. Die Bedrohung durch das militärische Potential der Staaten des Warschauer Pakts besteht ebenso fort wie die gesteigerten Rüstungsanstrengungen der Mitglieder dieses Pakts. Deshalb ist und bleibt die NATO Grundlage unserer Sicherheit.
    Das Bündnis ist für uns ebenso unverzichtbar wie die Präsenz der Vereinigten Staaten und Kanadas in Europa. Was es zu sehen gilt, ist der unauflösbare Zusammenhang zwischen Bündnis und Entspannung. Entspannung und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Ost und West sind überhaupt nur bei einem militärischen Gleichgewicht der Kräfte möglich. Das heißt: das Bündnis steht nicht nur nicht im Gegensatz zur Entspannung, es ist seine Voraussetzung und Grundlage. Wer im Westen Entspannung will, muß auch das Bündnis fördern. Von dieser Überzeugung wird sich die Bundesregierung auch in der Nach-KSZE-Phase leiten lassen.



    Bundesminister Genscher
    Vor uns liegt ein Dokument, das die Perspektive eröffnet, zu mehr Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu kommen. Kriterium für die endgültige Bewertung der Konferenz ist und bleibt aber die Durchführung der Beschlüsse. Die Konferenz ist für uns nicht Endpunkt, sondern Ausgangspunkt. Es muß sich nun zeigen, ob sich die Teilnehmerstaaten bei der Durchführung von der gleichen Haltung leiten lassen, die den positiven Abschluß der Konferenz ermöglichte. Die Bundesregierung ist bereit, das Ihre zur praktischen Durchführung der Konferenzbeschlüsse beizutragen, und sie ist entschlossen, auf diese praktische Durchführung durch alle Teilnehmerstaaten zu drängen. Sie tut das im Verein mit den anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft und im Verein mit ihren Bündnispartnern.
    Meine Damen und Herren, wir werden die Chance, die diese Konferenz bietet, nur dann nutzen können, wenn Klarheit bei der Bestimmung unserer Ziele, Entschlossenheit und Festigkeit bei ihrer Durchsetzung unser Handeln bestimmen. Das Dokument als solches birgt keine Gefahren in sich. Gefahren könnten sich nur dann ergeben, wenn Illusionen und nicht der klare Blick für die Realität unser künftiges Handeln bestimmen, wenn wir die Ziele unserer Politik aus den Augen verlieren, wenn ein trügerisches Sicherheitsgefühl den Verteidigungswillen einschläfert und damit der Sicherheit ebenso wie ausgewogener Leistung und Gegenleistung den Boden entzieht. Hier müssen sich Weitblick und Verantwortung der Demokratien bewähren. Und, meine Damen und Herren, wir sollten uns selbst, wir sollten unseren Partnern diese Fähigkeit nicht absprechen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ebensowenig aber können wir die gebotenen Möglichkeiten der Konferenz nutzen, wenn wir uns aus mangelndem Selbstvertrauen den Konferenzergebnissen und damit auch ihrer Verwirklichung und Durchsetzung verweigern.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es würde unseren eigenen nationalen Interessen schaden, wenn wir aus der gemeinsamen Haltung unserer Verbündeten und Partner ausscherten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir könnten unsere eigenen Interessen als Deutsche und Europäer nicht wahrnehmen, würden wir der Selbstisolierung unseres Landes gegenüber allen anderen Konferenzteilnehmern — einschließlich unserer Verbündeten — den Vorzug geben vor der aktiven Mitgestaltung des Entspannungsprozesses.
    Meine Damen und Herren, die zustimmende Haltung der Bundesregierung zu den Konferenzergebnissen steht in der Kontinuität der Politik der Friedenssicherung der Bundesrepublik Deutschland. Diese Politik gebietet, die Entspannung zu fördern. Diese Politik gebietet, die Chance der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa illusionslos und mit Festigkeit für die Menschen im geteilten Deutschland für die Menschen im geteilten Europa und für die Sicherung des Friedens auf dem Kontinent zu nutzen.
    Die Bundesregierung stellt sich dieser Verantwortung. Wir werden bei der Unterzeichnung in Helsinki nach dieser Einsicht handeln.

    (Anhaltender Beifall bei der FDP und der SPD)