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ID0710202200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 102. Sitzung Bonn, Dienstag, den 21. Mai 1974 Inhalt: Amtliche Mitteilung . 6683 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Arendt, Bundesminister (BMA) . . 6683 B Katzer (CDU/CSU) . . 6688 C Rohde, Bundesminister (BMBW) . 6695 D Strauß (CDU/CSU) 6700 C Dr. Vogel, Bundesminister (BMJ) . 6712 A Dr. Friderichs, Bundesminister (BMWi) 6713 D Dr. Ehrenberg (SPD) 6719 D Kirst (FDP) 6722 B Dr. von Bismarck (CDU/CSU) . . 6726 A Genscher, Bundesminister (AA) . 6731 A Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Nölling und Eintritt des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) in den Bundestag als Nachfolger . . 6733 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1974 (Haushaltsgesetz 1974) (Drucksachen 7/1100, 7/1504); Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses — Zweite Beratung — Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksache 7/1911) 6734 A Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksache 7/1912) Frau Renger, Präsident 6734 B Wohlrabe (CDU/CSU) 6736 A Dr. Bußmann (SPD) 6737 D Engelhard (FDP) 6739 B Gansel (SPD) 6740 C Collet (SPD) 6742 C Dr. Sperling (SPD) 6744 A Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksache 7/1913) 6745 B Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksache 7/1914) Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 6745 C Esters (SPD) 6749 A Schmidt, Bundeskanzler 6749 B Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 6752 C Wehner (SPD) . . . . . . . . 6756 B Dr. Apel, Bundesminister (BMF) . 6757 C Stücklen (CDU/CSU) 6758 C Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 6759 D Namentliche Abstimmung . . . . . . 6760 B II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Mai 1974 Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksache 7/1915) Picard (CDU/CSU) 6762 A Dr. Bußmann (SPD) 6763 A Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksache 7/1916) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksache 7/1936) Möller (Lübeck) (CDU/CSU) . . . 6764 B Walther (SPD) . . . . . . . . 6764 B Dr. Hirsch (FDP) . . . . . . . . 6768 C Dr. Dr. h. c. Maihofer, Bundesminister (BMI) 6771 C Dr. Miltner (CDU/CSU) 6772 D Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 6774 C Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksache 7/1917) Simon (SPD) . . . . . . . . . 6775 B Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft (Drucksachen 7/1919, 7/2047) Röhner (CDU/CSU) 6777 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 6778 B Dr. Graff Lambsdorff (FDP) . . . . 6779 C Höcherl (CDU/CSU) 6781 D Dr. Ehrenberg (SPD) 6784 A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache 7/1920) Röhner (CDU/CSU) 6785 C Löffler (SPD) . . . . 6788 B Gallus (FDP) . . . . . . 6791 D Dr. Ritz (CDU/CSU) 6794 D Ertl, Bundesminister (BML) . . . . 6797 D Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache 7/1921) Krampe (CDU/CSU) . . . . . . 6802 B Grobecker (SPD) . . . . . . . . 6803 D Arendt, Bundesminister (BMA) . . 6805 C Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksache 7/1922) Ollesch (FDP) 6805 D, 6812 B Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . . 6808 A Müller (Nordenham) (SPD) 6809 C, 6811 D Vehar (CDU/CSU) . . . . . 6810 C Milz (CDU/CSU) 6811 B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 7/1923) 6812 D Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksache 7/1924) Hauser (Bonn-Bad Godesberg) (CDU/CSU) 6813 A Würtz (SPD) 6815 A Schulte (Unna) (SPD) 6816 B Namentliche Abstimmung . . . . . . 6819 C Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit (Drucksache 7/1925) Kroll-Schlüter (CDU/CSU) . 6816 C Dr. Sperling (SPD) . . . . . . . 6818 B Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 6819 B Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 7/1926) 6820 D Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksache 7/1927) Blank (SPD) 6821 A Frau Pieser (CDU/CSU) 6822 B Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Drucksache 7/1928) Josten (CDU/CSU) 6823 C Esters (SPD) 6824 B Picard (CDU/CSU) 6824 D Dr. Holtz (SPD) 6825 C Dr. Todenhöfer (CDU/CSU) . . . . 6826 D Hoppe (FDP) 6828 B Dr. Eppler, Bundesminister (BMZ) . 6826 D, 6829 A Leicht (CDU/CSU) 6830 B Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) 6830 C, 6831 C Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 6831 C Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksache 7/1929) Simpfendörfer (SPD) . . . . . 6832 A Kleinert (FDP) 6833 B Niegel (CDU/CSU) 6833 D, 6834 A Wehner (SPD) . 6833 D Leicht (CDU/CSU) 6834 B Frau Funcke, Vizepräsident . . . 6834 C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Mai 1974 III Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen (Drucksache 7/1930) Dr. Dübber (SPD) 6834 D Wohlrabe (CDU/CSU) 6835 C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie (Drucksache 7/1931) Dr. Stavenhagen (CDU/CSU) . . . 6836 B Dr. von Bülow (SPD) . . . . . . 6837 C Frau Funcke, Vizepräsident (Erteilung eines Ordnungsrufs) . . 6839 A Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 6839 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft (Drucksachen 7/1932, 7/2056) . . . . 6839 B Einzelplan 33 Versorgung (Drucksache 7/1934) 6839 C Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 7/1935) 6839 C Nächste Sitzung 6839 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6841* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 21. Mai 1974 6683 102. Sitzung Bonn, den 21. Mai 1974 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 21.5. Dr. Aigner * 22. 5. Dr. Artzinger * 22. 5. Bahr 22. 5. Batz 22. 5. Dr. Becher (Pullach) 22.5. Behrendt * 21. 5. Blumenfeld 21. 5. Brandt 6. 6. Fellermaier * 21. 5. Ferrang 22. 5. Flämig " 21.5. Dr. Freiwald 22. 5. Gerlach (Emsland) * 21.5. Gewandt 19. 6. Dr. Gölter *** 22. 5. Dr. Gradl 10. 6. Dr. Haenschke 31. 5. Härzschel * 23. 5. Handlos 22. 5. Jäger (Wangen) 1. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 22. 5. Kahn-Ackermann *1* 21. 5. Dr. Klepsch *** 22. 5. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Freiherr von Kühlmann-Stumm 22. 5. Lagershausen 22.5. Lampersbach 22.5. Lange * 21.5. Lemmrich *** 22.5. Lenzer *** 22. 5. Dr. Lohmar 22. 6. Lücker * 26.5. Memmel * 22. 5. Dr. Mende *** 21. 5. Müller (Mülheim) * 21. 5. Dr. Müller (München) *** 21. 5. Mursch (Soltau-Harburg) * 22. 5. Frau Dr. Orth * 21. 5. Pawelczyk *** 22. 5. Dr. Probst 22.5. Richter *** 22. 5. Schlaga *** 22. 5. Schmidt (Kempten) *** 22. 5. Schröder (Wilhelminenhof) 22. 5. Dr. Schwencke *** 22. 5. Dr. Schwörer * 22.5. Seefeld * 21.5. Dr. Slotta 21. 5. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 24. 5. Springorum * 21. 5. Dr. Starke (Franken) 23. 5. Vogel (Ennepetal) 22. 5. Dr. Vohrer *** 21. 5. Walkhoff " 22.5. Frau Dr. Walz * 22. 5. Wienand 22. 5. Dr. Wörner 21.5. Zeyer 8. 6.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Walter Arendt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wir haben das in Ordnung gebracht, wie wir es in der Wahlauseinandersetzung

