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    Deutscher Bundestag 20. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 Inhalt: Beratung des Jahresgutachtens 1972 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 7/2) in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1973 der Bundesregierung (Drucksache 7/225) Dr. Friderichs, Bundesminister (BMW) 903 B Dr. Narjes (CDU/CSU) 909 D Brandt, Bundeskanzler 917 D Strauß (CDU/CSU) 920 A Dr. Ehrenberg (SPD) 924 B Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . 929 D Dr. Zeitel (CDU/CSU) 936 A Dr. Schachtschabel (SPD) . . . . 969 B Kirst (FDP) 973 B Schmidt, Bundesminister (BMF) . 977 A Pieroth (CDU/CSU) 980 A Rapp (Göppingen) (SPD) . . . . 984 D Dr. Warnke (CDU/CSU) 987 C Dr. Lauritzen, Bundesminister (BMV) 990 D Dr. Wendig (FDP) 992 B Höcherl (CDU/CSU) 994 A Vogt (CDU/CSU) 995 D Gewandt (CDU/CSU) 996 B Wurbs (FDP) . . . . . . . . 998 B Fragestunde (Drucksache 7/296) Frage A 1 des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) : Antwort des Bundesministers Eppler auf die Aufforderung, Demonstrationen gegen den Extremistenerlaß zu organisieren Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . 941 D, 942 A, B, C Pfeifer (CDU/CSU) 942 A Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . 942 B Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . 942 B von Hassel, Vizepräsident . . . 942 C Reddemann (CDU/CSU) 942 C Fragen A 2 und 3 des Abg. Seiters (CDU/ CSU) : Erklärung des Bundesministers Bahr im Deutschlandfunk am 25. Februar 1973 und Abdruck im Bulletin Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . 942 D, 943 B, C Seiters (CDU/CSU) 943 A Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . 943 B Mick (CDU/CSU) 943 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 Frage A 4 des Abg. Reddemann (CDU/ CSU) : Vereinbarkeit des „Journalistenerlasses" der DDR-Regierung mit den zwischen dieser und der Bundesregierung abgeschlossenen Abmachungen Freiherr von Wechmar, Staatssekretär (BPA) . 943 C, 944 B, D, 945 A, C, D, 946 A, B, C, D, 947 A, B, C Reddemann (CDU/CSU) 944 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 944 C von Hassel, Vizepräsident . . . 944 D Dr. Marx (CDU/CSU) 945 A Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . 945 A Dr. Klein (Göttingen) (CDU/CSU) . 945 B Wohlrabe (CDU/CSU) 945 B Dr. Abelein (CDU/CSU) 945 D Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . 945 D Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . 946 A Dr. Kreutzmann (SPD) 946 B Dr. Slotta (SPD) . . . . . . . 946 C Pfeffermann (CDU/CSU) 946 D Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) 947 A Baier (CDU/CSU) 947 A Seiters (CDU/CSU) 947 B Dr. Schmude (SPD) 947 C Frage A 119 des Abg. Saxowski (SPD) : Einfuhr von Düngemitteln aus den drei neuen EWG-Mitgliedsländern Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 947 D Frage A 121 des Abg. Dr. Waffenschmidt (CDU/CSU) : Vereinbarkeit der letzten steuer- und finanzpolitischen Beschlüsse der Bundesregierung mit den Erklärungen der Bundesregierung zur Chancengleichheit in den einzelnen Bereichen der Bundesrepublik Deutschland Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 948 A, C, D, 949 A, B, C Dr. Waffenschmidt (CDU/CSU) . 948 B, D Dr. Jobst (CDU/CSU) 948 D Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) 949 A Dr. Warnke (CDU/CSU) 949 B Milz (CDU/CSU) 949 C Frage A 122 des Abg. Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) : Kürzung der Investitionszulage und Aufstockung der Investitionszuschüsse aus Mitteln des regionalen Aktionsprogramms Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 949 C, D, 950 A, B Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . . 949 D, 950 A Dr. Warnke (CDU/CSU) 950 A Fragen A 123 und 124 des Abg. Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) : Pressemeldungen betr. Verteuerung des Haushaltsstromes und des leichten Heizöls Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 950 B, C, D, 951 A, B, C, D, 952 A Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) 950 C, D, 951 B, C Wolfram (SPD) . . . . . 950 D, 951 D Brück (SPD) 951 D Dr. Warnke (CDU/CSU) 952 A Frage A 130 der Abg. Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) : Ausschluß der über 60jährigen Selbständigen von der Sondervorschrift des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes zur Anrechnung von beitragslosen Zeiten Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) . 952 C Frage A 133 des Abg. Rawe (CDU/CSU) : Änderungsbedürftigkeit der rentenversicherungsrechtlichen Regelung betr. Wiederaufleben des Anspruchs auf Witwen- oder Witwerrente Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) 952 D, 953 B Rawe (CDU/CSU) 953 B Fragen A 134 und 135 der Abg. Frau Däubler-Gmelin (SPD) : Sachverständigenkommission zur Erstellung eines Arbeitsgesetzbuchs Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) . 953 C Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . . 954 B Fragen A 136 und 139 der Abg. Maucher und Dr. Jenninger (CDU/CSU) : Nachteile für Kriegerwitwen durch das Absinken oder Fortfallen des Schadensausgleichsbetrages Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) . 954 B, C, D Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . . 954 D Weitere Abwicklung der Tagesordnung . 952 B, 954 D, 955 A Baron von Wrangel (CDU/CSU) (zur GO) 955 A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 III Wahl der Mitglieder kraft Wahl des Richterwahlausschusses (Drucksache 7/202 [neu]) in Verbindung mit Wahl der Wahlmänner (Drucksache 7/203 [neu]) von Hassel, Vizepräsident . . . 955 A Ergebnis 968 C Aktuelle Stunde „Journalistenerlaß" der DDR Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . . 956 A Dr. Kreutzmann (SPD) 957 A Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . 958 A Franke, Bundesminister (BMB) 959 A, 961 A Frau Funcke, Vizepräsident . . . 961 A Hoppe (FDP) 961 B Dr. Klein (Göttingen) (CDU/CSU) . 962 A Dr. Geßner (SPD) . . . . . . 963 A Flach (FDP) 9G4 A Kunz (Berlin) (CDU/CSU) . . . 964 D Mattick (SPD) 965 C Dr. Gradl (CDU/CSU) 966 B Wehner (SPD) . . . . . . . 967 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1001 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 1003* A Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen A 89 und 90 — Drucksache 7/296 — des Abg. Picard (CDU/CSU) betr. Einrichtung kostenfreier Notrufstellen an öffentlichen Münzfernsprechern . . . . . . . . 1003* B Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl (BMJ) auf die Fragen A 93 und 94 — Drucksache 7/296 — des Abg. Dr. Eyrich (CDU/CSU) betr. Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte — Erhöhung der Gebühren . . . 1003* D Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Fragen A 137 und 138 — Drucksache 7/296 — des Abg. Nordlohne (CDU/CSU) betr. Zahl der Anträge auf vorgezogenes Altersruhegeld in den Monaten Januar und Februar 1973 — Inanspruchnahmequote 1004* A Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Frage A 140 — Drucksache 7/296 — des Abg. Dr. Jenninger (CDU/ CSU) betr. vorgezogene Erhöhung der Kriegsopferrenten . . . . . . . . . 1004 * C Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (EMA) auf die Frage A 141 — Drucksache 7/296 — des Abg. Immer (SPD) betr. fachärztliche Versorgung der ländlichen Bevölkerung . . . . . . . . . . . . 1005* A Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal (BMJFG) auf die Frage A 152 — Drucksache 7/296 — des Abg. Immer (SPD) betr. Belastung der Gemeinden durch die Auflagen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes . . . . . . . 1005* C Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal (BMJFG) auf die Fragen A 153 und 154 — Drucksache 7/296 — des Abg. Zebisch (SPD) betr. Angaben im „Spiegel" über Kindesmißhandlungen 1005* D Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold (BMB) auf die Frage A 166 — Drucksache 7/296 — des Abg. Dr. Probst (CDU/CSU) betr. Teilnahme von Ärzten aus der DDR an der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie 1006* D Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 903 20. Sitzung Bonn, den 15. März 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 17. 3. Adams * 17. 3. Dr. Aigner * 17. 3. Dr. Arndt (Berlin) * 17. 3. Dr. Artzinger * 17. 3. Dr. Bangemann * 17. 3. Behrendt * 16. 