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    Deutscher Bundestag 135. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Kempfler . . . . . . . . . . 9217 A Wahl des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) zum Mitglied des Vermittlungsausschusses an Stelle des ausscheidenden Abg. Dr. Lenz (Bergstraße) . . . . . . . . . . . 9217 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 9217 B Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 9217 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung betr. die Gespräche in Washington und New York, die Pariser Konferenz und die Gespräche mit der DDR Schmidt, Bundeskanzler . . . . . 9218 D, 9255 C, 9264 D Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 9223 D, 9262 A Wehner (SPD) . . . . . . . . 9230 A Dr. Bangemann (FDP) . . . . . . 9234 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 9240 A Genscher, Bundesminister (AA) . . 9245 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 9249 A Dr. Jaeger, Vizepräsident 9251 D, 9255 B Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes — Drucksache 7/1328 —, Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO — Drucksache 7/2905 —, Bericht und Antrag des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft — Drucksachen 7/2844, 7/2932 — Zweite und dritte Beratung Dr. von Bülow (SPD) 9285 B Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 9286 C Hoppe (FDP) 9287 D Fragestunde — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — Frage A i — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Lenzer (CDU/CSU) : Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Bundeshaushaltsrechnung 1972 betreffend unzureichende Überwachung der Zuwendungen des Bundesministers für Forschung und Technologie; Maßnahmen für eine bessere Kontrolle der Forschungsförderungsgelder Dr. Hauff, PStSekr (BMFT) . . 9265 A, C, D Lenzer (CDU/CSU) . . . . . . 9265 C, D II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 Fragen A 2 und 3 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Gölter (CDU/CSU) : Angaben der Bundesregierung hinsichtlich des Rückgangs des Lehrangebots in den letzten 15 Jahren; Notwendigkeit einer Korrektur der Angaben über die Zahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze Dr. Glotz, PStSekr (BMBW) . . . . 9265 D, 9266 B, D, 9267 A Dr. Gölter (CDU/CSU) 9266 C Rappe (Hildesheim) (SPD) . . . 9266 D von Hassel, Vizepräsident . . . 9267 B Fragen A 6 und 7 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Benz (CDU/ CSU) : Pressemeldungen über Zusagen der Bundesregierung gegenüber der Jewish Claims Conference hinsichtlich einer weiteren Wiedergutmachungsleistung; Absprache dieser Vereinbarung mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland Haehser, PStSekr (BMF) . . . . 9267 C, D, 9268 A, B, C Benz (CDU/CSU) . . 9267 D, 9268 B, C Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . . 9268 A Frage A 9 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Susset (CDU/CSU) : Gewährung der Abschreibungsmöglichkeit nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes an Bauherren, deren Baugenehmigung in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis 31. Dezember 1973 erteilt wurde, die jedoch mit dem Bau erst im Frühjahr 1974 begonnen haben Haehser, PStSekr (BMF) 9268 D, 9269 A, B Susset (CDU/CSU) 9269 A, B Fragen A 4 und 5 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Höcherl (CDU/ CSU) : Konkretisierung der von der Bundesregierung gemachten Angaben über die „äußerste Grenze der möglichen Neuverschuldung" der öffentlichen Hände im Jahre 1975; etwaige Bedenken der Deutschen Bundesbank gegen den Umfang der Neuverschuldung Haehser, PStSekr (BMF) . . 9269 C, D, 9270 A, B, C Höcherl (CDU/CSU) . 9269 C, D, 9270 B Maucher (CDU/CSU) 9269 D Lampersbach (CDU/CSU) 9270 C Fragen A 19 und 20 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Gruhl (CDU/CSU) : Pressemeldungen über Verdachtsmomente gegen Mitarbeiter eines Unternehmens in Norddeutschland betreffend die Umgehung von Vorschriften über die Altölbeseitigung und damit zusammenhängende Betrugshandlungen; eventuelle sonstige Fälle von gewinnsüchtigen Verstößen gegen das Altölbeseitigungsrecht; gesetzgeberische Folgerungen aus diesen Verstößen Grüner, PStSekr (BMWi) . . . 9271 A, C Dr. Gruhl (CDU/CSU) 9271 B, C Frage A 23 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Ey (CDU/CSU) : Bemühungen, die „Grüne Woche" in Berlin wieder zu einem internationalen Treffpunkt der Landwirtschaft aus Ost und West werden zu lassen; Ergebnis dieser Bemühungen Logemann, PStSekr (BML) 9271 D, 9272 A Ey (CDU/CSU) 9272 A Fragen A 24 und 25 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Gallus (FDP) : Abgabepreise bei Dieselkraftstoff für Landwirte; Marge zwischen den höchsten und niedrigsten Preisen Logemann, PStSekr (BML) . 9272 B, C, D, 9273 A Gallus (FDP) 9272 C Susset (CDU/CSU) . . . . 9272 C Eigen (CDU/CSU) 9272 C Ey (CDU/CSU) . . . . . . . 9273 A Frage A 26 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Eigen (CDU/CSU) : Argumentation der Bundesregierung bei den Agrarpreisverhandlungen in Brüssel Logemann, PStSekr (BML). 9273 B, C Eigen (CDU/CSU) . . . . . . 9273 B, C Frage A 27 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Eigen (CDU/CSU) : Bewertung der Agrarstatistik der EG durch die Bundesregierung Logemann, PStSekr (BML) . . . 9273 C, 9274 A, B Eigen (CDU/CSU) 9274 A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 III Frage A 28 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Susset (CDU/CSU) : Erklärung der Bundesregierung nach der Kabinettsitzung am 4. Dezember 1974 zur Ablehnung unterschiedlicher Preisanhebungen für Agrarprodukte; Übernahme dieser Aussage in die Forderungen für die EG-Agrarpreisverhandlungen 1975/76 Logemann, PStSekr (BML) . 