    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    — ja, sicher — angekündigt hatten, und wir werden ja sehen, wie dieses Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ausgehen wird.

    (Abg. Franke [Osnabrück]:: Sein Nettoeinkommen ist dadurch auch höher als vorher! — Zurufe von der SPD.)

    — Herr Franke, ich sage Ihnen etwas anderes. Wenn ich die Leistungsverbesserungen in diesem Bereich sehe, dann werden wir uns — das sage ich Ihnen ganz offen — in Zukunft — aber im Grunde genommen war das immer die Richtschnur unseres Handelns — sehr genau daran orientieren müssen, ob wir weitere Leistungsverbesserungen, die vielleicht dazu führen könnten, daß der versicherte Arbeitnehmer noch stärker belastet wird, durchführen können. Wir haben immer den Grundsatz der Solidität und der Stabilität vertreten,

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    und wir werden nur das tun, was wir auch finanziell verkraften können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich füge Ihnen noch ein Wort an, Herr Franke: Ich persönlich bin der Meinung, wenn ich die Leistungen der Versicherten im Bereich der Rentenversicherung, im Bereich der Krankenversicherung und im Bereich der Arbeitslosenversicherung sehe, daß die Grenze



    Bundesminister Arendt
    der Belastbarkeit der Versicherten erreicht ist, und wir müssen sehr genau und sehr sorgfältig überlegen, ob der Versicherte im Arbeitsleben noch weiter belastet werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber ich habe Ihnen, meine Damen und Herren, nur ein paar Beispiele aus der Rubrik „Umlaufvermögen" der Bilanz des Bundeskanzlers, soweit die „Fertigerzeugnisse" in Frage kommen, genannt. Ich muß natürlich auch noch ein paar Worte vom „Halbzeug" sagen.