3. Blumenfeld * 17. 3. Dr. Burgbacher * 17. 3. Dr. Corterier * 17. 3. Dr. Dollinger * 17. 3. Dr. Erhard 16. 3. Fellermaier * 16. 3. Flämig * 17. 3. Frehsee * 16. 3. Dr. Früh * 17. 3. Gerlach (Emsland) * 17. 3. Härzschel 17. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 17. 3. Kater * 17. 3. Dr. Klepsch * 17. 3. Krall * 17. 3. Lange * 17. 3. Lautenschlager * 17. 3. Frau Dr. Lepsius 7. 4. Dr. Lohmar 16. 3. Lücker * 17. 3. Dr. Martin 23. 3. Memmel * 17. 3. Mertes (Stuttgart) 17. 3. Müller (Mülheim) * 17. 3. Mursch (Soltau-Harburg) * 17. 3. Frau Dr. Orth * 17. 3. Rosenthal 17. 3. Schmidt (München) * 17. 3. Dr. Schulz (Berlin) * 17. 3. Schwabe * 17. 3. Dr. Schwörer * 17. 3. Seefeld* 16. 3. Springorum * 17. 3. Dr. Starke (Franken) * 17. 3. Walkhoff * 17. 3. Frau Dr. Walz * 16. 3. Frau Will-Feld 31. 3. Dr, Wittmann 16. 3. Wrede 24. 3. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 15. März 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Picard (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Fragen A 89 und 90) : Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht An wie vielen öffentlichen Münzfernsprechern, deren es rund 80 000 in Bundesgebiet geben soll, sind inzwischen kostenfreie Notrufstellen eingerichtet worden? Auf welche Weise will die Bundesregierung dafür sorgen, daß die Einrichtung kostenfreier Notrufstellen beschleunigt wird? Mit Notrufmeldern für den münzfreien Notruf sind inzwischen 524 öffentliche Münzfernsprecher ausgerüstet worden. Die Einrichtungen, die den münzfreien Notruf von öffentlichen Münzfernsprechern ermöglichen, sind Bestandteil des von der Deutschen Bundespost entwickelten neuen Notrufsystems. Um den Ländern die Einführung dieses Systems zu erleichtern, hat die Deutsche Bundespost im vorigen Jahr angeboten, die ihr dabei entstehenden Investitionskosten vorzufinanzieren und sie dann über laufende Gebühren zu amortisieren. Außerdem steht die Deutsche Bundespost in enger Verbindung mit dem Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Innenminister der Länder, die für Maßnahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, denen auch die Bereithaltung von Notrufanlagen zugeordnet werden muß, zuständig sind. Wegen der Bedeutung des Notrufs für eine Verbesserung des Rettungswesens hat auch der Herr Bundeskanzler bei seinem Gespräch am 23.2. 1973 mit den Herren Ministerpräsidenten der Länder dieses Problem erörtert und sich dabei für eine schnelle Einführung des neuen Notrufsystems eingesetzt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 14. März 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Eyrich (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Fragen A 93 und 94) : Beabsichtigt die Bundesregierung eine Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der Weise, daß eine Erhöhung der Gebühren vorgesehen wird? Ist die Bundesregierung in der Lage, bereits konkrete Angaben über eine evtl. derartige Änderung zu machen? Die Bundesregierung prüft zur Zeit noch, ob es geboten ist, die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung in der Weise zu ändern, daß eine Erhöhung der Gebühren vorgenommen wird. An dieser Untersuchung sind der Deutsche Anwaltsverein, andere Ressorts, das Statistische Bundesamt sowie die Landesjustizverwaltungen beteiligt. Da diese Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, kann ich Ihnen auch noch keine konkrete Angabe darüber machen, ob und in welcher Weise eine Gebührenerhöhung vorgenommen werden wird. Eine Gebührenerhöhung beabsichtigen wir mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts, das demnächst den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden wird, vorzunehmen. Es ist vorgesehen, den Betrag von 3 000 DM in § 8 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 14 des Gerichtskostengesetzes und § 30 der Kostenordnung, der vor allem für die nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten Bedeutung hat, auf 4 000 DM zu erhöhen. Hieraus ergeben sich auch höhere Anwaltsgebühren. 1004* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 15. März 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Nordlohne (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Fragen A 137 und 138) : Wie hoch ist die Zahl der Anträge auf vorgezogenes Altersruhegeld nach dem derzeit geltenden Recht bei voller Weiterbeschäftigung in den Monaten Januar und Februar 1973 gewesen, und zwar bei sämtlichen Landesversicherungsanstalten und bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte? Hält die Bundesregierung ihre im Zusammenhang mit der Beratung des Vierten Rentenversicherungsänderungsgesetzes im Bundestag am 19. Dezember 1972 gemachten Aussagen aufrecht, wonach die Inanspruchnahmequote statt 70 % bis zu 90 % aller anspruchsberechtigten Arbeitnehmer betragen werde und die gegenwärtige Regelung damit die langfristige finanzielle Solidität der Rentenversicherung gefährde? Nach Mitteilung des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger ist für den Bereich der Arbeiterrentenversicherung noch nicht bekannt, wie hoch die Zahl der Anträge auf — wie Sie formulieren — vorgezogenes Altersruhegeld in den Monaten Januar und Februar 1973 gewesen ist. Ich gehe davon aus, daß Sie Ihre Frage auf Altersruhegelder beziehen, die nach dem Rentenreformgesetz im Rahmen der flexiblen Altersgrenze beantragt werden. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger hat die ihm angeschlossenen 20 Landesversicherungs- und Sonderanstalten um Auskunft bis zum 16. März 1973 ersucht. Ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß ich vor Eingang der Stellungnahme des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger den ersten Teil Ihrer Frage nicht beantworten kann. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat folgende Zahlen mitgeteilt: 1. Im Monat Februar 1973 sind bei der BfA insgesamt 6 519 Anträge im Sinne Ihrer Fragestellung eingegangen, davon 275 Anträge von Bewerbern im Alter von 62 Jahren und 6 244 Anträge von Bewerbern im Alter von 63 bzw. 64 Jahren. 2. Die Antragseingänge des Monats Januar 1973 sind nicht gesondert erfaßt worden. Insgesamt sind im möglichen Antragszeitraum, also von Ende 1972 bis einschließlich Februar 1973, 23 466 Rentenanträge eingegangen, die unter Ihre Fragestellung fallen. Davon wurden 894 Anträge von Bewerbern im Alter von 62 Jahren gestellt — also Schwerbeschädigten und 22 572 Anträge von Versicherten im Alter von 63 und 64 Jahren. Im Hinblick auf die Kürze des Zeitraumes, der seit dem Inkrafttreten der flexiblen Altersgrenze verstrichen ist, kann eine auch nur einigermaßen zuverlässige Schätzung über den tatsächlichen Grad der Inanspruchnahme nicht vorgenommen werden. Dies um so weniger, als noch nicht die Angaben aller Träger der Rentenversicherung vorliegen. Ferner hat die Ablehnung des von der Regierungskoalition eingebrachten Entwurfs eines 4. Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes durch die Mehrheit im Bundesrat verhindert, die für die Beantwortung Ihrer Frage notwendige Stetigkeit des statistischen Bildes zu begünstigen. Deshalb kann der Vergleich der von Ihnen genannten Annahmen und tatsächlichem Verlauf zur Zeit noch nicht vorgenommen werden. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 15. März 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jenninger (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Frage A 140) : Warum beabsichtigt die Bundesregierung, die Kriegsopferrenten nicht wie die Sozialrenten schon zum 1. Juli 1973 um 11,35 % zu erhöhen? Die Bundesregierung hat Verständnis dafür, daß der Termin der Dynamisierung in der Kriegsopferversorgung die sozialpolitische Diskussion beschäftigt, und ist sich der damit verbundenen gesellschaftspolitischen Problematik bewußt. Die Frage einer vorgezogenen Anpassung in der Kriegsopferversorgung hat bereits bei der Rentenreform im Jahre 1972 eine Rolle im Hinblick auf die haushaltspolitischen Auswirkungen gespielt. Diese haushaltspolitischen Erwägungen haben auch heute ihr besonderes Gewicht. Ich darf dies anhand einiger Zahlen verdeutlichen: 1. Durch die Einführung der jährlichen Dynamisierung in der Kriegsopferversorgung haben sich gegenüber 1969 die Beschädigtenrenten bis heute um insgesamt 42 % und die Witwenrenten um insgesamt 53 % erhöht. Darüber hinausgehende Erhöhungen ergaben sich für eine Reihe von Fällen noch aus strukturellen Verbesserungen des Leistungsrechts. Das erforderte für den Bund Mehraufwendungen von 1970 bis 1973 von insgesamt 5,8 Milliarden DM. In der Geschichte der Kriegsopferversorgung hat es für die Kriegsbeschädigten und ihre Hinterbliebenen Leistungsverbesserungen in diesem Ausmaß in einem vergleichbaren früheren Zeitraum nicht gegeben. 