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    Deutscher Bundestag 20. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 Inhalt: Beratung des Jahresgutachtens 1972 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 7/2) in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1973 der Bundesregierung (Drucksache 7/225) Dr. Friderichs, Bundesminister (BMW) 903 B Dr. Narjes (CDU/CSU) 909 D Brandt, Bundeskanzler 917 D Strauß (CDU/CSU) 920 A Dr. Ehrenberg (SPD) 924 B Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . 929 D Dr. Zeitel (CDU/CSU) 936 A Dr. Schachtschabel (SPD) . . . . 969 B Kirst (FDP) 973 B Schmidt, Bundesminister (BMF) . 977 A Pieroth (CDU/CSU) 980 A Rapp (Göppingen) (SPD) . . . . 984 D Dr. Warnke (CDU/CSU) 987 C Dr. Lauritzen, Bundesminister (BMV) 990 D Dr. Wendig (FDP) 992 B Höcherl (CDU/CSU) 994 A Vogt (CDU/CSU) 995 D Gewandt (CDU/CSU) 996 B Wurbs (FDP) . . . . . . . . 998 B Fragestunde (Drucksache 7/296) Frage A 1 des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) : Antwort des Bundesministers Eppler auf die Aufforderung, Demonstrationen gegen den Extremistenerlaß zu organisieren Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . 941 D, 942 A, B, C Pfeifer (CDU/CSU) 942 A Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . 942 B Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . 942 B von Hassel, Vizepräsident . . . 942 C Reddemann (CDU/CSU) 942 C Fragen A 2 und 3 des Abg. Seiters (CDU/ CSU) : Erklärung des Bundesministers Bahr im Deutschlandfunk am 25. Februar 1973 und Abdruck im Bulletin Ravens, Parl. Staatssekretär (BK) . 942 D, 943 B, C Seiters (CDU/CSU) 943 A Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . 943 B Mick (CDU/CSU) 943 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 Frage A 4 des Abg. Reddemann (CDU/ CSU) : Vereinbarkeit des „Journalistenerlasses" der DDR-Regierung mit den zwischen dieser und der Bundesregierung abgeschlossenen Abmachungen Freiherr von Wechmar, Staatssekretär (BPA) . 943 C, 944 B, D, 945 A, C, D, 946 A, B, C, D, 947 A, B, C Reddemann (CDU/CSU) 944 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 944 C von Hassel, Vizepräsident . . . 944 D Dr. Marx (CDU/CSU) 945 A Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) . 945 A Dr. Klein (Göttingen) (CDU/CSU) . 945 B Wohlrabe (CDU/CSU) 945 B Dr. Abelein (CDU/CSU) 945 D Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . 945 D Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . . 946 A Dr. Kreutzmann (SPD) 946 B Dr. Slotta (SPD) . . . . . . . 946 C Pfeffermann (CDU/CSU) 946 D Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) 947 A Baier (CDU/CSU) 947 A Seiters (CDU/CSU) 947 B Dr. Schmude (SPD) 947 C Frage A 119 des Abg. Saxowski (SPD) : Einfuhr von Düngemitteln aus den drei neuen EWG-Mitgliedsländern Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 947 D Frage A 121 des Abg. Dr. Waffenschmidt (CDU/CSU) : Vereinbarkeit der letzten steuer- und finanzpolitischen Beschlüsse der Bundesregierung mit den Erklärungen der Bundesregierung zur Chancengleichheit in den einzelnen Bereichen der Bundesrepublik Deutschland Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 948 A, C, D, 949 A, B, C Dr. Waffenschmidt (CDU/CSU) . 948 B, D Dr. Jobst (CDU/CSU) 948 D Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) 949 A Dr. Warnke (CDU/CSU) 949 B Milz (CDU/CSU) 949 C Frage A 122 des Abg. Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) : Kürzung der Investitionszulage und Aufstockung der Investitionszuschüsse aus Mitteln des regionalen Aktionsprogramms Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 949 C, D, 950 A, B Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . . 949 D, 950 A Dr. Warnke (CDU/CSU) 950 A Fragen A 123 und 124 des Abg. Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) : Pressemeldungen betr. Verteuerung des Haushaltsstromes und des leichten Heizöls Grüner, Parl. Staatssekretär (BMW) 950 B, C, D, 951 A, B, C, D, 952 A Eilers (Wilhelmshaven) (CDU/CSU) 950 C, D, 951 B, C Wolfram (SPD) . . . . . 950 D, 951 D Brück (SPD) 951 D Dr. Warnke (CDU/CSU) 952 A Frage A 130 der Abg. Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) : Ausschluß der über 60jährigen Selbständigen von der Sondervorschrift des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes zur Anrechnung von beitragslosen Zeiten Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) . 952 C Frage A 133 des Abg. Rawe (CDU/CSU) : Änderungsbedürftigkeit der rentenversicherungsrechtlichen Regelung betr. Wiederaufleben des Anspruchs auf Witwen- oder Witwerrente Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) 952 D, 953 B Rawe (CDU/CSU) 953 B Fragen A 134 und 135 der Abg. Frau Däubler-Gmelin (SPD) : Sachverständigenkommission zur Erstellung eines Arbeitsgesetzbuchs Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) . 953 C Frau Däubler-Gmelin (SPD) . . . . 954 B Fragen A 136 und 139 der Abg. Maucher und Dr. Jenninger (CDU/CSU) : Nachteile für Kriegerwitwen durch das Absinken oder Fortfallen des Schadensausgleichsbetrages Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) . 954 B, C, D Dr. Jenninger (CDU/CSU) . . . . 954 D Weitere Abwicklung der Tagesordnung . 952 B, 954 D, 955 A Baron von Wrangel (CDU/CSU) (zur GO) 955 A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 III Wahl der Mitglieder kraft Wahl des Richterwahlausschusses (Drucksache 7/202 [neu]) in Verbindung mit Wahl der Wahlmänner (Drucksache 7/203 [neu]) von Hassel, Vizepräsident . . . 955 A Ergebnis 968 C Aktuelle Stunde „Journalistenerlaß" der DDR Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . . 956 A Dr. Kreutzmann (SPD) 957 A Jäger (Wangen) (CDU/CSU) . . 958 A Franke, Bundesminister (BMB) 959 A, 961 A Frau Funcke, Vizepräsident . . . 961 A Hoppe (FDP) 961 B Dr. Klein (Göttingen) (CDU/CSU) . 962 A Dr. Geßner (SPD) . . . . . . 963 A Flach (FDP) 9G4 A Kunz (Berlin) (CDU/CSU) . . . 964 D Mattick (SPD) 965 C Dr. Gradl (CDU/CSU) 966 B Wehner (SPD) . . . . . . . 967 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1001 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 1003* A Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen A 89 und 90 — Drucksache 7/296 — des Abg. Picard (CDU/CSU) betr. Einrichtung kostenfreier Notrufstellen an öffentlichen Münzfernsprechern . . . . . . . . 1003* B Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl (BMJ) auf die Fragen A 93 und 94 — Drucksache 7/296 — des Abg. Dr. Eyrich (CDU/CSU) betr. Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte — Erhöhung der Gebühren . . . 1003* D Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Fragen A 137 und 138 — Drucksache 7/296 — des Abg. Nordlohne (CDU/CSU) betr. Zahl der Anträge auf vorgezogenes Altersruhegeld in den Monaten Januar und Februar 1973 — Inanspruchnahmequote 1004* A Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Frage A 140 — Drucksache 7/296 — des Abg. Dr. Jenninger (CDU/ CSU) betr. vorgezogene Erhöhung der Kriegsopferrenten . . . . . . . . . 1004 * C Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (EMA) auf die Frage A 141 — Drucksache 7/296 — des Abg. Immer (SPD) betr. fachärztliche Versorgung der ländlichen Bevölkerung . . . . . . . . . . . . 1005* A Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal (BMJFG) auf die Frage A 152 — Drucksache 7/296 — des Abg. Immer (SPD) betr. Belastung der Gemeinden durch die Auflagen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes . . . . . . . 1005* C Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal (BMJFG) auf die Fragen A 153 und 154 — Drucksache 7/296 — des Abg. Zebisch (SPD) betr. Angaben im „Spiegel" über Kindesmißhandlungen 1005* D Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold (BMB) auf die Frage A 166 — Drucksache 7/296 — des Abg. Dr. Probst (CDU/CSU) betr. Teilnahme von Ärzten aus der DDR an der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie 1006* D Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 903 20. Sitzung Bonn, den 15. März 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 17. 3. Adams * 17. 3. Dr. Aigner * 17. 3. Dr. Arndt (Berlin) * 17. 3. Dr. Artzinger * 17. 3. Dr. Bangemann * 17. 3. Behrendt * 16. 3. Blumenfeld * 17. 3. Dr. Burgbacher * 17. 3. Dr. Corterier * 17. 3. Dr. Dollinger * 17. 3. Dr. Erhard 16. 3. Fellermaier * 16. 3. Flämig * 17. 3. Frehsee * 16. 3. Dr. Früh * 17. 3. Gerlach (Emsland) * 17. 3. Härzschel 17. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 17. 3. Kater * 17. 3. Dr. Klepsch * 17. 3. Krall * 17. 3. Lange * 17. 3. Lautenschlager * 17. 3. Frau Dr. Lepsius 7. 4. Dr. Lohmar 16. 3. Lücker * 17. 3. Dr. Martin 23. 3. Memmel * 17. 3. Mertes (Stuttgart) 17. 3. Müller (Mülheim) * 17. 3. Mursch (Soltau-Harburg) * 17. 3. Frau Dr. Orth * 17. 3. Rosenthal 17. 3. Schmidt (München) * 17. 3. Dr. Schulz (Berlin) * 17. 3. Schwabe * 17. 3. Dr. Schwörer * 17. 3. Seefeld* 16. 3. Springorum * 17. 3. Dr. Starke (Franken) * 17. 3. Walkhoff * 17. 3. Frau Dr. Walz * 16. 3. Frau Will-Feld 31. 3. Dr, Wittmann 16. 3. Wrede 24. 3. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 15. März 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Picard (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Fragen A 89 und 90) : Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht An wie vielen öffentlichen Münzfernsprechern, deren es rund 80 000 in Bundesgebiet geben soll, sind inzwischen kostenfreie Notrufstellen eingerichtet worden? Auf welche Weise will die Bundesregierung dafür sorgen, daß die Einrichtung kostenfreier Notrufstellen beschleunigt wird? Mit Notrufmeldern für den münzfreien Notruf sind inzwischen 524 öffentliche Münzfernsprecher ausgerüstet worden. Die Einrichtungen, die den münzfreien Notruf von öffentlichen Münzfernsprechern ermöglichen, sind Bestandteil des von der Deutschen Bundespost entwickelten neuen Notrufsystems. Um den Ländern die Einführung dieses Systems zu erleichtern, hat die Deutsche Bundespost im vorigen Jahr angeboten, die ihr dabei entstehenden Investitionskosten vorzufinanzieren und sie dann über laufende Gebühren zu amortisieren. Außerdem steht die Deutsche Bundespost in enger Verbindung mit dem Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Innenminister der Länder, die für Maßnahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, denen auch die Bereithaltung von Notrufanlagen zugeordnet werden muß, zuständig sind. Wegen der Bedeutung des Notrufs für eine Verbesserung des Rettungswesens hat auch der Herr Bundeskanzler bei seinem Gespräch am 23.2. 1973 mit den Herren Ministerpräsidenten der Länder dieses Problem erörtert und sich dabei für eine schnelle Einführung des neuen Notrufsystems eingesetzt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 14. März 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Eyrich (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Fragen A 93 und 94) : Beabsichtigt die Bundesregierung eine Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der Weise, daß eine Erhöhung der Gebühren vorgesehen wird? Ist die Bundesregierung in der Lage, bereits konkrete Angaben über eine evtl. derartige Änderung zu machen? Die Bundesregierung prüft zur Zeit noch, ob es geboten ist, die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung in der Weise zu ändern, daß eine Erhöhung der Gebühren vorgenommen wird. An dieser Untersuchung sind der Deutsche Anwaltsverein, andere Ressorts, das Statistische Bundesamt sowie die Landesjustizverwaltungen beteiligt. Da diese Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, kann ich Ihnen auch noch keine konkrete Angabe darüber machen, ob und in welcher Weise eine Gebührenerhöhung vorgenommen werden wird. Eine Gebührenerhöhung beabsichtigen wir mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts, das demnächst den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden wird, vorzunehmen. Es ist vorgesehen, den Betrag von 3 000 DM in § 8 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 14 des Gerichtskostengesetzes und § 30 der Kostenordnung, der vor allem für die nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten Bedeutung hat, auf 4 000 DM zu erhöhen. Hieraus ergeben sich auch höhere Anwaltsgebühren. 1004* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 15. März 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Nordlohne (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Fragen A 137 und 138) : Wie hoch ist die Zahl der Anträge auf vorgezogenes Altersruhegeld nach dem derzeit geltenden Recht bei voller Weiterbeschäftigung in den Monaten Januar und Februar 1973 gewesen, und zwar bei sämtlichen Landesversicherungsanstalten und bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte? Hält die Bundesregierung ihre im Zusammenhang mit der Beratung des Vierten Rentenversicherungsänderungsgesetzes im Bundestag am 19. Dezember 1972 gemachten Aussagen aufrecht, wonach die Inanspruchnahmequote statt 70 % bis zu 90 % aller anspruchsberechtigten Arbeitnehmer betragen werde und die gegenwärtige Regelung damit die langfristige finanzielle Solidität der Rentenversicherung gefährde? Nach Mitteilung des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger ist für den Bereich der Arbeiterrentenversicherung noch nicht bekannt, wie hoch die Zahl der Anträge auf — wie Sie formulieren — vorgezogenes Altersruhegeld in den Monaten Januar und Februar 1973 gewesen ist. Ich gehe davon aus, daß Sie Ihre Frage auf Altersruhegelder beziehen, die nach dem Rentenreformgesetz im Rahmen der flexiblen Altersgrenze beantragt werden. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger hat die ihm angeschlossenen 20 Landesversicherungs- und Sonderanstalten um Auskunft bis zum 16. März 1973 ersucht. Ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß ich vor Eingang der Stellungnahme des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger den ersten Teil Ihrer Frage nicht beantworten kann. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat folgende Zahlen mitgeteilt: 1. Im Monat Februar 1973 sind bei der BfA insgesamt 6 519 Anträge im Sinne Ihrer Fragestellung eingegangen, davon 275 Anträge von Bewerbern im Alter von 62 Jahren und 6 244 Anträge von Bewerbern im Alter von 63 bzw. 64 Jahren. 2. Die Antragseingänge des Monats Januar 1973 sind nicht gesondert erfaßt worden. Insgesamt sind im möglichen Antragszeitraum, also von Ende 1972 bis einschließlich Februar 1973, 23 466 Rentenanträge eingegangen, die unter Ihre Fragestellung fallen. Davon wurden 894 Anträge von Bewerbern im Alter von 62 Jahren gestellt — also Schwerbeschädigten und 22 572 Anträge von Versicherten im Alter von 63 und 64 Jahren. Im Hinblick auf die Kürze des Zeitraumes, der seit dem Inkrafttreten der flexiblen Altersgrenze verstrichen ist, kann eine auch nur einigermaßen zuverlässige Schätzung über den tatsächlichen Grad der Inanspruchnahme nicht vorgenommen werden. Dies um so weniger, als noch nicht die Angaben aller Träger der Rentenversicherung vorliegen. Ferner hat die Ablehnung des von der Regierungskoalition eingebrachten Entwurfs eines 4. Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes durch die Mehrheit im Bundesrat verhindert, die für die Beantwortung Ihrer Frage notwendige Stetigkeit des statistischen Bildes zu begünstigen. Deshalb kann der Vergleich der von Ihnen genannten Annahmen und tatsächlichem Verlauf zur Zeit noch nicht vorgenommen werden. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 15. März 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jenninger (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Frage A 140) : Warum beabsichtigt die Bundesregierung, die Kriegsopferrenten nicht wie die Sozialrenten schon zum 1. Juli 1973 um 11,35 % zu erhöhen? Die Bundesregierung hat Verständnis dafür, daß der Termin der Dynamisierung in der Kriegsopferversorgung die sozialpolitische Diskussion beschäftigt, und ist sich der damit verbundenen gesellschaftspolitischen Problematik bewußt. Die Frage einer vorgezogenen Anpassung in der Kriegsopferversorgung hat bereits bei der Rentenreform im Jahre 1972 eine Rolle im Hinblick auf die haushaltspolitischen Auswirkungen gespielt. Diese haushaltspolitischen Erwägungen haben auch heute ihr besonderes Gewicht. Ich darf dies anhand einiger Zahlen verdeutlichen: 1. Durch die Einführung der jährlichen Dynamisierung in der Kriegsopferversorgung haben sich gegenüber 1969 die Beschädigtenrenten bis heute um insgesamt 42 % und die Witwenrenten um insgesamt 53 % erhöht. Darüber hinausgehende Erhöhungen ergaben sich für eine Reihe von Fällen noch aus strukturellen Verbesserungen des Leistungsrechts. Das erforderte für den Bund Mehraufwendungen von 1970 bis 1973 von insgesamt 5,8 Milliarden DM. In der Geschichte der Kriegsopferversorgung hat es für die Kriegsbeschädigten und ihre Hinterbliebenen Leistungsverbesserungen in diesem Ausmaß in einem vergleichbaren früheren Zeitraum nicht gegeben. 2. In der laufenden Legislaturperiode ist eine noch stärkere Leistungsentwicklung zu erwarten, weil die Kriegsopferrenten sich im Durchschnitt jährlich um über 10 % erhöhen werden. Das erfordert allein für das Haushaltsjahr 1974 Mehraufwendungen für den Bund von rund 780 Millionen DM, im Laufe der mittelfristigen Finanzplanung für 1974 bis 1977 insgesamt rund 7 Milliarden DM. Der Kriegsopferhaushalt, der 1969 noch 5,9 Milliarden DM umfaßte, wird in diesem Jahre 8,3 Milliarden betragen und bis zum Jahre 1976 auf insgesamt 11,1 Milliarden DM angestiegen sein. 3. Eine auf den 1. Juli vorgezogene Anpassung in der Kriegsopferversorgung würde allein für das Jahr 1973 Mehraufwendungen des Bundes in Höhe von rund 350 Millionen DM erfordern. Für den gesamten Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahre 1976 wären es insgesamt 1,5 Milliarden DM. Ihre Frage kann also von mir nicht isoliert behandelt werden. Sie gehört in den Zusammenhang der Haushaltsberatungen und der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung. Die Bundesregierung wird ihre Verantwortung gegenüber den Kriegsopfern auch in Zukunft beweisen. Sie wird auch weiterhin für eine sozial ge- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 1005* rechte Entwicklung des Kriegsopferrechts Sorge tragen und um eine ausgewogene Gestaltung des Leistungsrechts innerhalb unseres gesamten sozialen Sicherungssystems bemüht sein. Als ersten Schritt in diese Richtung hat die Bundesregierung in dem von ihr beschlossenen Entwurf eines 16. Rentenanpassungsgesetzes vorgesehen, ,daß die Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung jeweils für den Zeitraum von Juli bis Dezember anrechnungsfrei bleiben, so daß diese Rentenerhöhungen den Kriegsopfern voll zugute kommen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 14. März 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Immer (SPD) (Drucksache 7/296 Frage A 141): Welche Maßnahmen sind geplant, damit die fachärztliche Unterversorgung der ländlichen Bevölkerung auf Dauer beseitigt wird? Die von Ihnen angesprochene fachärztliche Versorgung der ländlichen Bevölkerung ist ein Teilaspekt des umfassenderen Problems der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung insbesondere in ländlichen Gebieten und Stadtrandgebieten. Für die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung der versicherten Bevölkerung — darauf möchte ich zunächst hinweisen — tragen die Kassenärztlichen Vereinigungen in den einzelnen Ländern die Verantwortung. Die Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung hat eine allgemeine Analyse über die ärztliche Versorgung in ländlichen Bereichen und in Stadtrandgebieten in der Bundesrepublik vorgenommen und zugleich auf die Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen (z. B. Umsatzgarantien, Darlehen, gezielte Niederlassungsberatung) zum Abbau von Schwierigkeiten hingewiesen. Zusätzlich unterstützen auch die Länder auf verschiedene Weise diese Bemühungen. Darüber hinaus ist die Bundesregierung bestrebt, durch finanzielle Maßnahmen die Niederlassung von Kassenärzten zu begünstigen. Wegen der Einzelheiten darf ich Sie, Herr Kollege, auf die ausführliche schriftliche Antwort der Bundesregierung vom 12. September 1972 auf eine Kleine Anfrage, die sich insbesondere mit der ärztlichen Versorgung in den Zonenrandgebieten befaßt hat, hinweisen (Drucksache VI/ 3787). Die Sachverständigenkommission hat inzwischen in einer Empfehlung Vorschläge zur Verbesserung der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung in ländlichen Gebieten und in Stadtrandgebieten unterbreitet. Diese Empfehlung ist auch veröffentlicht worden, um den für die Durchführung der kassenärztlichen Versorgung Verantwortlichen Anregungen zu intensiver Ausschöpfung des geltenden Rechts zu geben. Die Bundesregierung wird im übrigen in Zusammenarbeit mit den Ländern erörtern, welche weiteren Schritte unternommen werden können, um die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung auch langfristig zu gewährleisten. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal vom 14. März 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Immer (SPD) (Drucksache 7/296 Frage A 152) : Welche Ursachen führen dazu, daß die Gemeinden durch die Auflagen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes stärker belastet werden als vor Inkrafttreten dieses Gesetzes, und wie sollen in Zukunft die Gemeinden davon entlastet werden? Nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz haben der Bund ein Drittel, die Länder zwei Drittel des Gesamtaufwands zu tragen. Es obliegt den Ländern zu entscheiden, ob und in welcher Höhe sie die Gemeinden zur Finanzierung mit heranziehen. In den Bundesländern werden hierzu unterschiedliche gesetzliche Regelungen vorbereitet. Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen werden die Gemeinden danach insgesamt jedoch nicht stärker belastet als bisher, sondern im Gegenteil entlastet. Dies schließt jedoch nicht aus, daß einzelne Gemeinden, die bisher gemessen am Landesdurchschnitt zu geringe oder keine Beträge für die Krankenhausversorgung ihrer Einwohner aufgebracht haben, in Zukunft zu höheren Zahlungen herangezogen werden. Eine solche Regelung führt zu einer gleichmäßigen Verteilung der Lasten und kann daher nicht als unzumutbare Härte angesehen werden. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal vom 14. März 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache 7/296 Fragen A 153 und 154) : Ist nach Auffassung der Bundesregierung die in einem Beitrag im Magazin „Der Spiegel" vom 5. März 1973 dargestellte Einschätzung von Experten, „daß alljährlich mindestens 30 000 Kinder schwer mißhandelt werden", zutreffend? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um Kindesmißhandlungen wirksam entgegenzutreten? Zu Frage A 153: Ich beantworte Ihre Fragen im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz. Nach den Aburteilungsstatistiken des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden sind in den Jahren 1954 bis 1971 jährlich durchschnittlich zwischen 300 und 400 Kindesmißhandlunqen nach § 223 b StGB abgeurteilt worden; davon haben jährlich zwischen 200 und 300 Verfahren zu Verurteilungen geführt. § ist StGB b 223 der Haupttatbestand gegen 223 b StGB t schwerwiegende Kindesmißhandlungen. Nach diesem Tatbestand werden die Obhutspflichtigen bestraft, die Kinder oder Jugendlichen quälen oder roh mißhandeln oder sonst an der Gesundheit schädigen. Daneben gibt es eine Reihe von Tatbeständen, die direkt oder indirekt auch dem Schutz von Kindern oder Jugendlichen dienen. Hervorzuheben ist hier neben den anderen Körperverletzungsdelikten der Tatbestand des § 170 d StGB, der Kinder gegen Gefährdung durch Vernachlässigung von Fürsorge- oder Erziehungspflichtigen schützt. 1006* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1973 Für 1967 und 1970 sind besondere Statistiken herausgegeben worden, die in umfassender Weise die Taten gegen Kinder ausweisen. Nach diesen Statistiken sind 1 084 (1967) bzw. 1 087 (1970) Männer und Frauen wegen Straftaten, bei denen Kinder Opfer waren, verurteilt worden (Sittlichkeitsdelikte sind ausgenommen). Die Frage, wie hoch die Dunkelziffer ist, ist in der kriminologischen Literatur vielfach erörtert worden. Eine Reihe von Autoren nennen im Zusammenhang mit § 223 b StGB, aber auch mit anderen dem Schutz des Kindes dienenden Tatbeständen, eine „Dunkelziffer" von 95 %. Ob diese in der Literatur bereits vor 10 Jahren genannte Zahl den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, ist schwer nachzuprüfen. Bei den angegebenen Zahlen handelt es sich um grobe Schätzungen, was sich schon daraus ergibt, daß die genannten Zahlen in der Literatur auf unterschiedliche Bezugspunkte zurückgreifen. Als Bezugspunkte werden genannt: Aburteilungen vor Gericht, strafrechtliche Verfolgung; zur Kenntnis der Behörden gelangte Fälle. Die vom „Spiegel" in der Ausgabe vom 5. März genannte Zahl von 30 000 Fällen hat als Bezugspunkt, von dem aus die theoretische Ziffer errechnet wurde, offensichtlich die Polizeiliche Kriminalstatistik von 1971, welche die zur Kenntnisnahme der Polizeibehörden gelangten Fälle nennt. Zu Frage A 154: Bereits in ihrer Antwort auf die Frage des Abgeordneten Dr. Haack in der Sitzung am 22. April 1970 hat die Bundesregierung ausgeführt, daß Kindesmißhandlungen in vielen Fällen nicht in der Persönlichkeitsstruktur des Elternteils, sondern in sozialen Notständen verschiedener Art begründet sind: Unzureichende Wohnverhältnisse, Doppelbelastung der Mutter durch Beruf und Kindererziehung und Störungen des Ehelebens. Ziel aller Maßnahmen muß dann die Behebung der sozialen Notlage oder die Wiederherstellung der gestörten Familienbeziehungen sein. Da unerwünschte Kinder die Hauptleittragenden unter den Opfern sind, ist eine vernünftige Familienplanung durch die Elternbildung zu unterstützen. Die Einrichtung von Kindertagesstätten muß in Fortsetzung der bisherigen Bemühungen noch stärker gefördert werden. Bei der Überwindung von Aggressionshaltungen kommt der Erziehungs- und Eheberatung eine bedeutende Rolle zu. Über den Stand der Erziehungsberatung hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage betr. die Situation der Jugendhilfe in der Bundesrepublik Deutschland eingehend am 22.2. 1972 — Drucksache VI/3175 — berichtet. Zahl und Leistungsfähigkeit der Erziehungsberatungsstellen sollten gesteigert und eine bessere regionale Streuung erreicht werden. Die obersten Landesjugendbehörden haben inzwischen Richtlinien für eine Neuordnung der Erziehungsberatung erarbeitet, die in Kürze verabschiedet werden soll. Im Rahmen der vorbeugenden Maßnahmen kommt es vor allem darauf an, das Verantwortungsbewußtsein der Öffentlichkeit wachzurufen. Hier liegen wichtige Aufgaben der Jugendämter und der Kinderschutzorganisationen, aber auch der Massenmedien. Wird das Wohl des Kindes durch die Eltern gefährdet, so kann das Vormundschaftsgericht nach § 1666 BGB eingreifen und erforderlichenfalls das Kind von den Eltern trennen. Eltern, die in dieser Hinsicht auffällig geworden sind, unterliegen der Kontrolle des Jugendamts und des Vormundschaftsgerichts. Der Bundesminister der Justiz hat entsprechend den Forderungen der Jugendhilfe in einem Entwurf zur Neuregelung des elterlichen Sorgerechts vorgesehen, das Eingreifen des Gerichts nicht mehr von der Feststellung eines schuldhaften Versagens der Eltern abhängig zu machen, wenn eine objektive Beeinträchtigung des Kindeswohls vorliegt. Die Möglichkeit des beschuldigten Elternteils und seines Ehegatten, die Wahrheitsfindung im Strafprozeß durch Verweigerung der Aussagegenehmigung für das Kind oder seiner körperlichen Untersuchung zu erschweren, soll nach den Vorschlägen des dem Parlament vorliegenden Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts — es handelt sich um die Bundesrats-Drucksache 117/73 — künftig beseitigt werden. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Herold vom 14. März 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Probst (CDU/CSU) (Drucksache 7/296 Frage A 166) : Treffen Meldungen zu, wonach bei der Zweiten Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie in Bad Nauheim vom 15. bis 17. Februar 1973 die Teilnehmer der DDR geschlossen kurzfristig absagten, und ist die Bundesregierung bereit, bei der DDR vorstellig zu werden und den Grund für die geschlossene Absage zu erfragen? Laut Telegramm des 1. Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, Prof. Rodewald, wurde den Ärzten aus der DDR keine Möglichkeit zur Teilnahme an der diesjährigen Jahrestagung in Bad Nauheim vom 15. bis 17. 2. 1973 gegeben. Die Absage erfolgte ohne Angabe von Gründen. Die Bundesregierung ist bereit, alle ihr gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, um auch im Einzelfalle wie diesem zu der vereinbarten praktischen Zusammenarbeit zu gelangen und unerwartete Absagen für die Zukunft auszuschließen. Sie wird im Rahmen der nach Art. 7 des Grundvertrages vorgesehenen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Gesundheit bestrebt sein, auch die Frage der Teilnahme von Wissenschaftlern an Veranstaltungen im jeweiligen anderen deutschen Staat grundsätzlich zu regeln. Ich darf hierzu auf das Zusatzprotokoll zum Grundvertrag verweisen, in dem es unter Nr. 2 heißt: „Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik bekunden ihren Willen, zum beiderseitigen Nutzen die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wissenschaft und Technik zu entwikkeln und die hierzu erforderlichen Verträge abzuschließen."
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herbert Ehrenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Diese von dem Abgeordneten Strauß als Atempause von Sieg zu Sieg bezeichnete, sich hinziehende Entwicklung war im Gegenteil eine sehr kontinuierliche, Herr Kollege Strauß, die Sie auch damit nicht diskreditieren können, daß Sie Zitate bringen, in denen der Wirtschafts- oder der Finanzminister noch vor wenigen Wochen eine Aufwertung abgelehnt habe. Was wäre das denn für ein Wirtschafts- oder Finanzminister, der angesichts der Bedeutung dieser Frage die Aufwertung auf dem offenen Markt verkündete!? Das kann doch wohl niemand, der etwas von Währungspolitik versteht, erwarten!