    (Abg. Dr. Barzel: Und dann kommt das Kroppzeug!)

    Lassen Sie mich sagen, was wir in dieser Legislaturperiode noch in Ordnung bringen wollen. Wir haben ein Gesetz eingebracht — es befindet sich im zuständigen Ausschuß und wird sicherlich in Kürze verabschiedet werden —, das den großen Bereich der Betriebsrenten regelt. Für zwölf Millionen Arbeitnehmer ist das eine ganz, ganz wichtige Sache. Wir betrachten die betriebliche Altersversorgung als eine wichtige Ergänzung der gesetzlichen Altersversicherung. Die Nachteile, die die Arbeitnehmer in mehr als 100 Jahren hinnehmen mußten — nämlich die Verfallbarkeit bei einem Betriebswechsel oder bei einem Konkurs des Unternehmens oder die Auszehrung durch die Anrechnung anderer Leistungen oder jetzt die Schwierigkeit bei der Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze , wollen wir für die Arbeitnehmer beseitigen. Ich hoffe zuversichtlich, daß die Arbeiten im Ausschuß recht bald abgeschlossen werden können, damit dieses Gesetz verabschiedet werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich nenne ein zweites Beispiel. Sie werden gleich rufen: „Das ist das Ergebnis Ihrer Wirtschaftspolitik, weil es Konkurse gibt." Konkurse hat es schon früher gegeben, die gibt es jetzt, und die wird es auch in Zukunft geben. Die Konkursordnung stammt aus dem Jahre 1898. Da waren die Ansprüche der Arbeitnehmer ganz oben. Aber wenn es zum Konkurs kam, dann mußten viele Arbeiter und Angestellten erleben, daß sie nicht nur den Verlust ihres Arbeitsplatzes hinnehmen mußten, sondern ihre erworbenen Lohn- und Gehaltsansprüche waren meistens auch dahin, weil mangels Masse die Ansprüche der Arbeitnehmer nicht befriedigt werden konnten. Haben Sie das früher nicht gesehen? Wir, die sozialliberale Koalition, haben einen Gesetzentwurf für ein Konkursausfallgeld eingebracht, um den Arbeitnehmer nicht unnötig zu belasten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Oder lassen Sie mich das Beispiel des Betriebsärztegesetzes nehmen. Arbeitsunfälle haben sich doch nicht erst seit Übernahme der Regierungsverantwortung durch die sozialliberale Koalition ergeben, Arbeitsunfälle gab es schon immer. 2,4 Millionen Unfälle in einem Jahr allein in der Arbeitswelt! Was haben Sie da getan? Sie haben darüber geredet. Wir haben ein Betriebsärztegesetz vorgelegt; es ist verabschiedet, und es wird am 1. Dezember voll wirksam werden. Es wird die Sicherheit in der Arbeitswelt ganz entscheidend verbessern und wird einen Beitrag zur Humanisierung des Arbeitslebens leisten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Oder lassen Sie mich das Jugendarbeitsschutzgesetz erwähnen. Seit 1960 hat es hier keine Veränderung gegeben, obwohl sich in der Praxis viele Veränderungen vollzogen haben. Wir haben ein neues Jugendarbeitsschutzgesetz vorgelegt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir auch!)

    genau so wie wir ein Behindertengesetz verabschiedet haben. Ich will die Einzelheiten hier gar nicht vortragen, aber machen Sie sich das doch einmal deutlich: Durch diesen Schritt zum Finalitätsprinzip haben wir auch jene Arbeitnehmer, die allgemeine Verschleißerscheinungen hinnehmen mußten, in den Schutz- und Anwendungsbereich dieses Gesetzes einbezogen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich denke — der Bundeskanzler hat das ja deutlich gemacht, auch wenn er in seiner Regierungserklärung nur eine Kurzfassung der Bilanz hier vorgetragen hat —, daß wir unseren Leitlinien der Politik, Humanisierung der Arbeitswelt, Stärkung der Position der Arbeitnehmer und Schließen von Lükken im sozialen Sicherungssystem, erheblich näher gekommen sind. Wir haben uns nicht gescheut, auch die sogenannten heißen Eisen anzupacken.
    Herr Barzel, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Sie nochmals anspreche. Sie waren lange genug Vorsitzender der CDU und mußten sich mit den recht unterschiedlichen Auffassungen über die gesellschaftspolitische Frage der Mitbestimmung auseinandersetzen. Ich habe eingangs gesagt, Sie bleiben bei Ihrem bewährten Prinzip, immer zwei verschiedene Maßstäbe anzulegen: Was die CDU macht, ist gut, was die Regierung macht, ist schlecht. So machen Sie es auch bei der Mitbestimmung. Ich will hier keine vorgezogene Debatte über die Mitbestimmung.

