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ID0702810100

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    Vokabeln: 14
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 28. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. April 1973 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. h. c. Kiesinger und Dr. Schäfer (Tübingen) 1373 A, 1383 C Erweiterung der Tagesordnung 1373 A Überweisung einer Vorlage an einen Ausschuß 1373 B Aussprache über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1973 (Haushaltsgesetz 1973) (Drucksache 7/250) in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1972 bis 1976 (Drucksache 7/370), mit Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 1973 (Drucksache 7/419) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 und des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Drucksache 7/422) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern (Zweites Bundesbesoldungserhöhungsgesetz) (Drucksachen 7/411, 7/442) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes über die Sechzehnte Rentenanpassung und zur Regelung der weiteren Anpassungen der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Drucksache 7/427) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Fünften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Fünftes Anpassungsgesetz — KOV) (Abg. Geisenhofer, Dr. Althammer, Ziegler, Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Riedl [München], Dr. Waigel, Maucher, Burger, Dr. Götz, Müller [Remscheid], Dr. Blüm und Fraktion der CDU/ CSU) (Drucksache 7/315) — Erste Beratung — und mit II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 28. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1973 Entwurf eines Gesetzes über die Sechzehnte Rentenanpassung und zur Regelung der weiteren Anpassungen der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (CDU/CSU) (Drucksache 7/446) — Erste Beratung — Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) . . 1374 B Dr. Schellenberg (SPD) 1378 C von Hassel, Vizepräsident . . . 1379 D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 1383 C Arendt, Bundesminister (BMA) . 1387 C Katzer (CDU/CSU) 1390 B Dr. Nölling (SPD) 1393 D Brandt, Bundeskanzler . . . . 1398 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 1399 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 1405 B Wehner (SPD) 1410 A Anträge des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung betr. Aufhebung der Immunität der Abgeordneten (Drucksachen 7/429, 7/430, 7/431, 7/432) 1410 C Sammelübersichten 3 und 4 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksachen 7/402, 7/410) 1410 D Nächste Sitzung 1410 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 1411* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 28. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1973 1373 28. Sitzung Bonn, den 6. April 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 28. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1973 1411* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 6. 4. Dr. Achenbach * 7. 4. Adams * 7.4. Ahlers 6. 4. Dr. Aigner * 7. 4. Dr. Artzinger * 7.4. Dr. Bangemann * 7.4. Dr. Becher (Pullach) 6. 4. Behrendt * 7. 4. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 6. 4. Blumenfeld 7. 4. Böhm 6.4. Bremer 6.4. Buchstaller 6.4. Dr. Burgbacher 6.4. Buschfort 6. 4. Dr. Corterier * 7. 4. Frau Däubler-Gmelin 6.4. Dr. Dregger ** 16.4. Dr. Evers 6. 4. Fellermaier * 8.4. Flämig * 7. 4. Frehsee * 7.4. Dr. Früh * 7.4. Gerlach (Emsland) * 7.4. Gewandt 7.4. Dr. Haack 6.4. Haar 6. 4. Härzschel * 7. 4. Hofmann 6.4. Dr. Jaeger 6.4. Jäger (Wangen) 6. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) * 7. 4. Kahn-Ackermann ** 7.4. Kater 30.4. Kirst 6. 4. Dr. Klepsch * 7. 4. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Krall * 6. 4. Lange * 7. 4. Lautenschlager * 6. 4. Frau. Dr. Lepsius 7. 4. Löffler 6. 4. Lücker * 7. 4. Dr. Martin 7.4. Frau Meermann 6. 4. Memmel * 7. 4. Mertes 6.4. Mikat 6.4. Müller (Mülheim) * 6.4. Mursch (Soltau-Harburg) * 6.4. Dr. Oldenstädt 6.4. Ollesch 6. 4. Frau Dr. Orth * 7. 4. Picard 7.4. Richter ** 7.4. Dr. Riedl (München) 18.4. Dr. Ritgen 6.4. Rollmann 6.4. Frau Schleicher 6. 4. Schmidt (München) * 7. 4. Schmidt (Wattenscheid) 7.4. Frau Schroeder (Detmold) 6.4. Frau Schuchardt 8.4. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 6. 4. Dr. Schulz (Berlin) * 7. 4. Schwabe * 7.4. Dr. Schwenke ** 7.4. Dr. Schwörer * 7.4. Seefeld * 8.4. Dr. Slotta 6.4. Spillecke 6.4. Spilker 6. 4. Springorum * 7. 4. Dr. Starke (Franken) * 7.4. Tönjes 6. 4. Walkhoff * 7. 4. Dr. Wallmann 6.4. Frau Dr. Walz * 6.4. Frau Dr. Wex 6.4. Wienand 6.4. Frau Dr. Wolf ** 6. 4. Wrede 7. 4. Wurbs 6.4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilhelm Nölling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Im Moment möchte ich es nicht tun. Lassen Sie mich vorher ein paar Gedanken entwickeln, weil ich „aus lauter Freude", wie Herr Barzel sagt, mich einmal mit Ihnen beschäftigen und nicht nur das Umgekehrte immer zulassen möchte.

