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ID0700915000

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    Vokabeln: 7
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 9. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1973 Inhalt: Verzicht des Abg. Augstein (Hamburg) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 243 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Opitz (FDP) . . . . . .. . . 243 B Dr. Wulff (CDU/CSU) . . . . . . 244 D Dr. Eppler, Bundesminister (BMZ) . 246 A, 249 D Dr. Freiherr von Weizsäcker (CDU/CSU) . . . . . . . . . 249 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . 250 B, 252 C, 257 A, 263 B Brandt, Bundeskanzler . 251 B, 262 B Wehner (SPD) . . . . 253 C, 262 B Scheel. Bundesminister (AA) . . . 257 A Dr. Mikat (CDU/CSU) . . . . . . 262 A Dr. Ehmke, Bundesminister (BMP) . 264 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 264 C Dr. Friderichs, Bundesminister (BMW) 264 D Dr. Narjes (CDU/CSU) . . . . . 268 D Junghans (SPD) 273 D Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . 277 B Frau Dr. Wex (CDU/CSU) . . . 280 B Arendt, Bundesminister (BMA) . . 283 C Frau Dr. Focke, Bundesminister (BMJFG) . . . . . . . . 286 B Katzer (CDU/CSU) 288 D Dr. Schellenberg (SPD) 293 D Frau Funcke (FDP) 296 D Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) . . 300 D Genscher, Bundesminister (BMI) . 303 B, 323 D Dr. Dregger (CDU/CSU) 307 C Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 312 C Vogel (Ennepetal) (CDU/CSU) . . 318 A Dr. Hirsch (FDP) . . . . . . . 321 A Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 324 D Dr. Martin (CDU/CSU) 327 C Frau Schuchardt (FDP) . . . . . 331 A Dr. von Dohnanyi, Bundesminister (BMBW) 333 A Nächste Sitzung 336 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 337* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1973 243 9. Sitzung Bonn, den 25. Januar 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adams * 26. 1. Dr. Ahrens ** 27. 1. Alber ** 27. 1. Amrehn ** 27. 1. Augstein (Hattingen) 26. 1. Behrendt * 26. 1. Blumenfeld ** 27. 1. Dr. Dollinger 10. 2. Dr. Enders ** 27. 1. Flämig * 26. 1. Gerlach (Emsiand) * 26. 1. Hösl ** 27. 1. Jung ** 27. 1. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Kahn-Ackermann ** 27. 1. Dr. Kempfler ** 27. 1. Dr. h. c. Kiesinger 27. 1. Lampersbach 25. 1. Lemmrich ** 27. 1. Memmel * 26. 1. Dr. Miltner 2. 2. Dr. Müller (München) ** 27. 1. Pawelczyk ** 27. 1. Richter ** 27. 1. Roser ** 27. 1. Schmidt (Wattenscheid) 25. 1. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 1. Dr. Schulz (Berlin) ** 27. 1. Sieglerschmidt ** 27. 1. Dr. Slotta 2. 2. Springorum * 26. 1. Stücklen 26. 1. Dr. Todenhoefer 24. 2. Frau Dr. Walz ** 27. 1. Westphal 26. 1. Frau Will-Feld 24. 2. Wolfram * 26. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Lenz, wenn eine andere Absicht hinter dieser Erklärung steht, würde ich das außerordentlich begrüßen, aber diese andere und von mir ausdrücklich als bessere, von Ihnen eben in die Erklärung von Herrn Barzel interpretierte Absicht kann nur dann verwirklicht werden, wenn Sie die Bedingung streichen, daß Sie erst nach Vorlage der Arbeiten der Enquete-Kommission bereit sind, über Kompetenzverlagerungen zu sprechen und ihnen zuzustimmen. Zusätzlich müssen Sie für den Bereich des Umweltschutzes auch noch ausräumen, was Herr Kollege Strauß expressis verbis gesagt hat, daß er nämlich keine Notwendigkeit sehe, die Kompetenz für Landschaftsschutz, Naturschutz und Gewässerschutz zu verlagern. Er hat das doch nicht als CSU-Vorsitzender gesagt, sondern als Sprecher für die Gesamtfraktion, möglicherweise natürlich auch nur als Vertreter der Auffassungen Bayerns denn Bayern hat schon in der Vergangenheit im Bundesrat Einspruch dagegen erhoben.
    Meine Damen und Herren, es wäre aber ein Irrtum, anzunehmen, daß Kompetenzverlagerungen nur in diesem Bereich notwendig sind. Ich will Ihnen einen anderen Bereich nennen. Die Innenminister der Länder, die wahrscheinlich nicht in dem Verdacht stehen, daß sie Vertreter eines Zentralstaatsdenkens seien oder ihren ganzen Ehrgeiz darin setzen, Kompetenzen auf den Bund zu übertragen,



