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ID0700910300

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 9. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1973 Inhalt: Verzicht des Abg. Augstein (Hamburg) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 243 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Opitz (FDP) . . . . . .. . . 243 B Dr. Wulff (CDU/CSU) . . . . . . 244 D Dr. Eppler, Bundesminister (BMZ) . 246 A, 249 D Dr. Freiherr von Weizsäcker (CDU/CSU) . . . . . . . . . 249 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . 250 B, 252 C, 257 A, 263 B Brandt, Bundeskanzler . 251 B, 262 B Wehner (SPD) . . . . 253 C, 262 B Scheel. Bundesminister (AA) . . . 257 A Dr. Mikat (CDU/CSU) . . . . . . 262 A Dr. Ehmke, Bundesminister (BMP) . 264 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 264 C Dr. Friderichs, Bundesminister (BMW) 264 D Dr. Narjes (CDU/CSU) . . . . . 268 D Junghans (SPD) 273 D Dr. Graf Lambsdorff (FDP) . . . 277 B Frau Dr. Wex (CDU/CSU) . . . 280 B Arendt, Bundesminister (BMA) . . 283 C Frau Dr. Focke, Bundesminister (BMJFG) . . . . . . . . 286 B Katzer (CDU/CSU) 288 D Dr. Schellenberg (SPD) 293 D Frau Funcke (FDP) 296 D Frau Eilers (Bielefeld) (SPD) . . 300 D Genscher, Bundesminister (BMI) . 303 B, 323 D Dr. Dregger (CDU/CSU) 307 C Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 312 C Vogel (Ennepetal) (CDU/CSU) . . 318 A Dr. Hirsch (FDP) . . . . . . . 321 A Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 324 D Dr. Martin (CDU/CSU) 327 C Frau Schuchardt (FDP) . . . . . 331 A Dr. von Dohnanyi, Bundesminister (BMBW) 333 A Nächste Sitzung 336 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 337* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. Januar 1973 243 9. Sitzung Bonn, den 25. Januar 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adams * 26. 1. Dr. Ahrens ** 27. 1. Alber ** 27. 1. Amrehn ** 27. 1. Augstein (Hattingen) 26. 1. Behrendt * 26. 1. Blumenfeld ** 27. 1. Dr. Dollinger 10. 2. Dr. Enders ** 27. 1. Flämig * 26. 1. Gerlach (Emsiand) * 26. 1. Hösl ** 27. 1. Jung ** 27. 1. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Kahn-Ackermann ** 27. 1. Dr. Kempfler ** 27. 1. Dr. h. c. Kiesinger 27. 1. Lampersbach 25. 1. Lemmrich ** 27. 1. Memmel * 26. 1. Dr. Miltner 2. 2. Dr. Müller (München) ** 27. 1. Pawelczyk ** 27. 1. Richter ** 27. 1. Roser ** 27. 1. Schmidt (Wattenscheid) 25. 1. Schmidt (Würgendorf) ** 27. 1. Dr. Schulz (Berlin) ** 27. 1. Sieglerschmidt ** 27. 1. Dr. Slotta 2. 2. Springorum * 26. 1. Stücklen 26. 1. Dr. Todenhoefer 24. 2. Frau Dr. Walz ** 27. 1. Westphal 26. 1. Frau Will-Feld 24. 2. Wolfram * 26. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Jürgen Junghans