    (Abg. Strauß: Die sollen nicht zweimal soviel reden wie denken! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich kann mich an einen Bundesfinanzminister Strauß erinnern, der im April 1969 mit unbedachten Äußerungen über künftige Währungsmaßnahmen die erste große Spekulationswelle eingeleitet hat.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Hört! Hört! — Zuruf des Abg. Strauß.)

    Unserem Finanzminister und unserem Wirtschaftsminister muß ich in der Behandlung dieser sehr delikaten Frage — das möchte ich hier noch einmal wiederholen — mehr Verantwortungsgefühl bescheinigen: daß nämlich zum erstenmal in der Bundesrepublik eine Aufwertung beschlossen wurde, ohne daß dies vorher in den Zeitungen breit und lang ausgewalzt worden ist. Auch das ist ein Stück vernünftig gesteuerter Politik und nicht ein Atemholen, ein Springen von Sieg zu Sieg, wie der Kollege Strauß das gern darzustellen wünschte.
    Zu dem gegenwärtigen Währungssystem und seinen Veränderungen ist wohl noch folgendes zu sagen: In der westlichen Welt floaten jetzt alle wichtigen Währungen mit der Ausnahme der europäischen Sechser-Gruppe im Innenverhältnis. Die Gruppe dieser sechs, zu der später weitere Länder stoßen werden, bleibt durch feste Paritäten verbunden. Das heißt, etwa die Hälfte des deutschen Außenhandels hat bei den Export- und Importgeschäften nach wie vor feste Paritäten. Das ist für die deutsche Wirtschaft ein gar nicht hoch genug zu bewertender Tatbestand, ein Tatbestand der sicheren Kalkulation für mehr als die Hälfte des deutschen Außenhandels.
    Im übrigen sollten wir doch vielleicht eines nicht tun: wir sollten von diesem Pult aus nicht die bestehende Verunsicherung in der Wirtschaft unnötig anheizen. Flexible Wechselkurse sind in einer marktwirtschaftlichen Ordnung ein durchaus legitimes Instrument. Sie entsprechen dieser marktwirtschaftlichen Ordnung. Bisher ist mein Unternehmerbild jedenfalls so gewesen, daß die Unternehmer geradezu dazu prädestiniert sind, auf wechselnde Situationen richtig und marktwirtschaftlich zu reagieren. Wir sollten also nicht so tun, als ob durch flexible Kurse für die Hälfte des deutschen Außenhandels nun über die deutsche Exportwirtschaft die Nacht hereinbricht. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall.
    Es war mit Sicherheit auch richtig, daß nur diese sechs europäischen Volkswirtschaften mit in etwa vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen das gemeinsame Floating mit festen Kursen untereinander beschlossen haben und daß Großbritannien, Irland und Italien nicht in diese Gemeinschaft eingeschlossen worden sind, sondern, da sie ja bereits vorher ein isoliertes Floating ihrer Währungen vorgenommen haben, jetzt noch so lange draußen bleiben, bis dieser marktwirtschaftliche Prozeß des isolierten Floatens zwischen Großbritannien, Irland und Italien und dem Sechser-Block, der gemeinsam floatet, zu richtigen Austauschrelationen geführt hat.
    Nach diesem marktwirtschaftlichen Prozeß, Herr Kollege Narjes, kann dann die Sechser-Gemeinschaft auf alle neun Mitgliedsländer erweitert werden. Wenn dann das Floaten der Neun nach außen weitergeht, wird die Chance sehr viel größer sein, daß innerhalb der bereinigten Kursverhältnisse ohne große „Stand-by"-Kredite, ohne große Anstrengungen des einen Partners für die anderen, diese erweiterte Gemeinschaft zu halten ist. Die Ergebnisse ermutigen dazu. Die Bereitschaft der drei Länder, die draußen geblieben sind, nach Festsetzung neuer Relationen hineinzukommen, ist vorhanden. Die Bereitschaft dieser sechs Länder, die anderen drei aufzunehmen, sobald der Zeitpunkt erreicht ist, ist auch vorhanden. Dies berechtigt zu der Aussage, daß diese Brüsseler Beschlüsse die europäische Integration nicht hemmen, sondern daß sie ein sehr wichtiger Schritt zur Erweiterung der Integration, ein sehr wichtiger Schritt zur angestrebten Wirtschafts- und Währungsunion sind.
    Wir dürfen auch damit rechnen, daß die Brüsseler Entscheidungen, die den europäischen und den transatlantischen Zusammenhalt bewahrt haben, durch die bevorstehenden Beschlüsse im Rahmen der GATT-Verhandlungen noch gefestigt werden können. Ist das erreichbar, werden wir, wie ich glaube, am Ende dieses Jahres mit Stolz darauf zurückblicken können, daß wir eine der schwierigsten währungs- und handelspolitischen Etappen der Nachkriegszeit bewältigt haben. Das Brüsseler Ergebnis ist ermutigend Allerdings sollte sich auch niemand täuschen, daß vor der Bundesregierung noch sehr viel harte Arbeit liegt. Ich glaube jedoch, die Bewältigung der hinter uns liegenden Währungsprobleme berechtigt zu positiven Erwartungen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat allen Anlaß, der Bundesregierung für die Standfestigkeit, die sie in den kritischen Wochen der Dollarkrise bewährt hat, zu danken, desgleichen für die Beharrlichkeit, mit der sie eine internationale Lösung der Krise versucht und schließlich auch in optimalem Rahmen erreicht hat.
    Lassen Sie mich nach diesem Vorexkurs, der, glaube ich, durch den Beitrag des Kollegen Strauß