    Bundesminister Genscher
    haben mit einer Ausnahme den Bundesinnenminister gebeten, sich dafür einzusetzen, daß der Bund die Vollkompetenz für das Sprengstoffrecht bekommt, weil sie wissen, daß mit der gegenwärtigen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eine im Interesse der inneren Sicherheit ausreichende Kontrolle des Erwerbs und der Verwendung von Sprengstoffen nicht möglich ist. Nun frage ich Sie: Wie wollen Sie Ihre Forderung nach innerer Sicherheit mit einer Verweigerung oder einem Hinausschieben der Kompetenzverlagerung in diesem für die innere Sicherheit ganz entscheidenden Punkt in Einklang bringen, in dem sich die Ihrer Partei angehörenden Innenminister ausnahmslos, Herr Kollege Lenz, für eine Kompetenzübertragung nicht erst in vier Jahren, sondern schon in dieser Legislaturperiode einsetzen?

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Das kommt ganz einfach dadurch, Herr Genscher, daß Sie uns fortgesetzt falsch interpretieren!)

    — Nein, Herr Kollege Lenz, ich wäre dankbar — es werden ja noch Redner von Ihnen kommen; Herr Dregger ist schon gemeldet —, wenn dieser Irrtum ausgeräumt werden könnte. Wenn Sie hier gesagt hätten, daß Sie auch vor Abschluß der erst in einigen Jahren zu erwartenden Schlußarbeit der Enquete-Kommission bereit sind, Verfassungsänderungen zuzustimmen, dann hätte diese Debatte dem Verständnis der Erklärung Ihres Vorsitzenden gedient und hätte damit ein großes Bedenken bezüglich der Haltung der Opposition in ganz entscheidenden Fragen unserer Verfassungspolitik ausgeräumt.
    Meine Damen und Herren, ich bitte um Verständnis dafür, daß ich so gründlich in diese Frage einsteige. Es ist einfach nicht denkbar, daß wir die Umweltschutzpolitik der Bundesregierung, wie sie im Umweltprogramm dargelegt ist, wie sie die Zustimmung Ihrer Fraktion in der Vergangenheit gefunden hat, etwa daran scheitern lassen müßten, daß wichtige Gesetzgebungsvorhaben auf lange Zeit aufgeschoben werden. Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung mit Recht davon gesprochen, daß das Recht auf eine saubere Umwelt, auf menschenwürdige Lebensverhältnisse im Umweltbereich Verfassungsrang haben sollte. In der Tat, Umweltschutz ist unser aller Bürgerrecht und längst nicht mehr, wie man vielleicht früher meinte, die Marotte einiger Ökologen. Es besteht kein Zweifel, daß die natürlichen Hilfsquellen als Grundlage menschlicher Existenz unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gehören, daß dieser Schutz denselben Rang haben sollte wie die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit von Forschung und Lehre oder das Recht auf Bildung. Meine Damen und Herren, dem Recht auf ungestörten Schlaf, auf sauberes Wasser und reine Luft sollten wir Verfassungsrang einräumen. Wir wollen dazu beitragen, daß die Zielkonflikte zwischen Umweltschutz einerseits und Produktivität und Konsum andererseits gelöst werden können. Der Verfassungsrang des Rechts auf menschenwürdige gesunde Lebensbedingungen löst folgerichtig auch die Pflicht aus, alle Planungsentscheidungen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft auf ihre Umweltverträglichkeit zu prüfen. Die Sozialstaatsklausel unseres freiheitlichen Rechtsstaates wird damit für einen weiteren Sektor konkretisiert und ausgefüllt. Zugleich schafft dieser Verfassungsrang auch Auslegungs- und Abwägungsmaßstäbe für geltendes Recht und für künftig zu setzendes Recht und gibt damit der Umweltpolitik eine neue Dimension und Priorität.
    Die Bundesregierung wird den im Umweltprogramm vom Herbst 1971 beschrittenen Weg vom bloß reagierenden Umweltschutz zu einer planvollen und umfassenden Umweltpolitik auch in der Fortschreibung des Programms konsequent weitergehen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode die Grundgesetzänderungen durchführen können für die Abfallbeseitigung, für die Lärmbekämpfung, für die Reinerhaltung der Luft. Jetzt stehen vor uns wichtige neue Kompetenzverlagerungen und Gesetze. Wir hätten das Abfallbeseitigungsgesetz nicht schaffen können, wir könnten das Immissionsschutzgesetz nicht verabschieden, wenn wir nicht in der Vergangenheit in Zusammenarbeit mit Ihnen diese Kompetenzverlagerungen hätten durchführen können. Vor uns steht die Notwendigkeit, das Immissionsschutzgesetz endlich zu verabschieden. Vor uns steht die Notwendigkeit, die Novellen zum Wasserhaushaltsgesetz zu verabschieden, das Wasserabgabengesetz, das Umweltstatistikgesetz und das Wasserhygienegesetz. Das ist ein großes Gesetzgebungsprogramm, das in wesentlichen Teilen vorbereitet ist.
    Die Bundesregierung wird darüber hinaus — das möchte ich mit besonderem Nachdruck sagen — ihre Bemühungen fortsetzen, auch in europäischer Zusammenarbeit zu einer gemeinsamen europäischen Umweltpolitik zu kommen. Wir sehen die internationale Zusammenarbeit als notwendig an, weil sie in bestimmten Fällen aus der Sache heraus geboten ist. Ich erinnere nur an die gemeinsamen Bemühungen um die Reinhaltung des Rheins. Wir brauchen diese internationalen Bemühungen, weil wir gemeinsame Forschungsvorhaben weniger aufwendig durchführen können. Wir brauchen die internationale Zusammenarbeit, insonderheit aber eine Zusamemnarbeit in der Europäischen Gemeinschaft, weil wir keine neuen Handelshindernisse durch unterschiedliche Umweltschutzbedingungen und -bestimmungen entstehen lassen wollen. Schließlich wollen wir auch nicht neue Wettbewerbsverzerrungen durch den Umweltschutz entstehen lassen.
    Nun wird die Frage entstehen: was geschieht, wenn es in bestimmten Bereichen nicht möglich ist, internationale Regelungen so zu verwirklichen, wie unser Umweltschutzprogramm sie vorsieht? Wie verhält sich die Bundesregierung, wenn wir z. B. in Europa nicht in der Lage sind, sofort alle unsere Partner von der Notwendigkeit dieser oder jener Regelung zu überzeugen? Wir haben im letzten Herbst auf Antrag der Bundesregierung hier in Bonn die erste europäische Umweltministerkonferenz gehabt. Wir haben gerade in dieser Konferenz die Frage der Zusammenarbeit in der Gemeinschaft untersucht. Wir konnten als gemeinsames Ergebnis



