Rede:
ID0700404600

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Metadaten
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    Deutscher Bundestag 4. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1972 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 25 A Bekanntgabe der Bildung der Bundesregierung 25 A Eidesleistung der Bundesminister 25 D Abgabe einer Erklärung des Bundeskanzlers Brandt, Bundeskanzler 27 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 30 B Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Einsetzung des Rechtsausschusses (Drucksache 7/21) Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) 32 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1972 (Haushaltsgesetz 1972) (Drucksachen 7/10, 7/11) — Erste Beratung — Leicht (CDU/CSU) 32 D Haehser (SPD) 34 B Kirst (FDP) 36 B Nächste Sitzung 38 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten 39 A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1972 25 4. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 10 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1972 39 Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Augstein (Hamburg) 15. 12. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 15. 12. Blumenfeld ** 15. 12. Dr. Burgbacher 15. 12. Dr. Franz 15. 12. Handlos 15. 12. Lücker * 15. 12. Frau Schroeder (Detmold) 15. 12. Strauß 15. 12. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Karl Haehser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Gnädige Frau! Meine sehr geehrten Damen und meine Herren! Lassen Sie mich an die Spitze meiner Bemerkungen zur Haushaltsplanberatung 1972 ein Wort des Dankes an die Bundesregierung setzen. Durch die Vorlage des Gesetzentwurfes und der Anlagen wird sich das Bundesparlament in den Stand gesetzt sehen, den bisherigen Haushaltsplänen seit 1949 nun auch noch den Haushaltsplan 1972 hinzuzufügen.
    Namens meiner Fraktion möchte ich mich ausdrücklich beim Bundesrat bedanken, der in seiner Gesamtheit auf die ihm zustehende Beratungsfrist verzichtet hat, damit der Bundesetat 1972 noch vor Ablauf des Haushaltsjahres verabschiedet werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auch die CDU/CSU-regierten Länder haben in einem im Bundesrat gestellten Antrag ausdrücklich auf die Einlegung der Fristen verzichtet.
    Der dritte Dank, den ich auszusprechen habe, gilt der CDU/CSU-Opposition. Denn der Kollege Albert Leicht hat in einem Brief an den Herrn Bundesminister der Finanzen vom 5. Dezember 1972 einen Hinweis auf das Interesse der CDU/CSU-Opposition an einer baldigen Verabschiedung des Haushaltsplans gegeben, damit die parlamentarische Kontrolle wiederhergestellt werden kann.
    Das alles ist richtig, aber nach meinen Dankesworten an die Bundesregierung, den Bundesrat und die Opposition muß ich natürlich auch ein paar Bemerkungen zur Geschichte des Haushaltsplans 1972 machen.
    Hier erinnere ich Sie alle an den 28. April 1972. In einer großen Kraftanstrengung hat es die Opposition fertiggebracht, die gültige Verabschiedung des Kanzleretats zu verhindern, indem sie Stimmengleichheit herbeiführte. Die an die nicht erfolgte Verabschiedung des Kanzlerhaushalts geknüpfte Schlußfolgerung, der Bundeskanzler habe also kein Vertrauen mehr, hat sich spätestens und erfreulicherweise am 19. November 1972 als falsch herausgestellt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hier wäre der Opposition überhaupt zu raten, mit ihren Prophezeihungen nicht allzu voreilig zu sein; sonst wird sie von der Öffentlichkeit, vom Wähler — wie in diesem Fall geschehen — zurückgewiesen.
    Damals, am 28. April 1972, hat der Herr Bundeskanzler hier folgendes ausgeführt — ich zitiere —:
    Die Bundesregierung bedauert, daß durch Stimmengleichheit bei Nichtwertung der Berliner Stimmen diese Vorlage nicht die Zustimmung des Hohen Hauses gefunden hat. Ich bitte namens der Bundesregierung schon jetzt um die Unterstützung, die wir brauchen, um dies bei der dritten Lesung zu korrigieren.
    Wenn man ein bißchen Sinn für Geschichte hat, muß man eigentlich diese erste Lesung als die dritte Lesung des Bundeshaushalts 1972 werten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben die erste Beratung und den Beginn der zweiten Beratung hier im Hohen Hause gehabt. Wir haben zweitens die Rücküberweisung und die Beratung des Etats im Haushaltsausschuß gehabt. Jetzt haben wir die erste Beratung — sprich: dritte Beratung — noch immer desselben Entwurfs,

    (Abg. Leicht: Die zweite erste Beratung!)