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident.
    Der Sektor Energiepolitik ist nämlich typisch für ein Feld, auf dem eine planende und bewußte Gestaltung nicht mehr möglich war. Erst als das Kind in den Brunnen gefallen war, kam eine Art Kohle-Programm. Hier war versucht worden, einen Krisenherd isoliert zu behandeln, ohne ihn in Wechselbeziehung zu den anderen Energieträgern zu sehen.
    Zusammen mit der Bundesregierung werden wir versuchen, eine Regelung zu finden, die abgestimmt ist m i t allen Energieträgern und a u f alle Energieträger, mit dem Ziel einer langfristigen Sicherstellung der Energieversorgung unserer Volkswirtschaft. Es geht darum, einerseits der Volkswirtschaft langfristig die notwendige Energie zu sichern und andererseits den in diesem Wirtschaftszweig tätigen Menschen einen sicheren Arbeitsplatz zu geben. Auch dies gehört zum grundgesetzlichen Auftrag: vergleichbare Lebensbedingungen im ganzen Bundesgebiet herzustellen. Ohne eine konsequente Ordnungspolitik und ohne eine solide Strukturpolitik wird das nicht möglich sein.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird die Bundesregierung auf diesem Wege und in diesem Bemühen voll unterstützen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Sprecher der Opposition und auch der verehrte Herr Kollege Narjes haben beklagt, daß in der Regierungserklärung ein Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft nicht in ausreichender deklamatorischer Weise abgegeben worden sei. Nun hat heute Herr Narjes zunächst einmal diesem Defizit in, wie mir scheint, überreichem Maße abgeholfen und hier sehr beherzigenswerte Grundsätze vorgetragen, auf die wir uns im wesentlichen, soweit es den ersten Teil seiner Ausführungen betrifft, einigen können. Ich habe es allerdings bedauert, daß nach den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, der hier in prägnanten, kurzen Sätzen Inhalte vorgetragen hat, zu diesen Inhalten nicht etwas mehr Stellung genommen worden ist. Allerdings hat Herr Narjes es für richtig befunden, gegenüber dem neuen Bundeswirtschaftsminister aus dem teilweisen Kompetenzabbau seines Ministeriums — ich mache gar kein Hehl daraus, meine Damen und Herren, daß ich das Uberwandern der Abteilung Geld und Kredit in das Bundesfinanzministerium bedaure — auch auf mangelnde sachliche Kompetenzen zu schließen. Dem ist erstens zu widersprechen; zweitens ist die Frage zu stellen, wie denn bei anderem Wahlausgang wohl die Kompetenzen eines Bundeswirtschaftsministers Narjes ausgesehen hätten; darüber ist ja vorher genug diskutiert worden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ohne Frage richtig, daß auch in der Öffentlichkeit an der Regierungserklärung im In- und Ausland Kritik geübt worden ist. Es ist ganz zweifellos, daß es in einer Regierungserklärung offenbar niemals allen recht gemacht werden kann, und dies ist wahrscheinlich eine Binsenwahrheit. Interessanterweise sind es allerdings die ausländischen Pressestimmen gewesen, die uns hier für so etwas wie eine Insel der Seligen halten, was natürlich nicht stimmt, und ich wäre der letzte, der sich damit tröstete, daß es anderswo ja noch schlechter zugehe als vielleicht bei uns.
    Aber wie sieht es denn eigentlich bei uns aus? Gibt es so etwas wie einen neutralen, einen objektiven Beurteiler des wirtschaftspolitischen Teils dieser Regierungserklärung? Hier bitte ich um Nachsicht, wenn ich aus meiner persönlichen beruflichen Erfahrung einen zugegebenermaßen erzkapitalistischen Zeugen aufrufe, nämlich die Wertpapierbörse, die ihre Preise bekanntlich nicht nach Sympathie oder Antipathie bildet, sondern nach der Beurteilung von Chance und Risiko. Das Urteil der deutschen Aktienbörsen in den Tagen nach der Regierungserklärung war eindeutig. Der wirtschaftspolitische Teil dieser Regierungserklärung ist positiv beurteilt worden; die Kurse stiegen in überraschendem Ausmaße. Mit anderen Worten: Es wurde eine gesunde, positive Wirtschaftsentwicklung prognostiziert. Steigende Rentabilität der Unternehmen wird erwartet. Ebenso werden Fortschritte erwartet beim Kampf um die Rückgewinnung der Stabilität, ein Thema, zu dem nachher noch einige Sätze zu sagen sein werden, was aber im übrigen Teil der heutigen Debatte, der sich dem Haushalt widmet, überlassen werden kann.
    Zur Frage der Stabilität jetzt nur einige wenige Sätze. Ich habe es bedauert, Herr Narjes, daß Sie nicht die Gelegenheit wahrgenommen haben, auf die, wie ich meine, sehr bedenkenswerten Ausführungen einzugehen, die der Kollege Arndt gestern im Zusammenhang mit den internationalen Währungsfragen zu diesem Thema gemacht hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie, Herr Narjes, haben von dem Wetterleuchten gesprochen, das sich an den Wertpapierbörsen abgezeichnet hat — Wetterleuchten in der Tat wegen der unerfreulichen Entwicklung an den Devisenmärkten nach der Spaltung des italienischen Lira-Kurses. Ich bin der Auffassung, daß wir hier ein Gebiet vor uns haben, dem wir, wie Herr Arndt das gestern ausgeführt hat, größte Aufmerksamkeil widmen müssen. Ich bin auch persönlich der Auffassung — daraus mache ich keinen Hehl, auch wenn das unpopulär ist und von Ihnen nicht gern gehört wird —, daß unser binnenwirtschaftlicher Anteil am Zustandekommen der Inflation im Verhältnis zum. außenwirtschaftlichen Anteil relativ gering ist und