9274 B, C, D Susset (CDU/CSU) 9274 C Eigen (CDU/CSU) 9274 D Frage A 29 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Ey (CDU/CSU) : Schutz von Patienten gegen die Behandlung durch nicht den deutschen Ausbildungsanforderungen entsprechende ausländische Ärzte Zander, PStSekr (BMJFG) . . . 9275 A, B Ey (CDU/CSU) 9275 B Fragen A 30 und 31 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — der Abg. Frau Stommel (CDU/CSU) : Abschaffung von Raucherzimmern an den Schulen; Auffassung der Bundesregierung dazu Zander, PStSekr (BMJFG) . . . 9275 C, D, 9276 A, B, D, 9277 A, B, C, D Frau Stommel (CDU/CSU) . . . 9275 C, D, 9276 D, 9277 B Josten (CDU/CSU) 9276 A Dr. Gruhl (CDU/CSU) . 9276 A, 9277 B Dr. Evers (CDU/CSU) 9276 B Dr. Hupka (CDU/CSU) . . . . 9276 D Immer (SPD) 9277 A Maucher (CDU/CSU) 9277 C Ey (CDU/CSU) 9277 C Frage A 32 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Reiser (SPD) : Verbesserung des Transport- und Rettungssystems für Herzinfarkt-Patienten Zander, PStSekr (BMJFG) 9277 D, 9278 B Reiser (SPD) 9278 A Frage A 33 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Rollmann (CDU/ CSU) : Finanzielle Schlechterstellung der geschiedenen und nicht wieder verheirateten Väter durch die Steuerreform Zander, PStSekr (BMJFG) . 9278 B, C, D Rollmann (CDU/CSU) 9278 C, D Dr. Evers (CDU/CSU) 9278 D Fragen A 34 und 35 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Brandt (Grolsheim) (SPD) : Zahl der Indizierungsanträge in den Jahren 1973 und 1974 für den „Krieg verherrlichende Schriften"; Anzahl der Indizierungen im Verhältnis zum Angebot Zander, PStSekr (BMJFG) 9279 A, B, C, D Brandt (Grolsheim) (SPD) . . . 9279 B, C Hansen (SPD) . . . . . . . . . 9279 D Frage A 36 -- Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Walther (SPD) : Fortzahlung des bisherigen Kinderzuschlags nach dem 1. Januar 1975 an Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks; Gleichstellung der Mitarbeiter der bundeseigenen Sendeanstalten Zander, PStSekr (BMJFG) . . . 9280 A, B Walther (SPD) . . . . . . . . 9280 B Maucher (CDU/CSU) . . . . . . 9280 C Frage A 44 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12, 74 — des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Volkswirtschaftliche Verluste durch Einschränkungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn für den SchienenPersonennahverkehr in Verdichtungsräumen Jung, PStSekr (BMV) . . . . . . 9280 D, 9281 A, B, C, D, 9282 A Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . . 9280 D, 9281 B Dr. Jobst (CDU/CSU) . . . . 9281 C Spranger (CDU/CSU) . . . . . . 9281 D Dr. Evers (CDU/CSU) . . . . . . 9281 D Fragen A 45 und 46 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) : Untersuchungen für das Projekt „Dollarthafen" in Emden; Notwendigkeit von Verhandlungen mit dem Königreich der Niederlande Jung, PStSekr (BMV) . . 9282 A, B, C, D Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) 9282 B, C, D Fragen A 47 und 48 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Anlaß für die Reise des Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands sowie der Mitglieder des Vorstands der Deutschen IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 Eisenbahnversicherungskasse nach Südafrika; Klarstellung der Finanzierung dieser Reise Jung, PStSekr (BMV) . . . 9283 B, C, D, 9284 A, B Dr. Jobst (CDU/CSU) • 9283 B, C, 9284 A Fragen A 49 und 50 — Drucksache 7/2927 vom 6. 12. 74 — des Abg. Immer (SPD) : Beleuchtungsmängel in den Zügen und Schienenbussen der Deutschen Bundesbahn, die insbesondere dem Berufsverkehr und der Schülerbeförderung dienen; Zahl der täglich darin beförderten Personen Jung, PStSekr (BMV). 9284 B, C, D Immer (SPD) . . . . . . . . 9284 C, D Nächste Sitzung 9288 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9289* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9217 135. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 134. Sitzung, Nachtrag zum Stenographischen Bericht, Seite 1, ist in Zeile 4 statt „Freitag, den 6. Dezember 1974" zu lesen: „Donnerstag, den 5. Dezember 1974"; 134. Sitzung, Seite 9088 D, Zeile 7, ist statt „Dr. Meinecke (Hamburg)" zu lesen: „Meinicke (Oberhausen)". Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Adams * 14. 12. Dr. Aigner * 14. 12. Dr. Artzinger * 14. 12. Dr. Bangemann * 14. 12. Dr. Bayerl * 14. 12. Dr. Becher (Pullach) 11.12. Behrendt * 13. 12. Frau Berger (Berlin) 13. 12. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 13. 12. Blumenfeld * 12. 12. Dr. Burgbacher * 14. 12. Dr. Corterier * 14. 12. Conradi 20. 12. Frau Däubler-Gmelin 20. 12. Dr. Dregger 20. 12. Fellermaier * 14. 12. Flämig * 14. 12. Frehsee * 14. 12. Dr. Früh * 14. 12. Gerlach (Emsland) * 14. 12. Haase (Kellinghusen) 20. 12. Härzschel * 14. 12. Dr. Jahn (Braunschweig) * 14. 12. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Kater * 14. 12. Katzer 20. 12. Dr. Klepsch * 14. 12. Krall * 14. 12. Lange * 14. 12. Lautenschlager * 14. 12. Dr. Lohmar 13. 12. Lücker * 14. 12. Memmel * 14. 12. Müller (Mühlheim) * 14. 12. Dr. Müller (München) ** 11. 12. Mursch (Soltau-Harburg) * 14. 12. Frau Dr. Orth * 14. 12. Pieroth 12.12. Roser 20. 12. Schmidt (München) * 14. 12. Dr. Schulz (Berlin) * 14. 12. Schwabe * 14. 12. Dr. Schwörer * 14. 12. Seefeld * 14. 12. Springorum * 14. 12. Dr. Starke (Franken) * 14. 12. Graf Stauffenberg 15. 12. Frau Steinhauer 11. 12. Stücklen 11. 12. Vahlberg 13. 12. Walkhoff * 14. 12. Frau Dr. Walz * 13. 12. Wende 20. 12. Frau Dr. Wex 11.12. Wohlrabe 13. 12.
