Herr Bundeskanzler, ich verstehe ja, daß Sie von der Opposition eine Antwort haben wollen, die Sie selbst aus dem Kommuniqué nicht geben können. Sie sagen „Sagen Sie etwas Konkretes und Bestimmtes!". Ich komme darauf. Aber noch zitiere ich das Kommuniqué, dem Sie heute nacht zugestimmt haben.
Da will ich Ihnen einmal sagen, wie „konkret" das weitergeht. Es heißt im Kommuniqué:
Sie
— die Regierungschefs —
betonen, daß unter den gegenwärtigen Umständen einer Wiederankurbelung der Wirtschaft
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Dr. Barzel
und der Wahrung der Stabilität, d. h. einer Aktion, mit der eine allgemeine wirtschaftliche Rezession verhütet und gleichzeitig die Stabilität wiederhergestellt wird, hoher Vorrang eingeräumt werden muß.
An diesem Satz ist ja nur erfreulich, daß das frühere Modewort „Stabilität" so häufig vorkommt. Aber, Herr Bundeskanzler, wenn es in dem ersten Halbsatz heißt, die Stabilität sollte wiederhergestellt werden, dann bedeutet dies: Es gibt sie nicht. Wenn es heißt, die Stabilität sollte wiederhergestellt werden, bedeutet dies, daß es sie zur Zeit in keinem Land gibt. Wenn man sich zu Anfang lobt, es gebe die Stabilität doch, dann ist dies ein Widerspruch in sich selbst.
Ich will einen anderen Punkt ansprechen, den der Herr Bundesaußenminister rühmend erwähnt hat. In Ziffer 20 heißt es:
Sie wünschen, daß der Präsident der Französischen Republik „bei seiner bevorstehenden Zusammenkunft mit Präsident Ford im Namen der Gemeinschaft auf die Bedeutung einer Konvergenz der Wirtschaftspolitiken aller Industrieländer entsprechend den vorstehenden Orientierungen" hinweist.
Daran ist erfreulich, daß der französische Präsident im Namen der Gemeinschaft sprechen kann. Dies wird anerkannt, dies ist zu rühmen und dreimal zu unterstreichen. Nur: Was ist hier wieder das Ziel? Es soll eine Konvergenz der Wirtschaftspolitiken hergestellt werden. Das ist intergouvernementale Zusammenarbeit, dies ist nicht mehr eine Gemeinschaft, die doch alle Instrumente hat, mit denen sie arbeiten könnte.
Sie haben als letztes aus diesem Kommuniqué die besonders wichtigen Stellen — der Außenminister fand sie wichtig — über die Energiepolitik angeführt. Ich möchte Ihnen die entscheidende Ziffer 31 vorlesen:
Die Regierungschefs haben in dem Bewußtsein der grundlegenden Bedeutung des Energieproblems für die Weltwirtschaft die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Erdölausfuhrländern und Erdöleinfuhrländern erörtert und ein Exposé des Bundeskanzlers zu dieser Frage entgegengenommen.
Das heißt: Es ist ein Problem erörtert und ein Exposé entgegengenommen worden. Dies war der Kernpunkt der Sache. Wo sind die Beschlüsse? — Nun gut, vielleicht wenden Sie ein: Die Beschlüsse kommen,
Herr Ehrenberg, wenn sich der französische Staatspräsident mit dem amerikanischen Präsidenten treffen wird. Warten wir dies ab! Aber das Ergebnis, soweit es hier heute vorliegt — und das ist der Text, über den die Opposition hier zu reden hat —, ist in diesem Punkte — das müssen wir sagen —
nicht befriedigend; es entspricht nicht den Problemen und der Lage, um die es hier geht.
Ich möchte die Regierung ermuntern, sich einmal — und dies ist ein anderes Beispiel, das ich hier geben möchte — vorzustellen, wie dieses Europa jetzt eigentlich für die Bürger aussieht. Ich trage dies vor auf Bitte eines Bürgers der Bundeshauptstadt Bonn, den die meisten von uns, auf allen Seiten des Hauses, sogar sehr gut kennen. Er hat sich gestern zum Postamt begeben, um ein fertig verpacktes Geschenkpaket nach Frankreich zu schicken. Inhalt: Kinderspielzeug. Er kommt hier an die Post, kann aber nicht etwa bezahlen, was das kostet, sondern bekommt einen Zollvormerkzettel. Dieser Zollvormerkzettel zwingt ihn, in französischer Sprache — der Mann kann französisch, aber was „Nußknacker" auf französisch heißt, wußte er auch nicht; er mußte also ein Lexikon beschaffen — den Inhalt im einzelnen zu nennen und die Nettogewichte anzugeben. Das alles muß im einzelnen aufgeführt werden. Der Herr konnte also wieder nach Hause gehen, mußte alles wieder aufpacken, eine Waage beschaffen, um die Gewichte der einzelnen Spielzeuge festzustellen. Ich will das hier nicht weiter ausschmücken.
