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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 135. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Kempfler . . . . . . . . . . 9217 A Wahl des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) zum Mitglied des Vermittlungsausschusses an Stelle des ausscheidenden Abg. Dr. Lenz (Bergstraße) . . . . . . . . . . . 9217 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 9217 B Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 9217 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung betr. die Gespräche in Washington und New York, die Pariser Konferenz und die Gespräche mit der DDR Schmidt, Bundeskanzler . . . . . 9218 D, 9255 C, 9264 D Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 9223 D, 9262 A Wehner (SPD) . . . . . . . . 9230 A Dr. Bangemann (FDP) . . . . . . 9234 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 9240 A Genscher, Bundesminister (AA) . . 9245 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 9249 A Dr. Jaeger, Vizepräsident 9251 D, 9255 B Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes — Drucksache 7/1328 —, Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO — Drucksache 7/2905 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 7/2844, 7/2932 — Zweite und dritte Beratung Dr. von Bülow (SPD) 9285 B Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 9286 C Hoppe (FDP) 9287 D Fragestunde — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — Frage A i — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Lenzer (CDU/CSU) : Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Bundeshaushaltsrechnung 1972 betreffend unzureichende Überwachung der Zuwendungen des Bundesministers für Forschung und Technologie; Maßnahmen für eine bessere Kontrolle der Forschungsförderungsgelder Dr. Hauff, PStSekr (BMFT) . . 9265 A, C, D Lenzer (CDU/CSU) . . . . . . 9265 C, D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 Fragen A 2 und 3 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Gölter (CDU/CSU) : Angaben der Bundesregierung hinsichtlich des Rückgangs des Lehrangebots in den letzten 15 Jahren; Notwendigkeit einer Korrektur der Angaben über die Zahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze Dr. Glotz, PStSekr (BMBW) . . . . 9265 D, 9266 B, D, 9267 A Dr. Gölter (CDU/CSU) 9266 C Rappe (Hildesheim) (SPD) . . . 9266 D von Hassel, Vizepräsident . . . 9267 B Fragen A 6 und 7 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Benz (CDU/ CSU) : Pressemeldungen über Zusagen der Bundesregierung gegenüber der Jewish Claims Conference hinsichtlich einer weiteren Wiedergutmachungsleistung; Absprache dieser Vereinbarung mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland Haehser, PStSekr (BMF) . . . . 9267 C, D, 9268 A, B, C Benz (CDU/CSU) . . 9267 D, 9268 B, C Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . . 9268 A Frage A 9 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Susset (CDU/CSU) : Gewährung der Abschreibungsmöglichkeit nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes an Bauherren, deren Baugenehmigung in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis 31. Dezember 1973 erteilt wurde, die jedoch mit dem Bau erst im Frühjahr 1974 begonnen haben Haehser, PStSekr (BMF) 9268 D, 9269 A, B Susset (CDU/CSU) 9269 A, B Fragen A 4 und 5 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Höcherl (CDU/ CSU) : Konkretisierung der von der Bundesregierung gemachten Angaben über die „äußerste Grenze der möglichen Neuverschuldung" der öffentlichen Hände im Jahre 1975; etwaige Bedenken der Deutschen Bundesbank gegen den Umfang der Neuverschuldung Haehser, PStSekr (BMF) . . 9269 C, D, 9270 A, B, C Höcherl (CDU/CSU) . 9269 C, D, 9270 B Maucher (CDU/CSU) 9269 D Lampersbach (CDU/CSU) 9270 C Fragen A 19 und 20 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Gruhl (CDU/CSU) : Pressemeldungen über Verdachtsmomente gegen Mitarbeiter eines Unternehmens in Norddeutschland betreffend die Umgehung von Vorschriften über die Altölbeseitigung und damit zusammenhängende Betrugshandlungen; eventuelle sonstige Fälle von gewinnsüchtigen Verstößen gegen das Altölbeseitigungsrecht; gesetzgeberische Folgerungen aus diesen Verstößen Grüner, PStSekr (BMWi) . . . 9271 A, C Dr. Gruhl (CDU/CSU) 9271 B, C Frage A 23 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Ey (CDU/CSU) : Bemühungen, die „Grüne Woche" in Berlin wieder zu einem internationalen Treffpunkt der Landwirtschaft aus Ost und West werden zu lassen; Ergebnis dieser Bemühungen Logemann, PStSekr (BML) 9271 D, 9272 A Ey (CDU/CSU) 9272 A Fragen A 24 und 25 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Gallus (FDP) : Abgabepreise bei Dieselkraftstoff für Landwirte; Marge zwischen den höchsten und niedrigsten Preisen Logemann, PStSekr (BML) . 9272 B, C, D, 9273 A Gallus (FDP) 9272 C Susset (CDU/CSU) . . . . 9272 C Eigen (CDU/CSU) 9272 C Ey (CDU/CSU) . . . . . . . 9273 A Frage A 26 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Eigen (CDU/CSU) : Argumentation der Bundesregierung bei den Agrarpreisverhandlungen in Brüssel Logemann, PStSekr (BML). 9273 B, C Eigen (CDU/CSU) . . . . . . 9273 B, C Frage A 27 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Eigen (CDU/CSU) : Bewertung der Agrarstatistik der EG durch die Bundesregierung Logemann, PStSekr (BML) . . . 9273 C, 9274 A, B Eigen (CDU/CSU) 9274 A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 III Frage A 28 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Susset (CDU/CSU) : Erklärung der Bundesregierung nach der Kabinettsitzung am 4. Dezember 1974 zur Ablehnung unterschiedlicher Preisanhebungen für Agrarprodukte; Übernahme dieser Aussage in die Forderungen für die EG-Agrarpreisverhandlungen 1975/76 Logemann, PStSekr (BML) . 9274 B, C, D Susset (CDU/CSU) 9274 C Eigen (CDU/CSU) 9274 D Frage A 29 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Ey (CDU/CSU) : Schutz von Patienten gegen die Behandlung durch nicht den deutschen Ausbildungsanforderungen entsprechende ausländische Ärzte Zander, PStSekr (BMJFG) . . . 9275 A, B Ey (CDU/CSU) 9275 B Fragen A 30 und 31 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — der Abg. Frau Stommel (CDU/CSU) : Abschaffung von Raucherzimmern an den Schulen; Auffassung der Bundesregierung dazu Zander, PStSekr (BMJFG) . . . 9275 C, D, 9276 A, B, D, 9277 A, B, C, D Frau Stommel (CDU/CSU) . . . 9275 C, D, 9276 D, 9277 B Josten (CDU/CSU) 9276 A Dr. Gruhl (CDU/CSU) . 9276 A, 9277 B Dr. Evers (CDU/CSU) 9276 B Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . 9276 D Immer (SPD) 9277 A Maucher (CDU/CSU) 9277 C Ey (CDU/CSU) 9277 C Frage A 32 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Reiser (SPD) : Verbesserung des Transport- und Rettungssystems für Herzinfarkt-Patienten Zander, PStSekr (BMJFG) 9277 D, 9278 B Reiser (SPD) 9278 A Frage A 33 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Rollmann (CDU/ CSU) : Finanzielle Schlechterstellung der geschiedenen und nicht wieder verheirateten Väter durch die Steuerreform Zander, PStSekr (BMJFG) . 9278 B, C, D Rollmann (CDU/CSU) 9278 C, D Dr. Evers (CDU/CSU) 9278 D Fragen A 34 und 35 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Brandt (Grolsheim) (SPD) : Zahl der Indizierungsanträge in den Jahren 1973 und 1974 für den „Krieg verherrlichende Schriften"; Anzahl der Indizierungen im Verhältnis zum Angebot Zander, PStSekr (BMJFG) 9279 A, B, C, D Brandt (Grolsheim) (SPD) . . . 9279 B, C Hansen (SPD) . . . . . . . . . 9279 D Frage A 36 -- Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Walther (SPD) : Fortzahlung des bisherigen Kinderzuschlags nach dem 1. Januar 1975 an Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks; Gleichstellung der Mitarbeiter der bundeseigenen Sendeanstalten Zander, PStSekr (BMJFG) . . . 9280 A, B Walther (SPD) . . . . . . . . 9280 B Maucher (CDU/CSU) . . . . . . 9280 C Frage A 44 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12, 74 — des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Volkswirtschaftliche Verluste durch Einschränkungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn für den SchienenPersonennahverkehr in Verdichtungsräumen Jung, PStSekr (BMV) . . . . . . 9280 D, 9281 A, B, C, D, 9282 A Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . . 9280 D, 9281 B Dr. Jobst (CDU/CSU) . . . . 9281 C Spranger (CDU/CSU) . . . . . . 9281 D Dr. Evers (CDU/CSU) . . . . . . 9281 D Fragen A 45 und 46 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) : Untersuchungen für das Projekt „Dollarthafen" in Emden; Notwendigkeit von Verhandlungen mit dem Königreich der Niederlande Jung, PStSekr (BMV) . . 9282 A, B, C, D Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) 9282 B, C, D Fragen A 47 und 48 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Anlaß für die Reise des Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands sowie der Mitglieder des Vorstands der Deutschen IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 Eisenbahnversicherungskasse nach Südafrika; Klarstellung der Finanzierung dieser Reise Jung, PStSekr (BMV) . . . 9283 B, C, D, 9284 A, B Dr. Jobst (CDU/CSU) • 9283 B, C, 9284 A Fragen A 49 und 50 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Immer (SPD) : Beleuchtungsmängel in den Zügen und Schienenbussen der Deutschen Bundesbahn, die insbesondere dem Berufsverkehr und der Schülerbeförderung dienen; Zahl der täglich darin beförderten Personen Jung, PStSekr (BMV). 9284 B, C, D Immer (SPD) . . . . . . . . 9284 C, D Nächste Sitzung 9288 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9289* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9217 135. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 134. Sitzung, Nachtrag zum Stenographischen Bericht, Seite 1, ist in Zeile 4 statt „Freitag, den 6. Dezember 1974" zu lesen: „Donnerstag, den 5. Dezember 1974"; 134. Sitzung, Seite 9088 D, Zeile 7, ist statt „Dr. Meinecke (Hamburg)" zu lesen: „Meinicke (Oberhausen)". Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 14. 12. Dr. Aigner * 14. 12. Dr. Artzinger * 14. 12. Dr. Bangemann * 14. 12. Dr. Bayerl * 14. 12. Dr. Becher (Pullach) 11.12. Behrendt * 13. 12. Frau Berger (Berlin) 13. 12. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 13. 12. Blumenfeld * 12. 12. Dr. Burgbacher * 14. 12. Dr. Corterier * 14. 12. Conradi 20. 12. Frau Däubler-Gmelin 20. 12. Dr. Dregger 20. 12. Fellermaier * 14. 12. Flämig * 14. 12. Frehsee * 14. 12. Dr. Früh * 14. 12. Gerlach (Emsland) * 14. 12. Haase (Kellinghusen) 20. 12. Härzschel * 14. 12. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 12. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Kater * 14. 12. Katzer 20. 12. Dr. Klepsch * 14. 12. Krall * 14. 12. Lange * 14. 12. Lautenschlager * 14. 12. Dr. Lohmar 13. 12. Lücker * 14. 12. Memmel * 14. 12. Müller (Mühlheim) * 14. 12. Dr. Müller (München) ** 11. 12. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 12. Frau Dr. Orth * 14. 12. Pieroth 12.12. Roser 20. 12. Schmidt (München) * 14. 12. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 12. Schwabe * 14. 12. Dr. Schwörer * 14. 12. Seefeld * 14. 12. Springorum * 14. 12. Dr. Starke (Franken) * 14. 12. Graf Stauffenberg 15. 12. Frau Steinhauer 11. 12. Stücklen 11. 12. Vahlberg 13. 12. Walkhoff * 14. 12. Frau Dr. Walz * 13. 12. Wende 20. 12. Frau Dr. Wex 11.12. Wohlrabe 13. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich möchte um Ihr Verständnis dafür bitten, Herr Kollege Corterier, nachdem wir den Herrn Bundeskanzler nicht durch Zwischenfragen unterbrochen haben, daß Sie auch mich nicht durch Zwischenfragen unterbrechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Das werden Sie nicht bestreiten wollen,

