Herr Minister, darf ich Ihnen die Zwischenfrage stellen, ob Sie es nicht auch im Sinne des Verfassungsgerichtes für ausreichend halten, wenn in dem Gesetz zweierlei vorgesehen ist: erstens, daß die Gruppe der Hochschullehrer bis zur Hälfte der Sitze eines Organes haben kann, und zweitens eine Sicherungsklausel, daß die Mehrheit für eine Entscheidung auch die Mehrheit der Stimmen der Hochschullehrer enthalten muß.
Dr. Vogel, Minister des Landes Rheinland-Pfalz: Herr Abgeordneter Wichert, wenn das Text der Vorlage der Bundesregierung gewesen wäre, hieße meine Antwort ja, nachdem der Text aber anders gelautet hat, muß sie nein heißen.
Ich habe dieses angeführt, weil ich glaube, daß der Bundesrat imstande war, zu dem heute hier in Rede stehenden zweiten Versuch der Bundesregierung zu einem Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes von sich aus Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, die auf nicht unerheblicher Erfahrung in den Ländern fußen. Der Bundesrat hält seine Zustimmung zu diesem Entwurf dann für möglich,
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wenn die Bereitschaft besteht, an einigen, allerdings wesentlichen Punkten Änderungen vorzunehmen.
Als der Bundesrat am 19. Oktober zu dem vorliegenden Regierungsentwurf Stellung nahm, hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft seiner Erwartung Ausdruck gegeben, Bund und Länder könnten jetzt miteinander — wie er sich ausdrückte — die vielleicht ungewöhnlich günstige Lage nutzen, um zu einem solchen Gesetz zu kommen — gemeinsam nutzen. Ich und wir alle entnahmen diesen Worten, daß die Bundesregierung auf Kooperation und nicht auf Kollision mit der Länderkammer setzen würde.
Nun, nachdem wir die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates vorliegen haben, muß die Erfolgschance leider geringer eingeschätzt werden. Von den Änderungswünschen, die wir vorgebracht haben, ist nur akzeptiert worden, daß Kollegialorgane nicht prinzipiell öffentlich tagen müssen. Alle anderen essentiellen Forderungen des Bundesrates weist die Regierung in ihrer Gegenäußerung, zum Teil beschwichtigend, zum Teil rigoros, ab.
Die Bundesregierung läßt damit jede Kompromißbereitschaft vermissen und unternimmt von sich aus keinen Verständigungsversuch, um mit uns zu einer Gemeinsamkeit zu kommen. Sollte sie wirklich bei dem bleiben — was ich nicht hoffe und auch noch nicht abschließend glaube —, was sie in ihren Gegenäußerungen vorträgt, dann, meine Damen und Herren, täten wir in der Tat besser daran, die Akten über diesen Entwurf zu schließen, noch ehe Sie sich der Mühe neuerlicher eingehender Beratungen im Bundestag unterziehen.
Kritisch anmerken muß ich dabei zunächst, daß die Bundesregierung uns noch immer nicht die Kosten des Gesetzes mitgeteilt hat ein Vorwurf, der um so schwerer wiegt, als nicht sie selbst, sondern Dritte, nämlich die Länder, im wesentlichen für diese Kosten werden aufkommen müssen.
Mehr als 9 Milliarden DM haben die Hochschulen 1972 in der Bundesrepublik Deutschland gekostet; fast 7,5 Milliarden DM, also mehr als 80 %, davon haben die Länder getragen. Niemand kann sich ein Bild darüber machen, welche Kosten durch das vorliegende Gesetz zusätzlich entstehen werden. Die Bundesregierung besitzt anscheinend noch nicht einmal grobe Schätzwerte;
denn im Deckblatt hat sie sich mit der ungemein aussagekräftigen Umschreibung beholfen, es entstünden den Ländern „gewisse Kosten".
Im Bundesrat hat der nordrhein-westfälische Finanz-
minister Wertz als Sprecher des Finanzausschusses
moniert, daß sich die Länder mit vagen Angaben nicht begnügen könnten. Ich möchte diesem Votum von Herrn Wertz betreten.