    den wir aber natürlich aktualisiert haben, Herr Kollege Leicht, wie Sie mir ja als alter Fachmann zugeben müssen. Diese Aktualisierung hat in dem Antrag der CDU/CSU-regierten Länder im Bundesrat und auch in Ihrem Schreiben sowie in Ihrer Rede eine Rolle gespielt. Sie spielt auch eine Rolle bei dem Antrag, der zu unserer Überraschung, aber auch zu unserer Freude — wir haben ihm ja zugestimmt — heute auf den Tisch gelegt worden ist.
    Ich gehe davon aus — sehr viel mehr werde ich dazu gar nicht sagen; denn wir werden im Haushaltsausschuß, im Plenum und nun auch noch im Rechtsausschuß beraten —, daß alle fälligen und kassenwirksamen Einnahmen und Ausgaben veranschlagt sind, soweit sie etatreif sind; diese Einschränkung möchte ich machen.
    Die von Ihnen gewünschte Aktualisierung wäre ein ständiger Prozeß. Sie müßte manchmal mehrfach am Tage vorgenommen werden, denn in der Bundeskasse passiert ja, was Einnahmen und Ausgaben angeht, etwas. Ich bin sicher, meine Damen und
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1972 35
    Haehser
    meine Herren, daß so aktualisiert noch kein Bundeshaushalt verabschiedet worden ist, wie es in der nächsten Woche, ich hoffe, mit Zustimmung des ganzen Hauses, geschehen kann. Das ergibt sich doch aus der Rücküberweisung an den Haushaltsausschuß. Wer die Aktualisierung wünscht — sie wird hier ohne Einschränkung gefordert —, der muß wissen, daß dann unter Umständen 6500 Titel betroffen wären. Das ist rein technisch überhaupt nicht mehr zu machen.

    (Abg. Leicht: Das wollen auch wir nicht!)

    Herr Kollege Leicht, was uns vorgelegt werden kann, ist das Ist-Ergebnis von Oktober 1972. Ich habe mich davon überzeugt, daß das Ist-Ergebnis von November 1972 noch gar nicht vorgelegt werden kann.

    (Abg. Leicht: Einverstanden!)

    Würde uns das weiterhelfen, würde das den Erkenntnisstand beträchtlich vermehren? Das sind Fragen, die ich hier zu stellen habe. Jeder weiß -und das weiß der bisherige und wohl auch künftige Vorsitzende des Haushaltsausschusses

    (Abg. Leicht: Das wissen Sie noch nicht!)

    genauso —, daß uns das Ist-Ergebnis 1972 erst im März/April nächsten Jahres zur Verfügung stehen wird.
    Ein anderes Thema hat heute, aber auch in Ihrem Brief, Herr Kollege Leicht, und in der Stellungnahme der CDU/CSU-regierten Länder, immer wieder eine Rolle gespielt, nämlich die sogenannten Schattenhaushalte. Dieser Begriff ist von mir heute zurückzuweisen. Es wird mit seiner Verwendung der Versuch unternommen, unterschwellig zum Ausdruck bringen ,als vollziehe sich mit den, wie Sie das nennen, Schattenhaushalten etwas im dunkeln oder am Rande der Legalität. Das ist falsch, das ist unwahr.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und meine Herren, was ist das Kernstück der sogenannten Schattenhaushalte? Wenn ich mich nach den bisherigen Ausführungen nicht täusche, dann sind damit insbesondere die Kredite für öffentliche Arbeiten, die sogenannten ÖffaKredite, gemeint. Nun tun Sie doch nicht so, als gebe es diese Offa-Kreditfinanzierung erst seit der Regierung Brandt/Scheel! Diese gibt es seit 1955, d. h. es gab sie fast eineinhalb Jahrzehnte lang unter christlich-demokratischen Bundeskanzlern.

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!)

    Das ist doch die Wahrheit, und das muß ich hier einmal ganz deutlich sagen.

    (Abg. Dr. Barzel: Wieviel denn?)

    Es stimmt im übrigen auch nicht — ich habe das im Haushaltsausschuß schon ausgeführt —, daß Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit verletzt werden.

    (Abg. Wohlrabe: Na, na!)

    — Sie verstehen sowieso nichts davon, Herr Wohlrabe.

    (Beifall bei der SPD. — Oh-Rufe bei der CDU/CSU.)

    — Aber von dem, was ich gerade gesagt habe, sind doch Ihre eigenen Kollegen überzeugt.

    (Abg. Wohlrabe: Die Primitivplatte! Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Nein, nein, sind wir nicht!)