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Bei Regierungserklärungen gibt es keine Zwischenfragen!)

    daß wir den Herrn Bundeskanzler nicht durch Zwischenfragen unterbrochen haben, Herr Kollege Schäfer.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Es ist sehr zu bedauern, daß die Regierung in dieser wichtigen Frage der direkten Wahl des Europäischen Parlaments von Anfang an zögerlich operiert hat. Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn gerade die deutsche Regierung sich für dieses große und von allen Parteien lange Zeit gemeinsam getragene Ziel der europäischen Einigung stärker, als sie es getan hat, eingesetzt hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sicherlich ist in der Person des belgischen Ministerpräsidenten Tindemans ein engagierter Europäer gefunden worden, dem es obliegen wird, Vorschläge für die Gesamtentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zu machen. Aber auch hier werden wir an frühere Gipfelkonferenzen erinnert, bei denen man gleichfalls eine Einigung in den Sachfragen nicht erzielte und daher auf Verfahrenslösungen auswich, ohne daß in der Folgezeit etwas Nachhaltiges geschah.
    Die in den Kommuniqué zum Ausdruck kommende Tendenz, das Einstimmigkeitsprinzip abzubauen, ist sicherlich zu begrüßen. Doch fällt es mir schwer, auch bei mehrfachem Lesen des Textes zu erkennen, worin denn nun eigentlich der Fortschritt gegenüber den Luxemburger Beschlüssen von 1965 liegt, bei denen ja bekanntlich die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen auch vorgesehen und offengelassen worden war.
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9225
    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Wir haben aus dem Munde des Bundeskanzlers gehört, daß einzelne Länder aufgefordert werden — ich komme damit zum wirtschafts- und konjunkturpolitischen Teil des Kommuniqués —, ihre innere Nachfrage zu fördern, und daß in diesem Zusammenhang auf die Anstrengungen verwiesen wird, die die Bundesrepublik unternimmt.
    Hierzu möchte ich namens der CDU/CSU-Fraktion eindeutig folgendes sagen. Wir werden hier am Freitag dieser Woche in einer Debatte zu den von der Bundesregierung geplanten wirtschafts- und konjunkturpolitischen Maßnahmen Stellung nehmen. Wir werden diese Maßnahmen kritisch daraufhin durchleuchten, ob sie den beiden entscheidenden Gesichtspunkten, nämlich der Wiedergewinnung von Geldwertstabilität und der Bekämpfung der immer stärker um sich greifenden Arbeitslosigkeit, gerecht werden. Keinesfalls werden wir der Bundesregierung gestatten, sich für sachlich nicht begründete Entscheidungen ein Alibi bei der Gipfelkonferenz der Europäischen Gemeinschaft zu suchen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Hoffnung, daß es auf der Pariser Konferenz zu einer Einigung in den energiepolitischen Fragen kommen würde, ist leider enttäuscht worden. Ein Appell zur Einigkeit — Herr Bundeskanzler, wie sie ihn auch hier wiederholt haben — ersetzt die Einigung über Sachfragen nicht. Der Satz in dem Kommuniqué, daß die Regierungschefs dem bevorstehenden Treffen von Staatspräsident Giscard d'Estaing und Präsident Ford eine große Bedeutung beimessen, ist nach unserem Eindruck auch nicht eine Entscheidung in der Sachfrage, die so dringend nötig wäre. Dieser Fehlschlag ist um so mehr zu bedauern, als die Entwicklung im energiepolitischen Bereich weiterhin Anlaß zu großen Besorgnissen gibt. Dies hängt nicht zuletzt mit der andauernden Spannung im Nahen Osten zusammen.
    Lassen Sie mich einige Worte zu der Situation im Nahen Osten sagen. Die Gefährlichkeit dieser Lage wird von niemandem unterschätzt. Die Möglichkeiten der Einwirkung auf die Entwicklung durch die deutsche Politik sind begrenzt, begrenzt im Verhältnis zu den Einwirkungsmöglichkeiten der beiden Supermächte. Dennoch — darüber sollte sich niemand einer Täuschung hingeben — trifft auch die Bundesrepublik Deutschland und damit die Bundesregierung eine Verantwortung für die Entwicklung in diesem Raum insofern, als es an uns liegt, deutlich zu machen, welches unsere Vorstellungen über die Konfliktsituation sind, in der sich der Nahe Osten befindet.
    Die deutsche Position muß ausgehen von der Überzeugung, daß nur durch eine friedliche politische Lösung den Völkern dieser Region und der Welt insgesamt gedient ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jeder neue Krieg bringt die Gefahr schwerer Zerstörungen, die Gewißheit weiterer blutiger Opfer mit sich, und man kann mit voller Sicherheit vorhersagen, daß ein neuer Krieg nicht ein einziges der Probleme lösen wird, vor denen der Nahe Osten steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die bisherige Erfahrung zeigt, daß nach jedem Nahostkrieg die bestehenden Schwierigkeiten größer und nicht geringer geworden sind.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Ein eindringlicher Appell an alle beteiligten Parteien, den Frieden zu wahren, die Feindseligkeiten nicht zu eröffnen und die anstehenden Probleme mit friedlichen Mitteln zu lösen, sollte daher die erste Erklärung sein, die namens der Bundesrepublik Deutschland an die Länder dieser Region gegeben wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zum zweiten sollten wir sagen, daß nach unserer Auffassung alle in diesem Raum lebenden Völker ein Recht auf nationale Existenz, ein Recht auf ein Leben in gesicherten und allgemein respektierten Grenzen und ein Recht auf Selbstbestimmung haben. Nur der Respekt aller Beteiligten vor diesen fundamentalen Forderungen, die für das Zusammenleben der Völker auf der ganzen Welt gelten, kann die Grundlage einer friedlichen Lösung bieten.
    Ich sage dies im Bewußtsein der besonderen Beziehungen, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel bestehen. Ich sage dies aber auch im Bewußtsein der guten Beziehungen, die über Jahrzehnte hinweg zwischen unserem Land und den arabischen Staaten bestanden haben und die nach unseren Vorstellungen in Zukunft ausgebaut und vertieft werden sollten.
    Zum dritten aber ist ein konstruktiver Beitrag für die Spannungen in diesem Raum nur dann und nur dadurch möglich, daß die Sprecher der Bundesregierung, wo immer sie auftreten, die Grundsätze der deutschen Politik gleichartig und gleichlautend formulieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In Zeiten gefährlicher Spannung gibt es kein schlechteres politisches Verhalten, als daß man je nachdem, wo man sich befindet, und je nachdem, welchen Adressaten man jeweils vor sich hat, nuancierte, gefärbte oder veränderte eigene Erklärungen abgibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    So haben wir es bedauert und bedauern wir es weiter, daß in dem deutsch-sowjetischen Kommuniqué über den Besuch des Bundeskanzlers in Moskau nur von den legitimen Rechten des palästinensichen Volkes, aber nicht von dem Lebensrecht Israels die Rede ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die vage Ausrede, die der Herr Bundesminister des Auswärtigen hier vor einigen Wochen zu diesem Komplex gefunden hat, daß nämlich die Lebensrechte Israels dadurch erfaßt seien, daß man in dem Moskauer Kommuniqué auf die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Bezug genommen habe, befriedigt in gar keiner Weise.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben jetzt in den letzten Tagen feststellen müssen, daß der deutsche Botschafter von Wechmar, der vor den Vereinten Nationen eine Rede hielt,
    9226 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974
    Dr. Carstens (Fehmarn)