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    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar, daß ich dem Parlament unverzüglich über die heute nacht zu Ende gegangenen Beratungen der Regierungschefs und der Außenminister der neun EG-Staaten berichten kann. Ich möchte zugleich die Ergebnisse der Gespräche darlegen, die Herr Genscher und ich in der letzten Woche mit Präsident Ford und Außenminister Kissinger hatten, zumal diese in engem Zusammenhang mit dem Pa-
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9219
    Bundeskanzler Schmidt
    riser Treffen stehen. Ein weiteres wichtiges Ereignis der letzten Tage ist sodann die neue Entwicklung im Verhältnis zur DDR, die ich dem Bundestag unterbreiten möchte, und ich beginne mit diesem Gegenstand.
    In der Regierungserklärung vom 17. Mai haben wir gesagt:
    Wir werden trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge in dem Bemühen nicht nachlassen, die gegenseitigen Beziehungen zu verbessern.
    Die Bundesregierung hat sich nach diesem Satz gerichtet; dies ist ihr nicht leicht gemacht worden, weder von seiten der DDR noch von seiten der Opposition im Deutschen Bundestage.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bundesregierung hat sich gleichwohl nicht beirren lassen, sondern den einmal eingeschlagenen Weg kontinuierlich fortgesetzt. Es waren viele Anläufe und Verhandlungsgänge auf verschiedenen Ebenen notwendig, um das zu erreichen, was jetzt auf dem Tisch liegt.
    Im Juni diesen Sommers hat ein Kreis von Bundesministern zusammen mit dem Präsidenten der Bundesbank und dem Vertreter des Regierenden Bürgermeisters von Berlin über die Prioritäten für unsere Verhandlungsvorstellungen beraten. Nach jener Beratung bestand Übereinstimmung unter anderem darüber, daß die Wiederherstellung der Geschäftsgrundlage beim Mindestumtausch die Voraussetzung aller weiterführenden Verhandlungen sein müsse, zum anderen daß Stromversorgung und Verkehrsverbund von West-Berlin als erste Priorität in einer Liste neuer Verhandlungen mit der DDR zu stehen haben würde und daß sodann der Swing eine wesentliche Bedeutung für den Umfang und für die Abwicklung des innerdeutschen Handels habe.
    Auf dieser Grundlage, die ich hier nicht vollständig darstellen kann, wurden dann im Laufe des Monats Juli Stellungnahmen der Bundesressorts zu Einzelfragen ausgearbeitet. Im August fanden Sondierungen mit der DDR statt. Anfang September wurde das Ergebnis der Sondierungen in einem Briefwechsel zwischen Herrn Honecker und mir zusammengefaßt. Der Briefwechsel enthielt die Zusagen und Angebote der DDR, wie sie jetzt am letzten Montag bekanntgegeben wurden, mit Ausnahme damals einer befriedigenden Regelung des Mindestumtauschs. Mitte September kam dann der gleiche Kreis im Bundeskanzleramt zusammen — er hat ein paarmal getagt —, um den erreichten Stand zur Kenntnis zu nehmen und die weitere Linie festzulegen. Anschließend hat es zahlreiche Gespräche gegeben zwischen dem Leiter unserer Ständigen Vertretung, Staatssekretär Gaus, und den zuständigen Personen, Ministern, Beamten der DDR, darunter dreimal mit Herrn Honecker.
    Ein erster Erfolg wurde Ende Oktober mit der Senkung der Sätze für den Mindestumtausch durch die DDR erreicht. Herr Honecker teilte mir diesen Beschluß schriftlich mit. Ich habe geantwortet, daß ich jene Maßnahme der DDR als einen Fortschritt würdigte, daß ich mich aber ohne eine Befreiung der
    Rentner vom Mindestumtausch nicht in der Lage sähe, dem Beginn der vorgesehenen Verhandlungen zwischen den Regierungen über Fragen des beiderseitigen Interesses zuzustimmen.
    Ich erhielt dann Ende November eine verbindliche Zusage von Herrn Honecker, daß die Befreiung der Rentner vom Mindestumtausch am 10. Dezember verkündet und am 20. Dezember in Kraft treten würde. In einem Gespräch der zuständigen Ressortminister haben wir daraufhin beschlossen, ad referendum mit der DDR einen Text für einen Briefwechsel über die Weiterführung des Swing abzustimmen, über den das Kabinett noch zu beschließen haben würde. Die DDR hat sodann am 9. Dezember offiziell mitgeteilt, daß die Rentner mit Wirkung vom 20. Dezember an vom Mindestumtausch befreit sein würden und daß sie bereit sei, über eine seit September abgestimmte umfangreiche Liste von gemeinsam interessierenden Fragen zu verhandeln.
    Die Koalitionsparteien, die Bundesregierung und der Senat von Berlin haben inzwischen das Ergebnis begrüßt. Das Kabinett wird heute über die Unterzeichnung der Swing-Vereinbarung, über die Aufnahme von Verhandlungen über Fragen des Verkehrs, der Stromversorgung, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, des nichtkommerziellen Zahlungsverkehrs usw. entscheiden.
    Lassen Sie mich das hiermit skizzierte Ergebnis mit drei Bemerkungen bewerten.