    (Dr. Barzel: Das wollen wir gern versuchen!)

    — Wir werden uns in nächster Zeit in der ersten Lesung mit unserer Vorlage beschäftigen. — Ich war am 5. April im Bundesrat, als der erste Durchgang dieses Gesetzes anstand. Dort hat Ihr Parteifreund, der baden-württembergische Ministerpräsident, gesagt — auch pathetisch, ungefähr wie Sie —:

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien)

    „Wir, die Christlichen Demokraten, sind für das freie Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer in einem Sozialverband."

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    — Dann müssen Sie mir mal sagen, was das ist!

    (Große Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auf Grund einer solchen Aussage kann ich keinen Gesetzentwurf fertigstellen.

    (Erneute große Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundesminister Arendt
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, wir haben uns in der Koalition verständigt, und wir haben auch einen Gesetzentwurf vorgelegt, den wir in Kürze in diesem Hohen Hause behandeln werden.
    Aber lassen Sie mich noch einmal auf jene zweierlei Maßstäbe zurückkommen. Wir haben in diesem Gesetzentwurf ein Wahlverfahren vorgesehen, wie es 1956 im Montanmitbestimmungsergänzungsgesetz geregelt war und, wie ich hinzufüge, sich seit 1956 bis heute im Grunde genommen bewährt hat. Damals hatten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Regierungsverantwortung, und damals war dieses Wahlverfahren mit Wahlmännern das Nonplusultra, das Beste, was es überhaupt gab.
    Jetzt haben wir dieses bewährte Wahlverfahren in unseren Gesetzentwurf übernommen, —

    (Abg. Dr. Warnke: Dem Arbeitnehmer das Wahlrecht weggenommen!)

    und plötzlich ist dieses Wahlverfahren das Schlechteste, was es auf der ganzen Welt gibt.

    (Abg. Wehner: Hört Hört!)

    Die Arbeitnehmer machen sich auch ihren Vers darauf; darauf können Sie sich verlassen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben uns — ich sagte es bereits — nicht gescheut, auch jene gesellschaftspolitisch heißen Eisen anzupacken, die Sie vernachlässigt haben und zu deren erfolgreichem Abschluß Sie nicht die Kraft hatten. Das gilt sowohl für die Vermögensbildung als auch für das Mitbestimmungsgesetz. Wir werden das, was in der Regierungserklärung vom Januar 1973 enthalten ist und was der Bundeskanzler auch in der vorigen Woche sehr nachdrücklich unterstützt hat, konsequent fortsetzen. Wir werden — ich habe es schon gesagt — die uns selbst gestellten Aufgaben mit der Präzision eines Uhrwerks erfüllen.

    (Abg. Dr. Barzel: Sanduhr!)

    — Nein, Chronometer müßte ich bei Ihnen sagen, Herr Barzel, Rolex-Chronometer.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Wir werden die gestellten Aufgaben mit der Präzision eines Rolex-Chronometers erfüllen.
    Wir werden uns auch von Ihrer Kurzfassung nicht beirren lassen, Herr Barzel. Wenn Sie das so nett finden, muß ich Ihnen sagen: Sie erinnern mich ein bißchen an den Chefredakteur, der in der Redaktionsbesprechung auch immer sagte „Das ist gut, das lassen wir weg!". So ungefähr ist das hier auch.

    (Große Heiterkeit und lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich kann Ihnen sagen, meine Damen und Herren von der Opposition: Wir werden uns da nicht beirren lassen. Wir werden konsequent weitermachen. Wir werden vor allen Dingen nicht müde werden, den Menschen in unserem Lande deutlich zu machen, wieviel an mehr sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit sie der sozialliberalen Koalition verdanken.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Katzer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Katzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Arendt hat gemeint, die Opposition verunsichere den Wähler.

    (Beifall bei der SPD.)

    — Sie haben immer das Pech, bei mir zu früh zu klatschen. — Diese Verunsicherung braucht die Opposition nicht vorzunehmen; das besorgen Sie doch selbst, das machen Sie permanent selbst!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Regierungserklärung ist noch nicht da, und schon haben wir von der Vorsitzenden der Jungsozialisten eine Erklärung vorliegen.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Ach, Sie nehmen das, was die Jusos bei Ihnen sagen, nicht mehr ernst?

    (Zurufe von der SPD.)

    Gut, die werden sich in der Auseinandersetzung mit Ihnen darüber sehr freuen. Aber vielleicht darf man das noch zitieren, was dort gesagt wird. Oder darf man das auch nicht mehr?

    (Zurufe von der SPD: Alternativen!)