Das ist ein Stück europäischer Realität. Die Bürger, meine Damen und Herren, werden uns also fragen: Was redet ihr von Zollunion, wir können sie noch gar nicht feststellen! — Dies ist ein praktischer Punkt, der in eine solche Debatte gehört.
Ich möchte Herrn Kollegen Genscher einladen, sich die Maßstäbe für sein Urteil — er nennt es Erfolg
— vielleicht einmal kritisch anzusehen. Es gibt ja einen Bericht des Auswärtigen Amtes vom 9. August
— das ist schon Ihre Amtszeit — über die Entwicklung der Gemeinschaft unter der deutschen Präsidentschaft. Dieser Bericht zeichnet sich durch Ehrlichkeit aus; er ist ganz anders als ein Bericht, von dem ich nachher sprechen werde. Es wird dann von den entscheidenden Fragen gesprochen, und man sagt dort, man habe vieles nicht erreicht. Das ist eine Sprache, die sachlich, die nüchtern ist, die den wirklichen Vorgängen gerecht wird. Es wird dann als entscheidende Frage die institutionelle Fortentwicklung der Gemeinschaft und die weitere Übertragung echter Entscheidungsbefugnisse auf die Gemeinschaftsorgane bezeichnet. Das sind zwei Maßstäbe, die das Auswärtige Amt in einem solchen sachlichen Papier nennt.
Ich finde, wenn Sie sich jetzt von diesen beiden Maßstäben her das Pariser Kommuniqué ansehen, dann müssen Sie sagen: bei der Ziffer 1 geringfügige Fortschritte, die keiner leugnet, bei der Ziffer 2 nichts als Absichtserklärungen. Wenn Sie das gesagt und hinzugefügt hätten: „im übrigen haben wir von der deutschen Seite folgende dynamische Planungen eingebracht", hätten wir Sie nicht gescholten, daß Sie mit etwas nicht durchgekommen sind; denn es bleibt unsere Politik, die Regierung zu ermuntern, weiter nach vorn zu drängen und sich nicht am Schluß des Geleitzuges zu bewegen.
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Nachdem der Kollege Wehner es für richtig gehalten hat, hier die französische Bremsfunktion noch einmal in die Debatte einzuführen, möchte ich folgendes sagen. Ich glaube, dies war schon eine faule Entschuldigung, als de Gaulle noch da war. Dies können Sie ganz sicher nicht sagen für das Frankreich Pompidous, und dies können Sie auf gar keinen Fall sagen für das Frankreich Giscards; denn er hat Vorschläge gemacht, über die ich vorhin hier gesprochen habe. Im Lager der Koalition weist man immer auf unser Drängen auf Initiative und Dynamik hin. Ich meine, in dem Augenblick, als der französische Staatspräsident diese Vorschläge machte, wäre es doch für die deutsche Seite an der Zeit gewesen, „Na, endlich!" zu sagen und selbst weiterführende Vorschläge — mit einer deutschen Initiative — auf den Tisch zu legen.
Für den Fall, daß man uns das nicht glaubt, möchte ich, Herr Bundeskanzler, eine bedeutende Feder aus der „Süddeutschen Zeitung" Ausgabe vom 7. Dezember — zitieren, die der Koalition sehr wohlgesonnen ist. Ich meine: diese Feder; ich meine nicht die Zeitung insgesamt. Dort heißt es:
Wenn die Bundesrepublik so stark ist, daß Europa nicht gegen sie möglich ist, dann muß sie, wenn sie die Gemeinschaft braucht, deutlich machen, wie dieses Europa und seine Beziehung zu den USA beschaffen sein soll, und zur Not muß sie auch die Initiative ergreifen.
Ende des Zitats.