    Ad eins: In Übereinstimmung mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin halte ich die Mitteilungen, die uns nunmehr von seiten der DDR zugegangen sind, für das Positivste, das seit Abschluß des Viermächteabkommens und seiner Zusatzvereinbarungen für die Berliner erreicht worden ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn auch die weiter vorgesehenen Verhandlungen zum Erfolg führen, dann werden Bindungen zwischen Berlin und dem Bund in Bereichen weiter entwickelt, um die man sich vorher viele Jahre lang vergeblich bemüht hatte.
    Zum zweiten: Es war dabei nicht nur die weitreichende Senkung der Sätze für den Mindestumtausch durch die DDR, sondern auch die vollständige Wiederherstellung der Befreiung der Rentner vom Mindestumtausch im Vorwege klargestellt. Das Ergebnis fördert die Besuche in die DDR, insbesondere von Berlinern bei ihren Familienangehörigen in Ost-Berlin. Dazu kommen die Erleichterungen bei der Benutzung von privaten Kraftwagen sowohl für die Bundesbürger als auch für die Berliner. Dazu kommt weiter die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für Westberliner nunmehr für das gesamte Gebiet der DDR.
    Drittens. Für die Bundesrepublik und für Berlin gleichermaßen wichtig ist die Aufrechterhaltung und der Ausbau des Handels mit der DDR, des sogenannten innerdeutschen Handels. Der Überziehungskreditrahmen, Swing genannt, ist dafür ein Instrument, auf das wir auch heute noch nicht verzichten
    9220 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974
    Bundeskanzler Schmidt
    können und wollen. Es ist ein Instrument, das in unserem eigenen Interesse gehandhabt wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Angesichts einiger mich sehr erstaunender Stimmen der letzten Tage darf ich die Opposition wohl darauf hinweisen, daß die Regierung Kiesinger im Dezember 1968 die Dynamisierung des Swing beschlossen hat, d. h. unmittelbar nach der Beteiligung der DDR am Einmarsch in die Tschechoslowakei. Sie haben das damals getan.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Sie doch auch!)

    Ich will es ja nicht kritisieren, ich fand es damals richtig, ich finde es heute richtig, weil es im Interesse unserer eigenen Bürger liegt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und FDP)

    Seit diesem Beschluß der Bundesregierung Kiesinger /Brandt Ende 1968 ist der Warenaustausch erheblich gestiegen. Uns kann nur daran liegen, diese Entwicklung fortzusetzen, und keineswegs daran, die Entwicklung umzukehren. Politisch und wirtschaftlich bleibt dieser Handel ein bedeutendes Band zwischen den beiden deutschen Staaten. Wenn wir jetzt trotzdem eine Höchstgrenze für den Swing verabredet haben, über die hinaus der Swing nicht steigen kann, dann in dem Bestreben, auf längere Sicht zu einer Balance, zu einem Ausgleich in diesem Handel zu gelangen.
    Die Verhandlungen, die darüber hinaus bevorstehen, werden das Verhältnis zueinander und auch ' die wirtschaftliche Bindung der beiden deutschen Staaten aneinander weiter fördern. Das bezieht sich vor allem auf die Verbesserung und den Ausbau der Verkehrswege auf der Straße, auf der Schiene und zu Wasser. Übrigens wird ein Abkommen über den Abtransport des Mülls aus Westberlin noch heute unterzeichnet.
    Mir ist unverständlich, daß gegenüber diesem Gesamtergebnis, wie es heute vorliegt und gestern für jedermann durchsichtig und erkennbar vorlag, durch die Opposition jetzt noch Kritik geübt wird.

    (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Das kann ich mir denken, das paßt Ihnen nicht!)

    — Herr Professor Carstens, es kommt ja nicht darauf an, ob es uns paßt, es kommt darauf an, welchen Eindruck Sie auf die Bürger auf beiden Seiten dieses unseren Vaterlandes machen wollen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Im übrigen, Herr Carstens, war doch Ihre Kritik zunächst aus sehr durchsichtigen, taktischen Gründen erfolgt. Dabei sind Sie auch auf eine teilweise Indiskretion im „Neuen Deutschland" hereingefallen. Dafür habe ich Verständnis, dafür hatte ich auch am Wochenende noch Verständnis. Mir liegt nichts ferner, als etwa das Verhalten der DDR zu beschönigen, zumal ja doch die neuen Mindestumtauschregelungen nur eine frühere Lage — und das noch nicht einmal ganz — wieder hergestellt haben.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Ja, ja! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

    — Ich entnehme Ihren Zwischenrufen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie genau wissen, wie man so etwas macht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und FDP — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] : Besser als Sie!)

    Ich möchte diesen Komplex abschließen und Sie bitten, auch das folgende zur Kenntnis zu nehmen und zu bewerten. Es waren dies schwierige und zeitraubende Verhandlungen mit der DDR, die wir unternommen haben, um die DDR von einem Weg abzubringen, der das Verhältnis zwischen unseren beiden Staaten und darüber hinaus die Entspannungspolitik in Europa hätte gefährden können. Man kann dergleichen nicht mit öffentlichen Anklagen und maximalen Forderungen, auch nicht mit Verhandlungen auf dem Marktplatz erreichen. Auch in der DDR gibt es Kräfte, denen allerdings die Konfrontation lieber ist als die Kooperation; auch dort ist Prestige im Spiel.
