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ID0702602600

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    Deutscher Bundestag 26. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. April 1973 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . 1219 A Aussprache über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1973 (Haushaltsgesetz 1973) (Drucksache 7/250) in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1972 bis 1976 (Drucksache 7/370), mit Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 1973 (Druckache 7/419) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 und des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Drucksache 7/422) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern (Zweites Bundesbesoldungserhöhungsgesetz) (Drucksachen 7/411, 7/442) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes über die Sechzehnte Rentenanpassung und zur Regelung der weiteren Anpassungen der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Drucksache 7/427) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Fünften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Fünftes Anpassungsgesetz — KOV) (Abg. Geisenhofer Dr. Althammer, Ziegler, Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Riedl [München], Dr. Waigel, Maucher, Burger, Dr. Götz, Müller [Remscheid], Dr. Blüm und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 7/315) — Erste Beratung —Strauß (CDU/CSU) . . . . . . . 1220 D Haehser (SPD) . . . . . . . . 1232 D Kirst (FDP) . . . . . . . . 1241 A Leicht (CDU/CSU) 1246 B Dr. von Bülow (SPD) 1252 B Gallus (FDP) . . . . . . . . 1254 B Hermsdorf, Parl. Staatssekretär (BMF) 1255 D Schmidt, Bundesminister (BMF) . . 1260 B Dr. Kreile (CDU/CSU) . . 1261 A Porzner, Parl. Staatssekretär (BMF) 1264 A Offergeld (SPD) 1265 C Dr. Vohrer (FDP) 1267 D Nächste Sitzung 1269 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 1271* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. April 1973 1219 26. Sitzung Bonn, den 4. April 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 15.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 7. 4. Adams * 7. 4. Dr. Aigner * 7. 4. Dr. Artzinger * 7. 4. Dr. Bangemann * 7. 4. Dr. Becher (Pullach) 6. 4. Behrendt * 7. 4. Blumenfeld 7. 4. Buchstaller 6. 4. Dr. Burgbacher * 4. 4. Buschfort 6. 4. Dr. Corterier * 7. 4. Frau Däubler-Gmelin 6. 4. Dr. Dregger ** 16. 4. Fellermaier * 8. 4. Flämig * 7. 4. Frehsee " 7. 4. Dr. Früh * L1. Früh 7. 4. Gerlach (Emsland) * 7. 4. Gewandt 7. 4. Härzschel * 7. 4. Hofmann 6. 4. Dr. Jaeger 6. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) * 7. 4. Kahn-Ackermann ** 7. 4. Kater 30. 4. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kirst 6. 4. Dr. Klepsch * 7. 4. Lange * 7. 4. Lautenschlager * 6. 4. Frau Dr. Lepsius 7. 4. Löffler 6. 4. Lücker * 7. 4. Dr. Martin 7. 4. Memmel * 7. 4. Mikat 6. 4. Müller (Mülheim) * 6. 4. Mursch (Soltau-Harburg) * 6. 4. Dr. Oldenstädt 6. 4. Frau Dr. Orth * 7. 4. Picard 7. 4. Richter ** 7. 4. Dr. Riedl (München) 18. 4. Ronneburger 4. 4. Frau Schleicher 6. 4. Schmidt (München) * 7. 4. Schmidt (Wattenscheid) 7. 4. Frau Schuchardt 8. 4. Dr. Schulz (Berlin) " 7. 4. Schwabe * 7. 4. Dr. Schwencke ** 7. 4. Dr. Schwörer * 7. 4. Seefeld * 8. 4. Spillecke 6. 4. Springorum * 7. 4. Dr. Starke (Franken) * 7. 4. Walkhoff * 7. 4. Frau Dr. Wex 6. 4. Frau Dr. Wolf ** 6. 4. Wrede 7. 4.
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    Rede von Albert Leicht


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kirst, ich befürchte nicht, daß Herr Strauß nicht auch in der Lage und, wenn dazu aufgefordert, auch dazu gewillt ist, das Thema, das er heute hier behandelt hat, vor Gewerkschaften zu behandeln. Nur gehe ich davon aus, daß er dort wahrscheinlich auf ein höheres Verständnis stoßen, unter Umständen auch auf seine Argumentation bessere Aussagen bekommen wird als hier.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Dann soll er doch einmal hingehen!)

    Eine zweite Bemerkung zu dem, was Sie sagten. Ein Stabilitätspaktangebot war hier gegeben worden; es wurde von Ihnen zurückgewiesen. Sie können von der Opposition nicht verlangen, daß sie sich daran hält, während Sie, die Sie Verantwortung tragen, sich nicht daran halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eine dritte Feststellung. Allmählich werden hier in diesem Hause die Fronten verkehrt. Hier sitzt doch die Regierung, und die Regierung trägt die Verantwortung, Herr Kirst. Sie trägt auch die Verantwortung für Wirtschaftspolitik, Preissteigerungsraten, Finanzpolitik. Das müssen Sie zugestehen. Die Frage an die Opposition nach Alternativen stellt sich erst in dem Augenblick

    (Zuruf von der SPD: Die war nötig!)