    (Abg. van Delden: Was haben Sie denn vorhin immer getan? Sie haben Herrn Franke dauernd gefragt!)

    Meine Damen und Herren, in dieser Haushaltsdebatte ist wiederholt nach den Alternativen der Opposition gefragt worden. Ich erinnere mich an ein Wort Ihres Vorsitzenden Barzel in der Rede vom 5. Dezember vor Ihrer Fraktion, ein Wort, das auch Sie noch im Ohr haben sollten, als er nämlich ausdrücklich erklärte: „Wir müssen geistig mehr bieten." Wie sollen wir das verstehen, wenn sich Herr Strauß hier hinstellt und sagt: Wir haben 1969 den Versuch gemacht, mit euch zu einem Stabilitätspakt zu bekommen, und weil das damals nicht geklappt hat, haben wir unsere geistige Regsamkeit aufgegeben? So war es doch in etwa zu verstehen. Sie müßten jetzt den Beweis dafür erbringen, daß Sie das ernst meinen, was Barzel gesagt hat: „Wir müssen geistig mehr bieten." Das heißt, Sie müssen in der Auseinandersetzung über die Konflikte
    in diesem Land und in dieser Gesellschaft anders als bisher Stellung nehmen.

    (Abg. Wehner: Aber das ist doch für Herrn Strauß nicht verbindlich!)

    — Da bin ich Ihrer Meinung, Herr Kollege Wehner.

    (Abg. Dr. Wagner [Trier] : Das würde Ihnen auch nicht bekommen, wenn Sie anderer Meinung wären! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Wir wissen ja, wer in dieser Partei das Sagen hat.
    Ich darf einmal ein paar wichtige Probleme unserer Gesellschaft anschneiden, die zum Teil eine Rolle gespielt haben. Ich nenne zuerst Vollbeschäftigung und Preisstabilität. Herr Kollege Katzer, wo ist das Verständnis der Sozial- und Wirtschaftspolitiker der Opposition für diese Problematik, für den Konflikt zwischen Vollbeschäftigung und Preisstabilität? Das ist in dieser Haushaltsdebatte wiederum nicht deutlich geworden.

    (Abg. van Delden: Wo steht denn diese Alternative zur Debatte?)

    Zur Währungspolitik und zur Frage der außenwirtschaftlichen Absicherung gibt es keine Alternative der CDU. In der Frage der Mitbestimmung Herr Kollege Katzer, Sie bringen mich noch einmal darauf —, sagen Sie, sei nichts passiert. Lesen Sie doch zu Ihrer Freude und Erbauung bitte die Regierungserklärung, wo von Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Kapital und Arbeit als einem Grundzug unserer Mitbestimmungskonzeption die Rede ist.

