Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Weitaus dem größten Teil unseres Volkes geht es wirtschaftlich gut; besser als je." Herr Bundeskanzlers, meinen Sie hiermit auch die, die zum Teil seit vielen Monaten arbeitslos sind? Herr Kollege Arendt hat vorhin Zahlen der Arbeitslosenstatistik verlesen und hat das so getan, als wäre das ein ganz normaler Vorgang. Nun, vor Tische las man das ja alles anders. Vor Tische, vor den Wahlen 1969, hörten wir ja, 5 % Preissteigerung wäre einem lieber als 5 % Arbeitslosigkeit.
— Entschuldigen Sie, das haben wir ja gehört. — Wie sind denn die Vergleichszahlen — wenn ich das nur einmal nehme — von April 1967 zu diesem Jahr? Dabei halte ich mir vor Augen, wie Sie sich damals draußen im Lande und auch in diesem Hause eingelassen haben.
Damals hatten wir im April 1967 501 000 Arbeitslose. Im April 1974 sind es 517 000 Arbeitslose. Damals hatten wir 29 000 Kurzarbeiter, heute sind es 211 000 Kurzarbeiter. Und darauf, Herr Bundeskanzler, gehen Sie in Ihrer Regierungserklärung mit keinem einzigen Wort ein.
Und wenn ich mir Nordrhein-Westfalen ansehe: In Nordrhein-Westfalen betrug die Arbeitslosenquote 2,7 % und lag damit noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt mit 2,4 °/o.
Diese Regierungserklärung zeichnet — Kollege Barzel hat das gestern schon deutlich gemacht — kein wahres Bild der wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik. Wir können nicht hinnehmen, daß Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verschwiegen werden. Hier sind sektoral wirksame Maßnahmen erforderlich.
Die Koalitionsparteien wären auch gut beraten, wenn sie dem Gesetzentwurf der Union zur Verbesserung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung ihre Zustimmung gäben. Auch das ist ein Punkt einer sachlichen Alternative.
Nun lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zur Vermögensbildung machen. Die Aufschiebung der Vermögensbildung halte ich für einen gesellschaftspolitischen Eklat erster Ordnung. Zu Recht wurden in der Regierungserklärung vom Januar 1973 noch Mitbestimmung und Vermögensbildung als gleichrangige Aufgaben postuliert. Noch bei der
Präsentation der Regierungsvorschläge zu den beiden Vorhaben durften die Minister Maihofer und Arendt nebeneinander auftreten. Ja, erst vor vier Monaten, nämlich am 19. Januar 1974, legte Herr Maihofer die Grundlinien eines Vermögensbildungsgesetzes der Öffentlichkeit vor.
Herr Kollege Rosenthal, leidenschaftlicher Kämpfer für die Vermögenspolitik, nannte das angekündigte Gesetz arbeitnehmerfreundlich, mittelstandsfreundlich, investitionsfreundlich, infrastrukturfreundlich und demokratiefreundlich. Da kann ich mich nur fragen: wenn das ein so freundliches Gesetz ist, warum haben Sie es denn eigentlich zurückgezogen und legen es diesem Hohen Hause nicht endlich vor?
Man muß dabei auch fragen, Herr Maihofer: was ist eigentlich von Ihnen und Ihrem Ministerium in anderthalb Jahren erreicht worden, wenn Sie dies Papier, nachdem Sie in ein anderes Ressort wechseln, zurückziehen, als wenn überhaupt nichts gewesen wäre?
Diese Frage wird auch den Steuerzahler durchaus interessieren.