    auch wieder eine unausgewogene Stellungnahme abgab, die dann Veranlassung dazu bot, daß alle möglichen Sprecher der Bundesregierung hier in Bonn das zu interpretieren, zu erklären, oder zu ergänzen versuchten, was Herr von Wechmar gesagt hat.
    Meine verehrten Herren auf der Regierungsbank, Sie treiben, wenn Sie wahrscheinlich auch von guten Absichten erfüllt sind, in dieser Frage keine gute Politik. Sie müssen sich überlegen, was Sie namens der Bundesrepublik Deutschland sagen wollen, und das müssen Sie überall, wo Sie auftreten, in gleicher Weise sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Seiters [CDU/ CSU] : Und ehrlich!)

    Der Bundeskanzler hat im Rahmen seiner Ausführungen auch auf seine Reise nach England Bezug genommen. Gestatten Sie mir dazu auch einige wenige kommentierende Sätze. Er hat auf dem Labour-Kongreß dafür geworben, daß Großbritannien als Mitglied in der Europäischen Gemeinschaft verbleibt. Wie man annehmen darf, wollte der Bundeskanzler der britischen Labour-Party dabei nahelegen, daß England vollwertiges, gleichberechtigtes Mitglied der Europäischen Gemeinschaften bleiben solle. Gegen diesen Versuch, den großen britischen Partner bei der europäischen Stange zu halten, ist sicher nichts einzuwenden. Er steht allerdings im merkwürdigen Widerspruch zu den Erklärungen, die der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Herr Kollege Brandt, der inzwischen leider gegangen ist, wenige Tage zuvor abgegeben hatte und in denen er den Engländern und einer Reihe anderer Mitglieder der EG nahegelegt hatte, sich mit einer Rolle im zweiten Glied der Gemeinschaftsentwicklung zufriedenzugeben, solange sie noch nicht in der Lage seien, die vollen Verpflichtungen eines Mitglieds zu übernehmen.
    Diese Widersprüchlichkeit der Erklärungen des Bundeskanzlers einerseits und des Vorsitzenden der SPD andererseits, die sich, nebenbei gesagt, an vielen anderen Beispielen auch noch nachweisen lassen würde, wurde hier wieder einmal besonders deutlich, und ich muß sagen, es ist ein Umstand, der den Erklärungen des Bundeskanzlers im Ausland sicherlich keinen besonderen Nachdruck verleiht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Leider ist es im Anschluß an die Rede des Bundeskanzlers in London zu einem unangenehmen Zwischenfall gekommen. Einer der Teilnehmer des Labour-Party-Kongresses, ein Abgeordneter des britischen Unterhauses, John Ryman, hat über den Bundeskanzler eine in Form und Inhalt beleidigende Äußerung getan, indem er ihn einen „überheblichen Hunnen" nannte. — Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, um diese beleidigende Äußerung über den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland

    (Lachen bei der SPD)

    durch einen britischen Unterhausabgeordneten auch im Namen der CDU/CSU-Fraktion zurückzuweisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    — Ich nehme an, meine Damen und Herren von der! SPD-Fraktion, daß Sie wenigstens in diesem Punkte mit mir einer Meinung sind.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Die Gespräche, die der Bundeskanzler in Washington führte, hatten den Zweck, die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland zu festigen und außerdem die Schwierigkeiten, die sich zwischen den Partnern der Europäischen Gemeinschaft einerseits und den Vereinigten Staaten andererseits in Fragen der internationalen Politik ergeben haben, zu überbrücken.
    Die Bemühungen des Bundeskanzlers in beiden Richtungen finden die volle Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion. In der Tat ist die Stärkung des Nordatlantischen Bündnisses und innerhalb dieses Bündnisses der Ausbau der festen, engen und vertrauensvollen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland ein Kernstück der deutschen Politik — so wie die CDU/CSU in den Jahren, als sie die Verantwortung für die deutsche Außenpolitik trug, sie immer verstanden und immer praktiziert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Leider muß man auch hier feststellen, daß der Bundeskanzler, wenn er diese Politik verfolgt, sich im Widerspruch zu Teilen seiner eigenen Partei befindet. Noch sind uns die Szenen hier in diesem Hohen Hause lebhaft in Erinnerung, als der Bundesverteidigungsminister über die zunehmende Aufrüstung der Warschauer-Pakt-Staaten

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    und über die Notwendigkeit verstärkter Verteidigungsanstrengungen im westlichen Bündnis, besonders in Deutschland, sprach: seine Rede wurde von eisigem Schweigen der beiden Koalitionsfraktionen aufgenommen. Ich denke, wir alle erinnern uns noch daran.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Aber noch weit schlimmer ist die fortwährende Hetze, die von linken Gruppen in unserem Lande gegen die Vereinigten Staaten als eine kapitalistische Großmacht, als eine Nation, die für die Ermordung unschuldiger Menschen verantwortlich sei, betrieben wird. Diese Hetze vergiftet die Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Es wäre sehr zu wünschen, wenn der Bundeskanzler in den Reihen seiner eigenen Partei endlich dafür sorgte, daß diese Art von lebensgefährlicher Zerstörung der Grundlagen der deutschen Außenpolitik durch linksorientierte Gruppen — einschließlich sozialdemokratischer Gruppen — unterbleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Daß diese Sozialdemokraten dabei Arm in Arm mit Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland marschieren, will ich nur am Rande erwähnen.

    (Aha!-Rufe und weitere Zurufe von der SPD)

    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9227
    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Aber ich möchte — lassen Sie mich doch vielleicht zu Ende reden, meine Herren, dann werden Sie gleich hören, was ich meine — doch nicht unterlassen darauf hinzuweisen, daß gegen eine Kundgebung, die die CDU morgen in Duisburg durchführen wird, von einer Gruppe linksgerichteter Politiker eine Gegenkundgebung veranstaltet werden soll. Dabei treten wieder in trautem Verein Sozialdemokraten und Kommunisten gemeinsam auf.

    (Lebhafte Zurufe und Pfui!-Rufe von der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, hier liegt ein großes, wichtiges Betätigungsfeld für Ihre Energie!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich setze die Anstrengungen in keiner Weise herab, die Sie zur Festigung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses unternehmen. Sie haben aus dem, was ich gesagt habe, entnommen, daß die CDU/CSU diese Ihre Anstrengungen unterstützt. Aber Sie wären gut beraten, wenn Sie Ihr Augenmerk darauf richteten, daß die Basis, auf der Sie politisch stehen, angenagt wird durch Kräfte, die das Atlantische Bündnis und die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten zerstören wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gestatten Sie mir noch ein weiteres Wort über die publizistische Darstellung, die der Bundeskanzler selbst von seiner und über seine Amerikareise gegeben hat. Er sagte im Fernsehen, daß wir in der Bundesrepublik wirtschaftliche Stabilität hätten und daß er das seinen amerikanischen Partnern hätte mitteilen können. Hierzu ist leider anzumerken, Herr Bundeskanzler — für den Fall, daß es Ihnen entgangen sein sollte —, daß die Zahl der Arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile 800 000 beträgt und daß dies die höchste Zahl von Arbeitslosen in dieser Jahreszeit ist, die die Bundesrepublik Deutschland seit 20 Jahren gehabt hat. Wie Sie es fertigbringen, unter diesen Umständen von wirtschaftlicher Stabilität zu sprechen, bleibt unerfindlich, um so unerfindlicher, als Sie, wie Sie sich vielleicht auch noch erinnern werden, den Wahlkampf des Jahres 1972 hauptsächlich mit der Parole geführt haben, wer die SPD wähle, wähle eine Partei, die die Sicherheit der Arbeitsplätze garantiere.