2. In der laufenden Legislaturperiode ist eine noch stärkere Leistungsentwicklung zu erwarten, weil die Kriegsopferrenten sich im Durchschnitt jährlich um über 10 % erhöhen werden. Das erfordert allein für das Haushaltsjahr 1974 Mehraufwendungen für den Bund von rund 780 Millionen DM, im Laufe der mittelfristigen Finanzplanung für 1974 bis 1977 insgesamt rund 7 Milliarden DM. Der Kriegsopferhaushalt, der 1969 noch 5,9 Milliarden DM umfaßte, wird in diesem Jahre 8,3 Milliarden betragen und bis zum Jahre 1976 auf insgesamt 11,1 Milliarden DM angestiegen sein. 3. Eine auf den 1. Juli vorgezogene Anpassung in der Kriegsopferversorgung würde allein für das Jahr 1973 Mehraufwendungen des Bundes in Höhe von rund 350 Millionen DM erfordern. Für den gesamten Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahre 1976 wären es insgesamt 1,5 Milliarden DM. Ihre Frage kann also von mir nicht isoliert behandelt werden. Sie gehört in den Zusammenhang der Haushaltsberatungen und der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung. Die Bundesregierung wird ihre Verantwortung gegenüber den Kriegsopfern auch in Zukunft beweisen. Sie wird auch weiterhin für eine sozial ge- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 1005* rechte Entwicklung des Kriegsopferrechts Sorge tragen und um eine ausgewogene Gestaltung des Leistungsrechts innerhalb unseres gesamten sozialen Sicherungssystems bemüht sein. Als ersten Schritt in diese Richtung hat die Bundesregierung in dem von ihr beschlossenen Entwurf eines 16. Rentenanpassungsgesetzes vorgesehen, ,daß die Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung jeweils für den Zeitraum von Juli bis Dezember anrechnungsfrei bleiben, so daß diese Rentenerhöhungen den Kriegsopfern voll zugute kommen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 14. März 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Immer (SPD) (Drucksache 7/296 Frage A 141): Welche Maßnahmen sind geplant, damit die fachärztliche Unterversorgung der ländlichen Bevölkerung auf Dauer beseitigt wird? Die von Ihnen angesprochene fachärztliche Versorgung der ländlichen Bevölkerung ist ein Teilaspekt des umfassenderen Problems der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung insbesondere in ländlichen Gebieten und Stadtrandgebieten. Für die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung der versicherten Bevölkerung — darauf möchte ich zunächst hinweisen — tragen die Kassenärztlichen Vereinigungen in den einzelnen Ländern die Verantwortung. Die Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung hat eine allgemeine Analyse über die ärztliche Versorgung in ländlichen Bereichen und in Stadtrandgebieten in der Bundesrepublik vorgenommen und zugleich auf die Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen (z. B. Umsatzgarantien, Darlehen, gezielte Niederlassungsberatung) zum Abbau von Schwierigkeiten hingewiesen. Zusätzlich unterstützen auch die Länder auf verschiedene Weise diese Bemühungen. Darüber hinaus ist die Bundesregierung bestrebt, durch finanzielle Maßnahmen die Niederlassung von Kassenärzten zu begünstigen. Wegen der Einzelheiten darf ich Sie, Herr Kollege, auf die ausführliche schriftliche Antwort der Bundesregierung vom 12. September 1972 auf eine Kleine Anfrage, die sich insbesondere mit der ärztlichen Versorgung in den Zonenrandgebieten befaßt hat, hinweisen (Drucksache VI/ 3787). Die Sachverständigenkommission hat inzwischen in einer Empfehlung Vorschläge zur Verbesserung der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung in ländlichen Gebieten und in Stadtrandgebieten unterbreitet. Diese Empfehlung ist auch veröffentlicht worden, um den für die Durchführung der kassenärztlichen Versorgung Verantwortlichen Anregungen zu intensiver Ausschöpfung des geltenden Rechts zu geben. Die Bundesregierung wird im übrigen in Zusammenarbeit mit den Ländern erörtern, welche weiteren Schritte unternommen werden können, um die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung auch langfristig zu gewährleisten. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal vom 14. März 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Immer (SPD) (Drucksache 7/296 Frage A 152) : Welche Ursachen führen dazu, daß die Gemeinden durch die Auflagen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes stärker belastet werden als vor Inkrafttreten dieses Gesetzes, und wie sollen in Zukunft die Gemeinden davon entlastet werden? Nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz haben der Bund ein Drittel, die Länder zwei Drittel des Gesamtaufwands zu tragen. Es obliegt den Ländern zu entscheiden, ob und in welcher Höhe sie die Gemeinden zur Finanzierung mit heranziehen. In den Bundesländern werden hierzu unterschiedliche gesetzliche Regelungen vorbereitet. Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen werden die Gemeinden danach insgesamt jedoch nicht stärker belastet als bisher, sondern im Gegenteil entlastet. Dies schließt jedoch nicht aus, daß einzelne Gemeinden, die bisher gemessen am Landesdurchschnitt zu geringe oder keine Beträge für die Krankenhausversorgung ihrer Einwohner aufgebracht haben, in Zukunft zu höheren Zahlungen herangezogen werden. Eine solche Regelung führt zu einer gleichmäßigen Verteilung der Lasten und kann daher nicht als unzumutbare Härte angesehen werden. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal vom 14. März 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/296 Fragen A 153 und 154) : Ist nach Auffassung der Bundesregierung die in einem Beitrag im Magazin „Der Spiegel" vom 5. März 1973 dargestellte Einschätzung von Experten, „daß alljährlich mindestens 30 000 Kinder schwer mißhandelt werden", zutreffend? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um Kindesmißhandlungen wirksam entgegenzutreten? Zu Frage A 153: Ich beantworte Ihre Fragen im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz. Nach den Aburteilungsstatistiken des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden sind in den Jahren 1954 bis 1971 jährlich durchschnittlich zwischen 300 und 400 Kindesmißhandlunqen nach § 223 b StGB abgeurteilt worden; davon haben jährlich zwischen 200 und 300 Verfahren zu Verurteilungen geführt. § ist StGB b 223 der Haupttatbestand gegen 223 b StGB t schwerwiegende Kindesmißhandlungen. Nach diesem Tatbestand werden die Obhutspflichtigen bestraft, die Kinder oder Jugendlichen quälen oder roh mißhandeln oder sonst an der Gesundheit schädigen. Daneben gibt es eine Reihe von Tatbeständen, die direkt oder indirekt auch dem Schutz von Kindern oder Jugendlichen dienen. Hervorzuheben ist hier neben den anderen Körperverletzungsdelikten der Tatbestand des § 170 d StGB, der Kinder gegen Gefährdung durch Vernachlässigung von Fürsorge- oder Erziehungspflichtigen schützt. 