    — sie hat sich 1972 bei den Wahlen gestellt , wenn
    1976 erneut zu den Wahlen gegangen wird oder wenn diese Regierung nicht mehr in der Lage wäre, die Verantwortung zu tragen. Dann ist die Stunde der Alternativen der Opposition da.

    (Zurufe von der SPD.)

    Soll ich Ihnen jetzt zitieren, was Herr Möller zu dieser Frage gesagt hat, was Herr Schmidt noch im Jahre 1965 hier verkündet hat, was Oppositions- und was Regierungsrolle ist? Ich möchte Sie damit verschonen.
    Zur Inflationsrate habe ich schon gesagt, daß man natürlich auch dafür die Verantwortung tragen muß, wenn man die Regierung innehat. Sie können das nicht auf die verschiedensten Gruppen abwälzen, weil man selbst nicht in der Lage war — diejenigen nämlich, die die Verantwortung tragen —, die entsprechenden Maßnahmen rechtzeitig einzuleiten.
    Nun lassen Sie mich nach den harten Auseinandersetzungen der letzten Monate, wobei es auch um Ordnung oder Unordnung, um Krisen oder nicht Krisen in der öffentlichen Finanzwirtschaft gegangen ist, feststellen, daß die Vorlage, die der Herr Bundesfinanzminister gestern diesem Hohen Hause vorgelegt hat, nach meiner Beurteilung nicht der eigentlich zu erwartende, solide fundierte, mit Zahlenwerken ausgestattete Bundeshaushalt ist. Er ist den Beweis, wenn Sie so wollen, schuldig geblieben. Das hat er auch mit der gestrigen Rede bewiesen.
    Von Mackenzie King stammt das Wort: „Die Versprechungen der Parteien von gestern sind die Steuern von heute." Diese Erkenntnis ist ein zweites Mal unter der sozialliberalen Koalition für den Steuerbürger und hier insbesondere für den Autofahrer bittere Wirklichkeit geworden. Notwendig und für die künftige Auseinandersetzung sicherlich hilfreich wäre eine genauere Definition dessen, was



    Leicht
    unter der Gefährdung der Staatsfinanzen insgesamt, bei Bund, Ländern und Gemeinden, verstanden werden soll. Es ist natürlich eine Frage, ob ein angeblich armer Staat bei angeblich privatem Reichtum seiner Bürger logisch überhaupt denkbar ist. Natürlich kommt eine Regierung immer zu ihrem Recht. Jede Regierung hat die Macht und den Apparat dazu. Sie kann also, um es deutlich auszudrücken, jederzeit, wenn sie will, sich die nötigen Einnahmen verschaffen, Steuern erhöhen. Jedenfalls wird uns die Frage der laufenden Steuererhöhungen ständig begleiten. Schließlich war es doch diese Regierung — es ist gut, wenn man auch das erwähnt —, die einmal unter Reformen auch Steuererleichterungen verstand und mehr Stabilität verlangte, damit aber kläglich — zumindest der jetzige Stand sagt das aus — gescheitert ist.
    Der Haushalt 1973 hat seine Wiege in der Vergangenheit. Insofern hat Herr Haehser recht, wenn er auch über den Haushalt 1972 gesprochen hat. Das wirtschaftlich und finanziell solide Fundament des Jahres 1969 ist, wie ich meine, durch eine Versprechenspolitik verspielt worden. Diese Versprechenspolitik erreichte 1971 mit dem Mammuthaushalt einen Höhepunkt. Gleichzeitig signalisierte dieser Haushalt 1971 das Ende. Denn allein die Schwierigkeiten seiner Fortschreibung bewogen den ersten Finanzminister der Regierung Brandt/ Scheel — er sitzt vor mir — zum Rücktritt, weil er von „Solidität und Stabilität" der Staatsfinanzen, wie er es nannte, eine andere Vorstellung hatte als die meisten seiner Kabinettskollegen.
    Die Folgen der Versprechens- und Reformpolitik zeigten sich schon bald in Gestalt gewaltiger Dekkungslücken, weniger zunächst beim Bund als viel mehr damals schon bei Ländern und Gemeinden, weil diese die Hauptlast der Reformpolitik zu tragen hatten, und bei Post und Bahn, die nicht an den Segnungen der Steuerprogression teilhatten.
    Der Bundeshaushalt zog dann aber schnell nach und offenbarte das ganze Dilemma, in das sich die Bundesregierung binnen nur drei Jahren hineinmanövriert hat. Der Haushalt 1972 liegt in seinem Abschluß vor. Er ist in der Tat, Herr Haehser — insofern vertrete ich eine andere Meinung als Sie —, kein Ruhmesblatt erfolgreicher Haushaltspolitik. In der Gesamtbeurteilung ist zweifelsfrei, daß der Haushaltsablauf 1972 den stabilitätspolitischen Anforderungen in keiner Weise entspricht. Das bestätigt übrigens auch die Bundesbank; das sagt nicht nur die Opposition. Die Ausgabensteigerung des Bundes betrug nach den offiziellen Zahlen 12 v. H. und war damit in höchstem Grade inflationsfördernd, weil sie erheblich über dem Wachstum der Gesamtleistungen unserer Volkswirtschaft lag.
    Entgegen der erklärten Absicht der Bundesregierung waren die Ausgaben des Jahres 1972 höher als die Gesamtausgaben.