    (Hört! Hört!, Zurufe und Lachen bei der CDU/CSU)

    Ich möchte auch einige Bemerkungen zu den innerdeutschen Beziehungen machen, zu denen der Bundeskanzler zu Beginn seiner Ausführungen gesprochen hat. Die Bundesregierung bezeichnet die Zurücknahme des Zwangsumtausches für Rentner seitens der DDR-Behörden und die Verbesserung der Besuchsmöglichkeiten für Westberliner in der DDR — Besucher können in Zukunft in größerem Umfange ihren Pkw mitnehmen und können sich auch innerhalb des gesamten Gebietes der DDR bewegen — als einen Erfolg ihrer innerdeutschen Politik. Die Verbesserung der Besuchsmöglichkeiten sind in der Tat eine Verbesserung und sind neu. Was aber den Zwangsumtausch angeht, so ist es notwendig, sich zu erinnern, welche Entwicklung diese Frage genommen hat.
    Im Herbst 1972 wurde der Grundvertrag unterzeichnet, der dann im Frühjahr 1973 ratifiziert wurde. Er sollte ebenso wie der Verkehrsvertrag der Erleichterung der Kontakte zwischen den Menschen im geteilten Deutschland dienen. Kaum aber war der Grundvertrag ratifiziert, griff die DDR in den Bereich der menschlichen Kontakte in brutaler Weise ein, indem sie die Zwangsumtauschsätze für Besucher aus West-Berlin und aus der Bundesrepublik Deutschland verdoppelte und diese erhöhten Umtauschsätze zugleich auch für Rentner neu einführte, die bisher von jeder Umtauschpflicht befreit waren. Damit verstieß die DDR in eindeutiger Weise gegen den Grundvertrag und den Verkehrsvertrag. Sie verstieß außerdem gegen ausdrückliche Zusagen, die die DDR-Behörden dem Berliner Senat gegeben hatten. Es war daher die einmütige Auffassung der CDU/CSU, der Bundesregierung und des Berliner Senats, daß diese einseitige Maßnahme zurückgenommen werden müßte, bevor man über weitere Leistungen der Bundesregierung an die DDR überhaupt verhandelte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Noch am 6. Dezember dieses Jahres — vor wenigen Tagen — sagte der Regierende Bürgermeister von Berlin dazu folgendes:
    Seit einiger Zeit werden in verstärktem Maße Gerüchte im Zusammenhang mit dem Zwangsumtausch verbreitet, so als würde Ost-Berlin jetzt endlich die Rentner von dieser Maßnahme befreien. Ich kann und will dazu nur dreierlei sagen:
    1. Wenn man dies jetzt tut, dann ist das nichts weiter als die Rückkehr zur Geschäftsgrundlage des Vereinbarten, und es wird Zeit, daß auch die DDR-Führung lernt, daß Verträge allgemein, besonders aber die Vereinbarungen im Rahmen des Viermächteabkommens strikt eingehalten werden müssen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gut der Mann!)

    2. Wir wissen nicht, ob und wann Ost-Berlin seine Haltung revidieren will. Deshalb beteilige ich mich nicht an Spekulationen dieser Art, und ich bleibe skeptisch bis zum Beweis des Gegenteils. Aber wir alle würden uns freuen, wenn zum Weihnachtsfest gerade für unsere Rentner diese Erleichterung möglich wäre.

    (Zuruf von der SPD: Na und?!)

    3. Das alles hat mit den Fragen des innerdeutschen Handels nichts zu tun.

    (Zuruf des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU]) Hier kann es keine Geschäfte geben;


    (Dr. Marx denn wenn die DDR-Führung sich wieder vertragstreu verhalten will, so dürfen und so werden wir dies nicht erneut honorieren. Allerdings bleibt: über Überziehungskredite im innerdeutschen Handel darf und wird erst verhandelt werden, wenn die West-Berliner Rentner wie9228 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 Dr. Carstens der ohne Zwangsumtausch zu ihren Freunden und Verwandten nach drüben fahren können. Soweit das Zitat des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. (Dr. Marx [CDU/CSU] : Der war gut unterrichtet! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Am Tage darauf, am 7. Dezember, erteilte das „Neue Deutschland" Herrn Schütz eine schneidende Antwort. Es teilte nämlich mit, daß zwischen Beamten der Bundesrepublik und der DDR eine Vereinbarung über eine Verlängerung des Überziehungskredits ausgehandelt und paraphiert worden sei und daß dieser Kredit künftig für weitere fünf Jahre bis zu einer Höhe von 850 Millionen DM in Anspruch genommen werden könne. Der Kredit ist bekanntlich zinslos. Daraus ergibt sich bei einer Zugrundelegung eines normalen Zinssatzes von 7 °/o, daß die Einräumung dieses Kredits an die DDR einem Gegenwert von etwa 400 Millionen DM entspricht. Daß unter diesen Umständen der DDR die Befreiung der Rentner vom Zwangsumtausch leichter fiel, ist unschwer zu erkennen.
    Zu diesem unglaublichen Vorgang ist folgendes zu sagen.
    Erstens. Die Bundesregierung ist von den von ihr selbst mehrfach erhobenen Forderungen wieder einmal abgewichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Sie hat über den Kredit verhandelt und die Vereinbarung paraphiert, bevor der Zwangsumtausch für Rentner aufgehoben worden war.

    (Dr. Hupka [CDU/CSU] : Das ist die Wahrheit!)

    Zweitens. Sie hat die unselige Praxis ihrer Vorgängerin, der Regierung Brandt, wiederaufgenommen und für ein und dieselbe Leistung, nämlich für die Freistellung der Rentner vom Zwangsumtausch, zweimal einen Preis bezahlt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dreimal!)

    nämlich einmal bei Abschluß des Grundvertrages, der, wie wir doch alle wissen, der DDR entscheidende Vorteile brachte, und zum zweitenmal durch die Gewährung des Überziehungskredits von 850 Millionen DM für fünf Jahre.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Drittens. Sie hat durch dieses außerordentliche Entgegenkommen noch nicht einmal erreicht, daß wenigstens der Zustand wiederhergestellt wurde, der vor Abschluß des Grundvertrages bestand und den nicht zu verschlechtern sich die DDR verpflichtet hatte. Denn zwar sollen ab 20. Dezember die Rentner vom Umtausch befreit werden; aber alle anderen Besucher der DDR werden auch künftig einer höheren Zwangsumtauschquote unterliegen, als sie sie vor Abschluß des Grundvertrages zu entrichten hatten.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Die „Stuttgarter Zeitung" schreibt dazu am 10. Dezember — ich zitiere wieder wörtlich —:
    Alles dies ist ein Lehrstück für stümperhafte Arbeit, und zwar an der Regierungsspitze. Hier ist nicht koordiniert und vorher überlegt worden, was die Bundesregierung will, was sie riskieren kann und mit welcher Absicht sie Verhandlungen beginnt. Wer so mit den hart gedrillten Politikern aus der DDR umgeht, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er für seine Blessuren auch noch bezahlen muß.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Stümper! — Zurufe von der SPD)

    Dieser vernichtenden Stellungnahme habe ich nichts hinzuzufügen. Wenn ich diesen Satz, Herr Bundeskanzler, hier zitiere, dann weise ich zugleich Ihre Unterstellung zurück, als ob DDR und Opposition der Bundesregierung

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Eine böse Fehlleistung!)

    bei dem Versuch, zu innerdeutschen Vereinbarungen zu kommen, in gleicher Weise Schwierigkeiten bereiteten. Die CDU/CSU hat allen Anlaß, meine Damen und Herren, dieser Bundesregierung ebenso wie ihrer Vorgängerin bei ihren Verhandlungen mit der DDR auf die Finger zu sehen, und sie wird das auch tun.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Viertens. Sehr merkwürdig bleibt in diesem Zusammenhang das von der Bundesregierung gewählte Verfahren. Wer hat eigentlich Herrn Kleindienst die Weisung erteilt, das neue Abkommen zu paraphieren? War es der Bundeskanzler, wie die Presse sagt, war es der Bundeswirtschaftsminister, dem Herr Kleindienst untersteht, war es vielleicht der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen? Ich weiß es nicht.