    Bundesminister Genscher
    festhalten — ich zitiere wörtlich aus einer gemeinsamen Entschließung — :
    Es muß Ziel der Umweltpolitik in der Gemeinschaft sein, so weit wie möglich koordinierte und harmonsierte Fortschritte der jeweiligen nationalen Politik zu fördern, ohne jedoch die Fortschritte zu verhindern, die auf nationaler Ebene schon erreicht wurden oder erreicht werden könnten.
    Das bedeutet, daß die Bundesregierung in Zukunft wie in der Vergangenheit fehlende internationale Möglichkeiten nicht als Vorwand für nationale Untätigkeit nehmen wird. Ich sage an die Adresse aller, die es angeht — ich meine niemanden hier im Hause, sondern ich meine viele Betroffene — : niemand sollte darauf vertrauen oder gar spekulieren, es könne in Brüssel Möglichkeiten geben, konkrete Bestimmungen und Regelungen in der Bundesrepublik aufzuhalten oder auszuhöhlen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung wird von ihren Kompetenzen Gebrauch machen, weil wir wissen, daß wir der großen Herausforderung, die uns die Umwelt stellt, gerecht werden müssen, wenn wir nicht die Glaubwürdigkeit und damit auch den Bestand dieser unserer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung verspielen wollen. Sie muß sich auch bei der Lösung dieser Probleme bewähren. Hier geht es nicht ohne harte und strikte staatliche Regelungen und nicht ohne die Erkenntnis, daß Umweltpolitik auf der einen Seite der Mitwirkung aller Bürger bedarf, auf der anderen Seite aber nicht auf den großen Planungsrahmen staatlicher Entscheidungen verzichten kann.
    Deshalb wollen wir wahrlich im Zusammenhang mit der Umweltpolitik nicht eine Art „Bruttonationalglück" anstreben, wie es Herr Kollege Strauß hier ironisiert hat. Ich meine vielmehr, die Gefahr, daß wir hier zu einem „Bruttonationalglück" kommen, ist nicht so groß, wie die Gefahr bei Untätigkeit in Sachen Umweltschutz wäre, daß wir zu einer Bruttonationalkatastrophe kämen, wenn wir hier nicht handelten.