    (Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört!)

    Sie haben als Grund die besonderen Zuwendungen an die Bundesbahn genannt. Aber da muß man dann auch fragen: Warum war es notwendig geworden, der Bundesbahn im Jahre 1972 7,2 Milliarden DM,
    glaube ich, an Zuschüssen des Bundes zu geben? Auch diese Frage muß man dann stellen.
    Sie haben darauf hingewiesen, daß man großartig gefahren sei. Nun müssen wir aber auch feststellen, daß der Haushalt 1972 erst am 18. Dezember hier verabschiedet worden ist, daß also praktisch ein Jahr lang nach den Regeln des Nothaushaltsrechts — Art. 111/112 GG — gefahren werden mußte und von da her praktisch der Zwang — der gute Zwang, wie ich meine — gegeben war, die Haushaltsführung sparsam zu betreiben. So viel zur Ausgabenseite.
    Wie sieht es auf der Erfolgsseite aus? Zweifelsfrei ist, daß trotz der stabilitätswidrigen Ausgabensteigerung wegen des mangelndes Mutes der Regierung zur Prioritätensetzung in der Finanzpolitik und wegen der immer fühlbarer werdenden Inflationsfolgen wichtige Staatsaufgaben nur unzureichend erfüllt werden. Beispielsweise werden bei der Bundesbahn trotz der überplanmäßigen Ausgaben von 1,2 Milliarden — Herr Haehser, das hätten Sie sagen müssen —

    (Richtig hei der CDU/CSU) die Defizite immer größer.

    Unter dem Schlagwort von der Verbesserung der Lebensqualität hat sich die Regierung den ver- stärkten Ausbau der öffentlichen Einrichtungen — wie Straßen, Schulen, Sportstätten usw. — zum Ziel gesetzt. Bereits nach den offiziellen Zahlen für die ersten neun Monate des Jahres 1972 sind jedoch, auch wenn Sie es immer wieder anders sagen, die Bundesausgaben für derartige Sachinvestitionen gegenüber dem Vorjahr sowohl real wie auch nominal zurückgegangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    An diesem Bild wird sich, wenn wir das gesamte
    Jahr nehmen, sicherlich nichts Wesentliches ändern.
    Von daher wird man auch die Frage nach der Gefährdung der Staatsfinanzen insgesamt stellen müssen.

    (Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

    Denn trotz konjunkturwidriger hoher Ausgabensteigerungen, trotz Steuererhöhungen, trotz Tariferhöhungen bei Post und Bahn, trotz inflationsbedingter gewaltiger Steuermehreinnahmen trägt der Staat nicht mehr, sondern weniger als früher zur Verbesserung der Lebensqualität seiner Bürger bei.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich sage das zum besseren Verständnis des vorgelegten Haushaltsentwurfs 1973, der von demselben Geist geprägt ist wie seine Vorgänger. Darüber kann auch nicht die Tatsache hinwegtäuschen, daß die noch im alten Finanzplan vorgesehene globale Minderausgabe für 1973 nunmehr nicht mehr im Entwurf erscheint

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    und ordnungsgemäß veranschlagt ist, was ich ausdrücklich begrüße.
    Die Fixierung des Ausgaberahmens auf 120,4 Milliarden DM hat ihre eigentliche Ursache — Herr



    Leicht
    Kollege Haehser, auch da bin ich etwas anderer Meinung als Sie — in den Ereignissen des Wahlherbstes 1972. Anfang September hatte der Bundesfinanzminister in einem haushaltspolitischen Kraftakt das vorgelegte Ausgabenrezept entworfen, um die Gespenster der drohenden Finanzkrise zu verscheuchen. Schon damals also hatte dieser Haushalt seine Geburtswehen; und erst heute, nach sechs Monaten, ist er nun geboren. Ein halbes Jahr liegt zwischen dem ersten Rohentwurf und der heutigen Vorlage. Allein diese zeitliche Verzögerung macht schon das volle Ausmaß der haushaltspolitischen Schwierigkeiten auch denjenigen deutlich, die nicht die Nähkästchenplaudereien des Kollegen Ahlers gelesen oder die vielen widersprüchlichen Äußerungen aus dem Lager der Regierungsparteien zu den Steuererhöhungen zur Kenntnis genommen haben.
    Grund des Hinauszögerns der Haushaltsvorlage scheint mir gewesen zu sein, daß die Regierung zunächst Zeit gewinnen wollte, einmal deshalb, weil sie sich im offenkundigen Mißtrauen gegenüber dem eigenen Zahlenwerk des Etatgerüsts 1973 zunächst alle Möglichkeiten der haushaltstechnischen Kniffe, die sich am Ende des Haushaltsjahres bieten, und darüber hinaus wenigstens einen Teil des Jahres im Fahren des Haushalts erhalten wollte, und zum anderen deshalb, weil sie gewisse Korrekturen auf der Einnahmeseite infolge inflationsbedingter Steuermehreinnahmen erwarten durfte.
    Nur um den Anschein der Seriösität der von ihr Anfang September 1972 gefaßten Rahmenbeschlüsse zur Haushalts- und Finanzplanung zu wahren, hielt die Bundesregierung am Ausgabeplafonds von rund 120 Milliarden fest. Auf diese Weise erreichte sie es, nicht nur die Steigerungsrate der Bundesausgaben jenen von der EG-Kommission empfohlenen 10,5 % anzugleichen, sondern, nachdem 1,4 Milliarden noch im Jahre 1972 gezahlt waren, diesen Wert mit 9,7 % noch zu unterbieten, um damit gegenüber Landes- und Gemeindeparlamenten ein vorbildliches Finanzgebaren vorzutäuschen. An diesem Sachverhalt ändern auch die Absichtserklärungen der Bundesregierung nichts. Ihre Absicht, Herr Bundesfinanzminister, 2000 Stellen einzusparen — den Willen, dies zu tun, begrüße ich —, steht, wie ich meine, mit der Wirklichkeit nicht in Einklang. Denn erstens handelt es sich nicht um Einsparungen, sondern um vorübergehende Nichtbesetzungen,