    (Heiterkeit und Zurufe von der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Der darf doch keine Weisungen geben! Der darf nur Reden vorlesen! — van Delden [CDU/CSU] : Oder Herr Bahr?)

    Hier wird deutlich, daß die Führung der Verhandlungen mit der DDR auf seiten der Bundesregierung mangelhaft organisiert ist. Eine klare Verantwortung für diesen komplexen und komplizierten Bereich ist nicht zu erkennen. In einem der wichtigsten Bereiche der Politik fehlt es an klaren Zuständigkeiten und an der notwendigen Koordinierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Fünftens. Wie hat die Bundesregierung, so muß die CDU/CSU-Fraktion weiter fragen, sichergestellt, daß sich das von der DDR bisher so erfolgreich gespielte Spiel nicht wiederholen wird? Mit anderen Worten: Was geschieht, wenn die DDR die Zwangsumtauschquoten erneut erhöhen oder andere Erschwerungen im Besucherverkehr einführen würde?

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Dann wird der Swing höher!)

    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9229
    Dr. Carstens (Fehmarn)

    Wir verlangen dazu eine klare Antwort seitens der Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sechstens. Warum wurde der Berliner Senat über die Verhandlungen, die Herr Kleindienst führte, nicht unterrichtet? Ist dies die Art und Weise, so möchte ich fragen, in der die Bundesregierung die Forderung nach Festigung der Bindungen Berlins an den Bund zu erfüllen gedenkt? Hier liegt ein schweres Unterlassen der Bundesregierung — einerlei, wen dafür die Verantwortung treffen mag — vor.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Siebtens. Als katastrophal muß die Informationspolitik der Bundesregierung in dieser Angelegenheit bezeichnet werden.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Das ist wahr!)

    Dadurch, daß die Bundesregierung einen eklatanten Fehlschlag ihrer Politik auch noch als Erfolg hinzustellen versucht, bringt sie sich um jede Glaubwürdigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung weist darauf hin — dies ist auch zutreffend —, daß die DDR außer der Zurücknahme des Zwangsumtausches und den verbesserten Besuchsmöglichkeiten für Westberliner in der DDR eine Reihe von Projekten für den Verkehr zwischen der DDR und West-Berlin, zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland in Aussicht gestellt hat. Diese Verkehrsprojekte beziehen sich auf Straßenverbindungen, auf wirtschaftliche Kooperation, auf die Stromversorgung Berlins, auf Schleusen und Kanäle in West-Berlin u. a. m. Alle diese in Aussicht gestellten Projekte sind als solche natürlich zu begrüßen. Nur handelt es sich zunächst eben lediglich darum, daß solche Maßnahmen oder Vereinbarungen in Aussicht gestellt werden. Es bleibt abzuwarten, wann und wie sie realisiert werden. Nach den Erfahrungen mit dem direkten Telefonverkehr zwischen den beiden Teilen Deutschlands muß auch die Frage gestellt werden, wieviel diese Vereinbarungen, selbst wenn sie abgeschlossen sind, wert sind. Denn bekanntlich ziehen die DDR-Behörden die Herstellung dieser Fernsprechverbindungen über den fest zugesagten Termin vom 31. Dezember dieses Jahres hinaus, obwohl die Bundesregierung die auf sie in diesem Zusammenhang entfallenden Zahlungen bereits voll geleistet hat.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    Aber vor allem, meine Damen und Herren, bleibt abzuwarten, welche weiteren Forderungen, insbesondere finanzieller Art, die DDR in diesem Zusammenhang an die Bundesregierung stellen wird. Hierzu ging uns gestern abend folgende ddp-Meldung zu — ich zitiere —:
    Die Bundesrepublik muß nach Ansicht der DDR sämtliche Kosten für die Verbesserungen der Verkehrswege von und nach West-Berlin übernehmen, die Ost-Berlin am Montag in einem Verhandlungskatalog angeboten hat.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Nach einer Schätzung der „Süddeutschen Zeitung" von heute morgen werden diese Kosten alles in allem auf 3 Milliarden DM veranschlagt.
    Ich fasse zusammen: Die Zurücknahme der Zwangsumtauschquote für Rentner ist zu begrüßen, Wir alle werden uns freuen, wenn jetzt eine größere Anzahl von Rentnern ihre Verwandten und Freunde in Ost-Berlin und in der DDR besuchen kann. Aber der Zustand, der vor Ratifizierung des Grundvertrags bestand, ist noch nicht wiederhergestellt worden. Auch heute noch stehen die Besucher, die in die DDR reisen wollen — was die Zwangsumtauschquote angeht —, schlechter da, als sie vor der Ratifizierung des Grundvertrages gestanden haben. Vor allem hat die Bundesregierung wieder einmal gegen das fundamentale Prinzip verstoßen, daß man für ein und dieselbe Leistung nicht zweimal einen Preis zahlen darf.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die heutige Debatte hat Gelegenheit gegeben — und bietet weiter Gelegenheit —, zu den wichtigsten Fragen der deutschen Außenpolitik Stellung zu nehmen. Der Gesamteindruck ist nicht befriedigend.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : Ihrer Rede!)

    Die Regierung bietet kein einheitliches Bild. In Fragen der Europapolitik gehen Bundeskanzler und Vorsitzender der SPD verschiedene Wege; in Fragen des Atlantischen Bündnisses kämpft der Bundeskanzler gegen starke Widerstände in seinen eigenen Reihen, was seinen Anstrengungen ein gut Teil an Glaubwürdigkeit nimmt.
    Der deutschlandpolitische Kurs der Regierung ist zwiespältig. Ihm fehlt jede klare Linie. Die jetzige Bundesregierung widerholt die Fehler ihrer Vorgängerin und zeigt sich den östlichen Verhandlungspartnern nicht gewachsen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu der Krise im Nahen Osten gibt die Bundesregierung oder geben ihre Sprecher, je nachdem, wo sie sich äußern, unterschiedliche Erklärungen ab und belasten dadurch die Beziehungen sowohl zu Israel wie zu den arabischen Staaten.
    Ich will die Anstrengungen, Herr Bundeskanzler, die Sie in den letzten Tagen im Interesse des Bündnisses und im Interesse der europäischen Einigung unternommen haben, in keiner Weise herabsetzen — ich wiederhole es —; aber Erfolg in der Politik setzt mehr voraus, nämlich langfristig geplantes, konsequentes und vor allem einheitliches Vorgehen aller in einer Regierung zusammengefaßten Kräfte. Hieran fehlt es dieser Bundesregierung in entscheidender Weise.
    Sie zeigt damit auf außenpolitischem und deutschlandpolitischem Gebiet die gleiche Schwäche und Unsicherheit, die ihre Tätigkeit im wirtschaftspolitischen und im innerpolitischen Bereich — ich nenne nur die Stichworte Bekämpfung von Terror und Bekämpfung von Radikalismus — kennzeichnet. Darüber wird in den nächsten Sitzungen des Deutschen Bundestages weiter zu sprechen sein.

    (Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU)

    9230 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974


Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat die Schwierigkeiten erwähnt, die sich in dieser Debatte ergeben, weil ja abschließende Texte, wie er sagte, z. B. ihm erst seit einer halben Stunde vorliegen. Dieses Schicksal teilen wir miteinander, Herr Carstens, und müssen dennoch — Sie haben das ja auch gesagt —hier gerechterweise über das sprechen, was die Regierung zu den schwierigen Verhandlungen erklärt hat, die ja stellenweise — ich will das nicht in einem herabsetzenden Bilde gemeint haben — einem gefährlichen Slalomlauf gleichen mußten, so wie die weltpolitischen und auch die europapolitischen Akzente gesetzt sind.
    Sie haben dann gesagt, daß Sie in dieser Debatte manches sagen würden, das vorläufigen Charakter habe. Ich muß Ihnen zugestehen, daß Sie damit recht hatten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Ich muß allerdings sagen: Manches, was sehr vorläufig ist, war dennoch vorformuliert. Insofern ist es dennoch auch vorläufig, wie alle Manuskripte vorläufig sind, auch wenn Sie noch einmal und noch einmal aufgekocht werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Jedenfalls haben Sie das im Zusammenhang mit Hinweisen auf den Bundesminister der Finanzen, Hans Apel, als auch mit Hinweisen auf den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Willy Brandt, unter Beweis gestellt. Es bleibt bei Ihnen vorläufig bei Abstempelungen, und Sie meinen, damit kämen Sie eine ganze Weile — wenn auch. nur vorläufig — durch, vielleicht bis zu einer nächsten Wahl zu irgendeinem Landtag oder in irgendeiner Kommune.

    (Damm [CDU/CSU] : In Frankfurt? Oder in München?)