Der Herr Bundeskanzler ist es wieder uns allen schuldig geblieben, hier eine klare Perspektive zu zeigen. Aber in einem anderen Bericht der Regierung, der sich nicht durch die Sachlichkeit des Berichts des Auswärtigen Amtes auszeichnet, den ich ausdrücklich gelobt habe, nämlich in dem amtlichen Bericht, der uns als Drucksache vom 16. Oktober 1974 vorgelegt wurde, in dem Bericht der Regierung über den Stand der Europäischen Gemeinschaft ist die Rede von zunehmenden Divergenzen der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb der Gemeinschaft. Es heißt dort, diese seien bedingt durch die Ölverknappung und insbesondere durch die von der Ölpreissteigerung ausgelöste weltweite Energiekrise mit ihren Auswirkungen auf das Weltwährungssystem sowie durch eine sich beschleunigende Inflation mit den daraus resultierenden Zahlungsbilanzungleichgewichten. Das ist nun wieder eine Ausgabe mit einer veränderten Wahrheit. Dies ist das, was die Propaganda der Koalition versucht, nämlich Furcht und Schrecken zu verbreiten, alle anderen schuldig zu sprechen, zu sagen, woanders sei es noch schlimmer, sich selbst auf die Schultern zu klopfen.
Nein, nein!- Nicht diese Dinge sind schuld an der Krise in Europa, sondern es ist schon so, wie der Präsident der Kommission, Ortoli, gesagt hat: Vertrauen, Willen und der notwendige klare Verstand sind nötig.
Meine Damen und Herren, wenn wir dies hier kritisch sagen — und zwar sowohl das eine anerkennen als auch das andere kritisieren und im übrigen warten, was aus Absichtserklärungen wird —, wissen wir uns völlig einig mit der ganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa. Es liegen ja jetzt Ergebnisse von Meinungsumfragen in der Gemeinschaft der Neun vor. Danach beurteilen 74 %
die Tätigkeit der Gemeinschaft als nicht ausreichend, nur 10 %als ausreichend und 16 %geben keine Antwort.
Ich sage dies vorsorglich, falls hier jemand kommen und sagen sollte, die Opposition kritisiere hier natürlich eine ganze Konferenz von Regierungschefs und Außenministern. Wir kritisieren hier die eigene Regierung und befinden uns damit völlig im Einklang mit dem, was die eigene Bevölkerung hier denkt.
Wir haben in der Debatte zu Beginn dieser erneuerten Koalition im Januar 1973 und dann in der Europa-Debatte am 28. März 1974 unsere Vorschläge vorgetragen. Ich nehme auf sie Bezug; sie gelten weiter. Ich wiederhole, Herr Kollege Bangemann: Damals hat der frühere Bundeskanzler Kiesinger in voller Abstimmung mit dieser Fraktion das Angebot gemacht, wenigstens in der Europapolitik zusammenzuarbeiten. Dies ist damals durch den Mund des Herrn Kollegen Wischnewski sofort abgelehnt worden. —
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu zwei anderen Fragen kommen. Die Frage des Nahen Ostens hat hier eine Rolle gespielt. Wenn wir die diplomatischen Aktivitäten dieser Tage sehen und an manchen Stellen die Worte „Energie und Ölin Gedanken durch die Worte „Spannung und Krieg" ersetzen, dann weiß man wohl, was viele dort wirklich bewegt. Ich finde, es war gut, daß hier die deutsche Position — soweit ich gesehen habe: übereinstimmend — klargestellt worden ist. Ich meine, wir als Bundesrepublik Deutschland können hier doch nicht nur zuwarten, ob und wann die Gefahr in das umschlägt, wovon alle Welt heute redet. Ich meine, wir können — ohne uns dabei zu übernehmen — einen Beitrag dazu leisten, das abzuwehren.
Nachdem zu Beginn dieser Woche — wie man in Bonn sagt: in einem verbreiteten Nachrichtenmagazin, aber auch an anderen Stellen — gewisse Nachrichten über Krisenplanungen, übrigens Krisenplanungen ohne ein Gespräch mit der Opposition, verbreitet worden sind, möchte ich dazu doch noch ein Wort sagen. Wir sind denen, die uns gewählt haben, verpflichtet, die Grenzen der Belastbarkeit der Bundesrepublik Deutschland nie aus dem Auge zu verlieren. Ich meine auch, unsere Nachbarn, die in Europa, auch die USA, aber auch Israel und die arabischen Staaten haben Anspruch auf Klarheit durch uns. Freundschaft ist kein Blankoscheck. Wir müssen deutlich sagen, wo man mit unserer Freundschaft rechnen kann und wo nicht. Indem unsere Haltung kalkulierbar wird, entfernen wir Ungewißheit und tragen zur Sicherheit bei.