    (Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

    und zweitens kennen Sie so gut wie ich die am Haushalt, am Parlament, wenn Sie so wollen, vorbeigehende Praxis der Nachschiebelisten, die nur über den Haushaltsausschuß läuft.

    (Abg. Dr. Klepsch: Hört! Hört! — Abg. Stücklen: Wie gehabt!)

    Eine Nachschiebeliste von erheblichem finanziellen Gewicht haben wir erst vor wenigen Wochen im Haushaltsausschuß passieren lassen; weitere sind bekanntgeworden. Ich gehe nicht fehl in der Annahme, daß in den Schubladen der Ressorts, und zwar aller Ressorts, weitere Nachschiebelisten
    schlummern, um einen geeigneten Zeitpunkt für das
    Nehmen der parlamentarischen Hürde abzuwarten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wenn man es mit der Ankündigung, die Mittel an die institutionellen Zuwendungsempfänger zu kürzen, wirklich ernst meint, frage ich, warum man dann nicht gleich die entsprechenden Kürzungsansätze in den Haushalt eingesetzt hat. Allein das wäre glaubwürdig gewesen. So können wir uns jetzt hinsetzen — das trifft alle Kollegen im Haushaltsausschuß — und im Einzelfall prüfen, ob es möglich ist oder nicht. Nur die Arbeit wird, wenn Sie so wollen, auf das Parlament abgeschoben.
    Mit der geplanten Nettokreditaufnahme von 3,8 Milliarden DM verhält es sich im Grunde genauso. Wenn sich der Herr Bundesfinanzminister gestern in seiner Rede hier damit gebrüstet hat, die Schuldenaufnahme in diesem Jahr gegenüber dem Finanzplan 1972 bis 1975 um 2 Milliarden DM zu senken, dann wäre es nur redlich gewesen, auch zu sagen, daß gegenüber dem alten Finanzplan nun im Jahre 1973 mit inflationsbedingten Steuermehreinnahmen und Mehreinnahmen aus Steuererhöhungen zusammen 7,2 Milliarden DM mehr eingehen, als im Finanzplan 1972 bis 1975 geplant war.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    In all Ihrer Bescheidenheit, Herr Minister, unterschlagen Sie die Existenz der Schattenhaushalte, die das Volumen der Schuldenaufnahme in einem anderen Licht erscheinen lassen: die Stundung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung, die Krankenhausfinanzierung, die Einräumung der Schuldbuchforderung — etwas Neues — an die Saar-Bergwerke, die Olympia-Finanzierung und auch die vom Bundeshaushalt irgendwann einmal abzudeckenden Verluste der Bundesbahn und Bundespost aus früheren Jahren, um nur die wichtigsten Posten zu nennen.
    Der ganze Trick, mit all diesen Schwierigkeiten fertig zu werden, besteht also darin, daß die Bundesregierung die Ausgangsbasis für die Ausgabenplanung erhöht, die Steigerungsrate so künstlich senkt, daß sie am Ausgabenplafond festhält, ihn nicht aktualisiert und der Preisentwicklung anpaßt, daß sie inflationsbedingte Steuermehreinnahmen und im übrigen Schuldenaufnahmen außerhalb des Bundeshaushalts außer Betracht läßt.
    Die Regierung hat ein weiteres Mal die Steuern erhöht. Nach der Erhöhung der Verbrauchsteuern, die in ihrer vollen Erhebung in diesem Jahr rund 4 Milliarden DM bringen, hat sie eine weitere Erhöhung der Steuern vorgenommen, die knapp 2 Milliarden DM einbringt. Das sind zusammen, ohne jene Milliarden inflationsbedingter Mehreinnahmen, fast 6 Milliarden DM Einnahmeverbesserungen. Zur Konsolidierung des Bundeshaushalts „unvermeidbar" sagt der große, „vermeidbar" sagt der kleine Koalitionspartner. Dies ist eine besonders delikate Art, sich im nachhinein gegenüber dem Wähler zu rechtfertigen. Vermeidbar oder nicht — das ist hier nicht so sehr die Frage —, entscheidend ist meiner Meinung nach, ob die neuen Steuererhöhungen