    Sie hängen also am Vorläufigen.
    Gerechterweise haben Sie aber erklärt, Sie seien froh darüber, daß in bezug auf die Pariser Konferenz ein Fehlschlag vermieden worden sei. Das ist eine sachliche Feststellung. Sie teilen diese Auffassung — warum auch nicht? — sicherlich mit manchen anderen, die keineswegs Ihre sonstigen vorläufigen Beurteilungen teilen wollen. Es ist unerhört schwierig gewesen, dieses Pariser Treffen zu Ergebnissen zu führen, im Hinblick auf die auch Sie sagen müssen, Sie seien froh darüber, daß ein Fehlschlag vermieden worden sei. Ich denke dabei an ein Wort, das mir unlängst bei seinem letzten Besuch in Bonn mein alter verehrter Freund, der Präsident des Aktionskommitees für die Vereinigten Staaten von Europa, Jean Monnet, gesagt hat, als ich ihn fragte, ob das Komitee als solches nicht etwas Besonderes tun müsse. Er sagte: Dies ist die Stunde der Regierungen. Dies habe wohl nicht nur ich eingesehen, sondern ich nehme an, auch Sie sehen das ein: Dies ist die Stunde der Regierungen, auch wenn Regierungen gerechterweise der Kritik ihrer Parlamente unterstellt sind.
    Deswegen wende ich mich zunächst dem zu, was der Herr Bundeskanzler nach einer sicherlich nicht ruhigen Nacht hier heute dankenswerterweise dem Bundestag in gestraffter Form vorgetragen und zur Debatte vorgelegt hat. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstützt vollinhaltlich die Darlegung, die der Herr Bundeskanzler über die Entwicklungen im Verhältnis unseres Staates zur DDR gemacht hat. Wir danken ihm und der Bundesregierung für die Beharrlichkeit,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    mit der daran gearbeitet worden ist, auch mit einem so schwierigen Partner, wie es die Regierung der DDR ist, zu konstruktiven Ergebnissen zu gelangen, die nicht zuletzt der Berliner wegen für uns so bedeutsam sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie haben alle gehört, was der Bundeskanzler hier schmucklos über das dargelegt hat, was mit diesen Erörterungen und Gesprächen in den letzten Monaten erzielt worden ist. Meine Damen und Herren, es ist jedenfalls — wie auch immer Sie das Urteil vorwegnehmen wollen — der Ausblick auf eine Reihe wesentlicher Verhandlungen, in denen es um wesentliche Fragen für das Verhältnis zwischen den beiden Staaten im getrennten Deutschland und um Regelungen immer und in erster Linie zugunsten Berlins geht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was der Bundeskanzler hier in seiner Regierungserklärung über die Gespräche - sei es in Washington, sei es in New York — mit unserem wichtigsten Partner, den Vereinigten Staaten von Amerika, gesagt hat. ist zweifellos von großer Bedeutung, auch wenn sich manche Ergebnisse nicht schon in allernächster Zeit zeigen werden, sondern erst auf dem Wege der Annäherung ,der Standpunkte — hier ist ja auf das Zusammentreffen des amerikanischen Präsidenten mit dem französischen Präsidenten hingewiesen worden —, über schwierige Differenzen und mitunter sogar über Klüfte hinweg, die in den letzten Jahren bestanden haben.
    Das Ergebnis der Tagung in Paris ist richtig charakterisiert worden, wenn darauf hingewiesen worden ist, daß sich die Regierungschefs dort weder in bürokratischer Kleinarbeit erschöpft noch in hohlen Deklamationen ergangen hätten. Bei dem Kommuniqué — wenn wir alle es sorgfältig studiert haben werden, wenn die Ausführungen des Herrn Bundesministers des Auswärtigen dazu vorliegen und zur Kritik stehen werden — werden wir sehen, daß es sich hier um Gesprächsergebnisse von nicht alltäglichem Wert handelt.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Bangemann [FDP])

    Der Bundesminister der Finanzen hat übrigens hier im Bundestag in einer Rede, die er am 5. Dezember 1974 gehalten hat, folgendes gesagt — er hat dabei den Jahresbericht 1974 des Weltwährungsfonds zitiert —, was ich wörtlich wiedergebe:
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9231
    Wehner
    Um die Mitte des Jahres 1974 lag die Weltwirtschaft in den Wehen einer starken und weitverbreiteten Inflation, einer Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums, und war konfrontiert mit einem massiven Ungleichgewicht im internationalen Zahlungsverkehr.
    Und er hat ergänzend dazu ausgeführt, daß in diesem Jahresbericht des Weltwährungsfonds weitergesagt wird,
    daß diese Situation die nationalen Regierungen wie die internationale Gemeinschaft vor die umfassendsten und schwierigsten Probleme seit dem Ende des zweiten Weltkrieges stellt. Wir kommen zu dem Ergebnis,
    — so schloß der Bundesminister der Finanzen —
    daß dieser Analyse nichts hinzuzufügen ist. Wir befinden uns in der Tat in der schwierigsten Situation nach 1945.
    Wenn ich noch einmal auf den Begriff meines sehr verehrten Vorredners zurückkommen darf: Dabei halten Anmerkungen vorläufigen Charakters den Wetterverhältnissen kaum stand, Herr Carstens!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Bundeskanzler hat mit Recht gesagt, daß wir eine Durststrecke durchmessen. Es ist dieser Charakterisierung nicht angemessen, wenn man meint, da könne man sich ausschließlich am Körper der Regierung des eigenen Landes sozusagen festbeißen. Hier in dem Kommuniqué sind — wir alle werden es noch sehen — wesentliche Orientierungspunkte für die nächsten Monate zusammengefaßt, und zwar — hier greife ich wieder das auf, was der Bundeskanzler gesagt hat gekennzeichnet nicht nur durch gute Kooperation, sondern auch dadurch, daß das, was in Paris — zugegeben mühselig und geduldig genug — hat herausgearbeitet werden müssen und können, zu gemeinsamen Schritten — oder Schritten aufeinander zu — mit den Vereinigten Staaten von Amerika führt. Sie wissen doch ganz genau, meine Damen und Herren von der Opposition, wie das ist mit dem besonderen Verhältnis z. B. der französischen Regierung — nicht nur der jetzigen, sondern auch ihrer Vorgängerinnen — zu einer Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Hier ist nicht der Platz, sich über die französische Politik auseinanderzusetzen, aber hier ist doch, wenn Dinge verniedlicht oder verschoben werden, der Platz, darauf hinzuweisen, daß wir es in vielen Jahren auch mit solchen uns berührenden, aber von uns nicht zu verantwortenden Entwicklungen zu tun haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Hier komme ich noch einmal auf das zurück, was Sie wiederholt angreifen zu müssen glaubten. Wenn der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in einer Rede, die er in Paris auf Einladung gehalten hat, genau auf die Dinge zu sprechen gekommen ist, in denen uns jetzt Probleme auf den Nägeln brennen, und wenn er Wege und Vorschläge zur Krisenmeisterung um der Gemeinschaft willen — damit sie nicht zerspringe oder zerfalle — dargelegt hat, so lohnt es nicht, sich an dem einen oder dem anderen Wort festklammern zu wollen und daran herumzudeuteln.

    (Beifall bei der SPD)