    Daß man sich schließlich so weit hat einigen können, war nicht das Ergebnis des sogenannten Drucks, den auszuüben die Opposition uns stetig empfiehlt, sondern es war das Ergebnis von Bemühungen auf beiden Seiten, die übereinstimmenden Interessen in den Vordergrund zu stellen und für die Beziehungen fruchtbar zu machen. In diesem Sinne wird die Bundesregierung auch zukünftig an der Ausfüllung des Grundlagenvertrages arbeiten, auch wenn es in Zukunft abermals dann und wann Rückschläge oder sogar schwere Rückschläge geben sollte.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Nun zum zweiten Komplex. Die Gespräche, die Bundesminister Genscher und ich in den Vereinigten Staaten geführt haben, waren nicht nur nützlich, sondern auch sehr erfreulich, notabene sehr herzlich. Präsident Ford wird uns in absehbarer Zeit einen Gegenbesuch machen, der ihn auch nach Berlin führen wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Der Schwerpunkt unserer Besprechungen lag angesichts der schwierigen Lage der Weltwirtschaft bei der Koordinierung der Konjunktur- und der Energiepolitik. Wir stimmten in dem Urteil überein, daß die Weltwirtschaft in eine Rezession geraten ist und daß es darauf ankommt, eine Depression zu verhindern. Präsident Ford hat uns versichert, daß er für sein Land eine solche Entwicklung nicht zulassen werde.
    Wir haben unseren amerikanischen Freunden die Grundzüge des konjunkturpolitischen Programms erläutert, das heute und morgen im Kabinett beraten werden wird und das einen Aufschwung in Stabili-tat zum Ziele hat. Unsere Freunde haben dieses Programm, zumal angesichts unserer deutschen Überschußposition und angesichts unserer in der ganzen Welt unerreicht niedrigen Preissteigerungsrate, eindeutig begrüßt.
    Präsident Ford und seine wirtschaftspolitischen Mitarbeiter haben unsere Auffassungen geteilt, daß es in der derzeitigen Konjunkturlage ganz besonders auf eine Stimulierung der Investitionstätigkeit
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9221
    Bundeskanzler Schmidt
    ankommt. Die erstmalige Beteiligung von je zwei herausragenden Unternehmern und Gewerkschaftsvorsitzenden an dieser Delegation hat die wirtschaftlichen Gespräche sehr befruchtet, die über viele Stunden gegangen sind, und hat übrigens in Washington wie in New York einen sehr starken Eindruck hinterlassen.
    Ich darf einfließen lassen, daß die Arbeitslosenrate in den Vereinigten Staaten gegenwärtig auf 6,5 °/o gestiegen ist. Wenn die Regierung der Vereinigten Staaten in der Konjunkturpolitik trotzdem noch nicht in gleichem Maße und in gleicher Richtung vorgeht wie wir, so steht man in Washington natürlich unter dem Eindruck einer amerikanischen Preissteigerungsrate, die doppelt so hoch ist wie bei uns. Es werden jedoch dieselben Überlegungen wie bei uns angestellt, Überlegungen in dieselbe konjunkturpolitische Richtung. Die monetäre Restriktion wurde bereits gelockert; der Diskontsatz wurde bereits gesenkt.
    Wir haben übereingestimmt, daß unsere Länder für die weitere weltwirtschaftliche Entwicklung besondere Verantwortung tragen. Auch in den Grundzügen einer künftigen international abgestimmten Energiepolitik und in der Frage des Rückflusses der Devisenüberschüsse, der Einkommensüberschüsse der Ölländer — meist Recycling genannt — ergab sich Übereinstimmung. Ich will keine Prognose abgeben, bin aber jetzt hinsichtlich des Erfolges des in dieser Woche bevorstehenden Gespräches zwischen dem amerikanischen und dem französischen Präsidenten auf Martinique optimistischer als vor den Reisen nach Washington und nach Paris.
    Zu dem außenpolitischen Teil der Gespräche in Washington möchte ich unsere selbstverständliche gemeinsame Auffassung hervorheben, daß der politische Zusammenhalt und eine starke Verteidigungsbereitschaft unerläßliche Voraussetzungen bleiben müssen für weiteres Bemühen in der Ost-West-Entspannung. Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen müssen Fortschritte in der Rüstungsbegrenzung erzielt werden. Präsident Ford hat Herrn Kollegen Genscher und mir in diesem Zusammenhang sehr ausführlich seine Begegnung und ihre Ergebnisse mit der Führungsspitze der Sowjetunion dargelegt, wobei der positive Charakter, die positive Bedeutung der in Wladiwostok erreichten SALT-Etappe uns deutlich geworden ist.
    Wir haben natürlich auch den Stand der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa erörtert und stimmten darin überein, daß in jüngster Zeit Fortschritte erzielt wurden, die Einigung über wichtige Texte jedoch noch aussteht. Gleichzeitig haben wir unsere Meinung über andere aktuelle Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgetauscht: über die Lage im Nahen Osten sehr ausführlich, über die Lage auf Zypern. Herr Bundesminister Genscher steht zur Verdeutlichung, zumal im Auswärtigen Ausschuß, sicherlich gern zur Verfügung.
    Was nun den dritten Komplex, nämlich das Treffen der Regierungschefs in Paris angeht, so war das eine Arbeitssitzung und erbrachte ein Arbeitsergebnis. Dies ist in meinen Augen keine Einschränkung, sondern ein Positivum. Regierungschefs und Außenminister haben in intensiver Beratung die wichtigsten gegenwärtigen Probleme der europäischen Einigung erörtert und Lösungsansätze gefunden. Die Europäische Gemeinschaft hat bewiesen, daß sie sich weder in bürokratischer Kleinarbeit erschöpft noch in hohlen Deklamationen verliert, sondern daß sie nüchtern und wirklichkeitsbezogen vorangeht.
    Dabei waren sich alle Teilnehmer in Paris über den Ernst der weltwirtschaftlichen Situation im klaren. Die Erhöhung der Energiepreise, welche die inflationistischen Tendenzen und die Zahlungsbilanzdefizite der allermeisten Staaten verstärkt und Einkommenseinbußen ausgelöst hat, kann — darin stimmen die Neun überein — zur Ursache einer tiefgreifenden Rezession werden. Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten sind aber zusammen mit den Vereinigten Staaten von Amerika in der Lage — auch darüber waren wir uns klar —, diese Bedrohung abzuwehren, wenn wir gemeinsam eine abgestimmte und konsultierte, nicht notwendigerweise in jeder Einzelheit parallele, sondern komplementäre, im Ziel konvergierende Wirtschaftspolitik verfolgen. Unser Prinzip des Aufschwungs in Stabilität hat auch in Paris allgemeine Zustimmung gefunden. Dabei ist das Wort „Zustimmung" noch ein sehr zurückhaltender Ausdruck. Sie werden das in dem heute in Paris zu veröffentlichenden Kommuniqué fast wörtlich so wiederfinden.