    (Beifall bei der FDP.)

    Daher, meine Damen und Herren, habe ich diese kurze Intervention zu Beginn des Teiles der Debatte, der sich mit meinem Bereich befassen wird, benutzt, um Sie von der Opposition dringlich zu bitten, Ihre bisherige Arbeit und Mitarbeit gerade im Bereich des Umweltschutzes fortzusetzen, auch dort, wo Verfassungsänderungen notwendig sind, und zwar notwendig nicht in zwei oder drei oder vier Jahren, sondern jetzt und hier bei Wiedervorlage der Gesetzentwürfe und der Entwürfe zu Verfassungsänderungen jeder von uns zu dem stehen muß, was er in der letzten Legislaturperiode gesagt, seinen Wählern vor der Wahl versprochen hat und was für ihn auch ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit seiner Ankündigungen vor den Wahlen und zu ihrer Verwirklichung danach sein wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dregger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat es für angemessen gehalten, in der Aussprache über die Regierungserklärung die innenpolitische Runde selbst zu eröffnen. Das ist sein Recht, aber das ist ungewöhnlich. Herr Kollege Genscher, waren etwa auch Sie der Meinung, daß der innenpolitische Teil der Regierungserklärung so dürftig ist, daß er noch durch eine Zusatzerklärung von Ihnen erweitert werden mußte?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Bundesinnenminister hat es ferner für zweckmäßig gehalten, Fragen an die Opposition zu stellen, bevor die Opposition Fragen an die Regierung stellen konnte. Auch das ist sein Recht, aber das ist ebenfalls ungewöhnlich.
    Meine Damen und Herren, in den letzten drei Jahren haben wir uns an vieles gewöhnen müssen, z. B. daran, daß die Regierung die Versprechungen macht und daß sie dann die Opposition fragt, wie man sie verwirklicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

    Das ist nicht die übliche Arbeitsteilung in einer parlamentarischen Demokratie. Wir haben nicht die Absicht, uns diese Arbeitsteilung von Ihnen aufzwingen zu lassen. Herr Kollege Genscher, wir haben auch nicht die Absicht, den Schwerpunkt der Diskussion über die Innenpolitik von Ihnen bestimmen zu lassen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich bitte um Verständnis, daß ich auf diese Fragen daher jetzt nicht eingehe,

    (Aha! bei der FDP)

    zumal die Zwischenfragen meiner Kollegen einiges geklärt haben und es nach unserer, Arbeitsteilung Herr Kollege Vogel übernommen hat, etwas zum Umweltschutz zu sagen.
    Ein Wort zum innenpolitischen Teil der Regierungserklärung als Ganzem. Für ihn gilt, was für die Regierungserklärung überhaupt gilt: Er klingt wohltuend, verschweigt das Wesentliche und verharrt, soweit er nicht schweigt, im Unverbindlichen:

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Keine inhaltliche Aussage zum Angriff der Systemveränderer auf unsere verfassungsmäßige Ordnung, kein Wort zur politischen Kriminalität. Die beklagenswerte Lage an den Universitäten findet ihren Ausdruck in der Bitte der Regierung an die Betroffenen — ich zitiere —, sich nicht entmutigen zu lassen und sich nicht zu zersplittern. „Freunde, harrt aus, seid tapfer!"

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Bundeskanzler, dieses geradezu biedermeierlich klingende Wort verschleiert mehr, als daß es aufhellt. Der Lage an den Universitäten jedenfalls wird es nicht gerecht. Mancher, der sich dort be-