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Wer für den Fall einer etwa ernsten Spannung auf irgendeine Weise auf uns zählt oder zählen möchte, hier oder draußen, der muß wissen, daß wir solidarisch und treu sind, aber nicht blind. Wir wollen wissen und mitbestimmen, wofür wir einstehen. Dies ist eine Forderung, die ich in dem Wort sagen möchte, das in der Einladung zum britischen Parlament im Mittelalter stand: Quod omnes tangit ab omnibus approbetur; was am Schluß alle angeht, muß auch von allen vorher gebilligt werden. Ich hoffe, dieser Hinweis ist deutlich genug.
Ein Wort noch eben auf Grund der Debatte zu den innerdeutschen Dingen. Herr Bundeskanzler, Sie haben, wenn ich das richtig mitgeschrieben habe, gesagt, dies, was sich jetzt da anbahne, sei „das Positivste, was für Berlin seit dem Viermächteabkommen erreicht worden" sei. Das finde ich eigentlich doch ein bißchen sehr den Mund vollgenommen, und ich fürchte, Sie engen Ihre doch sehr erheblichen Möglichkeiten zu sehr ein auf zwei Dinge: entweder Triumphalismus oder Apokalypse. Das finde ich eigentlich nicht angemessen. Ich fand, daß der Herr Kollege Wehner hier sehr viel sorgfältiger formuliert hat, als er nämlich nicht vom Erreichen gesprochen hat, sondern gesagt hat, man habe „einen Ausblick erreicht". Dabei sind wir bei einem fundamentalen Punkt, wo ich nun eben beklage, daß in der Methode der Ostpolitik die Regierung Schmidt Genscher dieselben Fehler macht, wie sie die Regierung Brandt Scheel gemacht hat.
Herr Bundeskanzler, was haben Sie denn „erreicht"? Wir haben hier ausdrücklich unserer Freude Ausdruck gegeben, daß es gelungen ist, daß eine Rechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Zwangsumtausch zum Teil zurückgenommen wurde. Einverstanden. Aber dafür wollen wir doch nicht zum zweiten Mal Leistungen erbringen. Was haben Sie nun erreicht? Sie haben erreicht Ausblicke, wie Kollege Wehner das nennt, Hoffnungen, Erwartungen, Wünsche, wie ich dies nennen möchte. Sie haben dies nicht erreicht, Sie haben dies nicht in der Hand. Und warum geben Sie, wo Sie für die Gegenleistungen nur Hoffnungen haben, schon jetzt eine definitive Zusage für die Erhöhung des Swings zum 1. Januar 1976? Das hat doch Zeit, meine Damen und Herren. Warum jetzt diese Leistung, wo die Gegenleistungen der anderen nur wiederum in einer Hoffnung besteht?
Dies muß doch deutlich gesagt werden.
Ich möchte ausdrücklich, damit wir hier nicht mißverstanden werden, sagen daß man natürlich mit uns über Swing reden kann. Das ist doch eine Sache, den innerdeutschen Handel, der wichtig ist, zu beleben und möglich zu machen. Das ist doch gar keine Frage. Es waren doch unsere Regierungen, die dies eingeführt haben. Nur gibt es hier natürlich manchen Unterschied: erstens der Unterschied in der Höhe, zweitens das Verhältnis des Swings zu dem Gesamtvolumen des Handels, drittens die Frage der Zinslosigkeit im Vergleich zu Zinsen hier und anderswo. Und schließlich waren doch diese Entgegenkommen damals Entgegenkommen — wie soll ich sagen — diesseits des Rubikon. Es hatte doch noch nicht einen Vertrag mit der DDR und den Einzug der DDR in die UNO gegeben.
Wir hatten mit ökonomischen Mitteln allein menschliche Fortschritte zu bewirken, und jetzt sind die politischen Dinge nicht mehr in der Hand, jetzt kommen die ökonomischen zusätzlich dazu.
