Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat die Steuergesetze mit vorgelegt und diese Steuererhöhungen damit begründet, daß sie einerseits der Stabilität und andererseits auch mittelfristig der Finanzierung öffentlicher Ausgaben, und zwar des Bundes, der Länder und der Gemeinden, dienen sollen. Herr Dr. Kreile, damit ist die Steuerreform nicht vorweggenommen oder auch nicht blockiert. In der Opposition beklagen die einen, daß damit Steuerreform nicht mehr möglich wäre, und die anderen bedauern, daß damit die Steuerreform schon vorweggenommen wäre. Beides ist falsch.
Wir sind mitten in der Beratung der Steuerreform. Der Finanzausschuß hat das Grundsteuerreformgesetz schon beschlossen. Nach diesem Teil der einheitswertabhängigen Steuern wird die Erbschaftsteuer beschlossen werden, danach die Vermögensteuer. Wir sind mitten in der steuerpolitischen Arbeit. Sie können davon ausgehen, daß die Steuerreform in dem Tempo, in dem der Bundestag das überhaupt machen kann, verwirklicht werden wird, so wie es von der Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode konzipiert wurde. Es braucht sich also niemand Sorgen zu machen, daß wir dadurch die Steuerreform hier verhindern wollen. Auch die Einkommensteuerreform, und was damit zusammenhängt, wird dadurch weder blockiert noch präjudiziert.
Herr Dr. Kreile, die Löhne und Gehälter, die Einkommen in der Bundesrepublik steigen, und es ist bei einem progressiven Steuertarif eine logische Folge, daß dadurch auch die Steuereinnahmen überproportional steigen. Wegen der Vorbereitungen der Steuerreform haben wir übrigens alle miteinander im Bundestag Anpassungen von Freibeträgen, die an sich fällig gewesen wäre, immer hinausgeschoben. Deswegen ist hier ein gewisser Stau, und auf Grund der Preisentwicklung in den letzten Jahren ist dieser Stau sogar noch größer geworden. Deswegen glaube ich, daß es im Bundestag wohl Übereinstimmung geben wird, daß die betreffenden Freibeträge im Rahmen der Einkommensteuergesetzgebung im Laufe dieser Legislaturperiode angepaßt werden müssen. Daß hierfür große finanzielle Volumina zur Verfügung gestellt werden müssen, ist auch klar.
Herr Dr. Kreile, ich muß es kurz machen, des Abends wegen. Sie beklagen die Vorschläge der Bundesregierung, schlagen aber selbst nichts vor.
Was will die Opposition? Will sie den Konjunkturzuschlag? Der betrifft dann alle gleich. Sie sagten, er müsse bei einer Einkommensgrenze ansetzen, die unterhalb 200 000 DM bei Verheirateten sei. Sagen Sie doch bitte, wo! Bei 50 000, bei 30 000 oder bei 80 000 DM? Die Regierung hat ganz konkrete Vorschläge gemacht. Die Opposition redet darum herum. Sie ist nicht dafür, sie ist dagegen, sagt, sie möchte etwas anderes an Stelle z. B. der Mineralölsteuer, weil sie so unsozial wäre, z. B. den Konjunkturzuschlag. Der Konjunkturzuschlag, erhoben bei der großen Zahl der Beschäftigten — denn wenn Sie es nicht tun, wirkt er ja nicht, dann bringt er nicht die Masse von einigen Milliarden DM, die Sie damit zusätzlich abschöpfen müßten —, würde die Arbeitnehmer sehr viel mehr belasten als die relativ wenigen Mark, durch die die Arbeitnehmer und andere durch die Mineralölsteuererhöhung betroffen sind.
Es ist nicht richtig, wenn Sie sagen, diese Steuererhöhungen wirkten preiserhöhend. Wenn der Bundeshaushalt mehr durch Steuereinnahmen als durch Erhöhung der Nettokreditaufnahme finanziert wird, dann wirkt das in der Tendenz volkswirtschaftlich stabilisierend, auch wenn nicht zu bestreiten ist, daß sich Verbrauchsteuern natürlich in den Verbraucherpreisen niederschlagen können und eventuell auch werden.
Preiserhöhend würde in dieser Phase der Konjunktur wirken, wenn der Bund an der Stelle der Steuereinnahmen, mit denen er den Haushalt finanziert und die stillgelegt werden, soweit sie zur Finanzierung des Haushalts nicht nötig sind, die Kreditaufnahme erhöhte.