    (Abg. van Delden: Aber nicht von der Persönlichkeit!)

    Das hat es in der bisherigen Sozialgeschichte der Bundesrepublik in einem Regierungsdokument noch nicht gegeben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deshalb haben Sie, glaube ich, keinen Anlaß, schon fünf Monate nach Amtsantritt dieser Regierung

    (Abg. Katzer: Sie sind doch schon über drei Jahre dran!)

    zu sagen, es sei nichts passiert.

    (Abg. Franke [Osnabrück] : Dann kommen also die leitenden Angestellten hinein?)

    Ich darf dann eine Frage zur Vermögensbildung stellen. Leider ist der Kollege Barzel nicht anwesend. Wissen Sie, was Sie in Ihrem Regierungsprogramm zur Wahl gesagt haben? Ich darf zitieren: „Zu dieser Frage Eigentum für jeden haben wir ein gesetzesreifes Konzept vorgelegt, das wir verwirklichen werden." Sie haben im Wahlkampf gesagt, das werde eine der ersten Maßnahmen überhaupt sein. Bis heute Fehlanzeige, es ist kein Gesetz da.

    (Abg. Nordlohne: Gucken Sie mal in Ihre eigene Regierungserklärung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Sie sollten erklären, warum nicht, und nicht uns Vorwürfe machen, die wir dabei sind, Gesetzentwürfe vorzubereiten.



    Dr. Nölling
    Dann heißt es hier: „Teilhabe jedes Arbeitnehmers am Wachstum und Ertrag der Wirtschaft durch den gesetzlichen Beteiligungslohn." Ich habe mit Interesse in der „Frankfurter Rundschau" gelesen, daß der CDU-Vorsitzende am 1. April im Deutschlandfunk erklärt hat — ich darf ihn hier zitieren -:
    „... da wir nun dafür sorgen wollen, daß der Arbeitnehmer auch eine Beteiligung am Gewinn, am Ertrag und am Vermögen des Betriebes bekommt." Man muß sich diese Aneinanderreihung von Ansatzpunkten einmal richtig ins Gedächtnis zurückrufen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Am Gewinn, am Ertrag und am Vermögen soll er jetzt beteiligt werden.

    (Abg. Nordlohne: Wer blockiert denn die Gesetzesvorlage?)

    Ich bin wirklich gespannt, was dabei herauskommen wird. Es ist jedenfalls eine klare Absage an den bisher von Ihnen, Herr Kollege Katzer, für richtig gehaltenen Beteiligungslohn,

    (Abg. Katzer: Keine Sorge!)

    der nicht am Gewinn, nicht am Vermögen und nicht am Ertrag orientiert ist, sondern die Betriebe völlig unabhängig davon belastet, ob sie Gewinne machen oder nicht. Ich sehe in diesem Zitat, wenn ich es richtig verstehe, eine Abkehr von Ihrem Beteiligungslohnversprechen.

    (Abg. Katzer: Das ist falsch!)