    Ich weise zunächst darauf hin, daß in § 4 des jetzt vorliegenden Entwurfs des Haushaltsgesetzes die Offa-Kreditfinanzierung ausdrücklich erwähnt ist. Darüber hinaus sind die Offa-Kredite sowohl im Bundeshaushalt als auch im Straßenbauplan und in der Haushaltsrechnung klar ausgewiesen. Ich könnte Ihnen sogar die Seitenzahlen nennen, wo sie ausgewiesen sind. — Sie wollen sie anscheinend wissen, Herr Leicht. Was den Einzelplan 12 angeht, ist es die Seite 178.

    (Abg. Leicht: Das weiß ich selber!)

    und soweit es den Kapitaldienst angeht, ist es die Seite 168, Tit. 661 01. Also geben Sie dieses Märchen von den Schattenhaushalten auf!
    Worum es Ihnen geht, ist die Abschaffung der sogenannten Schattenhaushalte, um dann mit so langer Nase der Regierung vorwerfen zu können, sie habe eine Aufblähung des Staatshaushalts vorgenommen. Das steckt doch dahinter,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und Sie können uns nicht vormachen, daß Sie dafür andere, sachlich gerechtfertigte Gründe haben.
    Nun will ich Ihnen namens der sozialdemokratischen Fraktion und deren Arbeitsgruppe Haushalt ein Angebot machen. Ich mache Ihnen das Angebot, in einer ruhigen Stunde, zu einer ruhigen Zeit mit uns über die ganze Problematik einmal zu reden.

    (Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Haben wir doch versucht!)

    Es ist kein Angebot, die Haushalte, die Sie zu Unrecht „Schattenhaushalte" nennen, abzuschaffen, aber es ist das Angebot, in aller Ruhe und Sachlichkeit über dieses Thema einmal zu reden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Immer wieder wird erklärt, dieser Haushalt 1972, der, wenn er verabschiedet ist, nur noch eine relativ kurze Laufzeit hat, sei kein Beitrag zur Stabilität. Dies i s t ein Beitrag zur Stabilität. Denn der Haushaltsvollzug wird deutlich machen, daß die Zuwachsrate bei den Ausgaben Ende Oktober 1972 bei 10,5 % liegt. Mich wundert es sehr, daß im Bundesrat die CDU/CSU-regierten Länder auch das Thema „Beitrag zur Stabilität" aufgreifen, denn die Zuwachsraten der Länder liegen im Durchschnitt um mehr als 1 % über der erkennbaren Zuwachsrate des Bundeshaushalts 1972.

    (Abg. Leicht: Das müssen die doch!) Das muß also sehr verwundern.

    Nun lassen Sie mich zum Schluß auf Grund der Rede des Herrn Kollegen Barzel und auch auf Grund der Einlassungen des Herrn Kollegen Leicht folgendes sagen. Auf der Seite der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses ist der Eindruck entstanden,
    36 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1972
    Haehser
    sie haben beide in den letzten drei Jahren nichts hinzugelernt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben, was den Herrn Vorsitzenden der Opposition anging, die gleichen Töne auch in der gleichen Art vorgebracht gehört, und wir haben vom Herrn Kollegen Leicht die gleiche Schwarzmalerei gehört, mit der Sie am Schluß des Wahlkampfes die Zeitungsseiten überschwemmten. Das hat bei uns nichts bewirkt, und das hat — was uns noch viel froher stimmt — beim deutschen Wähler nichts bewirkt. Deswegen unser Rat

    (Abg. Wehner: So weitermachen!)