    Dr. Dregger
    droht und vom Staat im Stich gelassen fühlt, wird ein solches Wort in einer Regierungserklärung als blanken Hohn empfinden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, eine Regierungserklärung ist doch wohl in erster Linie nicht eine literarische, sondern eine politische Aufgabe. Ein Regierungschef muß führen, muß fordern, muß sagen, was zu tun ist. Die Absicht, möglichst allen das zu sagen, was sie hören möchten, und vor allem das nicht zu sagen, was sie nicht hören möchten, und alles so zu sagen, daß niemand beschwert und beunruhigt wird, das mag am Ende einer Legislaturperiode im Angesicht einer Wahl verzeihlich sein; zu Beginn einer Legislaturperiode ist es unverzeihlich. Herr Bundeskanzler, wo bleibt Ihr innenpolitisches Programm? Diese Frage wurde durch Ihre Regierungserklärung nicht beantwortet.
    Herr Bundesinnenminister, Sie erinnern sich sicherlich an die vergangene Legislaturperiode. Was hätten Sie zustande gebracht, wenn Sie in der Sicherheitspolitik allein auf die in dieser Hinsicht unentschlossene Koalition angewiesen gewesen wären und wenn Ihnen die Opposition nicht in einer parlamentarisch so ungewöhnlichen Weise geholfen hätte?

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Wo denn?)

    Weder die von meiner Fraktion beantragte Haftrechtnovelle noch die Vorlagen des Herrn Minister Genscher zum Bundesgrenzschutz und zum Bundesverfassungsschutz hätten wahrscheinlich dieses Haus passiert. Herr Bundesinnenminister, wir werden auch in der kommenden Legislaturperiode nicht nur im Umweltschutz mit Ihnen zusammenarbeiten, wo immer es geht; und das wird in weiten Bereichen der Fall sein. Politisch entscheidend ist allerdings die Frage, ob wir eine gemeinsame Strategie gegen die politische Kriminalität zustande bringen. Wir zweifeln nicht an Ihrer Bereitschaft und Fähigkeit.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aber, Herr Kollege Genscher, verzeihen Sie; was ich jetzt sage, richtet sich nicht gegen Sie persönlich. Sie sind Innenminister dieser Koalition, und solange Sie es sind, sind Sie in der Sicherheitspolitik zwar einiges, aber nicht sehr viel mehr wert als diese Koalition selbst.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was will ich damit sagen? Meine Vorbehalte richten sich nicht gegen die Bereitschaft der Koalition zum Kampf gegen die Mördern und Kidnapper, Sprengstofftäter und Bankräuber vom Schlage der Baader-Meinhof-Bande,

    (Zurufe von den Regierungsparteien)

    obwohl die intellektuellen Hilfstruppen dieser Koalition sich in dieser Hinsicht manchmal, sagen wir schonend, etwas mehrdeutig ausgedrückt haben. Ich zweifle aber — und das sage ich mit vollem Ernst — an der Fähigkeit der Koalition, dem Klima der Verharmlosung, Beschönigung und Verunsicherung entgegenzutreten, in dem sich solche Straftaten entwikkeln. Wer zum Beispiel sein intellektuelles Haupt verständnisvoll wiegt, wenn an unseren Universitäten Hausfriedensbruch, Nötigung und nur leichte Körperverletzung nicht gerade selten sind, und dem in Wort und Schrift, durch Handlungen und Unterlassungen Ausdruck gibt, der macht sich zumindest moralisch und politisch mitverantwortlich nicht nur für die Lähmung des Wissenschaftsbetriebes, sondern auch für eine Eskalation der Gewalt, die schließlich in Straftaten nach Art von Baader-Meinhof mündet.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein zweiter Aspekt! Wenn sich das Gefühl der Unsicherheit in unserem Lande ausbreiten sollte — es ist noch nicht zu dramatisieren, aber immerhin haben 81 % der Bürger dieses Landes gefordert: Der Staat muß mehr für unsere Sicherheit tun! —,

    (Zuruf von der SPD: Und haben deshalb uns gewählt! — weitere Zurufe von der SPD)

    dann könnte das System der DDR nicht nur bei denen an Attraktivität gewinnen, die ideologisch anfällig sind, sondern auch bei denen, die die dort herrschende Ordnung bewundern. Dafür gibt es in der deutschen Geschichte Beispiele.

    (Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Auch in der Zeitgeschichte!)

