Rede von
Helmut
Rohde
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Dr. Czaja, ich will jetzt nicht in alle Einzelheiten gehen; ich will zu den entscheidenden Punkten vorstoßen.
Der dritte Punkt ist die Mitbestimmung. Herr Kollege Katzer, Sie haben sich die Bestimmung der Position der CDU/CSU in der deutschen Mitbestimmungsdebatte sehr leicht gemacht, einfacher, als es dem Vorsitzenden der Sozialausschüsse der CDU erlaubt sein darf.
Der Tatbestand ist — und das ist zunächst einmal die Ausgangsposition —, daß sich fast zwei Jahrzehnte unter der Amtsführung der CDU/CSU auf dem Felde der Mitbestimmung überhaupt nichts verändert hat.
Und als zur Zeit der Großen Koalition von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Gesetzesvorschläge zur Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsrechts und des Unternehmensrechts vorgelegt worden sind, da haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU — Herr Katzer von den Sozialausschüssen eingeschlossen —, nein gesagt, Herr Katzer, damals nein zur Fortentwicklung des Betriebsverfassungsgesetzes, und nein auch zur Fortentwicklung des Unternehmensrechts!
— Darauf komme ich noch, Herr Kollege, Sie haben nein gesagt. Nun lenken Sie nicht ab. Das ist ein für Sie offensichtlich unbequemes Thema.
Ich muß offen feststellen: in der Koalition mit den Liberalen haben wir mehr Fortschritt auf dem Felde der Mitbestimmung auf den Weg bringen können als in der Großen Koalition, selbst mit den Sozialausschüssen der CDU.
— Das ist kein Blödsinn, Herr Kollege, wie Sie das auszudrücken pflegen. Ich füge hinzu, daß wir es uns nicht bieten lassen, daß die Neinsager von gestern sich heute zu Richtern über die sozialliberale Koalition aufspielen wollen.
Nun hat Herr Barzel gestern am Schluß seiner Rede eine Frage gestellt, die ich nicht leichtnehme, nämlich die Frage nach den Motivationen, gleichsam nach dem geistig-politischen Hintergrund praktischer Politik. Dazu hat der Herr Bundeskanzler an mehreren Stellen, aber an einer, auf die ich mich besonders beziehen will, einen wesentlichen Hinweis gegeben. Der Impuls, aus dem er handelt — das ist deutlich geworden —, ist die Entwicklung zum Sozialstaat. Er trägt dabei der Tatsache Rechnung, daß in diesem unserem Staat, wie in vielen anderen Industrieländern, der größte Teil der Erwerbstätigen Arbeitnehmer sind. In unserem Land gehören nahezu 85 Prozent aller Erwerbstätigen zur Arbeitnehmerschaft. Wir befinden uns eigentlich in einem politisch-historischen Abschnitt, in dem es darum geht, die Arbeitnehmergesellschaft zum modernen Sozialstaat weiterzuentwickeln.
Das ist deutlich geworden. Meine Damen und Herren, damit komme ich zu der vom Bundeskanzler angesprochenen Identifikation von Arbeitnehmerschaft und Staat: Bedeutet das nichts als Motivation für Gesellschaftspolitik nach all den Erfahrungen, die wir in den hinter uns liegenden hundert Jahren gemacht haben?
Wir sind davon überzeugt, daß weder mit patriarchalischen Betriebsverhältnissen, noch mit dem Patronatssystem mancher anderer Länder und auch nicht mit der technisch-bürokratischen Betriebsorganisation kommunistischer Staaten Zukunft gemacht werden kann. Wir gehen davon aus, daß wir mit der Mitbestimmung nach unseren Sozialauffassungen und auf der Grundlage des wachsenden Selbstbewußtseins der Arbeitnehmerschaft einen Beitrag leisten wollen zur Bewältigung einer der schwierigsten und schwerwiegendsten Probleme der industriellen Gesellschaft, nämlich der Beziehungen im Felde der Arbeit und der Wirtschaft.
Herr Kollege Katzer, Sie haben hier schwerwiegende Vorwürfe gegenüber den Gewerkschaften hinsichtlich ihres Verhaltens auf dem Felde der Sparförderung gemacht.
— Wegen des 312-DM-Gesetzes, um die alte Terminologie zu gebrauchen. Ich halte das für ungerecht; denn der Tatbestand war, daß der Zugang der Gewerkschaften zu tarifvertraglichen Regelungen von der CDU/CSU-Regierung lange Zeit abgesperrt war.
— Nein, ich will fair bleiben, das ist nicht das „Verdienst" von Herrn Katzer, sondern es ist im wesentlichen die Haltung seines damaligen Vorgängers gewesen.