1006* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 Für 1967 und 1970 sind besondere Statistiken herausgegeben worden, die in umfassender Weise die Taten gegen Kinder ausweisen. Nach diesen Statistiken sind 1 084 (1967) bzw. 1 087 (1970) Männer und Frauen wegen Straftaten, bei denen Kinder Opfer waren, verurteilt worden (Sittlichkeitsdelikte sind ausgenommen). Die Frage, wie hoch die Dunkelziffer ist, ist in der kriminologischen Literatur vielfach erörtert worden. Eine Reihe von Autoren nennen im Zusammenhang mit § 223 b StGB, aber auch mit anderen dem Schutz des Kindes dienenden Tatbeständen, eine „Dunkelziffer" von 95 %. Ob diese in der Literatur bereits vor 10 Jahren genannte Zahl den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, ist schwer nachzuprüfen. Bei den angegebenen Zahlen handelt es sich um grobe Schätzungen, was sich schon daraus ergibt, daß die genannten Zahlen in der Literatur auf unterschiedliche Bezugspunkte zurückgreifen. Als Bezugspunkte werden genannt: Aburteilungen vor Gericht, strafrechtliche Verfolgung; zur Kenntnis der Behörden gelangte Fälle. Die vom „Spiegel" in der Ausgabe vom 5. März genannte Zahl von 30 000 Fällen hat als Bezugspunkt, von dem aus die theoretische Ziffer errechnet wurde, offensichtlich die Polizeiliche Kriminalstatistik von 1971, welche die zur Kenntnisnahme der Polizeibehörden gelangten Fälle nennt. Zu Frage A 154: Bereits in ihrer Antwort auf die Frage des Abgeordneten Dr. Haack in der Sitzung am 22. April 1970 hat die Bundesregierung ausgeführt, daß Kindesmißhandlungen in vielen Fällen nicht in der Persönlichkeitsstruktur des Elternteils, sondern in sozialen Notständen verschiedener Art begründet sind: Unzureichende Wohnverhältnisse, Doppelbelastung der Mutter durch Beruf und Kindererziehung und Störungen des Ehelebens. Ziel aller Maßnahmen muß dann die Behebung der sozialen Notlage oder die Wiederherstellung der gestörten Familienbeziehungen sein. Da unerwünschte Kinder die Hauptleittragenden unter den Opfern sind, ist eine vernünftige Familienplanung durch die Elternbildung zu unterstützen. Die Einrichtung von Kindertagesstätten muß in Fortsetzung der bisherigen Bemühungen noch stärker gefördert werden. Bei der Überwindung von Aggressionshaltungen kommt der Erziehungs- und Eheberatung eine bedeutende Rolle zu. Über den Stand der Erziehungsberatung hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage betr. die Situation der Jugendhilfe in der Bundesrepublik Deutschland eingehend am 22.2. 1972 — Drucksache VI/3175 — berichtet. Zahl und Leistungsfähigkeit der Erziehungsberatungsstellen sollten gesteigert und eine bessere regionale Streuung erreicht werden. Die obersten Landesjugendbehörden haben inzwischen Richtlinien für eine Neuordnung der Erziehungsberatung erarbeitet, die in Kürze verabschiedet werden soll. Im Rahmen der vorbeugenden Maßnahmen kommt es vor allem darauf an, das Verantwortungsbewußtsein der Öffentlichkeit wachzurufen. Hier liegen wichtige Aufgaben der Jugendämter und der Kinderschutzorganisationen, aber auch der Massenmedien. Wird das Wohl des Kindes durch die Eltern gefährdet, so kann das Vormundschaftsgericht nach § 1666 BGB eingreifen und erforderlichenfalls das Kind von den Eltern trennen. Eltern, die in dieser Hinsicht auffällig geworden sind, unterliegen der Kontrolle des Jugendamts und des Vormundschaftsgerichts. Der Bundesminister der Justiz hat entsprechend den Forderungen der Jugendhilfe in einem Entwurf zur Neuregelung des elterlichen Sorgerechts vorgesehen, das Eingreifen des Gerichts nicht mehr von der Feststellung eines schuldhaften Versagens der Eltern abhängig zu machen, wenn eine objektive Beeinträchtigung des Kindeswohls vorliegt. Die Möglichkeit des beschuldigten Elternteils und seines Ehegatten, die Wahrheitsfindung im Strafprozeß durch Verweigerung der Aussagegenehmigung für das Kind oder seiner körperlichen Untersuchung zu erschweren, soll nach den Vorschlägen des dem Parlament vorliegenden Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts — es handelt sich um die Bundesrats-Drucksache 117/73 — künftig beseitigt werden. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold vom 14. März 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Probst (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Frage A 166) : Treffen Meldungen zu, wonach bei der Zweiten Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie in Bad Nauheim vom 15. bis 17. Februar 1973 die Teilnehmer der DDR geschlossen kurzfristig absagten, und ist die Bundesregierung bereit, bei der DDR vorstellig zu werden und den Grund für die geschlossene Absage zu erfragen? Laut Telegramm des 1. Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, Prof. Rodewald, wurde den Ärzten aus der DDR keine Möglichkeit zur Teilnahme an der diesjährigen Jahrestagung in Bad Nauheim vom 15. bis 17. 2. 1973 gegeben. Die Absage erfolgte ohne Angabe von Gründen. Die Bundesregierung ist bereit, alle ihr gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, um auch im Einzelfalle wie diesem zu der vereinbarten praktischen Zusammenarbeit zu gelangen und unerwartete Absagen für die Zukunft auszuschließen. Sie wird im Rahmen der nach Art. 7 des Grundvertrages vorgesehenen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Gesundheit bestrebt sein, auch die Frage der Teilnahme von Wissenschaftlern an Veranstaltungen im jeweiligen anderen deutschen Staat grundsätzlich zu regeln. Ich darf hierzu auf das Zusatzprotokoll zum Grundvertrag verweisen, in dem es unter Nr. 2 heißt: „Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik bekunden ihren Willen, zum beiderseitigen Nutzen die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wissenschaft und Technik zu entwikkeln und die hierzu erforderlichen Verträge abzuschließen."
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Wendig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich dem Vorbild des Herrn Ministers, was die Kürze betrifft, folgen kann.
    Ich freue mich darüber, daß nach sehr langen Diskussionen über Konjunkturpolitik, Stabilität und Preise — Überschrift Währung; ein Problem, das situationsbedingt sicherlich im Vordergrund stand — nun endlich auch Fragen der Strukturpolitik, sprich: regionaler Strukturpolitik, wenn auch sehr spät in die Debatte gekommen sind. Wie gesagt, darüber freue ich mich, und ich will dazu auch einiges sagen. Ich fand nur, daß Herr Kollege Warnke von der CDU, der diese Frage als erster angesprochen hat, sie ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen hat. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat sie soeben etwas klarer dargestellt. Ich fand diese Art auch ein wenig polemisch, denn sein Obersatz lautete, daß der Bürger ein Anrecht darauf habe, zu erfahren, was geschieht, und zwar auch der Bürger, der in den Räumen lebt, die von, wie er meinte, restriktiven Maßnahmen der regionalen Strukturpolitik betroffen sind. Wenn man solche Fragen aufwirft, muß man — ich will es hier einmal versuchen — die Bestandteile des Jahreswirtschaftsberichts 1973 der Bundesregierung, was die regionale Strukturpolitik angeht, im positiven Sinne zusammenfassen.
    Es ist, wie ich meine, sehr zu begrüßen — ich tue das ausdrücklich —, daß der Jahreswirtschaftsbericht im Gegensatz zu den Ausführungen der Opposition der Strukturpolitik, gerade auch der regionalen Strukturpolitik, ein großes Gewicht eingeräumt hat. Nicht nur der äußere Rahmen, mehr noch der Inhalt des Abschnitts, von dem wir jetzt reden, läßt Erfreuliches hoffen, wird doch hier einmal — das möchte ich vorab sagen, und darin sind wir uns wohl alle einig — deutlich, daß die Sorge um die Konjunkturpolitik, also die Sorge hinsichtlich der Sektoren Stabilität, Preise usw., die Erkenntnis für die nicht weniger wichtige Tatsache nicht verstellt hat, daß eine ausgewogene, an den wirtschafts- und staatspolitischen Notwendigkeiten orientierte Strukturpolitik nicht minder wesentlich ist.
    Diese Erkenntnis — das hat mir auch der Diskussionsbeitrag von Herrn Warnke gezeigt — ist nicht überall und bei allen so selbstverständlich, wie es der Jahreswirtschaftsbericht zum Ausdruck bringt. In bezug auf die regionale Strukturpolitik des Bundes, die eine sachgerechte Abstimmung mit den Ländern einschließt, bedeutet dies etwas sehr Wichtiges. Bei der gegenwärtigen und auch wohl nicht so leicht zu überwindenden Finanzverfassung der Bundesrepublik — das muß man sehen, und darüber sind wir uns wahrscheinlich auch alle einig — wird ohne eine solche regionale Strukturpolitik die Diskrepanz immer größer, die zwischen der Finanzmasse einerseits, die die öffentlichen Hände — Bund, Länder und Gemeinden — zur Verfügung haben, und den Leistungsanforderungen andererseits, die — vor allem im Sozialwesen, im Verkehr und in der Bildungspolitik — an eben diese öffentlichen Hände, und zwar auf allen drei Ebenen, die ich genannt habe, gestellt werden, besteht. Damit dient die regionale Strukturpolitik dem Bürger in den strukturell benachteiligten Räumen. Auch unmittelbar — also nicht über die öffentlichen Hände
    — nützt die regionale Strukturpolitik dem Bürger, da bekanntermaßen in den strukturschwachen Gebieten auch das allgemeine Verdienstniveau niedriger liegt. Neben erhöhten öffentlichen Leistungen ist auch ein erhöhter Lebensstandard des Bürgers erklärtes Ziel. Ich glaube, diese allgemeine Feststellung findet die Zustimmung aller.