Die Hochschulreform, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann man nicht dadurch befördern, daß man die Basis der Hochschule, nämlich die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre, in Frage stellt, wie das der Entwurf in § 3 Abs. 1 vorsieht. Nur im Bewußtsein ihrer Verantwortung der Gesellschaft gegenüber dürfen nach diesem Satz Professoren zukünftig diese Freiheit noch wahrnehmen. Damit wird der Wissenschafts- und Forschungskontrolle Tür und Tor geöffnet.
Die Bundesregierung beteuert zwar in ihrer Gegenäußerung, die Gefahr einer Einschränkung der Grundrechte nach Art. 5 bestünde nicht; aber wir trauen einer solchen Versicherung nicht über den Weg, solange mit dieser Formulierung des Entwurfs jener unselige Art. 6 aus dem Hessischen Universitätsgesetz zu decken ist, der alle Mitglieder der Hochschule verpflichtet, die gesellschaftlichen Folgen wissenschaftlicher Erkenntnis mit zu bedenken, um dann jeden Studenten ausdrücklich zu ermächtigen — mit Berufung darauf —, die Öffentlichkeit gegen unliebsame Forscher aufzuwiegeln. Wenn diese Generalklausel, mit der man vor dem Zeitgeist zu kapitulieren droht, keine Forschungskontrolle ermöglichen soll, wie man sagt, dann, meine ich, kann man nur auf ihn verzichten,
zumal mit dieser Verantwortung vor der Gesellschaft auch jene peinliche Kopie der Präambel unseres Grundgesetzes vermieden wäre, wo es heißt: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott ..." Der neue Gott soll nun offensichtlich „Gesellschaft" heißen.
— Ja, geschmacklos ist die Übernahme dieser Formulierung aus der Präambel, Herr Abgeordneter.
Der Bundesrat begehrt die Streichung der integrierten Studiengänge, weil damit faktisch die integrierte Gesamthochschule als Regelfall für die Neuordnung des Hochschulwesens unterschoben wird. Jedes Bundesland, das die integrierte Gesamthochschule für den entschiedenen Reformschritt hält, mag seine Hochschulen zu integrierten Gesamthochschulen umformen; andere Länder mögen geeignete Hochschulen als integrierte Gesamthochschulen organisieren oder davon absehen. Die integrierte Gesamthochschule — übrigens, wie vorhin schon angemerkt wurde, ein deutsches Unikum; in der Welt draußen geht man völlig andere Wege — soll nach unseren Vorstellungen eine der drei gleichwertigen Strukturalternativen neben der kooperativen Gesamthochschule und dem Zusammenwirken rechtlich selbständiger Hochschulen sein. Der Bildungsgesamtplan hat diesen Kompromiß gefunden; wir sollten ihm auch im Gesetz treu bleiben.
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Die Integration der Studiengänge — ihr folgen die Integration der Hochschularten, des Lehrkörpers und der Studenten wird nach allen bisher vorliegenden Erfahrungen zu nichts anderem als zu einer Niveausenkung der deutschen Wissenschaft führen. Denn sowohl die Leistungen der Lehrenden wie die der Lernenden werden in der integrierten Gesamthochschule von deren Minimalanforderungen bestimmt sein. Der Mini-Professor, den der Entwurf kreiert mit einer guten Promotion und zwei weiteren Aufsätzen sind Sie als Professor dabei! —,
paßt in diesen Rahmen. Aus der Universität, meine Damen und Herren, droht eine Schule zu werden. Das ist nicht deswegen schlimm, weil Schule schlimm wäre; aber Schule ist etwas anderes als Universität, und das muß beachtet bleiben.
Auf breite Ablehnung bei den Ländern und bei gewichtigen Gesprächspartnern, wie etwa der Westdeutschen Rektorenkonferenz, stößt die Bundeshochschulkonferenz, und zwar vor allem, weil sie keine Vertretung der Leiter der Hochschulen sein wird, wie es beispielsweise die WRK ist, sondern weil sie hälftig aus weiteren Hochschulvertretern bestellt werden soll. So kann man dieser Bundeshochschulkonferenz, wenn sie so ins Leben träte, schon heute vorhersagen, daß sie mit Sicherheit zu einer weiteren Paralysierung der Verantwortung führen müßte.