Herr Dr. Kreile, die Bundesregierung sieht die steuerpolitischen Vorschläge natürlich nicht als Wunderwaffe in der Stabilitätspolitik. Hier kommen viele Maßnahmen zusammen — wahrscheinlich wird im Laufe der Debatte noch darüber gesprochen —: Die Währungspolitik der Bundesregierung, die Kreditpolitik der Deutschen Bundesbank, die Finanzpolitik des Bundes auf der Aufgaben- und Einnahmeseite — hoffentlich unterstützt durch andere Gebietskörperschaften, vor allem durch die Länder und die großen Gemeinden —, die Wettbewerbspolitik, über die beraten wird — das Kartellgesetz nämlich —, die Tarifpolitik der Tarifpartner und die Preispolitik der Unternehmen, das alles zusammen bildet die Stabilitätspolitik der Bundesregierung. Die Christlich-Demokratische und die Christlich-Soziale Union müßten sagen, welche andere Stabilitätspolitik sie machen wollen. Sie schlagen überhaupt nichts vor. Sie reden von Stabilität, aber sagen nicht, was Sie anders täten als die Bundesregierung.
Herr Dr. Kreile, die Bundesregierung hat getan, was sie angekündigt hat, nämlich daß sie zur Finanzierung von mehr öffentlichen Dienstleistungen und Investitionen auch zusätzlich Steuern erheben muß und wird. Sie verlangen in Reden — vor allem in Sonntagsreden — überall größere öffentliche Leistungen. Ob es sich um Autobahnen in Bayern oder
Deutscher Bundestag — 7, Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. April 1973 1265
Parl. Staatssekretär Porzner
in Niedersachsen handelt, ob es sich um regionale strukturpolitische Maßnahmen im Zonenrandgebiet oder in anderen Regionen handelt, überall stellen Sie draußen Forderungen, verlangen von der Bundesregierung und den anderen Gebietskörperschaften mehr, als wir bieten können, ohne daß Sie selbst den Mut aufbringen, sich auch nur konkret ein einziges Mal öffentlich darüber zu äußern, wie Sie diese Leistungen finanzieren wollen. Das ist die Unglaubwürdigkeit, die ihrerseits in der politischen Diskussion steckt, daß Sie wie gesagt — nämlich mehr Leistungen des Staates verlangen, ohne anzugeben, wie Sie sie finanzieren wollen.
Vielleicht gibt die Diskussion noch Aufschluß darüber, wie die Opposition die politischen Forderungen, die sie stellt, finanzieren will, welche konkreten Vorschläge sie macht. Herr Strauß hat hier schon öfter gesagt: hic Rhodos, hic salta. Nennen Sie doch Ihre Vorschläge.
Da haben Sie recht. Wir haben die Verantwortung. Wir werden der Verantwortung dadurch gerecht, daß ein stabilitätspolitisch orientierter Bundeshaushalt vorgelegt wird.
Wir haben auch die Verantwortung dafür übernommen, daß wir die Ausgaben finanzieren, die wir vorhaben. Die Regierung ist ihrer Verantwortung gerecht geworden. Sie hat sich durchaus nicht gescheut, unpopuläre Maßnahmen vorzuschlagen. Steuererhöhungen sind ja durchaus nichts Angenehmes.
Herr Strauß, Sie werden Ihrer Verantwortung aus der Opposition heraus nicht gerecht, weil Sie nämlich sagen, es müsse anders gemacht werden, ohne daß Sie sagen, wie Sie es anders machen wollen. Wenn sich die Bundesregierung wie Sie verhielte, wäre Ihre Kritik gerechtfertigt. Aber wir werden uns im Laufe dieser Diskussion noch dreimal im Kreise herumdrehen, wenn Sie bei der Linie bleiben, die Sie haben, weil Sie es nicht wagen werden, hier konkret zu sagen, welche Steuern Sie an Stelle derer erhöhen würden, die Sie kritisieren.
- Ja eben, zur Finanzierung von Aufgaben, die im Bundeshaushalt angegeben sind. Wenn Sie Milliarden-Beträge streichen würden — in diesem Jahr 1,4 Milliarden DM —, könnten wir um 1 Milliarde und 400 Millionen DM weniger an öffentlichen Leistungen erbringen. Wenn Sie der Meinung sind, daß die zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von
1,4 Milliarden DM — oder mehr oder weniger — gestrichen werden müßten, dann müssen Sie hier zugleich auch vorschlagen, welche Ausgaben um 1,4 Milliarden DM gestrichen werden. Aber zu solchen Entscheidungen können Sie sich nicht durchringen. Dazu fehlt Ihnen offensichtlich auch der Mut.
Meine Zeit, die ich angegeben habe, ist abgelaufen;
deswegen will ich mich kurzfassen. Wir bitten Sie darum, entweder zu sagen, was Sie anders machen wollen, wie Sie es anders machen wollen, wo Sie Streichungen vornehmen wollen oder wo Sie Vorschläge der Bundesregierung, die wir gemacht haben, durch andere ersetzen wollen und auch zu sagen, wodurch Sie sie ersetzen wollen. Sonst wird diese Debatte weiter so verlaufen wie bisher, daß wir morgen und womöglich auch übermorgen noch dreimal das gleiche von Ihnen hören werden.