    (Abg. Dr. Ritz: Ja, weil sie so allgemein ist!)

    — Eben! Ich komme gleich noch darauf zu sprechen.
    Ich möchte im folgenden einige der diesen Bereich betreffenden Teile des Jahreswirtschaftsberichts in einer kurzen Ubersicht nun etwas näher behandeln.
    Erstens. An erster Stelle muß jedem objektiven Betrachter ins Auge fallen, daß in dem breiten Feld konjunkturpolitischer Erwägungen und Maßnahmen in den Sektoren Stabilität und Preise die Belange der regionalen Strukturpolitik angemessen berücksichtigt worden sind. Um es allen Kritikern, die man hier und im Lande draußen in den letzten Tagen hört, deutlich und konkret zu sagen: Die unterschiedlichen Strukturen bestimmter Regionen und ihre besonderen Bedürfnisse — das gilt auch für das Land — sind in keiner Weise irgendeinem gleichmachenden Schematismus stabilitätspolitischer Maßnahmen zum Opfer gefallen. Das Gegenteil ist richtig. Die Änderung der Investitionszulagen z. B.



    Dr. Wendig
    erfolgt — so steht es im Text — unter ausdrücklicher Beibehaltung der Präferenzstruktur in dem Komplex der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". So und nicht anders steht es in Textziffer 42 des Jahreswirtschaftsberichts. Alles Gerede von einem undifferenzierten Abbau regionaler Strukturpolitik im allgemeinen oder in bestimmten Gebieten als Folge der stabilitätspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung ist falsch. Meine Damen und Herren, jeder muß dies wissen, vor allen Dingen jeder, der in Räumen, die es angeht, politische Verantwortung trägt.
    Zweitens. Das Programm der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist wohl in seiner Zielsetzung, nicht aber unbedingt in den einzelnen Maßnahmen und Planungen konstant. Das Programm bedarf der Fortentwicklung und der Verbesserung, beides auf der Grundlage der finanziellen Möglichkeiten und der praktischen Erfahrungen in Bund und Ländern. Es gilt, unter den gegebenen Voraussetzungen, die nicht beliebig und schnell veränderbar sind — das müssen wir wissen —. ein optimales Ergebnis zu erzielen. Schon am 21. Februar 1973 — das ist heute mehrfach erwähnt worden — hat der Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", dem der Bundeswirtschaftsminister als Vorsitzender angehört, den zweiten Rahmenplan für die Jahre 1973 bis 1976 verabschiedet. Davon war schon die Rede. Dieser Plan trägt der soeben genannten Forderung Rechnung. Der Jahreswirtschaftsbericht 1973 zeigt auch vor dem Hintergrund der konjunkturpolitischen Maßnahmen die gleichen Ziele auf. Er betont — und dies muß allen Kritikern entgegengehalten werden — auch vor diesem Hintergrund die Besonderheit strukturell benachteiligter Regionen. Ich habe Anlaß, hierauf besonders hinzuweisen.
    Im einzelnen ist dazu folgendes zu sagen. Dieser Rahmenplan für 1973 bis 1976 sieht die Schaffung von 460 000 neuen Arbeitsplätzen und die Sicherung von 250 000 Arbeitsplätzen vor. Zur Erreichung dieser Ziele sollen private Investitionen in Höhe von 14,7 Milliarden DM gefördert werden. Als Finanzierungshilfen sind im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe neben der Investitionszulage 870 Millionen DM an Zuschüssen vorgesehen.
    Hier war von bestimmten Regionen die Rede. Daß im Rahmen dieser Maßnahmen besonders benachteiligte Regionen einen hervorgehobenen Stellenwert besitzen, zeigt der Hinweis auf die Tatsache, daß 31.6 0/o der neu zu schaffenden und 58,4 0/o der zu sichernden Arbeitsplätze auf das Zonenrandgebiet entfallen sollen. Dieser Schwerpunkt, meine Damen und Herren, kommt auch im Jahreswirtschaftsbericht zum Ausdruck.
    Nun drittens. Der zweite Rahmenplan wird u. a. eine Neuabgrenzung der Förderungsgebiete, also eine räumliche Konzentration der Förderung, aber auch eine Erfolgskontrolle zum Gegenstand haben. Oberstes Ziel dieser Änderung wird es sein, die Maßnahmen der regionalen Strukturpolitik in Bund, Ländern und Gemeinden noch wirkungsvoller zu gestalten. Die Bundesregierung verweist dankenswerterweise auf die Verbesserungsvorschläge, die von der Konferenz der Länderwirtschaftsminister erwartet werden. Dies ist im Interesse der Sache sicher notwendig.
    Gestatten Sie, daß ich in diesem Zusammenhang eine besondere, nach vielen Ausführungen vielleicht überflüssige Bitte an die Bundesregierung richte. Es steht außer jedem Zweifel, daß eine stärkere Konzentration der Förderung, also eine Abkehr von noch vorhandenen Resten des Gießkannensystems, jeder uneingeschränkt unterstützen muß und unterstützen wird. Bedenken Sie dabei aber bitte auch die unterschiedlichen Strukturen etwa der Bevölkerungsdichte — Herr Ritz, hören Sie zu!; er tut es aber nicht — und der Verkehrsferne, die hier und in manchen Räumen zu anderen Maßstäben der Beurteilung zwingen mögen, als es für Bereiche mit größerer Bevölkerungs- und Verkehrsdichte gilt. Ich sage dies nicht nur, weil ich aus einem relativ schwach strukturierten Flächenstaat, nämlich Niedersachsen, stamme, sondern weil ich weiß, daß es in anderen Flächenstaaten — auch ohne Zonenrand und ohne Küste — vergleichbare Probleme gibt. Der zweite Rahmenplan schließt diese Differenzierung nicht aus. Darauf muß man immer wieder hinweisen.
    Viertens und letztens. In der gleichen, mit Konsequenz verfolgten Linie liegt es, wenn die Bundesregierung die räumliche Neuabgrenzung, also die räumliche Konzentration, mit einer Konzentration der sachlichen Schwerpunkte gleichschaltet. Meine Fraktion begrüßt daher die Absicht der Bundesregierung, der Infrastruktur im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung in der Zukunft ein größeres Gewicht einzuräumen.