Bei den Vorschriften über die Studienreformkommissionen hat der Bundesrat zwei entscheidende Punkte zu verändern gewünscht: Zum einen macht er geltend, daß die Studienreformkommission nicht über solche Studiengänge befinden könne, die mit Staatsprüfungen abgeschlossen werden; zum anderen — und das ist mir das Wichtigere — möchte er auch Fachvertreter aus der Berufspraxis an den Studienreformkommissionen beteiligt sehen.
Die Bundesregierung hat beide Vorschläge abgelehnt. Wenn die inhaltliche Studienreform jedoch nicht mißlingen soll, müssen in den Studienreformkommissionen auch Leute sitzen, die Berufserfahrung haben, sonst usurpieren abstrakte Gesellschaftstheoretiker das Feld für konkrete Orientierungen an der Berufspraxis.
Bei der Regelstudienzeit, meine Damen und Herren, mit der man einverstanden sein kann, seit die FDP zwischen Vorentwurf und Regierungsentwurf eine konsekutive Zuordnung von Studienreform und Regelstudienzeit durchgesetzt hat,
hat sich die Bundesregierung bemüht, in ihrer Stellungnahme zum Bundesrat die Schraube wieder um eine Drehung fester anzuziehen. Wer das tut, muß auch dafür sorgen, daß während des Studiums in der Regel studiert werden kann. Der jüngste Kabinettsbeschluß hinsichtlich der Förderungsmeßbeträge und vor allem hinsichtlich der Freibeträge für Studenten nach dem sogenannten BAFÖG paßt nicht zu den
mannhaften Worten über eine Studienzeitbeschränkung.
Die sogenannte Drittmittelforschung, meine Damen und Herren, sollte bei der Beratung im Bundestag aus der vorgeschlagenen Kontrolle des Fachbereiches herausgenommen werden. Einzige Schranke für die Drittmittelforschung darf sein, ob die Rechte anderer durch derartige Forschungsvorhaben beeinträchtigt werden. Solange dies nicht geschieht, ist nicht einzusehen, warum Drittmittel, die die Hochschule finanziell entlasten, nicht der Forschung sollten zugute kommen dürfen. Nicht Auftragsforschung, sondern Forschungskontrolle durch einen Fachbereich, der die ominöse gesellschaftliche Verantwortung aktualisiert, ist heute das, was man fürchten muß.
Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, hat zu dem Wunsch des Bundesrates, das ganze zweite Kapitel, das Kapitel über den Zugang zur Hochschule zu streichen, nein gesagt. Man mag dies vor allem ihrer mangelnden Erfahrung in dieser Frage zurechnen und, wenn Sie wollen, auch zugute halten. Der Bundenstag hat hier erst vor wenigen Tagen die Debatte über den Numerus clausus geführt. Ich hoffe, Sie haben sich dabei ein Bild von der prekären Situation machen können, die die Länder bewältigen müssen, insbesondere hinsichtlich des Personals. Man kann über den Staatsvertrag, meine Damen und Herren, nicht jenseits dieser konkreten Situation des Wintersemesters 1973/74 debattieren.
Abgesehen davon, meine ich, sollte dieses Parlament nicht außer acht lassen, daß immerhin elf Länderparlamente diesem Staatsvertrag nach ausführlicher Beratung zugestimmt haben und daß alle Fraktionen hier in diesem Hohen Hause in Länderparlamenten Fraktionen als Partner haben, die diesen Staatsvertrag vor wenigen Monaten erst verabschiedet haben. Wenn man ihn mit dem zweiten Kapitel des Regierungsentwurfs vergleicht, dann bietet dieser Staatsvertrag, der weiß Gott nicht ohne Fehler ist, vor allem hinsichtlich des Auswahlverfahrens die bei weitem gerechtere und praktikablere Verteilung des vorhandenen Mangels. Die Regelungen im Staatsvertrag sind leistungsbezogener, besser nachprüfbar und objektiver als das, was der Entwurf der Bundesregierung vorschlägt. Wer nur ein Drittel der Studienplätze nach Leistung zu vergeben plant, öffnet dem Mißbrauch der Zulassung Tür und Tor.