    Oder fragen wir einmal, was Sie zur Steuerreform zu sagen haben. Es gibt ein Konzept der Sozialausschüsse, und es gibt Kritik an der Regierung und an der SPD, die Herr Strauß hier entsprechend artikuliert hat. Ich frage Sie: Wenn er es bedauert — Sie alle bedauern es —, daß die Arbeitnehmer in die Progressionsstufen hineinwachsen, warum machen Sie dann nicht einen Vorschlag, wie man das ändern könnte? Dann würde sich nämlich zeigen, was Sie hier an inneren Konflikten in dieser Gesellschaft zu bewältigen hätten. Statt dessen drücken Sie sich immer wieder davor.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Nordlohne: Es ist nicht zu fassen, Herr Kollege Nölling! — Abg. Dr. Ritz: Wer regiert hier eigentlich? Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Warum das so ist? Es ist einfach eine Tatsache. Ich habe gar keinen Anlaß, hier zu polemisieren oder zu überzeichnen, weil nämlich die historischen Tatsachen das untermauern, was ich sage.
    Der Kollege Blüm — ich glaube, er ist heute nicht anwesend — hat ein sehr interessantes Buch geschrieben: „Reaktion oder Reform — Wohin geht die CDU?" Ich würde ihm einen Vorschlag machen — das werde ich auch noch persönlich tun —, was er bei einer Neuauflage, die sicherlich notwendig werden wird, in den Anhang nehmen sollte, nämlich einen im „dud" erschienenen Beitrag des Kollegen Adolf Müller unter der Überschrift: „Rechts ist nur eine Sackgasse." Ich rede eben nicht wie ein Blinder von der Farbe, wenn ich ihn jetzt hier zitiere;
    er sitzt ja heute auch hier. In diesem Artikel „Rechts ist nur eine Sackgasse" heißt es:
    In der Arbeitnehmerschaft besteht eine Schallmauer gegenüber der CDU. Mir ist hundertfach im Wahlkampf gesagt worden: Dir und deinen Freunden aus der Arbeitnehmerschaft nehmen wir das sozialpolitische Engagement ab, eurer Partei aber nicht.
    Und nun ein sehr enthüllender, wichtiger Satz:
    Viele für die Arbeitnehmerschaft wichtige sozialpolitische Entscheidungen mußten der Fraktion abgetrotzt werden.

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!) Hier ist also von Trotzerfolgen die Rede.


    (Abg. Franke [Osnabrück] : Na und? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich will Ihnen hier noch ein paar Beispiele nennen und anschließend Herrn Katzer noch einmal zitieren. Lohnfortzahlung 1969: Protestkundgebung, bei der ein Sarg mit Hans Katzers Namen die Hauptrolle spielte.

    (Abg. van Delden: Bei uns kann man eben schreiben was man will, bei euch nicht!)

    Vermögensbildung: Die Öffnung des Vermögensbildungsgesetzes für den Tarifvertrag wurde in Ihrer Partei jahrelang verhindert. Herr Kollege Müller (Remscheid) bestätigt es hier. In der Diskussion über den. Jahreswirtschaftsbericht ist in der Debatte von den Kollegen Pieroth und Müller (Berlin) glatt die Unwahrheit gesagt worden, was diese historische Tatsache betrifft.

    (Abg. Wehner: Hört! Hört! — Beifall bei der SPD.)

    Der Kollege Müller schreibt weiter: Das Beteiligungslohngesetz fand in der Fraktion erst breite Mehrheiten, als wir in der Opposition waren. — Er ruft dann die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung für Angestellte ins Gedächtnis zurück. Es heißt weiter: Das Eintreten für sozialen Fortschritt wurde der SPD geglaubt, uns nicht. —Weitere Stichworte: berufliche Bildung, bruttolohnbezogene Rente als Probleme in den Jahren 1966 bis 1969. Die flexible Altersgrenze wurde 1969 abgelehnt. Das wird hier vom Kollegen Müller bestätigt.
    Einige Bemerkungen zum Thema Mitbestimmung. Herr Kollege Katzer, wir wollen uns hier doch nun wirklich nichts vormachen. Wir haben vor zwei Jahren über das Dilemma, in dem Sie und Ihre Partei sich befanden, doch ausfuhrlich diskutiert.

    (Abg. Katzer: Ihre Partei!)

    — Unsere Partei gar nicht! Vielleicht die Koalition, aber doch nicht unsere Partei, Herr Kollege Katzer. Das wollen wir doch auseinanderhalten.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Nordlohne: Drei Jahre haben Sie die versprochene Mitbestimmung nicht zum Zuge kommen lassen!)