    Wie ich schon andeutete, muß man natürlich den unterschiedlichen wirtschaftlichen Situationen in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Die Staaten mit Zahlungsbilanzüberschüssen — wie etwa Holland und wir — müssen eine Wirtschaftspolitik zur Kräftigung ihrer internen Nachfrage und zur Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes führen, ohne dabei dem Preisauftrieb neue Nahrung zu geben. Die Staaten mit erheblichen Zahlungsbilanzdefiziten müssen in erster Linie ohne Rückfall in Protektionismus — eine befriedigende Beschäftigung und die Verbesserung ihrer Zahlungsbilanz anstreben. Dabei eröffnet ihnen die erstrebte Konjunkturbelebung in den Überschußländern neue Aussichten für den Export. Sie müssen sich allerdings besonders intensiv darum bemühen, dem Preisauftrieb in ihren Volkswirtschaften entgegenzutreten und seiner Herr zu werden.
    Wir haben in Paris auch die Umrisse unseres Konjunkturprogramms dargelegt und, wie ich schon sagte, die Zustimmung aller Beteiligten gefunden. Die Bundesregierung wird nunmehr ihr Konjunkturprogramm in der Gewißheit beschließen, in Übereinstimmung mit ihren Partnern in Amerika und in Europa zu handeln.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie wird es zugleich in dem Bewußtsein beschließen, damit die Lösung der Schwierigkeiten anderer zu erleichtern. Auch die übrigen Regierungschefs haben natürlich ihre wirtschaftspolitischen Absichten erläutert. Holland und Belgien sind dabei, sich in gleicher Richtung wie die Bundesrepublik Deutsch-
    9222 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974
    Bundeskanzler Schmidt
    land zu bewegen, Holland bereits mit drei Wochen Vorsprung.
    Ich habe bei dieser Gelegenheit natürlich über die wirtschaftspolitischen Gespräche mit Präsident Ford berichtet, ebenso über die Übereinstimmung mit ihm in der Notwendigkeit, die Investitionstätigkeit zu fördern, der Arbeitslosigkeit entgegenzutreten und Maßnahmen zu ergreifen, um das Vertrauen in die kreditpolitische und die wirtschaftliche Entwicklung zu stärken. Auf Wunsch der in Paris versammelten Regierungschefs wird Präsident Giscard d'Estaing — übrigens war dies ein Vorschlag von Premierminister Wilson — gegenüber Präsident Ford in wenigen Tagen die nunmehr gemeinsame Überzeugung der Neun zum Ausdruck bringen, daß Amerika und Europa in Abstimmung miteinander die akuten weltwirtschaftlichen Risiken bekämpfen sollten.
    Ein anderes wichtiges Thema der Pariser Besprechungen war natürlich die Energiesituation. Auch hier hatten die Washingtoner Gespräche eine nützliche Vorklärung gebracht. Wir waren uns in Paris einig, daß die Gestaltung der gemeinschaftlichen Energiepolitik und die Tätigkeit der Internationalen Energieagentur in engem Zusammenhang miteinander voranschreiten sollten, und stimmten darin überein, daß der Dialog zwischen Öl-Erzeugerstaaten und -verbraucherstaaten aufgenommen werden muß. Der Erfolg dieses Dialogs muß unter anderem durch angemessene Vorbereitung innerhalb der Gemeinschaft und mit den übrigen Verbraucherländern gewährleistet werden.
    Wenn in diesen Tagen der französische und der amerikanische Präsident zusammentreffen, so gehen die europäischen Regierungschefs dabei von der Erwartung aus, daß jene eine Einigung über die Grundlinien des gemeinsamen Vorgehens erzielen können, und wir haben auch ein bißchen dafür vorgearbeitet. Ich will bei dieser Gelegenheit hervorheben, daß die Pariser Atmosphäre nicht nur durch gute Kooperation unter den Neun gekennzeichnet war, sondern auch durch den Willen zu einer übereinstimmenden Behandlung aller großen Probleme gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika — und dies ohne Ausnahme eines Landes.
    Von den sonstigen Pariser Sachkomplexen will ich drittens die Regionalpolitik erwähnen. Auf Grund des ausgewogenen Fortschritts in den politischen und wirtschaftlichen Fragen, den wir in Paris erreichen konnten, haben wir uns in der Lage gesehen, der Bildung eines europäischen Regionalfonds unsere Zustimmung zu geben. Er wird für eine Versuchsphase von drei Jahren mit einem Umfang von insgesamt 1,3 Milliarden Rechnungseinheiten — einschließlich 150 Millionen Rechnungseinheiten aus dem Agrarfonds der Europäischen Gemeinschaft — errichtet; 1,3 Milliarden Rechnungseinheiten — das sind knapp 5 Milliarden DM, wenn ich es im Kopf überschlage. Für unsere Zustimmung war wesentlich, daß diese Mittel auf die Gebiete mit den größten Ungleichgewichten konzentriert werden. Die Bundesrepublik Deutschland gibt damit einen weiteren Beweis ihrer Bereitschaft zur finanziellen
    Solidarität mit den übrigen Mitgliedern und mit der l Gemeinschaft selbst.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Über die weiterführenden Beschlüsse zu den politisch-institutionellen Fragen wird gewiß der Bundesminister des Auswärtigen nähere Erläuterungen geben wollen. Die Regierungschefs werden in Zukunft dreimal jährlich als Rat der Gemeinschaft und zugleich im Rahmen der politischen Zusammenarbeit Arbeitssitzungen abhalten und dabei Orientierungen für den Weg der Gemeinschaft zur Union geben. Die Außenminister haben einen zusätzlichen Koordinierungsauftrag für die vielfältigen europäischen Tätigkeiten, zumal die Ratstätigkeiten, erhalten.