    — Ja, Alternativen! Die Vorsitzende der Jungsozialisten meint, Herr Schmidt schiebe die Strukturprobleme mindestens bis 1976 vor sich her und vergrößere damit die Schwierigkeiten, vor die sich sozialdemokratische Politik nach 1976 gestellt sieht.
    — Das sind doch nicht wir, die verunsichern, das sind doch Sie selber, genauso wie Sie Ihre Kanzlerstürze selber besorgen. Da brauchen wir überhaupt nichts dazuzutun.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, es ist ein Kennzeichen dieser Regierungserklärung, daß sie — wenn ich einmal Weltwirtschaftsfragen ausnehme — in keinem Bereich von einer Analyse der Situation ausgeht. Aber erst aus einer Bestandsaufnahme der realen Lebenssituation unserer Bürger können doch in Wahrheit die richtigen Maßnahmen getroffen werden. Diese Regierung handelt umgekehrt: Sie nimmt das Bündel vorhandener Gesetzentwürfe — wir haben das vorhin wieder gehört — und wählt daraus diejenigen aus, die sie koalitionspolitisch für machbar hält.
    An vielen Stellen der Regierungserklärung hat man den Eindruck — mein Herr Vorredner hat dies noch bestätigt —: Diese Regierung weiß offenbar gar nicht, was die Menschen im Alltag eigentlich bewegt. Weiß die Regierung z. B., daß heute ein durchschnittlich verdienender Arbeitnehmer mit mehr als zwei Kindern vielfach bereits Anspruch auf Sozialhilfe hat — trotz Kindergeld, trotz Wohngeld?

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    Weiß sie, daß heute Ehefrauen wieder zur Arbeit gehen, nur um den Lebensstandard der Familie erhalten zu können?

    (Abg. Dr. Ritz: Das ist die Wahrheit!)




    Katzer
    Ist ihr bekannt, daß in einem Arbeitnehmerhaushalt die nach Abzug der laufenden Ausgaben wie Miete etc. frei verfügbare Einkommenspitze immer mehr gesunken ist? Hier liegt doch in Wahrheit ein Verlust an realer Freiheit, nämlich an Wahlmöglichkeiten bei der Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse, für die breiten Schichten unseres Volkes vor.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat in seinem Mai-Aufruf die Sicherung des Lebensstandards verlangt. Es scheint mir doch bezeichnend und auch gut zu sein, daß sich eine Arbeitnehmerorganisation dieses Wortes erinnert, das von der vergangenen Regierung in einen fast moralisierenden Gegensatz gebracht wurde — insbesondere von Herrn Eppler — zu dem Begriff „Qualität des Lebens", als ob sich Schutz der Umweltbedingungen und eine positive Einkommenssituation der Bürger gegenseitig ausschlössen! Aber eines trifft sicherlich zu: Wo der Lebensstandard sinkt, ist von Lebensqualität überhaupt keine Rede mehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Union — das Wort „Alternative" kommt ja unentwegt; wir geben alternative Antworten — hat aus der enger werdenden Einkommenssituation der Arbeitnehmer schon im vergangenen Jahr die einzig mögliche Konsequenz gezogen und als politische Alternative das Inflationsentlastungsgesetz vorgelegt. Für die deutschen Bürger wäre es gut gewesen, wenn Sie unserem Vorschlag gefolgt wären. Denn dann hätten wir nicht Inflationsraten, wie wir sie jetzt tatsächlich haben, dann hätten die Gewerkschaften nicht Tarifabschlüsse durchsetzen müssen, die über das hinausgehen, was der vorige Bundeskanzler als tragbar bezeichnet hat, und unsere Arbeitnehmer wären heute nicht von diesen Preissteigerungen geplagt, mit denen sie sich leider, weil Sie uns nicht gefolgt sind, auseinandersetzen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, die Regierung kann davon ausgehen, daß wir bei unserem Ziel bleiben. Wenn die Regierung will, wird es daher rasch zu einer wirksamen Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen kommen. Die Union hat ihre Gesprächsbereitschaft in diesem für die Lebensverhältnisse der Menschen und die wirtschaftliche Entwicklung so wichtigen Punkt erklärt.
    Aber dies setzt voraus, Herr Bundeskanzler, daß die Diffamierung der Union aufhört.

    (Abg. Leicht: Wo ist er denn?)