    Dr. Ehrenberg
    notwendig geworden war, zu den einleitenden Worten des Bundeswirtschaftsministers zurückkehren. Der Bundeswirtschaftsminister verdient Zustimmung, wenn er — zu Beginn seiner Rede — gesagt hat, daß die Debatte um den Jahreswirtschaftsbericht nicht nur den aktuellen Maßnahmen gelten solle, sondern Gelegenheit zu grundsätzlicher Diskussion, zu grundsätzlichen Ausführungen zur Wirtschaftsordnung und der dieser Ordnung entsprechenden Politik sei. Das ist gut und richtig so.
    Aber man muß auch eindeutig feststellen, daß grundsätzliche Aussagen es sich gefallen lassen müssen, am Für und Wider zu den konkreten politischen Maßnahmen gemessen zu werden. Die bisherige Debatte, wie sie von Ihrer Seite aus zur CDU/CSU geführt wurde, hat den Beweis erbracht, daß marktwirtschaftliche Lippenbekenntnisse an diesem Pult und anderswo sehr leicht und sehr schnell abgegeben werden. Wenn es aber konkret wird — und flexible Wechselkurse sind ein konkreter Tatbestand der marktwirtschaftlichen Ordnung —, dann tun sich viele doch sehr schwer.
    Die gute Gelegenheit der für die politische Standortbestimmung so nützlichen Gegenüberstellung der Grundsatzerklärungen mit der mehr oder weniger großen Bereitschaft, an konkreten wirtschaftspolitischen Maßnahmen mitzuwirken, bietet der Jahreswirtschaftsbericht 1973. Denn man kann diesen ersten Jahreswirtschaftsbericht der zweiten sozialliberalen Bundesregierung guten Gewissens unter die Überschrift stellen: Mehr Struktur- und mehr Wettbewerbspolitik. Diese Linie „Mehr Struktur-
    und mehr Wettbewerbspolitik" zieht sich nicht nur durch den Jahreswirtschaftsbericht einschließlich des dort im Kernpunkt vorhandenen Stabilitätsprogramms, diese Linie „Mehr Struktur- und mehr Wettbewerbspolitik", vor allen Dingen die strukturverbessernde Grundlinie, findet sich auch bei den währungspolitischen Beschlüssen. Ja, man wird mit gutem Gewissen sagen können, daß diese währungspolitischen Beschlüsse hier nicht nur so hintendrangekommen sind, sondern daß mit den Brüsseler Beschlüssen das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung erst komplettiert und abgerundet wird. Erst in der Kombination des Stabilitätsprogramms und der währungspolitischen Beschlüsse wird die entsprechende stabilitäts-, struktur- und einkommenspolitische Wirkung eintreten.
    Das Stabilitätsprogramm, das natürlich in erster Linie die nach der Abwertung des Dollars eingetretene Aufblähung des Geldvolumens reduzieren will, zeigt aber auch eindeutig strukturpolitische Akzente, und zwar gleich nach zwei Seiten. Herr Kollege Narjes, Sie haben vor den „schweren strukturpolitischen Folgen" des Stabilitätsprogramms gewarnt. Ich kann Ihre Meinung nicht teilen. Das Stabilitätsprogramm wird strukturpolitische Folgen haben, aber sehr andere, als Sie sie dargestellt haben.
    Gestatten Sie mir dazu einige Einzelerläuterungen. Die Stabilitätsabgabe setzt bei Einkommen über 200 000 bzw. bei Unverheirateten über 100 000 DM an. Das ist eine Einkommensgrenze, oberhalb deren die Einkommen in der Regel nicht mehr für den Konsum bestimmt, sondern auf Investitionszwecke ausgerichtet sind. Damit trifft diese Stabilitätsabgabe genau dort, wo im gegenwärtigen Konjunkturverlauf die ersten Überhitzungstendenzen deutlich sichtbar sind. Sie wird mit zu einer Verlagerung der Investitionsentschlüsse beitragen. Sie schöpft Einkommen ab, aber sie schöpft es von der Größenordnung wie von der Zielrichtung des Einkommens her an der richtigen Stelle ab.
    Stabilitätsabgabe und Stabilitätsanleihe geben darüber hinaus gleichzeitig ein Signal zu der notwendigen Erweiterung des Anteils der öffentlichen Investitionen am Sozialprodukt. Das Aufkommen aus der Stabilitätsanleihe wird stillgelegt, das gegenwärtige Geldvolumen wird damit vermindert; aber das Aufkommen ist jetzt schon zur Finanzierung öffentlicher Investitionen bestimmt und wird darum entscheidend zu der notwendigen Gewichtsverlagerung vom privaten auf den öffentlichen Investitionssektor und damit zur konkreten Verbesserung der Lebensqualität für die Bürger in diesem Lande beitragen.
    Die gleichen Anstöße zur Umorientierung, wie sie vom Stabilitätsprogramm ausgehen, werden durch die währungspolitischen Beschlüsse noch gefördert. Die leichte Aufwertung der Deutschen Mark zusammen mit der vorangegangenen Abwertung des US-Dollars und den möglicherweise noch denkbaren Veränderungen durch das gemeinsame Floating werden den deutschen Export nicht drosseln. Aber sie werden, und das ist sehr nützlich und notwendig, dazu beitragen, daß die Zuwachsraten im Export dort, wo die Wettbewerbsfähigkeit vorwiegend auf die falschen Wechselkurse aus der Vergangenheit zurückging, allmählich langsamer werden. Das ist nicht zu bedauern, Herr Kollege Narjes, das ist gewollt. Dieser strukturpolitisch und verteilungspolitisch notwendige Prozeß, der freilich nur mit sanftem Tempo vor sich gehen darf — aber die Beschlüsse sind auch so, daß ein sanftes Tempo gewährleistet wird —, wird dazu führen, daß die Kapazitätsreserven, die in einer vollbeschäftigten Wirtschaft für den notwendigen Ausbau der Infrastruktur nur schwer frei zu machen sind, immer mehr dort freigemacht werden, wo sie für den Wohlstand der Bürger am wenigsten beitragen.
    Das Stabilitätsprogramm und die währungspolitischen Maßnahmen zusammen bilden eine geeignete Kombination, die Aufschwungtendenzen dort abzubremsen, wo sie am stärksten entwickelt sind und wo deshalb gleichzeitig der Anlaß zu langfristiger Umstrukturierung gegeben ist.
    Diese Kombination ist damit auch geeignet, zur Realisierung jener Zielvorstellungen beizutragen, die gewöhnlich unter den Begriff „Qualität des Lebens" zusammengefaßt werden. Zur Verbesserung der Lebensqualität ist eine Erhöhung der öffentlichen Leistungen unerläßlich. Diese setzt aber eine Umorientierung vorhandener Kapazitäten voraus. Diese Umorientierung wird mit dieser Maßnahmenkombination eingeleitet.
    Zu dieser Maßnahmenkombination gehört auch die Mineralölsteuer, die hier von dem Abgeordneten Strauß so hart kritisiert wurde, kritisiert vor allen Dingen mit dem Hinblick auf die Gebiete