    Dr. Graf Lambsdorff
    die eigentliche Lösung dieses Problemes auf diesem Gebiet gesucht werden muß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Formulierung von Herrn Narjes, die Regierung habe uns in Inflationsraten hineinmanövriert, muß korrekterweise doch wohl heißen: sämtliche Regierungen der westlichen industrialisierten Länder haben ihre Länder in Inflationsraten hineinmanövriert; denn wir sind ja nicht die einzigen. Im Gegenteil, wir sind, wie Herr Arndt auch ,das gestern ausgeführt hat, erfreulicherweise nach wie vor am Ende der Skala. Ich sage: erfreulicherweise, ohne damit irgendwie eine Alibi-Funktion dieser Tatsache zitieren zu wollen.
    Außer der Frage der Preisstabilität ist im Wahlkampf von der Opposition das Thema Vollbeschäftigung in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gestellt worden. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat vorhin das Glück gehabt, den Zwischenruf „Arbeitslosigkeit" serviert zu bekommen. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, ,daß jemand in unserer Situation mit einem solchen Zwischenruf operiert. Aber: nun denn!

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das war Herr Minister Schmidt, der dieses Thema hochgespielt hat!)

    — Herr Müller-Hermann, Sie haben es heute ja
    erneut wieder aufgegriffen; ich weiß nicht, warum.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Ich nicht!) — Nein, nicht Sie persönlich.