    (Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] : In welcher Zukunft?)

    — In nächster Zukunft.
    Der zweite Rahmenplan — ich erwähne es noch
    einmal — widmet über die Hälfte der Mittel für Gemeinschaftsaufgaben dem Aufbau der Infrastruktur. Auch hier fließt über die Hälfte des Betrages in das Zonenrandgebiet. Eine solche sachliche Konzentration der Maßnahmen wird oft erst in dem weiteren Verlauf durch die Ansiedlung von Industrien die Wirtschaftsstruktur verbessern. Die Erhöhung des Wohn- und Freizeitwerts ist aber das primäre Ziel der infrastrukturellen Maßnahmen. Auch das ERP-Programm, von dem vorhin nur am Rande die Rede war, gewinnt für die Schwerpunktorte der Gemeinschaftsaufgaben zunehmend Bedeutung.
    Die Bundesreigerung trägt hiermit einer Erfahrung Rechnung, die von allen Praktikern regionaler Strukturpolitik gemacht worden ist. Diese Erfahrung besteht darin, daß längst in zunehmendem Maße der Zug der Arbeitskräfte, ihr räumliches Interesse — vom Facharbeiter bis zum höheren Management —, oft erst den letzten Ausschlag bei Investitionen zur Industrieansiedlung gibt. Es ist immer deutlicher geworden: Bei gleichen Konditionen im übrigen wird von Arbeitnehmern ebenso wie von ansiedlungs- und investitionswilligen Unter-