    Leicht
    sachlich dadurch gerechtfertigt sind, daß sie zu einer echten Leistungsverbesserung des Staates führen. Dem ist nicht so. Schon ein globaler Vergleich mit dem Vorjahr läßt erhebliche Zweifel daran aufkommen, daß hier im öffentlichen Bereich mit mehr Steuereinnahmen auch mehr Leistungen erbracht werden. Absolut steigt das Volumen des Haushalts mit runden 10 Milliarden DM wie im Vorjahr. Die Preissteigerungen und die Preiserhöhungserwartungen sind jedoch in diesem Jahr erheblich stärker, und zwar in allen Bereichen. Schrittmacher ist dabei vor allem die Kostenexplosion im Bereich der technischen Entwicklung, die nach und nach auch auf andere Bereiche übergreift. Am deutlichsten zeigt sich das bei den militärischen Beschaffungen, aber auch beim Vordringen der Elektronik in alle Verwaltungsbereiche, von der Polizei über die Medizin zur Finanz- und Steuerverwaltung. Hand in Hand mit der Beschaffung verteuert sich natürlich die Betreuung und Unterhaltung dieser Einrichtungen, weil die Anforderungen an qualifiziertem Personal wachsen. Ich fürchte, daß im Bereich der technischen Entwicklung gerade seitens der öffentlichen Hand und da insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung des Guten zuviel oder oft nicht das Richtige getan wird. Wenn wir heute feststellen, daß in weiten Bereichen der Bundesverwaltung jedes Ministerium seine eigene Datenverarbeitung aufbaut, wenn wir feststellen, daß heute schon über 7000 Beschäftigte in diesem Bereich tätig sind, dann muß man sich allmählich fragen, ob da noch das Richtige dosiert gemacht wird.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Vielfach handelt es sich dort, wo die Bundesregierung mühsam versucht, eine Verbesserung der Finanzausstattung herauszustellen, nur um die zwangsläufigen finanziellen Auswirkungen früherer Gesetzesinitiativen, so z. B. im Bereich der inneren Sicherheit und beim Umweltschutz. In anderen Bereichen werden besondere finanzielle Anstrengungen angekündigt, die doch bloße zwangsläufige Folgen dynamisierter Gesetzesregelungen sind, wie etwa beim Wohnungsbau und beim Sparprämiengesetz. Weiter werden andere mit Priorität bedachte Aufgabenbereiche genannt, die im Grunde wegen der Wirtschaftspolitik der letzten Jahre in arge Bedrängnis geraten sind und für die jetzt der Staat Sorge tragen muß. Ich denke vor allen Dingen an den Steinkohlebergbau, die Landwirtschaft, die Entwicklungshilfe und an vieles andere mehr.
    Symptomatisch für den Zusammenbruch der ganzen Reformpolitik ist doch auch, daß die Bildung, die einmal den Reformkatalog mit 35 % Steigerungsrate anführte, heute unter „ferner liefen" rangiert. Hier wurde vorhin für 1973 die Zahl von 10,7 % genannt. Noch im Finanzplan des vergangenen Jahres war die Steigerungsrate für 1973 im Bereich der Bildung mit 17 °/o vorgesehen, vorher waren es 20 % und einmal sogar 35 %. Da darf man doch noch fragen, wo denn da die Prioritäten sind und wo sich da das Geld, wenn es schon um Prioritäten geht, in echte Mehrleistungen des Staates umsetzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Doch damit nicht genug. Wir haben überdies allen Grund, die Vollständigkeit des vorgelegten Ausgabenkatalogs anzuzweifeln. Das wird immer so sein. Jeder Haushalt wird gewisse Risiken in sich bergen; aber man muß sich darüber klar sein, daß diese Risiken vorhanden sind und daß man dafür unter Umständen im Laufe des Jahres das nötige Geld zur Verfügung stellen muß. Ich erwähne den Devisenausgleich, den wir hier im Parlament immer mit Diskretion behandelt haben. Mitte des Jahres ist das neue Devisenausgleichskommen mit den USA fällig. Hier kommt mit Sicherheit ein gewaltiger Ausgabebrocken auf den Bundeshaushalt 1973 zu, für den zunächst keine Deckung da ist, es sei denn — und das soll eine Frage sein; ohne jetzt zu werten —, die Regierung beabsichtige, hierfür die Stabilitätsanleihe einzusetzen. Auch denke ich in diesem Zusammenhang an die vielen Wirtschaftsbereiche, die die Hauptleidtragenden der Währungspolitik geworden sind und die in Zukunft staatlicher Unterstützung bedürfen, so vor allein der Steinkohlebergbau, die Werften, die Aluminiumindustrie, die Landwirtschaft und viele andere, die man im Augenblick noch gar nicht alle benennen kann Mit großer Wahrscheinlichkeit wird also das Ausgabensoll von 120 Milliarden nur schwer zu halten sein.
    Nun eröffnen sich bei der Frage der Deckung des Ausgabenkolosses interessante Perspektiven. Die Steuerschätzung geht nämlich meiner Meinung nach von sehr optimistischen Voraussetzungen aus. Sie basiert auf einer nur mäßigen Preissteigerung von 5 bis 6 v. H. - daran glaubt niemand mehr im Augenblick — und einer verhältnismäßig gezügelten Gewinnentwicklung der Unternehmen. Erhebliche Steuermehreinnahmen sind also aller Wahrscheinlichkeit nach zu erwarten, vor allem bei der Lohnsteuer, bei der wegen des inflationären Trends immer mehr Arbeitnehmer in höhere Progressions-stufen hineinwachsen. Herr Strauß hat dazu die entsprechenden Ausführungen gemacht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die soziale Steuerung!)