    Es kann doch wohl kein Zweifel daran bestehen, daß diese Regierung, wie heute jede demokratisch gewählte Regierung in den Ländern der industrialisierten Welt, sich zur Erhaltung der Vollbeschäftigung verpflichtet fühlt. Angesichts der allgemein bekannten Lage am Arbeitsmarkt — mein Kollege Opitz hat heute morgen über die Frage, ob wir nicht endlich mit dem Kapital dorthin gehen sollen, wo die Arbeitsreserven zu finden sind, zutreffende Ausführungen gemacht —, der Zahl der Gastarbeiter usw. können wir beim besten Willen nicht sehen, daß ausgerechnet dieses Ziel des Stabilitätsgesetzes, nämlich das Ziel der Vollbeschäftigung, zur Zeit akut gefährdet ist.
    Wir legen allerdings Wert darauf, in diesem Zusammenhang eines klarzumachen: Vollbeschäftigung oder gar Arbeitsplatzgarantie kann nicht heißen, daß jemand in dem gleichen Betrieb, in dem er seine Lehre absolviert hat, auch pensioniert wird. Es ist nicht Aufgabe staatlicher Wirtschaftspolitik, für einen bestimmten oder den bestimmten spezifischen Arbeitsplatz und dessen Erhaltung zu sorgen. Sie muß angemessene Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, und wir alle müssen uns darüber im klaren sein, daß die fortschreitende technologische Entwicklung den Wechsel von einem Arbeitsplatz zum anderen im Laufe eines Berufslebens mehr und mehr zur Regel machen wird. Im Sinne liberaler Wirtschaftspolitik sehen wir in dieser Mobilität auch positive Wachstums- und Struktureffekte. Im übrigen hat ja Herr Dr. Friderichs auf einige möglicherweise gefährdete Arbeitsplätze hingewiesen. Die
    Kenntnis darüber stammt aber nicht aus Veröffentlichungen ,der Bundesanstalt für Arbeit, sondern aus dem „Rheinischen Merkur".
    Wir sind dem Bundeskanzler dafür dankbar, daß er keine Regierungserklärung der Deklamationen abgegeben, sondern konkrete Zielsetzungen und Gesetzgebungsvorhaben angekündigt hat. Die Opposition, Herr Narjes, wird ausgiebig Gelegenheit haben, im Plenum und in den Ausschußberatungen ihr marktwirtschaftliches Bekenntnis mit uns zusammen, wie ich hoffe, zu praktizieren.
    Meine Fraktion hat sich entschlossen, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner und der Regierung für eine zügige Beratung der Kartellnovelle zu sorgen. Wettbewerb ist ,die Grundlage unserer wirtschaftlichen Ordnung; sie ist heute morgen oft genug erwähnt worden. Wir sind aber die Bekenntnisse zur sozialen Marktwirtschaft leid, die auf Tagungen von Verbänden und sogenannten Wirtschaftsräten abgegeben werden, wenn deren Redner vom Podium eilen, neben dem Branchenkonkurrenten Platz nehmen und die nächste Preisliste absprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Verantwortlichen in unserer Wirtschaft, die sich dem Wettbewerb stellen, die ,die täglich neue Herausforderung des Marktes annehmen, werden die Liberalen in diesem Hause auf ihrer Seite finden.
    Wer aber die Wettbewerbswirtschaft und den ihr untrennbar verbundenen Leistungsgedanken offen oder versteckt verneint, dem werden wir uns entschlossen widersetzen.
    Die Freien Demokraten sind der Ansicht, daß der Staat ein brauchbares, ja — ich spreche das ruhig aus — ein starkes Kartellgesetz braucht, um auf der Grundlage eines solchen Gesetzes eine pragmatische liberale Handhabung durch das Bundeskartellamt zu ermöglichen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Jetzt ist es nahezu umgekehrt: Wir haben ein Kartellgesetz, das durchlöchert ist wie ein Schweizer Käse, und eine ihrer selbst nicht mehr sichere Behörde.
    Deshalb muß jetzt die vorbeugende Fusionskontrolle kommen, nicht weil wir volkswirtschaftlich sinnvolle Konzentrationsbewegungen abschnüren wollen, wohl aber, um z. B. Bierfusionen der bekannten Art zu verhindern und um bei Maschinenbaukonzentrationsbewegungen mitreden zu können. Ich erwähne diese beiden Fälle deshalb ausdrücklich, weil sie prima vista im Ergebnis unterschiedlich beurteilt werden müssen. Der erste Fall ist volkswirtschaftlich nicht vertretbar und betriebswirtschaftlich offensichtlich auch nicht; denn die größten Brauereien sind mit den Bierpreiserhöhungen immer vornean. Der zweite Fall scheint volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich eine entgegengesetzte Beurteilung erfahren zu können. Ich will aber nicht so tun, als hätte ich die Fusionskontrollfunktion bereits ausgeübt. Aber es scheint mir prima vista so zu sein. Worauf wir aber Wert legen, ist die Gelegenheit, die Chance und das Recht des Staates, in die-