    Dr. Ehrenberg
    außerhalb der Ballungsgebiete, die flachen Räume. Es wurde von Herrn Strauß zitiert, daß dort ja eben für Sozialdemokraten nicht die Masse der Wähler sitze, und darum könnten Sozialdemokraten sich so etwas leisten.

    (Abg. Lemmrich: Das hat Herr Steffen gesagt!)

    Es wurde zitiert von Herrn Strauß, habe ich gesagt.

    (Abg. Strauß: Herr Steffen wurde zitiert!)

    — Auch wenn Sie Herrn Steffen zitiert haben,

    (Abg. Lemrich: Sagen Sie es richtig, Herr Ehrenberg!)

    Herr Kollege Strauß: Sie und meinetwegen auch Herr Steffen in Kiel müssen zur Kenntnis nehmen, daß sämtliche Nordseewahlkreise, die nur über sehr flaches und weites Land verfügen, in diesem Bundestagswahlkampf die höchsten Zuwachsraten für die Sozialdemokratische Partei aufzuweisen haben;

    (Abg. Strauß: Die werden sich dafür bedanken!)

    und sie haben so gewählt, Herr Kollege Strauß, in Kenntnis der Beschlüsse des Steuerreformparteitages der SPD, wo die Erhöhung der Mineralölsteuer noch um 2 Pfennig mehr, als sie jetzt durchgeführt worden ist, beschlossen worden ist. Die Wähler sind nicht so unvernünftig, wie Sie ihnen zu unterstellen belieben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Bürger in diesem Lande und unsere Wähler wissen sehr genau, daß allein mit Straßen- und Autoproduktion die Verkehrsbedingungen nicht zu verändern sind. Der Bundesverkehrsminister hat bereits bestätigt, daß man bei der zukünftigen Verkehrspolitik zwischen dem Ausbau des Nahverkehrs in den Ballungsgebieten und dem parallel dazu einhergehenden Ausbau des Straßennetzes in den ballungsfernen Gebieten sehr genau unterscheiden wird. Für diese künftige Verkehrspolitik leistet die Erhöhung der Mineralölsteuer einen wesentlichen und sehr nützlichen Beitrag.
    Vor allem im Zusammenhang mit dem Begriff „Verbesserung der Qualität des Lebens" muß noch eine Anmerkung zu den währungspolitischen Beschlüssen gemacht werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist seit mehr als zwei Jahrzehnten auf dem Weltmarkt in hohem Maße ein Gläubigerland; Überschüsse bei uns setzen Defizite bei anderen voraus und umgekehrt. Wir können die einheimischen Produktionskapazitäten schon längst nicht mehr allein, sondern nur noch mit einer zunehmenden Zahl ausländischer Arbeitskräfte in Gang halten. Bundesminister Friderichs hat bereits auf diese Problematik hingewiesen. Die mehr als 21/2 Millionen ausländischen Arbeitnehmer sind für unsere Volkswirtschaft unentbehrlich geworden. Aber es muß die Frage gestellt werden, ob nicht ein weiterer Anstieg im Tempo der vergangenen Jahre wegen der überproportionalen Zunahme der sozialen Probleme zu große Schwierigkeiten schafft. Ich kann dem Bundeswirtschaftsminister nur zustimmen, der eine Umkehr zu mehr Kapitalexport gefordert hat.
    Den Familien der ausländischen Arbeitnehmer und uns selbst ist mehr damit gedient, wenn wir in Zukunft eine Politik treiben, die die Industrie zu den Leuten, dorthin, wo sie wohnen, bringt und sie nicht zur Industrie holt. Das werden wir in Zukunft stärker betreiben müssen. Die währungspolitischen Beschlüsse geben einen handfesten Anstoß dazu, das zu tun.
    Ständige Exportüberschüsse bedeuten einen ständigen Verzicht auf mögliche Steigerungen des Leistungsangebots für die Bürger des eigenen Landes. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist das Blockfloating nur für jene europäischen Staaten richtig, deren Wettbewerbsbedingungen übereinstimmen.
    Die gewünschte Verlagerung, die langfristige, allmähliche, Strukturveränderungen nur sanft in Bewegung setzende Umorientierung vom Sektor der privaten Investitionen auf die öffentlichen Investitionen, die gleichzeitig eine Umorientierung zu mehr Lebensqualität bedeutet, erfordert allerdings auch eine differenzierte Betrachtung des wirtschaftlichen Wachstums. Aus der öffentlichen Wachstumseuphorie der letzten zwei Jahrzehnte ist in den letzten Jahren ein großes Unbehagen über das wirtschaftliche Wachstum geworden. Auch darauf hat der Bundeswirtschaftsminister schon hingewiesen. Ich meine, daß eine Interpreation der undifferenzierten Antiwachstumsthesen des Clubs von Rom unerläßlich ist. Das dort und anderswo errichtete Warnzeichen vor einem Wachstum um jeden Preis, vor einer unqualifizierten, rein auf quantitatives Wachstum gerichteten Politik, war nur zu berechtigt. Aber die Reaktion auf dieses Warnzeichen darf nicht eine ebenso unkritische Antiwachstumshaltung, nicht irgendeine Art „Zurück-zur-NaturBewegung" sein.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Das kann sich die Bundesrepublik mit Sicherheit nicht leisten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Zukunft wird nur auf der Grundlage eines kontinierlichen und kräftigen Wirtschaftswachstums möglich sein, allerdings nicht eines wahllosen, ausschließlich von kurzfristigen Einzelinteressen bestimmten Wachstums, sondern durch eine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungskräfte, wobei die Qualität des wirtschaftlichen Wachstums in zunehmendem Maße berücksichtigt wird.
    Meine Damen und Herren, das ist auch möglich und im industriellen Wachstumsprozeß gar nicht so schwierig. Allein wegen der Sicherheit der Arbeitsplätze, wegen der Vollbeschäftigung, die neben der Stabilität in der Skala der wirtschaftspolitischen Ziele der Sozialdemokraten ganz oben steht, kann es einen Verzicht auf Wachstum nicht geben, wohl aber eine Veränderung, eine Differenzierung des wirtschaftlichen Wachstums. Es muß hier einmal ausgesprochen werden, daß der Bau von Kläranlagen und Luftfiltern sowie die menschengerechte Ausstattung industrieller Arbeitsplätze von der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ebenso als wachstums-