    Nun, wir wollen erklären — was sicherlich übereinstimmende Auffassung des ganzen Hauses ist —: Für uns ist Ordnung kein absoluter Wert. Wir wollen eine Ordnung des Rechts in Freiheit und lehnen es ab, für Ordnung mit dem zu bezahlen, dem Ordnung dienen soll, nämlich dem Recht und der Freiheit des Menschen, und zwar jedes einzelnen Menschen.
    Ich bin sicher, daß Justiz und Polizei ihre Aufgabe erfüllen werden, wenn wir sie erfüllen — wir Politiker. Wir müssen erkennen, daß unsere Arbeit mit der Verabschiedung der Gesetze nicht getan ist. Wir müssen Justiz und Polizei moralisch den Rücken stärken, indem wir jeder Aufweichung des rechtsstaatlichen Bewußtseins entgegentreten und nicht das Gegenteil tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wer es z. B. zuläßt, daß mit Hilfe des imperativen Mandats in Frankfurt am Main ein Polizeipräsident abgelöst wird, weil er ohne Ansehung der Person das Gesetz gegen Rechtsbrecher zur Geltung bringen will,

    (Zurufe von der SPD)


    (Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Das wissen Sie doch besser! Reden Sie doch keinen Unsinn! Das wissen Sie doch besser!)

    — Nein, das ist kein Unsinn, das ist die Wahrheit, und wir können es in der Diskussion ja vertiefen, Herr Kollege Schäfer.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Dr. Dregger
    Wer einen Richter zum Vorsitzenden Richter eines Oberlandesgerichts befördert, der auch nach Ansicht des Hessischen Richterbundes Auffassungen vom Richteramt vertritt, die mit unserer Verfassung nicht übereinstimmen — so geschehen im Falle des Senatspräsidenten Rasehorn, wiederum in Hessen —, verliert das Mandat, vom konsequenten Eintreten für den Rechtsstaat zu sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Wenn ich das hier deutlich ausspreche, meine Damen und Herren, dann nicht um parteipolitischer Polemik willen,

    (Lachen bei der SPD)

    wie sich jetzt mancher zur Beruhigung seines demokratischen Gewissens einreden wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Es geht vielmehr darum, der nicht nur in der Außenpolitik festzustellenden Neigung des Bundeskanzlers entgegenzutreten, Unangenehmes aus dem Bewußtsein zu verdrängen. Nur wenn wir die Tatsachen erkennen erkennen, nicht unbedingt anerkennen, Herr Bundeskanzler — und aussprechen, was ist, werden wir den Gefahren begegnen, die unserer rechtsstaatlichen Ordnung drohen.
    In diesem Zusammenhang ein Wort an den Herrn Bundesinnenminister. Herr Kollege Genscher, bei allem Respekt vor Ihrer Amtsführung — daß dieser Respekt auch Grenzen hat, bedarf keiner Hervorhebung —(Heiterkeit)

    möchten wir Sie auffordern, sich gerade in den kommenden Jahren nicht auf die technische Seite der Verbrechensbekämpfung zu beschränken, sondern vor allem die politischen Führungsaufgaben wahrzunehmen, die Ihres Amtes sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie sind aufgerufen, gegen modische Torheiten auch in Ihrer eigenen Partei und in der Koalition anzugehen

    (Lachen bei den Regierungsparteien)

    und gegen die Unterhöhlung des rechtsstaatlichen Bewußtseins in der Auseinandersetzung immer wieder neu Front zu machen, auch dann, wenn es parteipolitisch und koalitionspolitisch einmal nicht opportun erscheint.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich wage die Behauptung, daß darin die eigentliche, die größte, die schwerste und die wichtigste Aufgabe des Amtes des Bundesinnenministers in den kommenden Jahren liegen wird. Herr Bundesinnenminister, wir werden Ihnen auch in dieser Hinsicht jede Unterstützung leihen, wenn Sie nur selbst zu kämpfen bereit sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein Wort zur Verfassungspolitik. Der Bundesinnenminister ist nicht nur der oberste Schirmherr der inneren Sicherheit, sondern auch der Verfassungsminister. Auch hier sind die mehr technische
    Seite seiner Amtsführung und die Wahrnehmung grundsätzlicher Positionen im Kampf um unsere verfassungsmäßige Ordnung zu unterscheiden. Die Verfassung ist nicht nur ein Organisationsstatut für den Staat, sondern Grundlage der freiheitlichen Existenz eines jeden Bürgers.
    Aufgabe Nummer eins des Verfassungsministers und aller verfassungstreuen Kräfte ist es, die ideologische Herausforderung der Spätmarxisten abzuwehren, die den Staat als Instrument der herrschenden Klasse denunzieren und ihm jede Legitimität absprechen. Um diesen Staat zu verteidigen, ist es notwendig, seine Konturen hinter den soziologischen Wortschleiern, die heute über ihn gebreitet werden, sichtbar zu machen und ihn in den Köpfen und Herzen der Menschen, insbesondere der Jugend, zu verankern.
    Die zweite wichtige Aufgabe, die insbesondere Ihnen, Herr Bundesinnenminister, als Verfassungsminister und als Ressortminister für den gesamten öffentlichen Dienst obliegt, ist es, die Grenzen der Toleranz gegenüber Verfassungsfeinden genau zu bestimmen. Ob der Beschluß, den der Herr Bundeskanzler im Januar 1972 mit den Ministerpräsidenten der Länder gefaßt hat, ein großer Wurf war, ob er tragfähig oder verbesserungsbedürftig ist, darüber kann man verschiedener Ansicht sein. Aber ich meine, es kommt darauf an, daß man seine Abänderung nicht von denen erzwingen läßt, die eine Abgrenzung von Verfassungsfeinden grundsätzlich ablehnen. Mir ist gerade eine dpa-Meldung bekanntgeworden, die das sehr aktualisiert. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einige Sätze verlesen:
    Die Jusos und der SHB haben Bundeskanzler Brandt aufgefordert, gegen den Beschluß der Länderministerpräsidenten über die Beschäftigung von verfassungsfeindlichen Kräften im öffentlichen Dienst vorzugehen. In einem gemeinsamen Brief an Bundesregierung und SPD-Landtagsfraktion verlangten die Organisationen, Brandt solle in einer neuen Sitzung der Ministerpräsidenten die Aufhebung der Beschlüsse erwirken. Alle Mandats- und Amtsträger der SPD werden aufgefordert, gegen die Anwendung der Beschlüsse vorzugehen, ihre Anwendung zu unterlassen und auf Einstellung der von den Berufsverboten Betroffenen hinzuwirken.