    Wieder haben Sie in der Regierungserklärung von einer „Angstkampagne" gesprochen. Ich gebe Ihnen den guten Rat, mit diesem Stil schleunigst aufzuhören.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn Sie in der Regierungserklärung meinen:
    „Diese Regierung wird nicht zulassen, daß die Opposition damit genau den Zustand herbeiredet, den sie
    als existent suggerieren möchte", dann kann ich nur sagen, Herr Bundeskanzler: dies ist unerhört,

    (Abg. Nordlohne: Wo ist er denn?)

    dies weisen wir zurück. Denn dies ist schließlich unser aller Staat, wir alle sind davon betroffen, und wir lassen uns nicht madig machen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    um ein Wort zu gebrauchen, das hier gelegentlich auftaucht.

    (Abg. Leicht: Eine Diffamierung! — Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein klares Wort zur Tarifautonomie sagen. Herr Arendt hat vorhin den Eindruck erweckt — auch in der Regierungserklärung stand es zu lesen —, als wenn Reformen in 4 1/2 Jahren dieser Regierung eigentlich in einem Maße erfolgt wären wie nie zuvor. Ich will nicht Vergangenheitsbewältigung leisten, sondern in die Zukunft blicken. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle nur einen Satz sagen: Die entscheidenden Reformen für unser Staatswesen sind in den ersten Jahren nach 1949 durchgeführt worden; sie sind mit unserem Ja zur sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards beschlossen worden, das die Voraussetzung für das schuf, was danach folgte. Wir haben in dieser ersten Legislaturperiode das große Werk des Lastenausgleichs geschaffen, wir haben damals die Mitbestimmung bei Kohle und Stahl durchgesetzt,

    (Zurufe von der SPD)

    wir haben das Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet, und wir haben die Tarifvertragsautonomie eingeführt. Das waren Gesetze fundamentaler Art, auf denen unsere gesellschaftliche Ordnung basiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, die Tarifautonomie als eines der vielleicht bedeutendsten Bestandteile der sozialen Marktwirtschaft haben wir 1952 verwirklicht. Versuche, die Freiheit der Tarifpartner einzuschränken, hat es, wenn ich mich recht erinnere, in diesem Hause nur einmal gegeben, nämlich in den 50er Jahren durch die FDP. Wir haben die Tarifautonomie nie in Frage gestellt. Ich stehe nicht an zu sagen, daß ich das, was in der Regierungserklärung steht, voll unterstreiche. Dort heißt es:
    Die Bundesregierung wird bei ihren zukünftigen Bemühungen um mehr Stabilität die gesellschaftlichen Gruppen nicht aus deren Verantwortung entlassen. Das gilt für die Unternehmer und die Gewerkschaften in gleicher Weise.

    (Abg. Leicht: Wo ist der Kanzler? Da drüben auf der Regierungsbank läuft jeder wieder rum!)

    Verantwortung für das Ganze ist eine entscheidende Voraussetzung für die Tarifautonomie, die wir verteidigen.
    Aber das schließt selbstverständlich keineswegs
    aus, daß wir uns über die Formen der Tarifauseinandersetzung gerade im öffentlichen Dienst Gedan-



    Katzer
    ken machen müssen. So sehe ich nicht ein, warum es hier nicht eine Schlichtungsvereinbarung geben sollte, die sich in anderen Bereichen durchaus bewährt hat.
    Wenn man die Regierungserklärung studiert, muß man sich fragen: kennt die Bundesregierung die wirkliche Lage der älteren Menschen? Herr Kollege Arendt, Sie können doch nicht darüber hinwegtäuschen — Ihr eigener Bericht sagt es doch aus —, daß am 1. November 1972 in der Arbeiterrentenversicherung 51,3 % der Rentner eine Rente von unter 600 DM und 50,9 % der Rentnerinnen von unter 200 DM erhielten. Meine Damen und Herren, Ihre flexible Altersgrenze ist doch im Grunde das Unsozialste, was es überhaupt geben kann; sie schränkt doch in Wahrheit den Freiheitsspielraum des einzelnen ein. Denn Gebrauch davon kann nur derjenige machen, der eine höhere Rente bezieht; die Kleinen können nicht davon Gebrauch machen. Deshalb war, ist und bleibt unser Antrag auf Erhöhung des Rentenniveaus von entscheidender Bedeutung,

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    auch und gerade unter dem Blickwinkel einer flexiblen Altersgrenze.

    (Beifall bei der CDUC /SU.)

    Selbst ein Rentner mit einer Rente von 800 DM, der in einem Altersheim lebt und der bis jetzt mit einem Taschengeld von 40 DM auskommen mußte, weil der Pflegesatz immer höher steigt, muß Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Erst durch die Einschaltung des Vermittlungsausschusses im Zuge der Novellierung des Sozialhilfegesetzes gelang es, wenigstens einen Teil der Rente anrechnungsfrei zu halten.
    Der Bundesrat war und ist eben kein Instrument einer Gegenregierung,

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

    sondern ein selbständiges Organ, das in einer Vielzahl von Fällen zu einer Verbesserung von Gesetzen geführt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, auch eine Anpassung an
    die Erfordernisse der Praxis ist eine Verbesserung.