    Dr. Ehrenberg
    steigernd erfaßt werden wie die Produktion wenig umweltfreundlicher Produkte. Die Produktion dieser notwendigen Dinge hat auch die gleichen positiven Auswirkungen auf die Beschäftigung.
    Das gleiche gilt für die notwendige Umorientierung, die sich hinter den neuen Wechselkursrelationen allmählich in der deutschen Wirtschaft einstellen muß. Ein großer Teil der unter den neuen Bedingungen langsamer wachsenden Wirtschaftszweige hat die gleichen Vorlieferanten, die zum besseren Ausbau der Infrastruktur notwendig sind. Der schnelle Ausbau leistungsfähiger Nahverkehrssysteme, die beschleunigte Ausstattung von Krankenhäusern mit den modernen Errungenschaften der medizinischen Wissenschaft oder die gerade in Bonn ja wohl besonders spürbare vordringliche Verbesserung der Fernmeldeeinrichtungen in der Bundesrepublik erfordern zusätzliche Produktionskapazitäten, die in einer vollbeschäftigten Wirtschaft allerdings nur durch Verlagerungen in die angedeutete Richtung geschaffen werden können.
    Diese Verlagerungen erfordern allerdings gleichzeitig eine ausgewogene Arbeitsmarktpolitik, die vorbeugend Umschulungs- und andere Maßnahmen bereitstellt, um die notwendigen Strukturveränderungen so glatt wie möglich abwickeln zu können. Die Voraussetzungen dafür sind vorhanden. Ich zweifle nicht daran, daß dieser Prozeß durch die Arbeitsmarktpolitik glatt und mit dem nötigen sanften Tempo gesteuert werden kann.
    Meine Damen und Herren, hier ist noch ein Gesichtspunkt als Folge der Stabilitätsbeschlüsse hervorzuheben. Die Beschlüsse von Brüssel haben über den stabilitäts- und strukturpolitischen Effekt hinaus noch eine verteilungspolitische Komponente. Es war sicher kein Zufall — das ist aus den ökonomischen Gegebenheiten nachweisbar —, daß es erstmalig im Jahre 1961, dem Jahr der ersten Aufwertung der Deutschen Mark, möglich war, den Anteil der Arbeitnehmer am Volkseinkommen über die zehn Jahre lang schon als eine Art Naturkonstante angesehene 60-°/o-Barriere zu bringen. Dieser ersten Durchbrechung der von konservativen Nationalökonomen schon als ewig dauernd angesehenen 60-°/o-Barriere ist seit diesem Zeitpunkt ein kontinuierlicher Anstieg der Lohnquote gefolgt, wenn auch nicht im Gleichschritt mit der sich gleichzeitig vermehrenden Zahl der Arbeitnehmer.
    Die Konjunkturlage zu Beginn des Jahres 1973 ließ aber darauf schließen, daß die sprunghaft angestiegenen Auftragseingänge im Investitionsgüterbereich eine Art Gewinnexplosion nach sich ziehen würden. Das Stabilitätsprogramm und die währungspolitischen Maßnahmen werden den voraussehbaren Gewinnanstieg der deutschen Wirtschaft nicht brechen, aber sie werden den Verlauf des Anstiegs notwendigerweise abflachen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hochinteressant!)

    Das ist langfristig auch im Sinne einer stabilen Entwicklung des privaten Unternehmenssektors selbst. Es nimmt dem kommenden Konjunkturaufschwung einen Teil seiner Verteilungsproblematik, der ohne
    diese Einschränkung für die in so hohem Maße ihre gesamtwirtschaftliche Verantwortung wahrenden Gewerkschaften unerträglich würde.

    (Abg. Vogt: Sehr wahr!)

    Sowohl in Zusammenhang mit dem Stabilitätsprogramm als auch gelegentlich in Kommentaren zu den währungspolitischen Beschlüssen wird dann auch immer wieder das übliche Überwälzungsargument aus der volkswirtschaftlichen Trickkiste hervorgeholt. Es lautet so, daß sich die Unternehmer der vorgesehenen Belastung der Stabilitätsabgabe durch entsprechende Preisaufschläge entzögen. Meine Damen und Herren, wer so argumentiert, stellt die Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems auf die Dauer in Frage. Überwälzungsvorgänge bei gleichmäßigen Belastungen können in einer Marktwirtschaft stattfinden, aber nur bei entsprechender Nachfragekonstellation. Liquidität allein, wie sie zur Zeit im Überfluß vorhanden ist, ist noch keine Nachfrage.
    Die Bundesbank ist — das sei in Klammern hinzugefügt — darüber hinaus bemüht, mit ihrem geld-und kreditpolitischen Instrumentarium diese überschüssige Liquidität immer mehr einzufangen. Aber in diesen Vorgang greift die Stabilitätsabgabe in der Form ein, daß sie Geld der privaten Verfügung entzieht und stillegt. Das Geldvolumen wird reduziert. Wenn sich die Unternehmer nicht in Höhe der Stabilitätsabgabe zusätzlich verschulden, muß sich auch die Gesamtnachfrage entsprechend verkürzen.
    Das gleiche gilt für die mit der Verbesserung des D-Mark-Kurses sich verändernden Kostenrelationen der Unternehmen. Es geht keine Veränderung, jedenfalls keine positive Veränderung der Gesamtnachfrage damit einher. Trotzdem wird oft und gern behauptet, die Unternehmer würden die damit verbundenen Exporterschwerungen über Preiserhöhungen im Inland abwälzen. Kurzfristige Reaktionen dieser Art sind möglich, und vielleicht sind sie gelegentlich auch erfolgreich.
    Mittelfristig wird ein Verhalten dieser Art aber die Absatzerwartungen der Unternehmer nicht unbeeinträchtigt lassen. Zu der gegenwärtigen Konjunktursituation mit dem nur kurzfristig so stark vergrößerten Geldvolumen kommt eines hinzu, was ich hier abschließend in aller Deutlichkeit sagen möchte. Im Anschluß an die Stabilitätsmaßnahmen der Bundesregierung wird es für die Unternehmer noch notwendiger sein als sonst, zwischen kurzfristigen Vorteilen und ihren eigenen wohlverstandenen langfristigen Interessen zu unterscheiden. Die unternehmerische Verantwortung in einer marktwirtschaftlichen, aber sozial gebundenen Wirtschaftsordnung erfordert es auch, nicht jeden kurzfristig sichtbar werdenden Preiserhöhungsspielraum bis zur äußersten Grenze auszunutzen.

    (Zustimmung bei der SPD. — Abg. Vogt: Was sagt denn Ihr Minister?)

    Unternehmer, die so handeln, die mit kurzfristiger Motivation Preiserhöhungsspielräume bis zur letzten Grenze ausnutzen, werden weder der den Unternehmern obliegenden gesamtwirtschaftlichen Ver-



    Dr. Ehrenberg
    antwortung gerecht, noch dienen sie langfristig ihren eigenen Interessen. Sie bringen mit einem solchen Verhalten lediglich die marktwirtschaftliche Ordnung in Verruf, eine Wirtschaftsordnung, die bei entsprechender Sozialbindung unter allen praktizierten Wirtschaftsordnungen zwar nicht die denkbar beste, aber die in der Praxis effektivste und bei allen Unzulänglichkeiten am wenigsten unvollkommene ist.

    (Abg. Breidbach: Das müssen Sie mal den Jusos sagen!)

