Darf ich Sie, Herr Hauser, fragen, ob Sie bereit sind, den Herrn Präsidenten zu fragen, ob die Regel, daß in diesem Hause frei gesprochen werden muß, ein für allemal außer Kraft gesetzt ist, jedenfalls solange Sie reden?
Hauser (CDU/CSU) : Herr Kollege Kleinert, ich hatte Ihnen gestattet, eine Frage zu stellen. Ich hatte erwartet, daß es eine Frage zum Thema sein würde.
Ich bin im übrigen der Meinung, daß ich mich so und nicht anders verhalte wie viele Ihrer Kollegen.
Meine Damen und Herren, ich sprach davon, daß es kein Dogma gebe, daß der Verteidigungshaushalt einen bestimmten Prozentsatz des Bruttosozialprodukts oder aber einen bestimmten Prozentsatz des Gesamthaushalts umfassen muß. Wir wären sicherlich glücklich, wenn es unter den politischen und militärischen Gegebenheiten und Notwendigkeiten möglich wäre, uns mit geringen Steigerungsraten oder sogar mit einem Abbau, mit einem Weniger an Verteidigungslasten, zu begnügen. Aber es ist nun einmal so, daß dann, wenn der potentielle Angreifer aufrüstet, uns nichts anderes übrig bleibt, als uns der Entwicklung in den notwendigen Umfängen anzupassen.
Diese Tatsache einer zunehmenden Aufrüstung des Warschauer Paktes ist von niemandem hier in diesem Hause bestritten und vom Herrn Bundesminister der Verteidigung in den verschiedensten Fällen hervorgehoben worden. Die wachsende Offensivkraft des Warschauer Paktes zwingt die NATO, zwingt insbesondere die Bundesrepublik, die politischen Prioritäten zu überdenken und daraus die entsprechenden haushaltsmäßigen Konsequenzen zu ziehen.
Wir werden zur dritten Lesung des Bundeshaushalts 1974 einen Entschließungsantrag einbringen, der darauf abzielt, bei der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung dem verschärften Rüstungstempo des Warschauer Paktes Rechnung zu tragen. Wir tun dies nicht etwa, weil es uns Spaß macht, mehr Geld für Rüstung zu bewilligen, Geld, das für den sozialen Fortschritt in unserem eigenen Lande und/oder für die Hilfe in dritten, in Entwicklungsländern, die unserer Hilfe bedürfen, besser ausgegeben werden könnte, wenn die politische und militärische Lage dies zuließe. Jeder Kundige weiß aber auch, wie schwer wir uns tun, die Bundeswehr mit all dem an neuen Waffensystemen zu versehen, was zur Erfüllung ihres Auftrags notwendig ist, und wie sehr wir immer wieder genötigt sind, berechtigte Anforderungen, die von dorther kommen, zu kürzen, Beschaffungsvorlagen zu strecken, und wie sehr wir auch in der Gefahr stehen, in weiten Teilbereichen der Wehrforschung und -technik sowie der Produktion den Anschluß zu verlieren oder — wie bei der Munitionsherstellung — durch Schließung von vorhandenen Werkstätten eine eigene Produktionskapazität überhaupt zu verlieren.
Die CDU/CSU begrüßt Änderungen der Wehrstruktur, wenn und soweit sie Kosten sparen, ohne damit gleichzeitig die Kampfkraft und Präsenz der Bundeswehr zu schwächen, wenn und soweit sie zu einer rationelleren Verwendung der verfügbaren Mittel führen. Unsere begründeten Zweifel, Herr Minister, ob dies mit der im Weißbuch 1973/74 angekündigten Strukturänderung der Fall ist, haben wir in der Debatte am 27. März 1974 zum Ausdruck gebracht.
Wenn wir trotz allem dem Verteidigungshaushalt 1974 zustimmen, obwohl wir viele seiner Ansätze für kaum noch ausreichend halten, so deshalb, um unseren Willen unter Beweis zu stellen, die für die Sicherheit unseres Landes und die Erhaltung der Freiheit notwendigen finanziellen Opfer zu bringen. Unser Ja zum Verteidigungshaushalt soll Ihnen, Herr Bundesminister der Verteidigung, eine Aufforderung sein, die zur Erhaltung unserer Verteidigungskraft erforderliche Korrektur an der mittelfristigen Finanzplanung durchzusetzen. Es soll Ihnen dabei den Rücken stärken.
Wir haben Vertrauen zur Bundeswehr, und wir haben Vertrauen zu unseren Soldaten, denen wir
Deutscher Bundestau — 7. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Mai 1974 6815
Hauser
für ihre ständige Einsatzbereitschaft und für ihre ständige Opferbereitschaft danken.