Ich muß zumindest die Möglichkeit haben, auf die erste noch zu antworten; dann bin ich ja immer bereit, mir die nächste Zwischenfrage anzuhören. Meine Antwort ist noch nicht zu Ende; ich wiederhole noch einmal, damit sie im Zusammenhang gegeben werden kann. Ich habe zu keiner Zeit gesagt, daß die Wahrheit durch Mehrheitsentscheidung festzulegen und durch Mehrheitsentscheidung aufzuheben wäre. Es gibt überhaupt keine politische Entscheidung über Wahrheit oder Nichtwahrheit.
Deswegen ist ja die Begriffswahl falsch. Der Sinn meiner Wortmeldung war ja kein anderer als der, darauf hinzuweisen, daß wir hier mit falschen Begriffen operieren. Wir hätten von vornherein sagen müssen, es handelt sich um politische Wirklichkeit und nicht — —
— Das tue ich doch vor diesem Hause, dem Herr
Bahr anzugehören seit einiger Zeit ja die große
Ehre hat, wie wir alle, meine Damen und Herren.
Jetzt zu den Entschließungen — ich will doch dem Herrn Kollegen eine volle Antwort geben. Wir sollten doch der Öffentlichkeit gegenüber nicht den Eindruck erwecken, daß Entschließungen von Parlamentsmehrheiten alles enthalten müßten, was die beteiligten politischen Gruppen als ihre Meinung vertreten. Gemeinsame Entschließungen von mehreren politischen Gruppen können nur eine Mehrheit finden, wenn sie im Kompromißwege beschlossen werden. Das gilt jetzt auch als Antwort auf die Frage, die eben Herr Dr. Barzel gestellt hat, als er sich danach erkundigt hat, ob der Koalitionspartner sich nicht dafür interessiere, wie die SPD über diese Dinge denke. Hierzu muß man sagen: Koalitionen sind Vereinbarungen, um eine ganz bestimmte Politik in die Wirklichkeit umzusetzen, eine Politik, die von einer Mehrheit der Parlamentarier getragen wird und von einer Mehrheit der Wähler gewünscht wird. Das heißt, wenn es eine Koalition zwischen Sozialdemokraten und Freien Demokraten gibt, dann kann es weder ein sozialdemokratisches Regierungsprogramm geben noch ein liberales Regierungsprogramm im Sinne der Freien Demokraten, sondern dann kann es nur ein sozialliberales Regierungsprogramm geben. Das, was der Bundeskanzler hier vorgetragen hat, war ja nicht seine persönliche Meinung, die Meinung der SPD, der FDP oder meine Meinung, sondern das Programm der Regierungskoalition.
Und was das Merkwürdige ist — ich bitte einmal, darüber nachzudenken —: heute hat dieses sozialliberale Regierungsprogramm in der Offentlichkeit eine viel breitere Mehrheit gefunden, als die beiden Parteien gemeinsam beim letzten Mal an Wählern für sich haben buchen können.
Das heißt, in der Kombination dieser Politik, so wie sie sich heute darstellt, liegt für viel mehr Menschen ein gewisser Reiz. Das muß Herr Strauß sich merken, wenn er über Mitte philosophiert.