Ich sage dies nicht, meine Damen und Herren, weil ich etwa vergessen hätte, was Adenauer in Fragen mit Geld und Freiheit und Menschlichkeit gemacht hat. Und mich braucht auch keiner wegen dem anzugucken, Herr Mattick, was ich selber gemacht habe in der Frage — Sie wissen es ganz genau — des Freikaufs von Gefangenen. Ich war nie ein Pfennigfuchser, wenn es um gesamtdeutsche Fortschritte ging. Aber der Unterschied hier muß doch völlig deutlich sein, und es bleibt einfach wahr: Sie leisten jetzt, im Dezember 74, die Zusage für ein Verhalten zum 1. Januar 76 in der Hoffnung, im Jahre 75 gewisse Fortschritte erreichen zu können.
Dies ist die Lage.
Meine Damen und Herren, das wäre nun eine Verführung, aber ich will das nicht machen, zurückzukommen auf unseren Stufenplan von damals, der das alles so verzahnt hätte, daß solcherlei Dinge nicht möglich geworden wären.
Ich meine, wir sollten uns einmal überlegen —und dies ist vielleicht eine Frage, die nicht nur uns in der CDU/CSU angeht —, ob wir nicht die doch insgesamt beachtlichen ökonomischen Zugeständnisse, die die DDR auf den verschiedensten Bereichen, zum Teil mit Vernunft, bekommt, in geraumen Zeitabschnitten, so wie das die Amerikaner jetzt in ihrem Parlament gemacht haben, zur Disposition des Gesetzgebers, dieses Parlaments, stellen, um einmal die Sachen auf den Tisch zu legen und zu prüfen: Ist dies eigentlich alles noch vernünftig?
Denn wir haben doch alle erfahren, daß für Vertragstreue, das Einhalten von Zusagen kurzum, eine der stärksten Waffen, die wir in diesen innerdeutschen Dingen überhaupt haben, die vollständige Öffentlichkeit, die Kritik im Parlament ist, und ich glaube, eine Regierung, die das zu würdigen weiß, sollte hier die Haltung der Opposition begrüßen und nicht kritisieren, gerade in diesem Punkt
Herr Bundeskanzler, da ich vorher Ihren Unmut erzeugt habe, möchte ich mich zum Schluß an Sie wenden; ich fürchte, dies wird auch nicht sehr freundlich sein können. Ich habe in der ersten Debatte über Ihre Regierungserklärung beklagt, daß Sie darauf verzichtet hätten, Ihre Zielvorstellungen, Ihre Konturen, Ihre Perspektiven, Ihre geistigen Gehalte, kurzum die Worums und die Wozus, die
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Argumentation, die Motivation Ihrer Politik darzutun. Sie haben dies nicht getan, nicht in der Debatte, nicht in der Regierungstätigkeit bisher, und Sie haben heute in Ihrem Schluß ausdrücklich vor einer solchen Politik gewarnt und sich wirklich nur, ich muß es beinahe sagen, dem werkelnden Pragmatismus verschrieben.
Wenn Sie, meine Damen und Herern, oder wenn Sie, Herr Bundeskanzler — sagen wir es so —, sich vielleicht einmal -- und Sie tun dies ja, wie ich weiß — selbstkritisch die Frage stellen, warum Sie nach sechs Monaten eigentlich den Auftrag, den Ihre Freunde und vielleicht die Geschichte Ihnen gegeben haben, den Auftrag, der nach Ihren Worten hieß, die „Angstlücke" zu schließen, Sicherheit zu geben, nicht erfüllen konnten, wenn Sie sich einmal fragen, warum dies eigentlich ebensowenig gelungen ist wie die Erfüllung der anderen Aufgabe, nämlich das, was Sie selbst den „Verschleißprozeß der SPD" genannt hatten, zu stoppen — ich fürchte, wenn Sie einmal Zeit haben, sich dies zu überlegen, dann haben Sie genau an dieser Stelle Ihren Grund. Denn ohne Perspektiven, ohne geistige Führung gibt es keinen politischen Erfolg. Und ich sage Ihnen, wenn Sie nicht die Perspektiven der Westpolitik klar hier vorlegen, dann wird auch alles, was Sie technisch zur Konjunkturpolitik vortragen, bei diesem Datenkranz nicht zum Erfolg führen können. Nehmen Sie diesen Rat ernst; denn wir haben kein Interesse, daß das Desaster in Deutschland so tief wird, daß wir die Dinge später nur mit größter Mühe und vielleicht nicht einmal in vier Jahren wieder in Ordnung bringen können.