    Das Europäische Parlament sieht sich dem vertraglich festgelegten, aber seit Jahren verzögerten Ziel allgemeiner und unmittelbarer Wahlen nähergerückt.
    Zur Vorbereitung der Gesamtkonzeption einer Europäischen Union hat der belgische Premierminister Tindemans einen einstimmigen Auftrag der Regierungschefs erhalten.
    Vor allem aber muß ich zwei andere Namen nennen, meine Damen und Herren. Präsident Giscard d'Estaing gebührt Dank und Würdigung dafür, daß er die Weichen für die Ergebnisse dieses Treffens gut gestellt und daß er die Beratungen fair und konstruktiv geleitet hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ebenso möchte ich die kooperative Haltung des britischen Premierministers Wilson, unterstützt von seinem Außenminister Callaghan, unterstreichen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Wilson hat sich unbeschadet der in Großbritannien noch unentschiedenen prinzipiellen Frage — mit einer Ausnahme — an allen Beschlüssen beteiligt. Er hat unmißverständlich erklärt, daß England die von ihm sogenannte renegotiation nicht mit dem Ziel von Vertragsänderungen, sondern vielmehr innerhalb des geltenden Textes der Verträge führt — eine, wie mir scheint, sehr wichtige Klarstellung. Die übrigen Regierungschefs haben sich dann im Gegenzuge bereit erklärt, das Problem der finanziellen Belastung Großbritanniens an Hand von objektiven Kriterien einer befriedigenden Lösung zuzuführen. Ich halte beides zusammen für einen wichtigen Schritt nach vorn und glaube, nicht zu übertreiben, wenn ich auch im Hinblick auf die vorangegangenen langen Beratungen in Chequers einen Teil des Verdienstes daran für die Bundesregierung in Anspruch nehme.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Ich darf am Schluß sagen: Das Europa der pragmatischen Lösungen aktueller Probleme ist nicht ein anderes Europa als dasjenige, das sämtliche Parteien dieses Parlaments seit Jahrzehnten anstreben. Dieses Europa, das zu verwirklichen wir in Paris einige Schritte voran gemacht haben, bedarf allerdings des gleichen Engagements, der gleichen hartnäckigen Suche nach gemeinsamen Lösungen, es ist der gleichen Unterstützung in der Öffentlichkeit wert
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974 9223
    Bundeskanzler Schmidt
    wie viele idealistischen Bemühungen, die sich im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte in feierlichen Erklärungen oder feierlichen Reden niedergeschlagen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist eine mühevolle Arbeit, und sie ist nicht immer von Glanz begleitet. Dabei kann es vorkommen, daß — wie vorgestern eine Pariser Zeitung — jemand meint, wir stünden vor einem „Europa der Händler", für das die Jugend dieses Kontinents nur Spott übrig habe, vor einem Europa, „über das sich nur die Nationalisten freuen" könnten. Ich halte so etwas für modischen Pessimismus, wie es ja auch viele Jahre lang modischen Optimismus über Europa gegeben hat.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Die Menschen, die heute in Europa leben, zieht es nicht nach new frontiers oder nach neuen Horizonten, sondern sie wollen, daß ihre Regierungen und Parlamente die wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der Gemeinschaft vor den Gefahren einer mit Händen zu greifenden Rezession bewahren; sie wollen ein Europa, das Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, wieder in Lohn und Brot bringt. Diese Aufgabe ist nicht nur mit Reden oder Kathederreden zu meistern, sondern es bedarf dazu Kärrnerarbeit. Dies ist in Wahrheit eine der großen Herausforderungen, vielleicht die größte Herausforderung, der sich in ihrer bisherigen Geschichte die Europäische Gemeinschaft gegenübergestellt sah.
    Hier erst, in dieser ernsten Lage der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten, muß sich europäischer Idealismus bewähren. Hier scheiden sich dann die Geister, nämlich die Schwarmgeister, von den Europäern der ökonomischen Vernunft und der Realität.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Man braucht dabei auch nicht am Sonntag einen europäischen Schönheitswettbewerb, sondern was wir brauchen, ist eine konkrete, sehr unsentimentale Anstrengung aller, um die politischen und wirtschaftlichen Interessen und Entwicklungen der einzelnen Staaten nicht auseinanderlaufen zu lassen.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Dann lies mal das Kommuniqué!)