    Was sagt der Kollege Müller zum Thema Mitbestimmung? Da heißt es: ... die Erinnerung an den



    Dr. Nölling
    teils schweigenden, teils umgefallenen Vorstand, der seine eigene Vorlage in Düsseldorf nicht verteidigte. — So ist es gewesen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der Kollege Katzer sagte nun in der Debatte über die Regierungserklärung — ich zitiere ihn —: An Reformwillen läßt sich die CDU von niemandem übertreffen.

    (Abg. Katzer: Genau richtig!)

    Das muß man hören!

    (Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Hört! Hört! Bei Gott!)

    Meine Damen und Herren, mich erinnert das an die Geschichte mit dem Suppenkasper. Da sagt die CDU immer: Nein, nein, diese Suppe der Sozialausschüsse esse ich nicht. — Sie ist ja auch entsprechend abgemagert. Das ist das Ergebnis.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, das Hauptproblem, das in dieser Haushaltsdebatte wieder deutlich geworden ist, scheint mir folgendes zu sein. Die CDU/ CSU bringt es nicht fertig, die Konflikte in dieser Gesellschaft zwischen Partikularinteressen und dem Gemeinwohl zu artikulieren und Lösungen dafür aufzuzeigen. Wenn ein Konflikt entsteht, entscheidet sie sich regelmäßig für das Partikularinteresse,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    weil sie aus wahlgewinnsüchtigen Motiven immer wieder darauf bestehen zu müssen glaubt. Sie huldigt einer Definition von Politik, der wir nicht huldigen. Es ist eine aus dem Amerikanischen kommende Definition, die wir ablehnen. Die entscheidende Frage ist dabei: Wer kriegt was wann? Diese Frage ist für uns nicht entscheidend. Das sage ich jetzt mit allem Ernst an die Adresse von Herrn Kollegen Katzer und auch anderer, die sich wirklich nicht die Mühe machen, hier Alternativen aufzuzeigen. Wie können wir dann aber die Probleme, auch die finanziellen Probleme dieses Landes, die wir ja gar nicht bestreiten, lösen? Sie machen aus den Gründen, die ich kenne und die ich nenne, nämlich um nicht unpopulär zu werden, um die Lasten nicht verteilen zu müssen, um Privilegien nicht abbauen zu müssen, keine Vorschläge. Das sind die wahren Gründe.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Und wenn Vorschläge gemacht werden, sind sie „unsozial" !)

    Ich komme sofort auch auf Ihre Rolle als Chefkoordinator zurück.
    Herr Kollege Leicht sagt über den Bundeshaushalt: Der Bund proklamiert in diesem Jahr eine — konjunkturpolitisch — noch immer zu hohe Ausgabensteigerung. — Herr Kollege Katzer, tun Sie mir bitte einen Gefallen: Sagen Sie doch diesem Bundestag und allen Bürgern, die um die finanzielle
    Stabilität usw. in Sorge sind - wie Sie ihnen das einreden wollen —,

    (Abg. Katzer: Sind Sie etwa nicht in Sorge? — Abg. Nordlohne: Darauf kommt er gar nicht!)

    wie Sie es verantworten können — —

    (Abg. Katzer: Sind Sie nicht in Sorge?)

    — Ich bin deshalb nicht in Sorge, weil es uns gelungen ist, einen Haushalt vorzulegen, der das Menschenmögliche, das politisch Mögliche für 1973 schafft.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deshalb bin ich nicht in Sorge!

    (Abg. Katzer: Preissteigerungen von 7 % sind für Sie kein Grund zur Sorge?)

    — Herr Kollege Katzer, doch, es ist eine große Sorge. Natürlich. Das bestreite ich doch nicht. Nur sage ich Ihnen: Es genügt nicht, in diesem Land gestaltende Gesellschaftspolitik machen zu wollen.

    (Abg. Katzer: Sie sind doch in der Regierung!)

    wenn man sich immer nur an den Preissteigerungen aufhängt und nichts anderes mehr sieht und gelten läßt.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen damit alles kaputt! — Abg. Katzer: Das ist das zentrale Problem!)