    (Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr richtig!)

    Diese Gesetze stehen dann nämlich nicht nur auf
    dem Papier, sondern werden tatsächlich vollzogen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : So ist es!)

    Und wenn, Herr Kollege Arendt, in der Regierungserklärung auf die Rentenerhöhung von 1972 bis 1974 hingewiesen wurde, hätte es der Ehrlichkeit entsprochen, zu erwähnen, daß darin die Vorziehung der Rentenanpassung enthalten ist. Diese Maßnahme zur Erhöhung des Rentenniveaus wurde von der sozialdemokratischen Fraktion zweimal in namentlichen Abstimmungen abgelehnt

    (Abg. Barzel: Sehr wahr!)

    und dann im Herbst 1972 von der Union durchgesetzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Das ist die Wahrheit. Die Rentner wären doch längst auf der Strecke geblieben, wenn wir Sie nicht in der letzten Legislaturperiode mit letzter Kraft gezwungen hätten, das zu tun, was Sie verhindern wollten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)

    Freilich, meine Damen und Herren, ist in der Zwischenzeit das Rentenniveau erneut gesunken. Wir sind hellhörig geworden, Herr Bundeskanzler — ich sagte es Ihnen schon kurz, und ich bin eigentlich bestätigt durch das, was wir jetzt hören —, bei der Herausstellung der Rentenerhöhungen, die übrigens so nicht stimmen. Es fehlt hier die Zeit, das darzulegen; ich werde es Ihnen zuschicken. Wenn Sie sich von Ihren Herren Papiere geben lassen, sollten Sie im Kanzleramt vielleicht noch einmal gegenchecken lassen, ob die auch richtig sind. Ich werde Ihnen das gern nachgeben, denn Sie haben ja gestern dem Oppositionsführer einen ähnlichen Rat gegeben. Mir scheint das für die Regierung noch mehr zuzutreffen.
    Ich darf Ihnen nur sagen, Herr Bundeskanzler, ich bin hellhörig geworden, ob sich hinter der Herausstellung dieser Rentenerhöhungen nicht die Absicht der Bundesregierung verbirgt, im nächsten Jahre eine Kürzung der Bundeszuschüsse vorzunehmen. Lassen Sie mich vorsorglich sagen, daß das Vermögen der Rentenversicherung zu einem guten Teil vorenthaltene Renten sind. Wir werden es, ganz allgemein gesprochen, Herr Bundeskanzler, nicht zulassen, daß Kürzungen — wo sie notwendig sind, können wir übrigens darüber reden; das haben wir gestern gesagt — zu Lasten der Gruppen gehen, die nicht durch mächtige Organisationen vertreten sind und die nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir verstehen unter Solidarität nicht nur die Solidarität von Gruppen und gruppenspezifischen Interessen, wir verstehen unter Solidarität vor allem die Verpflichtung des Staates, für den Bürger einzutreten, der sich aus eigener Kraft nicht zu helfen vermag.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das gilt für Kinderreiche, das gilt für die Älteren, das gilt für Schutzlose und Schwache, es gilt nicht zuletzt für unsere Sparer.
    Wir leisten damit einen Beitrag zur Stabilität, denn die Erhaltung der Verteilungsgerechtigkeit ist unverzichtbarer Bestandteil jeder Stabilitätspolitik. Ohne Verteilungsgerechtigkeit gibt es keine Stabilität, weil dann Verteilungskämpfe vorprogrammiert sind. Umgekehrt ist ohne Stabilität Verteilungsgerechtigkeit nicht möglich. Damit wird die Sorge für die Verteilungsgerechtigkeit zugunsten derer, die sich nicht selbst helfen können, zu einer wichtigen Position der Alternativpolitik christlicher Demokraten.
    Ohne Aussagewert, Herr Bundeskanzler, sind die Ausführungen zur Mitbestimmung. Im Grunde wird hier in der Regierungserklärung nur das Postulat der Gleichberechtigung und Gleichgewichtigkeit von Arbeitnehmern und Anteilseignern wiederholt, was schon in der Regierungserklärung vom 18. Januar