    — Herr Kollege Wehner, Sie greifen mir vor —: machen Sie so weiter, dann wird unsere Mehrheit noch
    größer, und Sie werden noch etwas kleiner werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Zum Schluß! Der Herr Bundesminister der Finanzen Helmut Schmidt hat uns wissen lassen, daß er sowohl im Haushaltsausschuß als auch im Plenum des Deutschen Bundestages in der nächsten Woche zum Haushaltsplan 1972 Stellung zu nehmen beabsichtigt. Das wird noch manche Klärung bringen, insbesondere, Herr Kollege Leicht, in der sachlichen ruhigen Atmosphäre des Ausschusses, dem, wenn Sie ihm wieder vorsitzen werden, immer ein ganz anderer Leicht vorsitzt, als ich ihn im Wahlkämpfer wiederentdeckt habe. Da herrscht Ruhe und Sachlichkeit und Gelassenheit, und das wird unseren Beratungen guttun.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    Dem Bundesminister der Finanzen Helmut Schmidt wünscht bei dieser Gelegenheit die SPD-Fraktion Glück in seinem Wirken, bietet ihm jede Unterstützung an und möchte den Wunsch an ihn richten, daß er sich mit seinen Kabinettskollegen darum bemüht, daß wir den Bundeshaushalt 1973 frühzeitig zur Verfügung haben, damit er entsprechend frühzeitig verabschiedet werden kann.
    Nun hoffe ich, daß wir in der nächsten Woche Einmütigkeit bei der Abstimmung über den Bundeshaushalt 1972 haben. Wir jedenfalls werden ihm zustimmen. Von den Kollegen der FDP-Fraktion erwarte ich das auch. Bleiben also nur noch Sie eventuell übrig, aber das können Sie sich ja noch überlegen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kirst.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Victor Kirst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion äußert ihre Befriedigung darüber, daß es möglich ist — oder zumindest mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit möglich scheint —, in der nächsten Woche den Haushalt 1972 zu verabschieden, so daß nicht eintritt, was gelegentlich einmal als Möglichkeit erörtert wurde: ein haushaltspolitisches Vakuum, bei dem wir uns sicher alle gemeinsam nicht wohlgefühlt hätten.
    Ich darf wie der Kollege Haehser diese Befriedigung verbinden mit einem Dank an das Ministerium, das die technische Vorbereitung geleistet hat, auch mit einem ausdrücklichen Dank an den Bundesrat, der bereit war, uns die heutige Beratung durch Verzicht auf Fristen zu ermöglichen, und auch mit einem Dank an die Opposition, die geschäftsordnungsmäßig bereit war, die Voraussetzungen dafür zu 'schaffen, daß wir heute in erster und nächste Woche in zweiter und dritter Lesung beraten können. Ich ergänze den Kollegen Haehser, indem ich den Dank noch an eine zusätzliche Gruppe richte: Ich meine, wir sollten diesen Dank auch an die — ich glaube, es sind 149 — neuen Abgeordneten im 7. Deutschen Bundestag aussprechen, für die es eine besondere Lage ist, den Haushalt 1972 in dieser Form zu verabschieden; denn für uns ist er ja ein alter Bekannter.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Feststellung, er sei ein alter Bekannter, veranlaßt mich zu der Erinnerung, daß wir diesen Haushalt, wie er jetzt von der Regierung vorgelegt wird — aus formalen Gründen wegen des Prinzips der Diskontinuität von Vorlagen zwischen zwei Legislaturperioden vorgelegt werden muß —, in der gleichen Form Mitte September im Haushaltsausschuß verabschiedet und verabschiedungsreif für das Plenum vorbereitet hatten, und zwar in einer absolut aktualisierten Form, in einer Form, wie er damals im September aktueller, aktualisierter nicht sein konnte, und auch in einer Form, die ihn nicht nur formal verabschiedungsreif erscheinen ließ, sondern für uns als Regierungsparteien von damals und heute auch inhaltlich verabschiedungsreif erscheinen ließ.
    Wir bitten allerdings nachträglich um Verständnis, daß wir diesen so erarbeiteten Haushalt damals nicht der Zufallsmehrheit von einer Stimme, wie sie im September gegeben war und mit der anderes angerichtet wurde, überantwortet haben, sondern ihn zurückgestellt haben, bis ein neuer Bundestag zusammengetreten ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir werden über die Einzelheiten in der zweiten und dritten Beratung zu sprechen haben. Zur Zeit scheinen sich mir drei Probleme besonders zu stellen. Das ist einmal die Frage der Aktualisierung, das ist zweitens — nicht neu, immer wieder — die Frage der konjunkturpolitischen Relevanz und schließlich die Frage der Gesetzmäßigkeit bzw. der Verfassungsmäßigkeit des Vollzugs. Lassen Sie mich heute in der ersten Lesung zu allen drei Fragen nur kurze Bemerkungen machen.
    Ich teile im Prinzip, Herr Leicht, den Wunsch, einen möglichst aktualisierten Haushalt zu verabschieden. Nur wenn ich sehe, wie die Dinge technisch sind — wir wollen ja nach Möglichkeit keine Scheinaktualisierung, sondern eine umfassende machen —, dann muß ich doch abwägen, was mir lieber ist: ein Haushaltsplan, wie er jetzt vorliegt, aktuell nach dem Stand von Mitte September, der
    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1972 37
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    vor Weihnachten und damit noch vor Ende des Kalenderjahres — gleich Haushaltsjahr — verabschiedet wird, oder ein weiter zu aktualisierender, dann aber — das wissen Sie auch — aus Zeit- und technischen Gründen nicht mehr vor Ablauf des Kalenderjahres zu verabschiedender Haushalt. Das ist der Zielkonflikt, in dem wir uns zu bewegen haben, und da meine ich, unter Abwägung aller Umstände müssen wir uns dann eben dafür entscheiden, den Haushalt so, wie er jetzt vorliegt, zu verabschieden.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Das schließt ja nicht aus, daß wir im Haushaltsausschuß eine umfassende Unterrichtung über die Haushaltslage, über die Entwicklung seit der letzten Beratung im Haushaltsausschuß erhalten.
    Das zweite Problem — wie gesagt, die konjunkturpolitische Qualität des Bundeshaushalts —, ein Standardthema der 6. Legislaturperiode, und ich könnte mir vorstellen, auch der 7. Legislaturperiode. In diesem Zusammenhang muß man die Bemerkungen des Kollegen Barzel zurückweisen, daß das Sachverständigengutachten dem Wähler vorenthalten worden sei. Dieses Sachverständigengutachten ist, so würde ich sagen, mit der normalen Verzögerung gegenüber dem im Gesetz festgelegten Stichtag —15. November — veröffentlicht worden. Wenn Sie Wert darauf legen, können wir ja einmal eine Anfrage stellen, damit wir schwarz auf weiß vorgelegt bekommen — das ist einfach eine Fleißarbeit —, zu welchem Termin das Sachverständigengutachten in den vergangenen Jahren jeweils vorgelegt worden ist. Mit Sicherheit käme bei einer Überprüfung heraus, daß es nie zum 15. November vorgelegt wurde. Nach meiner Erinnerung war es meistens Anfang Dezember.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deshalb wollen wir doch nicht gleich weiter mit Unterstellungen anfangen, die so naiv sind, daß jeder merkt, daß etwas nicht stimmt.