    Die Einnahmenseite ist nicht voll ausgereift. Man könnte hier in der Tat bei etwas gutem Willen den Ansatzpunkt zu einer besonneneren Finanzpolitik sehen, wenn nicht der Kabinettsbeschluß vom 17. Februar wäre, der besagt — ich darf wörtlich zitieren mit Genehmigung der Frau Präsidentin —:
    Im Jahre 1973 anfallende Steuermehreinnahmen werden, soweit sie nicht zum Ausgleich für neu auftretende unabweisbare Mehrbelastungen benötigt werden, auf ein Sonderkonto bei der Deutschen Bundesbank stillgelegt.
    Mit dieser salvatorischen Klausel soll also die Kluft zwischen der Haushaltswirklichkeit auf der einen Seite und der Haushaltsplanung überbrückt werden, einer Haushaltsplanung, die einmal aus wahltaktischen Überlegungen entworfen und aus falschem Prestigedenken dann beibehalten worden ist.
    Im Rückblick haben wir dann das bekannte Bild: immer mehr Mehrausgaben werden durch mehr Mehreinnahmen gerade noch mit Hilfe weiterer Steuererhöhungen abgedeckt. Das Gift der Inflation,



    Leicht
    wenn Sie so wollen, wird so listig und heimlich genommen. Die Geldentwertung wird immer stärker zum integrierten Bestandteil der Staatsfinanzen. Dabei wird zwangsläufig die Krisenanfälligkeit des Staates zunehmen.
    Unbestreitbar ist, daß sich die geplanten Steuererhöhungen ausschließlich zugunsten des Bundes auswirken.

    (Zuruf von der SPD: Das ist nicht korrekt, Kollege Leicht!)

    Auch das geschieht nicht ohne Absicht. Der Bund weiß sehr wohl, daß er ab 1974 nicht umhinkann, den Ländern einen größeren Anteil am Steuerkuchen zu geben, und zwar aus Gründen — das muß doch einmal festgehalten werden — der unterschiedlichen Ausgabenstruktur und Aufgabenstruktur der Länder- und Gemeindehaushalte, die ungleich schwerer von der Inflation betroffen werden als z. B. der Bundeshaushalt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mit dem hohen Anteil an Personalkosten, mit der Last, die Träger der öffentlichen Investitionen zu sein, ist es zwangsläufig verbunden, daß die Relation der Zuwächse der Haushalte bei den staatlichen Institutionen in Ländern und Gemeinden eben eher größer sein muß als beim Bund. Bei der Auseinandersetzung sollte man, meine ich, in Zukunft auf diese Dinge etwas mehr achten.
    Unter solchen Umständen nimmt es nicht wunder, wenn die Finanzwirtschaft der gesamten öffentlichen Hände immer mehr aus den Fugen zu geraten droht. Es ist bedauerlich, daß das bewegliche Element des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern auf diese Weise zu einer Art Steuererhöhungsautomatismus umfunktioniert wird. Ich meine, alle Seiten dieses Hauses haben ein Interesse daran, das zu vermeiden.
    Über die Absicht der Bundesregierung, im Jahre 1973 einen Teilbetrag der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten in Höhe von 2,5 Milliarden DM einzubehalten, ist in den letzten Wochen viel geschrieben und gesprochen worden. Sie alle kennen die scharfen Proteste, die diesmal einheitlich aus allen Lagern kommen. Herr Strauß hat dazu schon Einzelheiten vorgetragen. Diese Maßnahme — das ist unverkennbar; insofern gehört das erst recht hierhin dient ausschließlich der Ausfüllung von Lücken im Bundeshaushalt. Wenn Sie so wollen, ist es eine Zwangsschuldenaufnahme. Mit den erhöhten Beitragssätzen zu Anfang des Jahres — 17 auf 18 v. H. — wird Schindluder getrieben. Man hätte darauf verzichten können, weil man dafür keine Zinsen zahlt. Man nimmt noch nicht einmal die Zinserträge ein, die eventuell notwendig sein werden, um später, ab 1980, die Rentenversicherung zu finanzieren. Die Beitragserhöhungen dienen nicht, wie es fälschlicherweise immer behauptet wird, der Stärkung der Rentenversicherung, nicht der langfristigen Konsolidierung der Rentenversicherungsfinanzen, nicht den Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern einzig und allein zur Auffüllung der Haushaltslücken.