    Bundeskanzler Willy Brandt hat am 3. März 1970 in London gesagt, wir sollten eine Form der politischen Zusammenarbeit zu entwickeln suchen, die Substanz hat, die weniger sein wird als eine übernationale Lösung, aber sehr viel mehr als die übliche konventionelle Form der Beziehungen zwischen Regierungen. Er hat dann wenig später von zwei sich parallel vollziehenden Prozessen gesprochen; der eine beziehe sich auf die wirtschaftliche Integration, der andere beziehe sich auf die Entwicklung einer engen und festen politischen Zusammenarbeit. Heute besteht die Chance, die beiden Prozesse etwas mehr zur Deckung zu bringen. Aber es sollte dabei niemand übersehen, daß wir in Europa jetzt eine Durststrecke durchmessen. Wir bleiben dabei engagierte
    Europäer. Aber wir sind keine Kurzstreckenläufer: wir lassen das Ziel dabei nicht aus dem Auge.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Genauso wie in der Ostpolitik folgt auch in Europa nach einer Periode, in der die sozialliberale Koalition große Weichenstellungen herbeigeführt und mit herbeigeführt hat, nun eine Periode, in der wir Schritt für Schritt durch eine Vielzahl von Entschlüssen und komplizierten Verabredungen politische und ökonomische Substanz zusammentragen müssen, damit diese Gemeinschaft leben kann. Um diese Aufgabe zu bewältigen, bedarf es nicht etwa weniger, sondern eher mehr Idealismus. Es ist allerdings nicht notwendig, ihn täglich zur Schau zu tragen. Aber es muß ein durch den Sinn für die sehr harte Wirklichkeit geläuterter Idealismus sein.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In diesem Sinne, meine Damen und Herren, war das Treffen in Paris erfolgreich, genauso wie unsere innerdeutsche Politik und unsere Abstimmung mit unserem wichtigsten Verbündeten, den Vereinigten Staaten von Amerika.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich danke dem Herrn Bundeskanzler und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Carstens.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU- Fraktion begrüßt es, daß heute morgen, unmittelbar nach Abschluß der Pariser Gipfelkonferenz, eine Debatte darüber in diesem Hohen Hause stattfindet. Das bringt gewisse Schwierigkeiten insofern mit sich, als der abschließende Text zu dieser Konferenz uns — jedenfalls mir — erst seit einer halben Stunde vorliegt. Aber ich meine, diese Nachteile müssen wir in Kauf nehmen, wenn wir Wert darauf legen, daß die Debatten in diesem Hause aktuell sind. Ich sage daher noch einmal: Ich begrüße es, daß diese Debatte jetzt hier stattfindet. Sie hat allerdings notwendigerweise zur Folge, daß das, was hier gesagt wird, insbesondere das, was jetzt von mir gesagt wird, einen vorläufigen Charakter hat und daß wir alle uns nach genauerer Prüfung der Texte und der Ergebnisse noch eine weitere Stellungnahme in dieser Frage vorbehalten müssen.
    Die Begegnung der Staats- und Regierungschefs der Länder der Europäischen Gemeinschaft hat zu einem Zeitpunkt stattgefunden, in dem es um die Europäische Gemeinschaft nicht gut steht. Wenn ich das sage, hat das mit Zweckpessimismus nichts zu tun, Herr Bundeskanzler. Und als Sie hier soeben von Schwarmgeistern und Zweckoptimisten gesprochen haben, habe ich mich gefragt, ob das wohl eine Bemerkung an die Adresse Ihres Vorgängers, des Kollegen Brandt, gewesen ist.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir in der CDU/CSU jedenfalls haben über mehrere Jahrzehnte hinweg eine stetige Politik der europäischen Einigung betrieben, und wir halten
    9224 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1974
    Dr. Carstens (Fehmarn)

    an diesem Ziel der europäischen Einigung fest. Das hindert uns nicht daran, festzustellen, daß die Regierung und die sie tragenden Parteien in dieser Frage keineswegs die Stetigkeit an den Tag gelegt haben, die man von ihnen hätte erwarten müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich erinnere aus jüngster Zeit an die herabsetzenden Worte, die Sie, Herr Bundeskanzler, über die Tätigkeit der Kommission in Brüssel gefunden haben. Das war bestimmt kein Beitrag zu einer stetigen deutschen Europapolitik.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch der jetzige Finanzminister und frühere Chefunterhändler des Auswärtigen Amtes, Apel, hat durch seine öffentlichen Äußerungen zu den europäischen Fragen bestimmt keinen positiven Beitrag zur europäischen Einigung geleistet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und wenn der Vorsitzende der SPD vor einigen Tagen in einer großen Rede in Paris den Versuch gemacht hat, die Länder der Europäischen Gemeinschaft in solche des ersten und solche des zweiten Gliedes einzuteilen, dann war auch das nicht hilfreich für die Förderung des europäischen Einigungsprozesses.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, in dem Pariser Schlußkommuniqué —ich werde das gleich noch im einzelnen darzustellen versuchen — finden sich viele schwache Stellen und viele Unklarheiten, und vieles ist wieder auf die Zukunft verwiesen worden, wie das in der Vergangenheit schon so oft geschehen ist. Trotzdem haben wir alle natürlich Anlaß, befriedigt darüber zu sein, daß sich die Regierungschefs in Paris überhaupt geeinigt haben. Ein Fehlschlag dieser Konferenz wäre ein schwerer Rückschlag für die europäische Sache gewesen, und wir können froh darüber sein, daß er vermieden worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber, wie gesagt, wie weit die erzielte Einigung wirklich reicht, das müssen wir uns genauer ansehen.
    Zu einem Punkt, den direkten Wahlen, haben England und Dänemark Vorbehalte angemeldet. Ein weiterer Punkt, nämlich die Zielsetzung, die die Regierungschefs ihrer Wirtschaftspolitik geben wollen, verdeckt nur mühsam die zwischen ihnen bestehenden Meinungsverschiedenheiten, und das ist wieder so allgemein formuliert, daß daraus konkrete Folgerungen nicht gezogen werden können.
    Welche Fortschritte auf institutionellem Gebiet wirklich erzielt sind, geht weder aus den Erklärungen des Bundeskanzlers noch aus dem Kommuniqué von heute morgen eindeutig hervor. Werden nun diese Regierungschefskonferenzen — so möchte ich fragen — künftig regelmäßig als Rat der Europäischen Gemeinschaften tagen, oder bedarf es dazu jedes Mal eines besonderen und dann doch wohl einstimmig zu fassenden Beschlusses?
    Wie hat man sich die direkte Wahl des Europäischen Parlaments vorzustellen? Es wird jetzt von Vorschlägen gesprochen, die das Europäische Parlament dazu machen soll. Solche Vorschläge, meine Damen und Herren, liegen aber bekanntlich seit Beginn der sechziger Jahre auf dem Tisch. Also muß man sich die Frage stellen, ob hier vielleicht durch die nochmalige Befassung des Europäischen Parlaments ein Versuch gemacht wird, wieder Zeit zu gewinnen und diese Frage nicht mit der nötigen Entschiedenheit und Schnelligkeit zu behandeln, die sie erfordert.