    Dr. Graf Lambsdorff
    sen Fragen mit-zu-sprechen und zu überprüfen, ob Wettbewerb erhalten bleibt.
    Machen wir uns nichts vor: Die Fusionswelle rollt weiter. Auch nach Auslaufen des Umwandlungssteuergesetzes wird das so bleiben, insbesondere dann, wenn wir bei Einführung des Anrechnungsverfahrens in der Körperschaftssteuer zwangsläufig ein erneutes Umwandlungssteuergesetz brauchen werden. Hier gibt es eine sehr unheilige Koalition: auf der einen Seite diejenigen, die dem so lange zusehen, bis der staatliche Zugriff auf das Mammutunternehmen der Branche nur noch Formsache ist, und auf der anderen Seite diejenigen, die unter den Anforderungen des Wettbewerbs verzagen, im Sinne einer kurzfristig verstandenen Gewinnmaximierung den bequemeren Weg suchen und zuletzt Subventionen fordern, weil sie ihre eigene Leistungskraft unterminiert haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dazwischen gilt es, zu den ordnungspolitischen Grundsätzen der Marktwirtschaft zu stehen, sie wo nötig, wiederherzustellen und sie durchzuhalten. Davon lassen wir uns, das sei deutlich gesagt, nicht durch Hinweise auf kommendes Recht oder mögliche Interpretationen des geltenden Rechts der EWG abbringen. Das eine tun, das andere nicht lassen! Sorgen wir jetzt für die richtige Ordnung im eigenen Hause.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Fraktion legt Wert darauf — ich wiederhole das —, daß die Kartellnovelle nun wirklich schnell und zügig verabschiedet wird. Sie muß selbstverständlich die in der neu einzubringenden alten Vorlage bereits diskutierten Vorschläge enthalten — ich kann das ganz kurz machen; das ist häufig erwähnt worden —: Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, endlich auch die Kooperationserleichterung für kleine und mittlere Unternehmen. Es kann nicht in unserem Sinne liegen, daß Gemeinschaftsgründungen mittlerer Unternehmen am Wettbewerbsrecht scheitern und daß z. B. die Gemeinschaftswerbung von selbständigen Lebensmitteleinzelhändlern, die sich zu Filialketten zusammengeschlossen haben, nur hart am Rande der Legalität durchgeführt werden kann.
    Die Freien Demokraten sind grundsätzlich der Ansicht, daß das Wettbewerbsrecht durch ein Verbot der abgestimmten Verhaltensweisen ergänzt werden muß. Wirtschaftsentwicklung und Rechtsprechung machen eine Regelung dieser Frage zu einem, wie wir meinen, unerläßlichen Gebot. Wenn Berichte zutreffen, daß sich Abgesandte von Unternehmen in verdunkelten Hotel- oder Verwaltungszimmern versammeln; daß dort mit einem Bildwerfer Preise an die Wand geworfen werden und daß dann behauptet wird, das sei natürlich keine Preisabsprache gewesen, so wird der Staat in seiner Funktion zur Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Ordnungsprinzipien schlichtweg veralbert.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dies kann und darf er sich nicht gefallen lassen, weil das ernsthafte Folgen hat — nicht wegen irgendwelcher verletzter Eitelkeiten.
    Wir würden es begrüßen, wenn das Problem der abgestimmten Verhaltensweisen schon jetzt in diese Novelle aufgenommen werden kann. Angesichts der gesetzestechnischen Schwierigkeiten und des unbestrittenen zeitlichen Vorranges der Fusionskontrolle halten wir es — wenn auch ungern — für denkbar, für nicht vollständig ausgeschlossen, die Novellierung des Wettbewerbs, was die abgestimmten Verhaltensweisen anbelangt, in Zeitabschnitten zu vollziehen. Wir würden es aber begrüßen, wenn das in gemeinsamer Übereinkunft aller Fraktionen nicht nötig werden würde.
    Die Preisbindung der zweiten Hand werden meine Freunde und ich vorurteilsfrei prüfen. Ihre Verteidigung ist für meine Fraktion kein Glaubensbekenntnis, ihre Abschaffung aber auch nicht. Sie hat natürlich Folgeprobleme. Denken Sie bitte an die Situation unseres Buchhandels oder der Verlage. Wir versprechen uns davon keine nachhaltige Unterstützung bei der Bekämpfung des Preisauftriebs. Sehr viel ernstere Probleme scheinen — Herr Junghans hat das vorhin erwähnt — die uns oft irreführenden unverbindlichen Preisempfehlungen zu enthalten. Auch die Praxis der sogenannten Lockvogelangebote, meine Damen und Herren, bedarf nach unserer Meinung einer Korrektur, notfalls durch eine Ergänzung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.
    Die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt die Darlegungen des Herrn Bundeskanzlers zum Problemkreis Leistungsgesellschaft, Wirtschaftswachstum und Umweltschutz. Wir sind überzeugt davon, daß unsere leistungsfähige Wirtschaftsordnung die solide Basis zur Lösung auch dieser Probleme ist. Die Bundesrepublik Deutschland hat in der Vergangenheit wirtschaftliche Erfolge errungen, die in der ganzen Welt anerkannt worden sind. Diese Erfolge sind die verläßliche Grundlage für die notwendigen Reformen unserer sozialen und gesellschaftlichen Ordnung. Sie verpflichten uns aber auch, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, um die wirtschaftliche Entwicklung Europas in marktwirtschaftliche Bahnen zu lenken. Es wäre verhängnisvoll, wenn sich Europa von einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ab- und einem suprastaatlichen Dirigismus zuwenden wollte.