    — Nein, es ist nicht das eigentliche Problem. Es ist ein wichtiges Problem, aber nicht das zentrale Problem.
    Lassen Sie mich auf den Gedanken zurückkommen.

    (Abg. Franke [Osnabrück]:: Inflation begünstigt die Reichen!)

    — Herr Kollege Franke, ich habe nie bestritten, daß das Problem da ist und schwer ist.

    (Abg. Katzer: Das ist ja sehr interessant!)

    Ich habe nur immer gesagt: Wie wollen wir es lösen, um nicht in noch größere Schwierigkeiten zu fallen?

    (Abg. Katzer: Das ist das zentrale Problem! Wir sind da anderer Meinung als Sie!)

    — Herr Kollege Katzer, wenn Sie anderer Meinung sind, dann mobilisieren Sie doch den Sachverstand Ihres Planungsstabs, und arbeiten Sie ein Kontrastprogramm zu dem Stabalitätsprogramm der Bundesregierung aus!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Abg. Katzer: Das wollen Sie doch bitte uns überlassen! — Abg. van Delden: Wenden Sie das Stabilitätsgesetz doch erst einmal an!)




    Dr. Nölling
    — Ja, natürlich! Aber dann müssen Sie sich auch gefallen lassen, Herr Kollege Katzer, daß ich Sie frage. Sie sagen: Die Regierung ist verantwortlich für die Preissteigerungen.

    (Abg. Nordlohne: Natürlich! — Zuruf des Abg. Katzer.)

    Das ist sie nur ganz begrenzt. Die Regierung ist aber auch das werden Sie niemals zugeben — für die soziale Weiterentwicklung in dieser Gesellschaft verantwortlich.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Nordlohne: Das ist nie bestritten worden!)

    Es ist doch einfach nicht hinwegzudiskutieren, meine Damen und Herren, was hier in drei Jahren geschehen ist.
    Aber ich will auf die schizophrene Situation zurückkommen, daß Herr Kollege Leicht hier sagte, der Haushalt sei unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten zu groß, während Sie, Herr Kollege Katzer, es mit allen Verantwortlichen in Ihrer Fraktion zulassen, daß ein Gesetzentwurf zur Kriegsopferversorgung vorgelegt wird, der allein in diesem Jahr 400 Millionen DM mehr verlangt.
    Beispielsweise hat Herr Kollege Götz - er ist jetzt nicht hier —in der Debatte über die Rentenreform am 21. September 1972 hier erklärt, die Bundesregierung solle dies — das haben wir ja damals angenommen — im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Bundeshaushalts prüfen. Ich frage Sie, ob Sie die finanziellen Möglichkeiten des Bundeshaushalts hierzu geprüft haben, als Sie diesen Gesetzentwurf hier einbrachten, was Sie im vorigen Jahr nicht einmal unter Wahlkampfgesichtspunkten für richtig gehalten haben. Dann könnte man ja auch noch weitergehen.
    Was Ihre Weigerung, Herr Kollege Katzer, betrifft, die Zuschüsse an die Rentenversicherung zu stunden, so muß man einfach bereit sein, eine — auch in unseren Reihen — unpopuläre Maßnahme zu tragen. Nur können Sie niemandem, weder dem Versicherten noch dem Rentner in diesem Land, weismachen, daß auf Grund dieser Streckung auch nur um einen Pfennig eine Leistungsverschlechterung zustande kommen wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Genau das ist es, was Sie machen wollen.

    Ich möchte zum Stichwort „soziale Demontage" ein paar Zahlen bringen, damit das hier endlich einmal vom Tisch ist.

    (Abg. Nordlohne: Keine Sorge, darauf kriegen Sie noch eine Antwort! Verlassen Sie sich darauf!)