    (Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Das ist deutlich genug! — Hört! Hört! bei der CDU/ CSU. — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist sehr deutlich. Hier geht es um eine grundsätzliche Ablehnung, nicht um die Frage der Opportunität oder der Praktikabilität. Ich meine, es darf nicht so sein, daß der Bund die Gemeinsamkeit von Bund und Ländern in dieser Frage zerbröseln läßt.
    Wenn Änderungen notwendig sein sollten, dann ist es die Aufgabe des Bundesinnenministers, tätig zu werden und für eine gemeinsame Haltung von Bund und Ländern Sorge zu tragen. Daß der Bundeskanzler zu der ständigen Durchbrechung eines von



    Dr. Dregger
    ihm selbst mit gefaßten Beschlusses bisher geschwiegen hat, ist schlimm genug. Aber ebenso schlimm ist es, daß der Ressortminister für die Verfassung und den öffentlichen Dienst bis heute ebenso geschwiegen hat, vielleicht, Herr Kollege Genscher, aus koalitionspolitischen Gründen. Auch das koalitionspolitische Herunterschlucken muß da eine Grenze haben, wo Staat und Verfassung gefährdet werden. Ich meine, daß das dort der Fall ist, wo z. B. Kommunisten — und für Rechtsextremisten gilt genau dasselbe —

    (Lebhafte Zurufe von der SPD)

    Gelegenheit erhalten, sich im öffentlichen Dienst und insbesondere im Bildungswesen festzusetzen. In .diesem Staat kann jeder denken, was er will; im Rahmen der Strafgesetze kann auch jeder reden und handeln, wie er will; besondere Pflichten gelten aber für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die nach allen Beamtengesetzen verpflichtet sind, den demokratischen Staat und seine Verfassung aktiv zu verteidigen. Sie haben keinerlei Anspruch auf Beschäftigung und Besoldung von seiten des Staates, den sie bekämpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, es mag Kommunist sein, wer will; aber wer Kommunist ist und den Wert unserer freiheitlichen Ordnung leugnet, darf nicht Lehrer unserer Kinder sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Bundesinnenminister, wir vermissen Ihre Aktivität, wo es darum geht, diese ebenso einfache wie unausweichliche Konsequenz in der Koalition deutlich zu machen. Niemand kann Ihnen mangelnde Öffentlichkeitsarbeit und eine ungenügende Spannbreite Ihrer Erklärungen zum Vorwurf machen, aber Äußerungen zu der unverantwortlichen Nachgiebigkeit mancher Politiker gegenüber kommunistischer Unterwanderung fehlen meines Wissens bisher vollständig.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Zurufe von der FDP und von der SPD.)

    Und noch eins. Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß die DKP nicht verboten ist, verpflichtet den Staat nicht, Mitglieder dieser Partei in den öffentlichen Dienst zu übernehmen.

    (Zurufe von der SPD: Hahn! Hahn, BadenWürttemberg!)