    Katzer
    1973 enthalten war. Kein Wort hören wir dazu, daß der inzwischen vorgelegte Gesetzentwurf fast überall auf Ablehnung gestoßen ist. Es gibt keine Auseinandersetzung mit dem zutreffenden Vorwurf der Gewerkschaften, daß dieser Entwurf eben gerade nicht die gleichberechtigte Stellung der Arbeitnehmer bewirkt. Ebensowenig hören wir eine Antwort auf den ernst zu nehmenden Vorwurf der Unternehmer, der Gesetzentwurf gefährde Praktikabilität und Funktionsfähigkeit. Das gilt vor allem für den Vorschlag eines turnusmäßig wechselnden Aufsichtsratsvorsitzenden über Losentscheid; dieser Vorschlag könnte dem Kuriositätenkabinett entnommen sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ist der Regierung vielleicht entgangen, daß das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zur Definition des leitenden Angestellten dem Entwurf der Regierung in einem wichtigen Punkt den Boden entzogen hat? Damit wir uns hier recht verstehen: Das gilt übrigens auch für die Beschlüsse des CDU-Parteitages. Wenn der Regierungsentwurf leitende Angestellte als Arbeitnehmervertreter behandelt, während das Gericht nur Personen mit Arbeitgeberfunktionen als leitende Angestellte definiert, so tut sich hier ein klaffender Widerspruch auf, an dem eine Regierungserklärung nicht einfach so vorbeigehen kann, als hätte es dieses Urteil nie gegeben.
    Herr Kollege Arendt, Sie sagen, Sie hätten Herrn Kollegen Filbinger im Bundesrat gehört; er hätte von der freien Selbstbestimmung der Arbeitnehmer in einem Wahlverband gesprochen. Sie haben dann gefragt: Was ist das eigentlich? Ich will Ihnen das sagen — die Frage, was das sei, ist sehr bezeichnend —: Nach der vorgesehenen Wahl durch ein Wahlmännergremium ist es möglich, daß 51 % der Wahlmänner über die Besetzung sämtlicher Arbeitnehmersitze entscheiden. Das halte ich nicht mit der Freiheit des Arbeitnehmers und mit dem, was wir mit der Mitbestimmung wollen, für vereinbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Wagner [Trier] : Das ist auch so gewollt!)

    Dies ist ein Verstoß gegen fundamentale Grundsätze der Demokratie. Hier können Minderheiten beiseite geschoben werden. Ich frage mich, was sich die Freien Demokraten dabei gedacht haben, als sie dies mit unterschrieben haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    'Herr Bundeskanzler, wir sind auf diesem Felde schon in der Großen Koalition zusammengekommen. Ich möchte Sie in aller Form fragen — ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auf diese Frage eine Antwort gäben —, ob Sie bereit sind, in diesem Punkte von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen. Sie haben in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche" vom 29. Oktober 1971 auf die Frage der „Wirtschaftswoche" — ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin —:
    Besteht hier ein Argument gegen die Mitbestimmung darin, daß auf diese Weise die Gewerkschaften eine zu starke Machtposition bekämen?
    geantwortet — ich zitiere wieder —:
    Darauf habe ich zweierlei zu antworten. Ad 1):
    Ich stelle mir vor, daß jeder, der die Arbeitnehmerschaft im Aufsichtsrat vertritt, in geheimer Wahl von der Belegschaft gewählt werden muß, so daß es also nicht im Belieben eines Gewerkschaftsgremiums liegt, zu entscheiden, wer in den Aufsichtsrat geschickt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Bundeskanzler, wenn Sie sich heute dazu bekennen und in diesem Sinne von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, könnte, wie ich glaube, in dieser sehr schwierigen Frage ein großer Schritt nach vorn getan werden. Für uns als Christdemokraten ist es unverzichtbar, daß wir dafür eintreten, daß die Männer und Frauen im Betrieb Träger der Mitbestimmung sind und daß sie darüber entscheiden müssen, wer ihre Interessen zu vertreten hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich frage noch einmal an die FDP gewandt, die ja — was verständlich ist — für Fragen eines gerechten Wahlsystems immer ein besonderes Gespür gehabt hat: Das Prinzip des Verhältniswahlrechts haben die Freien Demokraten ja geradezu zu einer politischen Zentralforderung erhoben. Ich will gerne zugestehen, daß wir uns auf dem Felde des allgemeinen Wahlrechtes nach der erfolgreichen Bekämpfung extremer Parteien mit politischen Mitteln und damit der bestandenen Bewährungsprobe des Verhältniswahlrechts neue Gedanken machen können. Dabei wäre durchaus zu überlegen — ich sage das an die Adresse der Freien Demokraten —, ob ein gerechtes, die Stimmenanteile berücksichtigendes Wahlrecht dann nicht ein für allemal dem Tageskampf entzogen und in der Verfassung verankert werden kann.
    Herr Bundeskanzler, eine Passage besonderer — entschuldigen Sie diesen Ausdruck — Lieblosigkeit ist die dürre Absage an künftige Verbesserungen der Entschädigung für Kriegs- und Kriegsfolgeschäden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)