    Die Bundesregierung hat — das muß man Ihnen, Herr Kollege Breidbach, sagen, weil Sie so oft falsche Schlüsse daraus ziehen wie gestern im Ausschuß — mit dem Stabilitätsprogramm und den wohlabgewogenen, im europäischen Bereich sorgfältig erarbeiteten währungspolitischen Beschlüssen deutliche Signale für die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik gesetzt. Dieses Stabilitätsprogramm mit seinen struktur- und verteilungspolitischen Akzenten darf nicht mißverstanden werden. Es setzt Markierungen für den künftigen Weg und gibt hinter dem Schutzwall der flexiblen Wechselkurse nach außen der Bundesbank die geld- und kreditpolitische Handlungsfreiheit wieder.
    Aber, meine Damen und Herren, auch das Arsenal der konjunkturpolitischen Instrumente der Bundesregierung ist nicht erschöpft. Wenn die Unternehmer auf breiter Front die gegenwärtigen Signale nicht verstehen bzw. nicht beachten sollten — ich
    ) persönlich halte die Mehrheit der deutschen Unternehmer für nicht so töricht — und die noch vorhandene Geldschwemme dazu benützt würde, die angestrebten Strukturveränderungen zu blockieren und den der Unternehmerschaft zugedachten Teil auf die Verbraucher abzuwälzen, dann sind allerdings härtere Maßnahmen notwendig. Das konjunkturpolitische Instrumentarium ist noch nicht leer.
    Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz sieht als kräftig bremsende Maßnahme auch die Aussetzung der degressiven Abschreibung vor. Der Anstieg der Auslands- und Inlandsordner im Investitionsgüterbereich würde die Anwendung dieses konjunkturpolitischen Instruments legitim machen, auch wenn dann eine erhebliche Kumulierung restriktiver Maßnahmen einsetzen würde: von der Stabilitätsabgabe über die Stabilitätsanleihe, die Veränderung der Wechselkurse bis zur direkt die Investitionsentscheidungen berührenden Aussetzung der degressiven Abschreibung.
    Bisher hat die Bundesregierung in ihrem abgestuften Programm auf die Anwendung dieses Instruments bewußt verzichtet. Aber dieser Verzicht auf die Anwendung eines noch vorhandenen, sehr wirksamen Instruments ist ein Angebot an nicht kurzfristig motiviertes, sondern langfristig überlegtes Unternehmerverhalten. Der marktwirtschaftlichen Ordnung und den Unternehmen in der Bundesrepublik steht damit eine Art Belastungsprobe, eine Bewährungsprobe bevor. Es ist im allseitigen Interesse sehr zu hoffen, daß diese Bewährungsprobe bestanden wird, ohne daß die Bundesregierung gezwungen wird, den groben konjunkturpolitischen Knüppel der Aussetzung der degressiven Abschreibung hinter der Tür hervorzuholen. In Bereitschaft muß dieser grobe Knüppel allerdings bleiben.

    (Abg. Kroll-Schlüter: Was soll das?)

    Entspricht das Unternehmerverhalten in der Zukunft dem richtigen Verständnis der marktwirtschaftlichen Ordnung, dann kann dieser Knüppel dort auch bleiben. Aber er bleibt in Bereitschaft, und die Statistik der nächsten Monate wird uns zeigen, ob er dort auch bleiben kann.

    (Abg. Kroll-Schlüter: Typisch! Konzept durch Knüppel ersetzen!)

    Die Opposition aber, die die Mehrzahl der Maßnahmen der Bundesregierung enttäuschend oder ungenügend findet, wird sich damit abfinden müssen, daß, wer in der Bundesrepublik stabilitätspolitisch den Mund spitzt — und das tun Sie, meine Herren von der Opposition, seit gut drei Jahren —,

    (Abg. Kroll-Schlüter: 6 % Inflation! — Abg. Dr. Becker [Mönchengladbach] : Nennen Sie das Stabilitätspolitik?)

    dann steuer- und währungspolitisch auch pfeifen muß. Wenn er das nicht tut, dann hat er den Mund vergebens gespitzt.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für meine Fraktion darf ich zunächst einmal feststellen: wir begrüßen es, daß der Jahreswirtschaftsbericht, der übrigens auch für Nicht-Professoren lesbar und verständlich ist, illusionslos und nüchtern abgefaßt ist.

    (Abg. Breidbach: Illusionslos?)

    — Auch illusionslos, Herr Breidbach, natürlich. — Die gleiche Nüchternheit, Herr Kollege Narjes, war bei Ihren Ausführungen nicht festzustellen. Denn daß wir nun allesamt im Sumpf säßen oder unsere Lösungen in Pariser Salons suchten, das ist mir nicht ganz begreiflich.
    Was den Kampf gegen Spekulanten betrifft, die es gar nicht gab, so habe ich über den Begriff „Spekulanten" und meine Einstellung dazu vor drei Wochen hier gesprochen. Aber nun frage ich Sie: Kamen diese 6,4 Milliarden Dollar — inzwischen sind es mehr geworden — aus dem Sumpf oder aus den Pariser Salons, oder wo kamen sie eigentlich her? Wir haben sie ja bekommen.
    Meine Damen und Herren, die stabilitätspolitische Aufgabe, die sich uns und der Bundesregierung stellt, ist ganz ohne Frage durch die außenwirtschaftlichen Einflüsse erschwert. Wer wollte das be. streiten? Ich betone hier aber noch einmal und wiederhole das, was ich namens meiner Fraktion voi einigen Wochen gesagt habe, daß die damals getroffene Regelung richtig war und daß die Art und Weise, wie die Bundesregierung die Lösung erreicht



    Dr. Graf Lambsdorff
    hat, unsere Zustimmung gefunden hat und auch heute noch findet.
    Es ist bereits darauf hingewiesen worden: Hätten wir diese 10 °/o auch noch im Verhältnis zu unseren EWG-Partnern auf unserer Sollseite, so wäre die Gesamtsituation der deutschen Exportwirtschaft selbstverständlich noch mehr verschlechtert. Der gewogene Durchschnittssatz einer etwa 6%igen Aufwertung — Herr Kollege Narjes, ich bin mir über die Problematik eines solchen Durchschnittssatzes wie aller Durchschnittssätze durchaus im klaren; man kann das mit törichten Witzen belegen — wäre natürlich noch schlechter, wenn die Veränderung um 10 % damals nicht eine amerikanische Abwertung, sondern durch eine D-Mark-Aufwertung oder auch ein Floating mit gleichen Folgen zustande gekommen wäre.
    Interessant ist, daß Sie, Herr Kollege Narjes, vor etwa 14 Tagen mit einem Kommentar zu vernehmen waren, die Regierungskoalition habe vorzeitig einen endgültigen Sieg gefeiert. Da würde ich doch bitten, noch einmal das nachzulesen, was wir hier unter dem Stichwort: „die nächste Krise kommt bestimmt!" gesagt haben.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Hätten Sie uns sagen können, daß sie schon in drei Wochen kommt, hätten Sie das ja mit Begeisterung getan.
    Herr Kollege Strauß hat gesagt, wir hätten eine Atempause mit einer Lösung verwechselt. Herr Strauß, auch das halte ich nicht für richtig. Sie haben dabei auf das Smithsonian-Agreement hingewiesen. Sie wissen ja selber, wer das Smithsonian-Agreement als eine langfristige Lösung bezeichnet und erhofft hat, daß es eine solche werde.

    (Abg. Strauß: Sie meinen Präsident Nixon!)

    — Sie haben es gemerkt: Jawohl.


    (Abg. Strauß: Deswegen braucht das doch nicht richtig zu sein!)

    — Das sage ich auch nicht, aber wir sind allesamt davon ausgegangen. Natürlich weiß man — wenn man vom Rathaus kommt, ist man klüger —, daß das keine endgültige Lösung gewesen ist.
    Aber ich glaube, es ist im Gehalt jedes Finanz- und Wirtschaftsministers einbegriffen, daß er hier glaubwürdig und mit langem Atem dementiert. Herr Strauß, 1968 war das auch in Ihrem Gehalt einbegriffen.
    Wir stehen in der Tat vor der Frage — ich kann das nur wiederholen und noch einmal unterstreichen; ich halte das für entscheidend wichtig —, wie das Weltwährungssystem in Ordnung gebracht wird und wie wir unseren Anteil daran leisten. Wir müssen — da stimme ich Ihnen, Herr Strauß, zu
    — die Kritik, die aus den Vereinigten Staaten in handelspolitischer, auch in währungspolitischer Hinsicht — vor allem aber in handelspolitischer Hinsicht gegenüber der Europäischen Gemeinschaft — zu uns herüberkommt, ernst nehmen.
    Wir haben uns im klaren darüber zu sein, daß wir handelspolitisch sehr unbequeme Forderungen auf den Tisch des Hauses gelegt bekommen werden, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Es wäre in der Tat gut, wenn wir uns darauf rechtzeitig vorbereiteten; denn wir wissen, was dort etwa kommen kann.

    (Abg. Wehner: Und das nicht als innenpolitische Polemik verbrauchen!)

    — Völlig richtig, Herr Kollege Wehner. — Aber solange wir z. B. — darf ich dieses heiße Eisen einmal anschneiden? — die leistungsfähigste amerikanische Industrie von dem Markt der Europäischen Gemeinschaft total abschneiden — das ist die Landwirtschaft; ich bedauere das sehr, es ist aber so —, solange müssen wir uns einfach überlegen, wie wir mit den Amerikanern im do ut des zurechtkommen. Es sei denn, Sie wollten eine törichte Amigo-home-Politik in der Bundesrepublik betreiben. Das kann ja wohl nur jemand tun, der politisch seine fünf Sinne nicht mehr beisammen hat. Es gibt auch solche in diesem Lande.

    (Abg. Kroll-Schlüter: Das müssen Sie den Jusos sagen!)