    — Meine Damen und Herren, das spielt gar keine Rolle,

    (Aha-Rufe bei der SPD)

    von welcher Partei und von welcher Landesregierung hier Beschlüsse gefaßt worden sind, die wir nicht billigen können. Das kann nicht von einem parteipolitischen Standpunkt her beurteilt werden, sondern nur von einem allgemeinpolitischen demokratischen Standpunkt her.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn es anders wäre, bliebe dem Bundesminister des Innern keine andere Wahl, als pflichtgemäß die DKP als Ersatzorganisation der bereits vom Verfassungsgericht verbotenen KPD zu verbieten. Herr
    Wehner, beide unterscheiden sich doch nur durch die Reihenfolge der Anfangsbuchstaben: KPD und DKP.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wer 'die politische Auseinandersetzung dem rechtlichen Verbot vorzieht — und dazu bekenne ich mich persönlich —, sollte nicht die Voraussetzungen in Frage stellen, ohne die eine rein politische Auseinandersetzung keinen Erfolg haben kann. Das sind meines Erachtens zwei: zum einen, daß der öffentliche Dienst freigehalten wird, und zum anderen, daß die demokratischen Parteien sich klar von verfassungsfeindlichen Kräften abgrenzen.
    Meine Damen und Herren, auch hierzu ein deutliches Wort. Wir sehen mit Sorge, daß es der Führung der SPD immer weniger gelingt, Volksfrontbündnisse ihrer Mitglieder mit Kommunisten zu verhindern.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)

    — Das können Sie doch nicht bestreiten; das ist doch Ihr ständiger Ärger!
    Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, vollzieht sich nicht allein in der Bundesrepublik.

    (Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Das sind internationale Vorgänge!)

    Es ist nicht zu übersehen, daß sich in mehreren Ländern Europas die demokratischen Sozialisten wieder auf die totalitären Sozialisten Moskauer Provenienz — wenn auch nur aus taktischen Gründen — zubewegen.

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!)

    In Frankreich treten demnächst Kommunisten und demokratische Sozialisten gemeinsam zur Wahl an. In Schweden stützt sich die sozialdemokratische Minderheitenregierung auf die Kommunisten. In Italien scheitert die Politik der linken Mitte an der Unfähigkeit der Sozialisten, sich von den Kommunisten klar abzugrenzen. In der Bundesrepublik begann die Volksfrontpolitik an den Universitäten. Die amerikafeindlichen Vietnam-Demonstrationen haben gezeigt, daß sie sich über diesen Raum auszuweiten beginnen. Ich will keineswegs die Sozialdemokratie als Ganzes damit identifizieren; aber lesen Sie doch bitte einmal die Rede im Wortlaut, die der Oberbürgermeister von Frankfurt, ein prominentes Mitglied ihrer Partei, an ein vorwiegend linksradikales Publikum zur Vietnam-Frage gehlten hat. Meine Damen und Herren, die Art, in der Herr Arndt unseren wichtigsten Verbündeten diffamiert und sich mit der kommunistischen Bürgerkriegsarmee in Vietnam identifiziert hat, stellte eine Redeweise dar, wie wir sie bisher von Sozialdemokraten nicht gewöhnt waren. Das belastet nicht nur unsere außenpolitischen Beziehungen, es verändert auch die innenpolitische Situation der Bundesrepublik.
    Ein Wort zu den Universitäten. An ihnen herrscht nicht nur ein bildungspolitischer, sondern auch ein verfassungspolitischer Notstand. Ich will nicht wiederholen, was viele kritische Beobachter dazu gesagt



    Dr. Dregger
    haben. Ich erinnere an die ausgezeichneten Analysen von Professor Schelsky. Ist es nicht ein erschreckendes Indiz, wenn neuerdings von verunsicherten und bedrohten Professoren aus Heidelberg berichtet wird, daß sie ihre Zuflucht in Absprachen mit kommunistischen Gruppen gesucht hätten, da diese allein Ordnung garantieren könnten? Meine Damen und Herren, Kommunisten als Ordnungsmacht an unseren Universitäten?! — Herr Bundeskanzler, überhören Sie das alles? Erinnern Sie sich noch an die Aufforderung Professor Steinbuchs, Ihres früheren Anhängers, Ihre Autorität zur Verteidigung der Demokratie zur Geltung zu bringen? Ihr Amt als Bundeskanzler verleiht Ihnen die oberste, zum politischen Handeln berufene Autorität dieses Staates. Handeln Sie endlich!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)