    Wissen Sie, wie sich im letzten Jahr die Sparquote entwickelt hat, welch ein Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung und in die Stabilitätspolitik der Regierung sich im letzten Jahr dokumentiert hat?

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Ist die Sparquote in den letzten zwei Tagen in diesem Hause genannt worden? — Ich werde es wiederholen. 1969 wurden in der Bundesrepublik 47,7 Milliarden DM gespart. 1972 waren es 74,5 Milliarden DM, also 26,8 Milliarden DM mehr als im Jahre 1969. Die Sparquote stieg von 12,5 auf 14,2 %. Das ist ein Rekord, wie er nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte erreicht worden ist.
    Ich darf Ihnen sagen, es ist mir lieber, daß durch hohe Lohnsteigerungen bei Vollbeschäftigung jemand eine Mark sparen kann. Und wenn die Zinsen die Preissteigerungen nicht ausgleichen oder gerade kompensieren, dann ist es noch besser, daß jemand diese Mark sparen kann, als wenn durch eine Rezession verhindert wird, diese Mark zu verdienen und zu sparen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Wieder diese lächerliche Alternative!)

    Noch ein paar Zahlen zur „sozialen Demontage". Von 1957 bis 1969, also in 12 Jahren, haben sich die Ausgaben für die soziale Sicherung laut Finanzbericht 1973 verdoppelt, und zwar von 12,1 auf 24,9 Milliarden DM. Herr Kollege Katzer, laut Finanzplan, wie er diesem Hause jetzt vorliegt, werden sie sich von 1969 bis 1976, also in sieben Jahren

    (Abg. Katzer: Da loben Sie ja uns!)

    — nun kommt doch mein Lob, das ist doch noch besser; hören Sie gut zu —,

    (Abg. Franke [Osnabrück] : Aber das ist doch eindeutig durch die Beschleunigung der Inflationsrate bedingt!)

    die Ausgaben für die soziale Sicherung von 24,9 auf 48,3 Milliarden DM verdoppeln. Das ist ein Betrag von 24 Milliarden DM allein als Erhöhung in 7 Jahren, ein Betrag, der doppelt so hoch ist wie der Jahresbetrag 1957 überhaupt.

    (Abg. Katzer: Und die Leute haben weniger Kaufkraft!)

    — Entschuldigen Sie mal, Herr Kollege Katzer, es ist doch nicht wahr, daß sich die Rentner beispielsweise im letzten Jahr oder in diesem Jahr nicht haben mehr leisten können und mehr leisten werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Katzer: Dank unserer Initiative! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dank der 15. Anpassung!)

    Das können Sie doch hier nicht in den Raum stellen. Im letzten Jahr betrugen die Rentensteigerungen fast 15 %. Bleiben Sie doch mal auf dem Teppich! Bei Preissteigerungen von weniger als 6 % haben die Rentner im letzten Jahr die höchste reale — —

    (Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Wir haben doch dafür gestimmt und auch Alternativvorschläge gehabt.
    Ich behaupte nur, meine Damen und Herren von der Opposition, daß man in diesem Lande vorsichtig sein sollte mit sozialer Panikmache und dem Schlachtruf, wir würden sozial demontieren, angesichts dieser Zahlenentwicklungen in unseren Finanzplänen und in unseren Haushalten. Seien Sie