    (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Warum haben wir sie dann gemeinsam vor fünf Jahren beschlossen?)

    — Weil damals hinsichtlich der Berechnung eine andere Situation gegeben war,

    (Abg. Wehner: Weil ihr damals noch in der Regierung wart!)

    weil wir meinten, es sei notwendig, die Zinsen zu bekommen, um im Jahre 1980 mit diesen Zinsen für die Rentenversicherungsträger und eventuell für die Rentner mehr tun zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Genau das tun Sie nicht, das verhindern Sie mit diesem Beschluß.

    (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Sie scheinen die Finanzplanung schlecht im Kopf zu haben!)

    — Dazu, Herr Schäfer, wird morgen mit Sicherheit noch viel gesagt werden;

    (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Sie haben die Finanzplanung von 1969 schlecht im Kopf!)

    dann können Sie sich damit auseinandersetzen. (Abg. Wehner: Zahlen haben kurze Beine!)

    Die zinslose Stundung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherung bis zum Jahre 1981 — das nehme ich sehr ernst, Herr Kollege Hermsdorf; Herr Schmidt ist nicht mehr da — kulminiert mit dem Auslaufen der geltenden Lastenausgleichsregelung. Die dann einsetzende Defizithaltung des Bundes kann mit Risiken verbunden sein — sie muß es nicht unbedingt sein, aber sie kann und wahrscheinlich wird sie es sein —, die heute kaum überschaubar sind. Zusammen mit der dann fälligen Zahlung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung kommt ein Ausgabenstoß auf den Haushalt zu, der zu neuen, erheblichen Steuererhöhungen

    (Abg. Haase [Kassel] : Sehr richtig!)

    bei einer dann vielleicht schon sehr angespannten Lage im Bereich der Steuern zwingt.
    In Gesamtwürdigung all dieser Umstände kann von diesem Haushalt 1973, wie ich meine, kein Beitrag zur Wiedergewinnung der Stabilität erwartet werden. „Die Inflation beißt ihre Väter", hat Ludwig Poullain dieser Tage gesagt; und so ist es auch bei diesem Haushalt.

    (Zuruf des Abg. Wehner.)

    — Warum? Dürfen nur Sie zitieren, Herr Wehner?

    (Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Nein!)

    Aber wenn Sie Wert darauf legen, zitiere ich Sie,

    (Abg. Wehner: Humor haben Sie keinen!) dann ist es vielleicht lustiger.


    (Abg. Wehner: Sie haben Magensäure, das weiß ich!)




    Leicht
    — Betrachten Sie Ihr Gesicht! Daran kann man ablesen, wer Magensäure hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Der hat auch Likör!)

    Dieser Haushalt ist eher Opfer der von der Ausgabenpolitik geschürten Inflation als ein gestaltender Faktor. Er ist ein Schritt weiter auf jene reine Verteilerdemokratie zu, wie sie heute manchen Reformern vorschwebt. Daß diese Entwicklung den verbalen Zielvorstellungen der Regierungskoalition diametral entgegensteht, wird erst nach und nach in das öffentliche Bewußtsein dringen. Mit dem Finanzplan 1972 bis 1976 werden alle Grundübel linksliberaler Haushalts- und Finanzpolitik fortgeschrieben. Die Schwierigkeiten werden nicht geringer; sie werden vielmehr größer. In der Stabilitätspolitik wird die Bundesregierung bescheidener, in der Steuerpolitik drakonischer, im Staatsverbrauch verschwenderischer und in ihren Leistungen immer mäßiger.

    (Beifall bei der CDU/CSU. Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Und im Anhören immer geduldiger!)

    Wenn Sie gut zuhören, ist das sehr nett.
    Die Schwierigkeiten werden nicht zuletzt deshalb größer, weil die Regierung Ausgaben nach dem Stand von gestern und Einnahmen nach dem Stand von morgen veranschlagt. Es sind aber nicht die inflationsbedingten Risiken allein, die die künftige Entwicklung der Staatsfinanzen überschatten; es sind auch jene Entscheidungen, die schon heute der Abklärung bedürfen, sollen in Zukunft unnötige Reibungsverluste vermieden werden. In der vorigen Woche tagte der Finanzplanungsrat. Er ging auseinander, ohne ein nennenswertes Ergebnis zustande gebracht zu haben, sieht man von dem unwirksamen, weil einstweilen aufgeschobenen Beschluß zum Schuldendeckel der öffentlichen Hand und zur Streckung der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a des Grundgesetzes ab. Auch das Kommuniqué sagt wenig aus. Nicht einmal über die wichtigsten Orientierungsdaten konnte Einvernehmen erzielt werden. Genau das wollte ich gestern mit meinem Zwischenruf an den Herrn Bundesfinanzminister sagen. Ich habe das Stabilitätsgesetz vielleicht öfter gelesen und mindestens so gut erfaßt wie er selber, so daß ich diese Belehrung - er hat den Zwischenruf gar nicht richtig aufgenommen — mit Sicherheit nicht verdient hatte.
    Der Anteil der Investitionsausgaben an den Gesamtausgaben, also die Investitionsquote, fällt von Jahr zu Jahr kontinuierlich. Herr Strauß hat die Zahlen schon genannt. Sie fällt von 17,4 % im Jahre 1972 auf 15,2 % im Jahre 1976. Der, absolut gesehen, noch verbleibende Anstieg der Investitionsausgaben reicht bei weitem nicht aus, um dieselben Leistungen des Staates erbringen zu können, um also die Preissteigerungen aufzufangen. Weitere Steuererhöhungen sind da. Entgegen den Wahlversprechungen weisen jedoch die Ausgaben für die öffentlichen Investitionen im Bundeshaushalt sinkende Tendenz auf. Wenn man Reformen weitestgehend mit öffentlichen Investitionen gleichsetzt, wie das ja von verschiedenen Sprechern — angefangen vom Herrn Bundeskanzler über Herrn Möller bis hin zu anderen — getan worden ist, wenn man daran die Qualität des Lebens mißt, so kann die Politik, die sich in diesem Finanzplan dokumentiert, eher als eine Antireformpolitik denn als eine Reformpolitik qualifiziert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Haase [Kassel] : Das ist nicht mehr des kleinen Mannes Sonnenschein!)