Aus diesem Grund muß der Bundesrat auf der Streichung des zweiten Kapitels beharren. Obwohl wir uns alle darübr klar sind, daß wir noch lange mit einem Numerus clausus an den Hochschulen werden leben müssen, sollte andererseits doch auch einsichtig sein, daß genau diese Materie, weil sie eine Anomalie betrifft, nicht im Hochschulrahmengesetz geregelt werden sollte. Wenn aus diesem Gesetz etwas ausgegliedert werden kann, dann sind es die Vorschriften, mit denen die Zulassungsbeschränkung geregelt werden soll.
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Unabhängig davon bleibt an diesem zweiten Kapitel zu beanstanden, daß es Vorschriften für den Zugang zur Hochschule enthält, die der Schule die Verleihung der Studienberechtigung faktisch entziehen und ein besonderes Eignungsverfahren an den Hochschulen entwickeln, die das Abitur aushöhlen und vor allem — das ist ja die klar erkennbare Zielrichtung — das Gymnasium schädigen und schwächen möchten.
Wenn das Hochschulrahmengesetz nicht sofort nach seiner Verabschiedung durch eine Vielzahl von Prozessen vor dem Bundesverfassungsgericht wieder lahmgelegt werden soll, dann scheint es uns nötig, den Professoren in Fragen der Berufung und der Forschung tatsächlich den ausschlaggebenden Einfluß zuzumessen, den ihnen das Bundesverfassungsgericht auf Grund ihrer Funktion und Qualifikation zugesteht. Die Zusammenfassung von Professoren und Assistenzprofessoren zu einer Übergruppe bleibt ein untauglicher, wenn auch trickreicher Versuch, diesen Einfluß sicherzustellen,
denn die Assistenzprofessoren haben eine andere Interessenlage als die Professoren — sie wollen erst noch werden, was die Professoren bereits sind —, und von einer Homogenität von Professoren und Assistenzprofessoren kann keine Rede sein.
Allerdings gewinnen diese Argumente ihre volle Überzeugungskraft erst dann, wenn der Professor, den der Entwurf hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen bis zur Ununterscheidbarkeit dem Assistenzprofessor annähert, auf jenem Anforderungsniveau angesiedelt wird, das der Bundesrat vorschlägt. Die Abwertung der Habilitation, die ja praktisch als etwas möglichst Vermeidenswertes dargestellt wird, beleuchtet übrigens die Vorstellung von Wissenschaft, die der Entwurf an dieser und an einigen anderen Stellen signalisiert.
Produktive, in Freiheit und gegenseitigem Ansporn sich entfaltende Wissenschaft, die forschungsintensiv zu neuen Erkenntnissen unterwegs ist, wird es, wenn der Regierungsentwurf unkorrigiert Gesetz wird, nicht mehr geben.
Statt dessen ist der Exitus von Wissenschaft und die innerdeutsche Auswanderung der Wissenschaftler auf andere Positionen zu befürchten.
-- Wissen Sie, die Sache ist uns aus der täglichen Erfahrung des Abwanderns der Professoren in studentenferne Zonen zu ernst, als daß wir das nur als Sprüche bezeichnet sehen möchten.
Wissen Sie, die Monat für Monat stärker werdende
Abwanderung der Professoren in Gebiete außerhalb
der Hochschule schwächt und schädigt das Ansehen
der deutschen Hochschule in der Welt zu sehr, als daß wir das nur als Sprüche bezeichnen könnten.
-- Ich habe den Eindruck, es wäre gelegentlich ein gewisser Gedankenaustausch zwischen den Erfahrungen des Abgeordneten und denen des Kultusministers nicht schädlich, Herr Abgeordneter.