    Dann nehmen wir das, was Willy Brandt in dieser Frage gesagt und gewollt hat, wie es ist und wie es auch von Leuten nicht vorläufigen Charakters — hier zitiere ich z. B. noch einmal meinen Freund Jean Monnet — positiv gewürdigt worden ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Da erlaube ich mir, einiges zu dem zu sagen, meine Damen und Herren, was wir bei allem, was vorläufigen Charakters sein mag, festhalten müssen. Wir haben es, was die heute hier in der Regierungserklärung berührten und aktualisierten Beziehungen vielfältiger Art betrifft, in denen wir stehen und auf deren Gedeihen wir alle angewiesen sind — unser Staat, unser Volk, sogar in dem Sinne gesprochen: unser Volk im getrennten Deutschland —, bezüglich deren wir zu leisten haben, was wir mit den uns aufgegebenen Beziehungen zu tun imstande sind, mit den Römischen Verträgen zu tun. Wir haben es zu tun mit dem Nordatlantikpakt. Wir haben es zu tun mit dem Generalvertrag, den wir mit den drei Westmächten geschlossen haben, und wir haben es zu tun mit dem Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen uns und der DDR. Eine Klammer dessen und aus diesen Verträgen herausgewachsen ist das, was wir das Viermächte-BerlinAbkommen nennen mögen. Das ist alles sehr gebrechlich, das alles ist keinewegs Absolutheitsvorstellungen gemäß, aber es ist alles sorgsam zu hüten, sorgsam davor zu behüten, daß es nicht über I das Maß hinaus, das sowieso die Wetterverhältnisse ihm zumessen, strapaziert wird.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Die vertraglich geregelten Beziehungen mit den Staaten in West und Ost bedürfen — das will ich damit sagen — jeweils ebenso sorgfältigster Aufmerksamkeit und Handhabung, wie wir der Fähigkeit bedürfen, es in unserem eigenen Interesse zu keinem Entweder-Oder kommen zu lassen: entweder mit Westverträgen oder mit Ostverträgen, entweder das eine oder das andere. Das ist doch wohl ein gemeinsames Interesse. Ich bin überzeugt, daß das, auch wenn des „vorläufigen Charakters" wegen heftig dagegen polemisiert wird, im Grunde nicht geleugnet werden kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn ich sage, daß es in unserem eigenen Interesse liege, es zu keinem Entweder-Oder in diesem Geflecht von vertraglichen Beziehungen kommen zu lassen — das ist mit unser eigenes Interesse —, heißt das, daß da nicht Schaukelpolitik hilft, sondern Balance. Balance ist nicht immer so, daß man während der schwierigen Akte und Handlungen schon sieht, was für ein gewaltiger Künstler der ist, dem aufgegeben ist, diese Balance zu halten. Aber er verdient unsere Unterstützung, und so verdient sie der Bundeskanzler bei diesen schwierigen Akten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn nicht Schaukelpolitik betrieben, sondern Balance gehalten werden soll, bedingt dieses, nichts
    9232 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974
    Wehner
    blockieren zu lassen, weder in der einen noch in der anderen Richtung.
    Die Behandlung unserer vertraglichen Verpflichtungen und Möglichkeiten muß beim Austragen unserer innenpolitischen Kämpfe, die um die Führung und die Schwergewichte der Politik hier ausgetragen werden — was legitim ist —, insoweit sorgsam geschehen, als wir unsere eigenen Interessen — sagen wir: unsere nationalen Interessen — nicht so in das Spiel anderer Interessen hineinziehen lassen dürfen, daß wir unsere eigenen Interessen nicht wirklich voll wahrnehmen könnten. Das ist eine Regel, von der niemand herunterkommt, gleichgültig, welche Regierung er lieber am Ruder sähe.
    Wir brauchen die Abstimmung mit den Interessen von Partnern, aber wir müssen viel dazu tun, uns nicht, auch wenn es ungewollt geschieht, als Werkzeuge der Interessen anderer verbrauchen zu lassen. Ich unterstelle keiner der Seiten, mit denen wir Verträge haben, daß sie uns für ihre eigenen Interessen sozusagen mißbrauchen möchte. Nur: Wir müssen aufpassen, daß wir unsere Interessen selbst sorgsam wahren und sie auch nicht den innerpolitischen Kämpfen um Führung und Schwergewichte hier zum Opfer bringen lassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie selbst müssen sich gelegentlich daran erinnern, wie schwierig es war, z. B. Abkommen mit der DDR, mit dem anderen Teil im getrennten Deutschland, die von unserer Seite aus bestimmten Gründen aufgesagt worden waren, dann doch wieder zu flicken, weil es keine andere Möglichkeit gab. Ich denke dabei — um nur zwei Punkte herauszugreifen — an jene zeitweilige Kündigung des Abkommens über den innerdeutschen Handel durch eine Regierung hier und daran, wie wir uns dann bemühen mußten, dies wieder in das Gleis zu bringen, ohne daß wir ein völlig neues legen konnten.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Damals gab es noch keinen Grundvertrag!)

    — Damals waren Sie noch nicht hier, Herr. Lassen Sie das ruhig sein, dazu Ihre klugschnackerischen Bemerkungen zu machen!

    (Heiterkeit bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

    Dazu rechne ich auch das Umgehen mit dem Passierscheinabkommen in jenem Jahr, in dem es auf unserer Seite etwas dazu bedurft hätte, es weiterführen und erneuern zu können. Daß die damalige Regierung sich gegen den Rat anderer — z. B. auch gegen meinen Rat — dem damals versagt hat, sind heute keine aktuellen Dinge mehr. Wenn man so will — in der Sprachphilosophie des Herrn Kollegen Carstens —, waren es also Dinge vorläufiger Art.
    Nur, wenn Sie sich heute — und das ist Ihr gutes Recht —, an der Frage festhaken, ob denn die Regierung das Äußerste aus den vertraglichen Möglichkeiten herausgeholt hat, dann müssen Sie auch bedenken, daß die vertraglichen Möglichkeiten zugleich auch vertragliche Notwendigkeiten sind. Und dann brauchen wir ein Stück, wo wir bei allen
    inneren Auseinandersetzungen hier, die nicht aufhören werden — dafür sorgen, daß wir Möglichkeiten und Notwendigkeiten in das richtige Verhältnis bringen. Und hier danke ich der Regierung wiederum für ihre Beharrlichkeit bei dem Aushandeln dieser Möglichkeiten, nun in sachgerechte Sachverhandlungen eintreten zu können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, Sie dürfen doch — um jetzt einmal ebenso kurz die westliche Seite anzuleuchten — nicht vergessen, wie viele Jahre die französische Auslegung und Praxis im Umgang mit den Römischen Verträgen die westeuropäische Entwicklung zur Einheit hin gekostet haben. Das wissen Sie doch noch ganz genau, und ich nehme nicht an, daß Sie darüber einfach hinwegwischen wollen. Ich denke an die Jahre der „Politik des leeren Stuhls", lange Jahre, die heute noch nicht völlig überwunden sind. Sie wissen, mit welchem Luxemburger Kompromiß man damals abschließen mußte. Schließlich sagten die damalige Regierungskoalition und die damalige Opposition in dem einen Punkt doch: besser dies als gar nichts! Das war die Lage, die wir damals mit der Politik des leeren Stuhls vorgesetzt bekommen haben. Da ging es doch nicht nur um das Verhältnis der Partner in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zueinander, es ging dabei immer auch, wenn nicht in einem sehr starken Maße, um das Verhältnis der Partnerschaft zwischen den zur Einigung Europas fähigen Staaten, also Westeuropas, zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Das ist doch — zusätzlich zu allem — etwas. Ich täte das, meine Damen und Herren, nicht so mit einer Handbewegung in bezug auf das bevorstehende Zusammentreffen zwischen den Präsidenten der Vereinigten Staaten und Frankreichs ab. Dies ist der Vorgeschichte und auch der innenpolitischen Verhältnisse Frankreichs wegen — schwierig genug. Das wissen Sie auch. Wir können diese Verhältnisse von hier aus nicht ändern, falls wir überhaupt ein Rezept hätten, wie man sie eigentlich ändern müßte.
    Und da komme ich doch noch einmal zurück zu Herrn Carstens' vorläufigen Wertungen. Er hat intensiv gefragt nach Vorschlägen konkreter Art zur Wahl des Europäischen Parlaments. Herr Carstens, Sie haben gesagt: seit den sechziger Jahren liegen sie auf dem Tisch. Aber Sie wissen doch — ich nehme an, Sie wissen das —, wie die Stellung des französischen Partners, die amtliche, die Regierungsstellung, zu der Direktwahl des Europäischen Parlaments war und noch ist. Daß es jetzt endlich möglich ist, — —

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das ist jetzt positiv! Das ist die große Wandlung! Das haben Sie nur noch nicht mitgekriegt, Herr Wehner!)

    — Entschuldigen Sie, Sie werden mich doch hier nicht belehren, daß Frankreich nicht gesagt hat: nein; höchstens eine Jahreszahl, die noch sehr weit in der Ferne lag, genannt hat auf die Frage, wann man dazu übergehen könnte. Das können Sie doch
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9233
    Wehner
    innenpolitischer Opportunität wegen nicht einfach aus der Welt schaffen.
    Nun, einige Bemerkungen — auch wieder vorläufigen Charakters — haben Sie jetzt schon zur bevorstehenden konjunkturpolitischen Debatte gemacht, die am Freitag hier geführt werden wird. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn das Fehlen einer Einigung im energiepolitischen Bereich — Herr Carstens hat es hier bemängelt — bedauert wird, so kann man doch nicht daran vorbei — ich muß noch einmal auf dieses spezielle Verhältnis zwischen Frankreich und den USA zu sprechen kommen —, daß beide in dieser Frage eine besondere Verantwortung haben.
    Sie haben, Herr Kollege Carstens, einige Bemerkungen zum Nahen Osten gemacht. Ich erkläre, daß ich einverstanden bin mit dem, was Sie darüber gesagt haben, daß ein neuer Krieg nicht ein einziges der dortigen Probleme lösen könnte. Hier sind wir völlig übereinstimmender Meinung. Ich erlaube mir, ohne damit diese Übereinstimmung einschränken zu wollen, hinzuzufügen: Ein neuer Krieg dort könnte, würde wahrscheinlich tödlich sein für mehr als nur für die Länder und Völker dieses Gebietes.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Sie bemängeln hier, daß die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland nicht immer gleichartig und gleichlautend zu den Rechten Israels und der Palästinenser gesprochen hätten, und Sie sagen, das sollten sie tun. Ich bin auch der Meinung: das müssen sie. Meine Einstellung ist die des Bedauerns darüber, daß die Vollversammlung der Vereinten Nationen den Eindruck gemacht hat, als ob den Palästinensern ein Recht gegeben werden könne, während vom Rechte Israels nicht mehr die Rede zu sein brauche.