    (Beifall.)

    Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang eine persönliche — ich betone: persönliche — Bemerkung: Die Bundesregierung hat auf einer ihrer ersten Sitzungen den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum internationalen Kakaoabkommen beschlossen. Für diese Entscheidung gab und gibt es gewichtige außenpolitische Gründe. Ich halte die Entscheidung deshalb für richtig. Die Bundesregierung hat aber die ökonomischen Vorbehalte gesehen, und sie bestehen fort. Ich warne davor, dieses Abkommen als Muster für die Aufteilung der Weltrohstoffmärkte zu nehmen. Das würde den mühsam aufgebauten freien Welthandel zerstören und — was das Schlimmste dabei ist — die Disparitäten zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern nicht beseitigen. Wir würden — überspitzt formuliert — Kolonialpo-



    Dr. Graf Lambsdorff
    litik mit Mitteln des 20. Jahrhunderts betreiben, und das können und dürfen wir nicht wollen.

    (Beifall.)

    Meine Damen und Herren, dies war eine persönliche Bemerkung.
    Herr Narjes, Sie haben kritisiert, daß die Orientierungsdaten fehlen. Die Bundesregierung und der Bundeswirtschaftsminister haben einen Kranz von Daten gegeben. Eine Zahl hat dabei gefehlt, bewußt gefehlt, nämlich die Zahl über die vertretbaren Tariferhöhungen. Herr Narjes, dies ist ganz gezielt geschehen. Wir wissen aus Erfahrung — warum soll man aus Erfahrung nicht gelegentlich etwas lernen? —, daß, wenn hier gesagt wird, wieviel an Tarifanhebungen vertretbar ist, dieser Satz unter allen Umständen die Untergrenze dessen ist, was von den Gewerkschaften im Verständnis ihrer eigenen Aufgaben erreicht werden muß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das war der Grund, warum wir diese Zahlen, wie ich meine, richtigerweise nicht genannt haben. Ich habe den Herrn Bundeswirtschaftsminister in dieser Frage unterstützt. Es ist richtig gewesen, daß er einen Kranz von Orientierungsdaten gegeben hat, aus dem sich jeder, der zu rechnen versteht, ausrechnen konnte, welche Steigerungen vertretbar waren und welche nicht. Aber es wäre nicht sinnvoll gewesen, eine feste Zahl zu nennen. In Fragen solcher Zahlen haben wir schlechte Erfahrungen gemacht. Ich wiederhole: Man muß ja nicht immer die alten Fehler aufs neue machen.
    Ich komme zum Schluß: Die Freien Demokraten werden die ordnungspolitischen Vorstellungen einer der sozialen Marktwirtschaft verpflichteten Wirtschaftspolitik geschlossen unterstützen. Dies ist eine Wirtschaftspolitik, die, wie es der Herr Bundeswirtschaftsminister heute schon gesagt hat, in erster Linie für den Verbraucher bestimmt ist, eine Wirtschaftspolitik, die nicht für den Staat, sondern für seine Bürger bestimmt ist, die nicht für Wachstum als Selbstzweck, sondern für Wachstum als Grundlage der notwendigen Reformen für unser Land sorgen soll.

    (Beifall.)