    Dr. Wendig
    nehmern demjenigen Schwerpunktsort der Vorzug gegeben, der über den größeren Wohn- und Freizeitwert verfügt.
    An dieser Stelle berühren sich Ziel und Ausgangspunkt meiner Überlegungen. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, von der ich eingangs sprach, kommt nämlich nicht zuletzt auch in dem hohen Wohn- und Freizeitwert des Raumes zum Ausdruck, in dem wir unseren Lebensmittelpunkt haben.
    Im letzten Grunde, meine Damen und Herren, verwirklicht die Bundesregierung, indem sie für eine Stärkung strukturell benachteiligter Regionen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten sorgt, eine der Grundforderungen, die das Grundgesetz zum Wohle der Bürger an die staatliche Gewalt stellt. Der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung 1973 stellt diese Tatsachen — Sie mögen es nicht so sehen, aber es ist so — in einem deutlichen Zusammenhang. Er sollte daher auch in den Abschnitten, die sich mit der regionalen Strukturpolitik befassen, einer breiten Zustimmung sicher sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Höcherl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Höcherl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sehr forsche Rede von Herrn Bundesminister Schmidt kann natürlich nicht ohne gewisse Anmerkungen bleiben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Leider hat er uns das Vergnügen seiner Anwesenheit nicht bis in diese Abendstunden bewahrt.
    Herr Bundesminister Schmidt hat sich an einem interessanten Satz von Herrn Strauß delektiert. Herr Strauß hat nämlich in der Objektivität, die uns als Opposition

    (Abg. Wehner: ... eigen ist!)

    eigen ist,

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    erklärt, daß er durchaus in der Lage ist, gewisse Anstrengungen der Bundesregierung mit leidlichen Erfolgen auch angemessen anzuerkennen. Das haben war nicht aus Ihrer Oppositionszeit gelernt, Herr Kollege Wehner, sondern das ist unser neuer Stil.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun, seit wir mit der ersten und der zweiten sozialistisch-liberalen Koalition gesegnet sind, dreht sich das Aufwertungskarussel aber pausenlos. Es ist immer noch leidlich gut gegangen mit all den Maßnahmen, weil uns unsere Handelspartner den Gefallen getan haben, selber etwas unsolide zu sein, so daß all diese Maßnahmen nicht die befürchteten Wirkungen im außenwirtschaftlichen Bereich hatten.
    Jetzt scheint mir aber ein Punkt erreicht zu sein, an dem die Dinge recht kompliziert werden, weil wir zu Hause im innenpolitischen Feld einen recht scharf fahrenden Inflationszug haben, der sich im grenzüberschreitenden Warenverkehr genauso wie eine Aufwertung auswirkt. Beides kumuliert, könnte es schon etwas schwieriger werden.
    Nun wurde hier mit großem Pathos gesprochen. Wir sind ja in einen Personenkult eingetreten, der schon merkwürdige Formen annimmt. Ich habe mir sagen lassen, daß es geradezu Weihrauchschwaden gegeben hat nach dieser ersten 20-Milliarden-Operation, die Schmidt durchgeführt hat und nach der er der Meinung war, er habe es geschafft. Er hat es nicht geschafft. Für Schmidt war das ein interessanter Lernprozeß. Er mußte sein Trauma gegenüber Schiller überwinden, bis er überhaupt wieder Boden gefaßt hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber immerhin, es ist gerade noch gut gegangen. Wir wissen das Ende nicht. Ich bin in währungspolitischen Fragen sehr vorsichtig und möchte mich zu keiner Äußerung hinreißen lassen, die die Situation noch gefährden hönnte. Sie müssen auch bedenken, daß hinter all diesen Dingen nicht bloß währungspolitische Fragen, sondern die Umrisse eines sich abzeichnenden Handelskriegs sichtbar werden. Hierauf muß sich unser Interesse konzentrieren, und darauf haben wir zu achten. Der Herr Schatzkanzler hat also mit Müh und Not den Hof erreicht und ist gerade noch einigermaßen weggekommen.
    Ich sage Ihnen hier auch folgendes. Das sind für uns nationale Fragen, und wir versagen uns in solchen Fragen nicht. Aber es wäre gar nichts Außergewöhnliches und es würde sich demokratisch gar nicht so schlecht ausnehmen, wenn man auch die Opposition in einer solchen Operation einmal fragte, sie mit einbezöge und hier nicht immer nach „Alternativen" schreien würde. Herr Wehner, da halte ich es mit Ihrer Devise — Sie wissen noch, damals vor der Großen Koalition haben Sie das erklärt —: Wir sind feine Leute, wir waschen nicht anderer Leute Wäsche. Jetzt natürlich wären Sie auf Alternativen angewiesen. Wir haben kürzlich eine vorgelegt — der Kollege Vogt wird darüber morgen zu berichten haben — zu § 34 a des Einkommensteuergesetzes. Sofort haben Sie sie übernommen, mit eigenem Etikett „SPD/FDP" versehen und als eigene Ware ohne Ursprungszeugnis verkauft.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das würde Ihnen so passen, daß wir Ihnen die Verantwortung, die Sie trifft, abnehmen, damit Sie das abschreiben können, wie es Ihnen bei der Rentenreform erfolgreich gelungen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun einige politische Bemerkungen zum Stabilitätsprogramm. Das ist natürlich kein Stabilitätsprogramm, sondern ein ganz raffiniert in der Maske eines Stabilitätsprogramms herantrabendes .Steuererhöhungsgesetz, und zwar ein ganz massives, das allein für den Bund Einnahmen besorgen soll.