    (Allgemeiner Beifall)

    Dies war das, was schauerlich war an jener Demonstration. Es war eine Demonstration, angesichts derer sicher nicht nur ich, sondern viele andere — gleichgültig, zu welchem Lager sie gehören — sehr bedrückt waren, weil manches an jener Schaustellung des Mannes mit dem Pistolenhalfter an etwas völlig anderes erinnerte, nämlich an das Bild, das uns hinsichtlich eines Diplomaten mit dem Regenschirm von 1938 noch gewärtig ist.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU] : Der Schuh!)

    — Der Schuh war noch ein anderes Bild, verehrter Herr. Sie müssen nicht immer nur nach einer Seite gucken. Ich hoffe sehr — und hoffentlich mit Ihnen gemeinsam; denn in diesem Punkte werden wir doch wohl übereinstimmen —, daß es nicht so kommt wie 1938 hinsichtlich jenes anderen Landes, das damals von einigen Gentlemen und Monsieurs dazu verurteilt worden ist, geteilt zu werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun, sehr verehrter Herr Kollege Carstens, Sie meinen, den Bundeskanzler in dieser Stunde ermahnen zu müssen, daß eine Veranstaltung, die die CDU in Duisburg — so habe ich gehört — durchführen wird, nicht gestört werden dürfe. Herr Carstens, das entspricht weder der Bedeutung der Regierungserklärung des Bundeskanzlers noch können Sie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands den Stempel aufdrücken, den Sie ihr gern aufbrennen möchten.

    (Beifall bei der SPD — Damm [CDU/CSU] : Das macht sie doch selber!)

    Ich sage Ihnen hier ganz deutlich: Die SPD hält es weder mit Chaoten noch mit Terroristen, noch mit andersartigen Gewalttätern. Mit keinem von denen ist sie im Bunde!

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn man fragt, wem diese nützen, sage ich Ihnen mit Bitterkeit: Sie nützen Ihnen, meine Damen und Herren, ob bewußt oder unbewußt. Sie wissen auch, daß sie Ihnen nützen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie nützen nämlich Ihren Absichten, als Hort der
    Sicherheit zu erscheinen, wenn auch nur vorläufig.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Die Sozialdemokratische Partei hat in ihrer Geschichte harte Proben bestehen müssen. Sie hat sie nicht immer alle bestanden, gerade auch hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Terroristen und Provokateuren.
    Was den Vorgang betrifft, Herr Kollege Carstens, um den es sich hier handelt und von dem Sie meinen, daß er bei der Gelegenheit zur Sprache gebracht werden mußte, so bin ich davon unterrichtet worden, daß die Unterzeichner jenes Aufrufes, die zur Sozialdemokratischen Partei zu rechnen sind, bis heute mittag ihre Unterschriften zurückzuziehen haben. Anderenfalls ist ihnen ein Parteiausschlußverfahren mit dem Ziel der Löschung ihrer Mitgliedschaft sicher.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    Das tun wir doch nicht Ihnen zuliebe, oder weil Sie es hier gesagt haben — da brauchen Sie nicht süffisant zu lächeln —, sondern weil wir Demokraten sind und weil wir die Auseinandersetzung mit den Demokraten unter Demokraten geführt sehen wollen.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP — Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Heute erst! Wahltaktik!)

    — Ach, reden Sie doch keinen Nonsens, Herr! Ich habe z. B. erlebt, daß ich in einem — kommt jetzt selten vor — 25-Minuten-Sonntagsinterview des Deutschlandfunks auch zu Fragen hätte etwas sagen müssen, was Möglichkeiten einer Allparteienregierung oder einer anderen Koalition unter ganz bestimmten dringenden anderen Verhältnissen betrifft. Ich habe gesagt: Das, was heute über Koalition geredet wird, ist alles vordergründig, zweckbedingt, jeweils zum Reiz eines eigenen Partners oder anderer gemeint.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Den Partner, den Sie reizen könnten, haben nur Sie, Herr Wehner!)

    — Sie haben sich vorläufig erregt, Herr Carstens.
    Sie werden nachher, wenn Sie dann 60 gewesen
    9234 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974
    Wehner
    sind — wozu ich Ihnen jetzt schon gratuliere —, noch merken: vorläufige Erregungen sind nicht wirkliche.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das war ein Blindgänger!)

    Lediglich die, die die Bandaufnahme haben lesen können, wissen, wie ich mich dort gegen die Dämonisierung von persönlichen und von innenpolitischen Gegnern gewendet habe.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Sie haben doch dämonisiert!)

    — Quatschen Sie nicht Unfug! Ich rede hier ehrlich zu Ihnen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich wende mich z. B. gegen die Dämonisierung des Vorsitzenden der CSU, weil ich meine, sie dient ihm am meisten, um populär zu werden.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Altruistische Motive!)

    Wenn es einen Orden höchster Klasse gäbe für die Popularisierung Ihres Mannes, der kommt, „wenn er gerufen wird", in das Amt, das er Ihnen vorläufig gern zugestehen will, Herr Carstens, falls inzwischen die Regierung es notwendig machen sollte, dann erhielten ihn jene, die ihn in einer Weise dämonisieren, daß sie ihn hochspielen. Die einen kriegen Angst, und die anderen sagen: Das ist wohl der Mann, der geholt werden muß, wenn er gerufen wird.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Sie meinen Herrn Kühn, Herr Wehner? — Weitere Zurufe)

    — Wenn ich das Wort gesagt hätte, wäre ich zur Ordnung gerufen worden. Aber ich bin hier nicht dazu da.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Nun zu dem Versuch bei den vorläufigen Bernerkungen des Herrn Kollegen Carstens, den Regierenden Bürgermeister Berlins auszuspielen. Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat am Montag während seiner Sitzung Kenntnis vom Wortlaut der Erklärung bekommen, die der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz
    — der auch Mitglied des Vorstandes der SPD ist, aber bei dieser Gelegenheit nicht anwesend sein konnte —, in Berlin abgegeben hat. Wir haben dazu erklärt und öffentlich gemacht, daß der Parteivorstand den Regierenden Bürgermeister und die Berliner zu diesem Ausblick auf konstruktive Verhandlungen beglückwünscht, die im Ergebnis wesentliche Fortschritte für die Mitbürger der geteilten Stadt zeitigen werden. Dem Bundeskanzler und der Bundesregierung dankt der Parteivorstand für die Beharrlichkeit im Bemühen, die mit der DDR auf dem Boden des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zum Besten der Menschen im getrennten Deutschland geführten Verhandlungen zu positiven Ergebnissen zu bringen.
    Übrigens: Darüber wird man noch in zehn und in 15 und vielleicht in 20 Jahren reden, wie weit man jeweils gekommen, wie weit man zeitweilig wieder zurückgedrängt und wie weit man dann wieder weitergekommen sein wird. Da haben also die Jüngeren noch große Chancen.
    Ich bin der Meinung, daß es ungerechtfertigt ist, wenn aus dem Munde von Herrn Carstens die Frage gestellt wird, was denn geschehe mit diesen nun in den Verhandlungsgang kommenden Projekten — und wenn sie zu wirklichen Objekten geworden sein mögen —, wenn die DDR erneut Störungsaktionen führen wird. Wollen wir nicht endlich aufhören mit jener Mär, als hätten die Bundesregierung und der Bundeskanzler nicht angemessen reagiert auf Störungen, die in den letzten Monaten vorgekommen sind? Das haben sie. Allerdings, wir waren dabei auch darauf bedacht, daß es nicht zu solchen Clinchs käme, wie sie unter anderen Umständen — und von der Gegenseite mehr gewollt, als von unserer Seite zu verhindern gewesen war — wiederholt ausgelöst worden sind. In der Pressemitteilung des Bundespresse- und Informationsamtes Nr. 1468/ 74 vorn 9. 12. — und das haben Sie auch so gelesen, wie ich das gelesen habe, Herr Carstens und die anderen Damen und Herren — finden Sie genau, was in bezug auf diese in Gang kommenden Projekte zu sagen ist, zu sagen notwendig ist. So könnten Sie es sich, wenn Sie vorläufig wollen, ersparen, die vorläufigen Bemerkungen über noch nicht in Gang gekommene, über noch nicht den Ergebnissen nach zu bewertende Verhandlungen über Projekte und Objekte auszusprechen.
    Ich sage am Schluß noch einmal Dank dem Bundeskanzler, der Bundesregierung für diese Beharrlichkeit und Dank dafür, daß sie, ohne daß es ihnen darauf ankam, bloß eine gute Figur zu machen, unter schwierigen und in mancher Hinsicht schwierigsten Verhältnissen Balance gehalten haben, die uns in unserer Lage besonders gut ansteht.
    Ich danke.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)