    — Ich habe gesagt: Es gibt solche in diesem Lande.
    Diese Reform — ich wiederhole das — ist vordringlich. Wir wollen keine technischen Erörterungen anstellen, aber sie ist sicherlich nur über die Sonderziehungsrechte möglich. Dabei ist eine souveräne und unabhängige Institution zur Verwaltung und Zuteilung der Weltliquidität notwendig. Es muß uns etwas einfallen — das ist außerordentlich schwierig —, die umherfließende Überliquidität von 60, 70, 80 Milliarden Dollar aus den Finanzmärkten der Welt herauszunehmen. Keine einfache Aufgabe!
    Die gespaltenen Kurse sind uns auch in der letzten Krise wieder einmal als ein exzellentes Mittel empfohlen worden. Ich möchte noch einmal das unterstreichen, was der Bundesfinanzminister gestern gesagt hat. Bei dem Verhältnis zwischen Handels- und Leistungsbilanz, wie es in der Bundesrepublik vorhanden ist, würden die gespaltenen Kurse mit Sicherheit dazu führen, daß die Herausforderung, die die Amerikaner z. B. darin sehen, um ein Erhebliches vergrößert würde. Wer das nicht versteht, soll nicht über gespaltene Kurse reden. Ich bin dem Bundesfinanzminister dafür dankbar — Herr Strauß, das ist schon wieder „Schulterklopfen"; aber besser klopft man sich gegenseitig auf die Schulter, als daß man sich untereinander irgendwo hintritt;

    (Abg. Franke [Osnabrück] : Wie die Jusos!)

    das finde ich jedenfalls angenehmer;

    (Beifall bei der SPD)

    mit Rücksicht auf die Frau Präsidentin: die Kniekehlen waren gemeint, Herr Kollege Strauß —,

    (Heiterkeit)

    daß er trotz des Rates guter Freunde an der Ablehnung der Spaltung festgehalten hat, obwohl er damit in den Geruch geraten kann, unter die Neoliberalen eingereiht zu werden.
    Meine Damen und Herren, ich darf eine Bemerkung zum Goldpreisproblem machen. Die Spaltung des Goldpreises hat ihren ursprünglichen Sinn ver-



    Dr. Graf Lambsdorff
    Loren. Nachdem der offizielle Kurs bei 42 Dollar steht und der Marktkurs etwa das Doppelte beträgt, ist in der Tat ernsthaft daran zu denken, ob man nicht durch Verkäufe aus den amtlichen Reserven der Notenbanken die Goldspekulation bekämpft; denn die Goldspekulation war mit ein Anstoß für die letzte Dollarkrise. Ich sage: mit ein Anstoß und nicht mehr. Ich schlage vor, daß man ernsthaft darüber nachdenkt, z. B. aus dem Internationalen Währungsfond, der Ende 1971 über Goldreserven in Höhe von immerhin 36 Milliarden Sonderziehungsrechte verfügte, Gold abzugeben und ihn außerdem als Agent für Verkäufe der Notenbanken einzusetzen, damit das in einer konzertierten Aktion geschehen kann. Außerdem hätte das die angenehme Nebenwirkung, daß die Bilanzen der Notenbanken etwas verschönt werden könnten, wenn man Gold in den freien Markt verkaufen kann.
    War die Lösung, die wir diesmal für die Währungskrise gefunden haben, richtig, waren die Maßnahmen angemessen? Ich meine, sie waren es. Es war richtig, die Devisenbörsen zu schließen, und es war richtig, eine politische Lösung anzustreben. Daß diese Lösung, wie der Bundesfinanzminister formuliert hat, unter den gegebenen Umständen optimal war, halte ich für zutreffend, wobei das „unter den gegebenen Umständen" natürlich — leider! — zu unterstreichen ist. Ob das eine Sternstunde der Europäischen Gemeinschaft hätte werden können, ob es eine war, ob sie ausgenutzt worden ist? Ich meine immerhin, so pessimistisch wie Sie es beurteilen, Herr Narjes, sollten wir es nicht sehen.

    (Abg. Wehner: Sehr gut!)

    Wir haben einen Schritt zu einer sehr zweifelhaften — das will ich alles zugeben —, sehr unvollständigen Lösung der europäischen Währungsunion gemacht. Wir haben den zehnten Schritt vor dem ersten getan. Wenn man sich ansieht, was im Werner-Plan in schöner Reihenfolge vorgeschlagen wird, so muß man sagen, daß wir mit einem späten Schritt angefangen haben. Aber ich frage mich, Herr Kollege Narjes, ob wir anders überhaupt ernsthaft anfangen würden und ob nicht der Zwang der Verhältnisse auch für die Weiterentwicklung politischer Fragen und politischer Dinge hilfreich und notwendig ist.
    Es gibt einige Probleme im Gefolge dieser Lösung, die Sie alle kennen und auf die ich kurz hinweisen möchte: Zunächst müssen wir alles vermeiden, was dazu führen könnte, daß die D-Mark die Leitwährung in Europa wird. Das wäre eine Belastung, die wir sehr ungern tragen würden; aber die Gefahr ist in dieser Lösung enthalten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Zweitens ist die Stabilitätspolitik durch diese Lösung sicherlich nicht einfacher geworden. Sie wäre allerdings — das ist die Kehrseite der ungenügenden politischen Lösung — bei einem gesamteuropäischen Floating noch sehr viel schwieriger gewesen. Stabilitätspolitik wäre dann nur sehr mühsam zu betreiben gewesen.
    Immerhin: auf diesem Hintergrund haben wir nun einmal Stabilitätspolitik zu betreiben. Ich meine das ganz ernst: wir haben sie in der Tat zu betreiben. Herr Kollege Klaus Dieter Arndt ist heute, wie ich glaube, nicht im Hause; aber ich erinnere mich, daß er vor ein, zwei Jahren einmal in einem Zeitungsartikel seine Meinung etwa dahin formulierte: Laßt das doch bleiben, sagt doch echt, was am Ende herauskommen kann und strebt nicht Zahlen an, von denen ihr im Grunde wißt: das kann doch nicht geschafft werden! Ich glaube, das ist nicht richtig.
    Wir müssen in der Politik das Risiko laufen, uns auch dann Ziele zu setzen, wenn sie im Endeffekt nicht voll erreichbar sind. Natürlich müssen die Ziele nüchtern sein. Das, was die Bundesregierung mit dem Ziel einer Tendenzwende angegeben hat, ist ein nüchternes und, wie ich hoffe, realistisches Ziel.
    Ich stimme Ihren Ausführungen, Herr Narjes, über die schädlichen strukturellen Folgen der Inflation durchaus zu. Wir müssen diesen Kampf aufnehmen und uns ihm stellen. Er wird nicht dadurch leichter, daß man an einem Tage 2,4 Milliarden Dollar in das Bankensystem geschleust bekommt. Die Bundesregierung weist mit Recht darauf hin, daß die Bundesbank abzusaugen versucht, was möglich ist; aber alles geht in der Tat nicht. Das kann man im Februar-Bericht der Bundesbank nachlesen.
    Nun zur Stabilitätspolitik! Die Bundesregierung hat dazu Vorschläge gemacht. Die Opposition — der Bundeswirtschaftsminister hat das schon erwähnt und es ihr als ihr Recht zugestanden — hat daran Kritik geübt, aber keine Alternativen gebracht. Ich fände es hilfreich, wenn Alternativen vorgeschlagen worden wären.
    Herr Kollege Narjes hat, glaube ich, heute morgen gesagt, die Erhöhung der Mineralölsteuer sollte man ersatzlos streichen. Außerdem hat er empfohlen, ein Gutachten des Sachverständigenrates über die Beziehungen Bund/Länder einzuholen. Dies ist, wie mir scheint, angesichts der vorliegenden Situation etwas zuwenig. Vielleicht wird es aber noch mit den Alternativen. Heute konnte man ja z. B. in der Morgenpresse lesen, daß Sie Alternativen auf dem Gebiete des Naturschutzes vorschlagen. Das sind erste Ansätze, die ich als hoffnungsvoll bezeichnen möchte.
    Vorgeschlagen sind von Herrn Strauß, wie auch von Herrn Narjes — nicht heute hier — der rückzahlbare Konjunkturzuschlag und — von Ihnen, Herr Strauß — die Kreditplafondierung. Zu dem Vorschlag der Kreditplafondierung, einem ungemein „marktwirtschaftlichen" Vorschlag, kann ich nur sagen: dazu bekommen Sie die Zustimmung meiner Fraktion nicht.
    Der Vorschlag eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags hat mich veranlaßt, Ihre bemerkenswerten Ausführungen zur Regierungserklärung über die Haltung der Gewerkschaften, über die 8,5 % und ähnliches, noch einmal nachzulesen, Ausführungen, denen wir damals ja im wesentlichen zustimmen konnten.

    (Abg. Strauß: Mit hoher Freigrenze!)




    Dr. Graf Lambsdorff
    — Herr Kollege Strauß, so differenziert — mit hoher Freigrenze – haben Sie sich jedenfalls in der Äußerung im „Handelsblatt" nicht festgelegt. Ich nehme das gern zur Kenntnis. Dann fangen wir wieder an, über die Freigrenze zu streiten. Jetzt haben wir ja einen Konjunkturzuschlag mit hoher Freigrenze gemacht. Diese ist Ihnen wahrscheinlich zu hoch, wie ich annehme.

    (Abg. Strauß: Freigrenze ist jeweils das Gehalt des Bundeskanzlers!)

    Offensichtlich wird davon die Mehrheit Ihrer Wähler betroffen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Der rückzahlbare Konjunkturzuschlag wäre auch stabilitätspolitisch und ökonomisch — daran gibt es für mich keinen Zweifel — die richtige und wirksame Lösung gewesen. Jedermann bis herunter zum letzten Lohnsteuerzahler 10 %! Dies wäre Abschöpfung von Kaufkraft im Optimum geworden, aber eine politisch völlig unerträgliche und völlig unzumutbare Lösung.

    (Abg. Dr. Zeitel: Warum denn?)

    — Ich bin erstaunt, daß man hier die Frage nach dem Warum stellen kann, nachdem wohl allgemein klar ist, daß den Gewerkschaften bei 8,5 °/o von allen Seiten des Hauses — ich zitiere erneut Herrn Kollegen Strauß — Verantwortung und maßvolles Verhalten bescheinigt worden ist. Jetzt wollen Sie also mit der großen Sense darübergehen und den Arbeitnehmern den realen Kaufkraftzuwachs wieder abnehmen?

    (Abg. Strauß: Nicht bis zum letzten Lohnsteuerzahler! — Abg. Dr. Zeitel: Das tun Sie ohnehin!)

    Dies scheint mir unvertretbar zu sein; denn das hätte zu einem heißen Tarifsommer führen müssen. Ich hoffe, daß wir den nicht ohnehin bekommen.
    Herr Kollege Strauß!