    Dr. Nölling
    vorsichtig, wie es eben gesagt worden ist! Denn Sie haben in der Vergangenheit schon oft erkennen müssen, daß Sie mit Ihren pessimistischen Voraussagen nicht recht behalten haben.
    Im Finanzplan von 1972 bis 1976 steigen die sozialen Ausgaben um 17 Milliarden DM, d. h. um 55 %, im Bundeshaushalt insgesamt um 40 %. Wie kann sich hier jemand hinstellen und von sozialer Demontage sprechen, wenn der Sozialhaushalt sehr viel stärker steigt als der Bundeshaushalt überhaupt! Das ist doch eigentlich eine Unverschämtheit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun zu der Frage der realen Einkommensentwicklung bei den Arbeitnehmern. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, mir aus dem bereits zitierten Jahresgutachten des Sachverständigenrates, Seite 60, die reale Einkommensentwicklung bei den Arbeitnehmern herauszuschreiben. 1962, Herr Kollege Katzer, hatten wir eine reale Verbesserung der Arbeitnehmereinkommen von 2,8 %; da waren Sie an der Regierung. 1965 waren es 5,2 %; da waren Sie noch an der Regierung. 1966 waren es 3,3 %, 1967 1,6%.

    (Abg. Katzer: Da waren Sie mit in der Regierung!)

    — Ist ja gut. Wissen Sie, Herr Kollege Katzer, ich freue mich doch, daß wir hineingekommen sind, nicht nur dadurch, daß wir gut waren, sondern auch dadurch, daß Sie so schlecht waren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich nenne Ihnen die Zahl von 1970: 1970 waren es 11,2 %. Ich habe Herrn Ministerpräsident Stoltenberg hier in vielen Debatten erlebt, die schärfsten Angriffe gegen diese Koalition im Jahre 1970 führend. Was der alles an Vorwürfen gegen diese Politik gesagt hat, ist unglaublich, wenn man es in der Perspektive rückblickend einmal auf die Zahlen hin abklopft. 11,2 %! 1971 hatten wir 5,5% Reallohnverbesserung, 1972 3,3 %.
    Nun werden Sie sagen: 3,3 %, das ist nicht viel.

    (Abg. Katzer: Und wie wird es 1973 sein?)

    Aber bitte schön, Herr Kollege Katzer, es war im
    letzten Jahr mehr als 1962; es war wie 1966, 3,3 °/o.

    (Abg. Katzer: Und wie wird es 1973 sein?)

    — Sie haben völlig recht, wenn Sie fragen — ich weiche dem doch gar nicht aus —: Wie wird es 1973 sein? Diese Bundesregierung ist doch dabei,

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

    die schwierige Frage anzugehen, inwieweit man an der Vollbeschäftigung nichts riskiert, wenn man bremst. Sie können unterstellen, daß die preisdämpfenden Maßnahmen nicht wirken. Dann, bitte schön, verlange ich von der Opposition und von Herrn Strauß, daß er nicht, wie er es immer tut, die Regierung fragt, was sie tut oder zusätzlich tun sollte, sondern daß er auch einmal an seine Unternehmerfreunde herangeht und ihnen sagt, daß sie sich
    vielleicht einmal ein bißchen Zurückhaltung bei der Preisgestaltung auferlegen sollten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Das wird Herr Strauß niemals tun.



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Nölling, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilhelm Nölling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich möchte dann zum Schluß kommen, indem ich folgendes sage. Ich habe hier am Anfang die Frage gestellt, wie man es sich wohl erklären könne, daß die Opposition, wie Herr Kremp es formuliert hat, aus der Epoche hinausfliegen wird. Die Antwort ist meines Erachtens klar: Sie hat die gesellschaftsgestaltende Kraft verloren. Sie hat an regierungskritischer Kraft zweifellos gewonnen. Aber das ist nun einmal kein Ausgleich für das, was sie braucht, um in dieser Gesellschaft als Opposition wirklich attraktiv zu sein. Es genügt leider nicht, wenn man nur kritisiert, wenn man keine gesellschaftsgestaltende Kraft mehr hat.
    Zum Schluß einfach ein Zitat. Einer hat vor ein paar Wochen in Siegen gesagt: Sie, die SPD, hat die Kraft, das durchzuführen, was sie ihren Wählern vor der Wahl versprochen hat. Ich will Ihnen auch sagen, wer das gesagt hat — voller Bewunderung —: Herr Kollege Barzel von der CDU/CSU.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)