    (Zuruf von der SPD: Daß Sie das merken!)

    Die Finanzmasse wird auf Kosten der Länder und
    der Gemeinden angeknabbert. Und wissen Sie, was
    Sie wollen? Ich will es einmal ganz offen sagen: Sie



    Höcherl
    wollen sich dieses Geld auf die Seite legen, einen Juliusturm aufbauen und sich dann in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode, nachdem Sie all die unangenehmen Dinge hinter sich gebracht haben, zwei Jahre hindurch schön und liebenswürdig zeigen.

    (Abg. Wehner: Sie merken auch alles! Wir hatten uns das so schön ausgedacht! — Heiterkeit bei der SPD.)

    — Ja, so ist es! Sie haben zwar mit uns in der Großen Koalition das Stabilitäts- und Wachstums-Gesetz erfunden. Es gab einen großen Taufschmaus. Das wurde als wundervolles Instrument gefeiert. Heute ist es im Archiv oder in der Garderobe abgelegt. Ich weiß das nicht. Warum? Weil Sie den Ländern und den Gemeinden diese Anteile nicht geben wollen. Das wollen Sie alles in die eigene Tasche stecken,

    (Abg. Wehner: In den Turm, haben Sie gesagt!)

    um hernach nach Wehner-Strategie den zweiten Teil bestreiten zu können. Wir kennen Ihre langfristig angelegten, weiß Gott sehr interessanten Pläne und wissen auch um die Disziplin bei Ihrer ganzen Gefolgschaft. Das hat nichts mit Ihrem Amt zu tun.

    (Abg. Wehner: Da irren Sie sich nun! — Heiterkeit bei der SPD.)

    — Wenn bei Ihnen wirklich wieder innere Demokratie herrschen und es Widerstände geben sollte, würde mich das freuen. Das wäre ein Demokratisierungsprozeß, nach dem Sie bei allen anderen — ungehörigen — Anlässen schreien.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es kann gar keinen Zweifel geben, daß das ein massives Steuererhöhungsgesetz ist. Natürlich sind gewisse Effekte damit verbunden, um Geld abzuschöpfen. Aber das ist nicht ihr Hauptzweck. Das könnten Sie über eine Konjunkturmaßnahme mit demselben Personenkreis erreichen. Wir lassen uns die Reichen nicht anhängen, Herr Wehner. Wir sind genauso wie Sie der Meinung, daß diejenigen, die gut verdienen, einen entsprechenden und größeren Anteil zu einer gemeinsamen Aufgabe zu leisten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mit dieser Geschichte kommen Sie bei uns nicht durch.
    Nehmen Sie diesen Zuschlag als Einkommensteuerergänzung, und legen Sie ihn dorthin — in die Bundesbank —, wo er hingehört. Lösen Sie ihn dann auf: 43 % zugunsten der Länder, 43 % für den Bund und 14 % für die vielbeweinten Gemeinden. Das entspricht dem von Ihnen mit geschaffenen Gesetz, ist eine Stabilitätsleistung und außerdem kein Eingriff in die Steuerquellen zu Lasten der beiden anderen verantwortlichen Ebenen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dieser Vorgang — damit möchte ich schließen, um die von Herrn Präsidenten verlangte Kürze zu beweisen — reicht aber nicht aus. Wir wissen gar nicht, wie wir herauskommen. Wir werden noch gemeinsam große Anstrengungen unternehmen müssen, die 90 Milliarden Dollar, die nun vagabundieren, einzufangen und in einer Form zu binden, die verhindert, daß sie dieses unheilvolle Geschäft nicht immer — fast immer — auf unsere Kosten treiben können. Sie müssen auf innenpolitischem Feld auch noch ergänzt werden durch flankierende Maßnahmen, und zwar anderer Art, als Sie uns das vorschlagen.
    Sie müssen die Preisentwicklung berücksichtigen, die ja noch viel gefährlichere Formen annimmt, als das im letzten Jahr mit 6,9 % der Fall war; denn wir sind im industriellen Güterbereich bereits bei einer Steigerung von 4,8 % angelangt. Hier müssen Sie dafür sorgen, daß die binnenwirtschaftlichen Maßnahmen die anderen Maßnahmen ergänzen. Sie müssen für echte Stabilität zugunsten vor allem des kleinen Mannes sorgen. Dann wird daraus ein richtiger Schuh: wenn beide Elemente zusammengeführt werden.
    Daran fehlt es. Dazu haben Sie nicht den Mut. Sie müssen das Vertrauen zum Geld wiederherstellen. Sie wissen ganz genau, Herr Wehner — niemand weiß das so sehr —, was ein anderer Mann in einer ganz anderen Zeit gesagt hat, wie man nämlich Staaten unserer freiheitlichen Wirtschaftsverfassung durch einen Angriff auf das Geld vernichten kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)