    Das Absinken ist nun keineswegs Folge einer sparsamen Ausgabenpolitik; denn die Aufgabe, den bedrohlichen Preisauftrieb zu dämpfen, hat die Bundesregierung allein der staatlichen Einnahmepolitik zugedacht; den fiskalpolitischen Strategiewechsel erhellt das Stabilitätsprogramm vom 17. Februar dieses Jahres. Der Bund konnte sich nicht zur Ausgabendrosselung durchringen; dafür hat er die Last der Konjunkturstabilisierung einseitig dem Bürger in Form empfindlicher Steuererhöhungen aufgebürdet. Man braucht ja nicht erst die einschlägige Literatur zum Problem der konjunkturdämpfenden Wirkungen von Steuererhöhungen zu bemühen, um zu verstehen, worum es geht. Es ist schlankweg Unfug zu glauben, man könne mit der Steuerpolitik Stabilitätspolitik betreiben, wenn gleichzeitig bei den staatlichen Ausgaben aus dem Vollen geschöpft wird, die staatlichen Konsumausgaben überdurchschnittlich steigen und die investiven Ausgaben überdurchschnittlich absinken.

    (Abg. Haase [Kassel] : Sehr richtig!)

    Auf diese Weise erhalten Sie allenfalls mehr Umverteilung, aber mit Sicherheit nicht mehr Lebensqualität. Dieser Schatten liegt über dem Finanzplan. Die konsumtiven Staatsausgaben wachsen weiter. Die immer wieder angekündigte Umstrukturierung des Haushalts zugunsten der öffentlichen Investitionsaufgaben findet nicht statt. Die Ausgabenansätze für Bildung, Wissenschaft und Forschung, für Umweltschutz, Bundesstraßen und Autobahnen bleiben hinter den Ansätzen früherer Jahre zurück.
    Sie haben, Herr Bundesfinanzminister, den Haushalt 1973 als einen Haushalt der Vernunft bezeichnet. Dieses Prädikat können wir ihm nicht geben. Es ist eher ein Haushalt der Ohnmacht, der für wirkliche Reformen zuwenig — das ist vorhin schon gesagt worden — und für die Stabilität zuviel bringt.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Darf man denn nicht nüchterne Feststellungen treffen? Es ist ein Haushalt der Umverteilung als Folge einer euphorisch begonnenen, finanziell aber nicht abgesicherten Versprechungspolitik, der immer mehr im Strudel der Inflation unterzugehen droht. Die Konsequenzen sind weitere Steuererhöhungen. Sie sind für die nächsten Jahre, wie wir hier ja hören konnten, bereits vorprogrammiert.
    Es ist aber auch ein Haushalt der verspäteten Einbringung. Ich frage die Bundesregierung, insbesondere den Herrn Bundesfinanzminister — er kann da Abhilfe schaffen —, ob sie auch in Zukunft an der bisher geübten Praxis festhalten will, den Haushalt, wie in den letzten beiden Jahren geschehen — ich



    Leicht
    muß das insbesondere auf diese beiden Jahre beschränken —, so verspätet einzubringen. Dem Haushaltsausschuß muß, soll er seine kontrollierende Funktion gründlich wahrnehmen, genügend Zeit zur Beratung verbleiben. Schon jetzt ist die Frage zu stellen, ob ein 120-Milliarden-DM-Etat von den Kollegen des Haushaltsausschusses in vier Wochen so bewältigt werden kann, daß man in der Beratung mit ruhigem Gewissen sagen kann: Man kann ihn mitverantworten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haehser?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Haehser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Leicht, wenn Sie jetzt sagen, es sei die Frage zu stellen, ob das zu bewältigen sei, bedeutet das dann, das Sie sich mit dem Gedanken tragen, darauf hinzuwirken, daß der Bundeshaushalt erst nach der Sommerpause verabschiedet wird?