    (Abg. Wehner: Das ändert auch nichts mehr am Wahlergebnis!)

    — Nein, das sowieso nicht, Herr Kollege Wehner.

    (Abg. Dr. Wagner [Trier] : Deswegen könnte man es doch jetzt zugeben, Herr Wehner! Es ist doch vorbei!)

    — Nein, da gibt es gar nichts zuzugeben. Wir wollen doch nicht, nur um Ihnen einen Gefallen zu tun, etwas zugeben, was nicht zuzugeben ist. Das wäre doch nun wirklich zu viel verlangt.

    (Abg. Dr. Wagner [Trier] : Aber das Gutachten war doch fertig! — Abg. Wehner: Wie wollen Sie das mit ihrer christlichen Haltung auf einen Nenner bringen? — Abg. Dr. Jenninger: Wir haben doch von etwas ganz anderem gesprochen! — Abg. Dr. Wagner [Trier] : S i e haben doch vom Wahlergebnis gesprochen!)

    In der Sache kommt es doch auf folgendes an. Es ist klar und richtig, daß das Sachverständigengutachten, über dessen Vorlagetermin wir eben gesprochen haben, die Haushalts- und Finanzpolitik aller öffentlichen Hände in diesem Staat — das ist das Entscheidende — einer relativ harten Kritik unterzieht. Es bezieht sich also auf den Bund, elf Länder und zigtausend Gemeinden, Städte, Kreise usw. Wer sich die Mühe macht, dieses Sachverständigengutachten genau zu lesen, wird doch wohl feststellen, daß die Zensuren, die die öffentlichen Hände erhalten, vielleicht insgesamt nicht sehr gut sind, wie bisher; man muß doch aber eindeutig feststellen, daß der Bund unverändert noch die besten Zensuren im Vergleich mit all diesen Gebietskörperschaften erhält.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir werden über das Sachverständigengutachten im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht noch eingehender zu diskutieren haben. Ich meine, aber auch in diesem Sachverständigengutachten fehlt etwas, was bei fast allen fehlt, die über diese Dinge reden, schreiben und denken. Es fehlt etwas Konkretes, was realistisch ist. Es werden wunderbare Berechnungen angestellt, und die Darstellungsweise ist fast nur noch zu begreifen, wenn man die höhere Mathematik beherrscht. Es wird dargestellt, um wieviel Prozent — oder welche Bezugsgröße auch immer gewählt wird — die öffentlichen Haushalte zu expansiv waren. Wie man es hätte anders machen können, wird auch im Sachverständigengutachten nicht gesagt. Das muß man einmal sehr deutlich feststellen.

    (Abg. Leicht: Da haben Sie vollkommen recht!)

    — Vielen Dank, Herr Leicht, daß wir uns darin einig sind. Wir sollten uns vielleicht auch einmal — wir sind in den letzten Jahren darüber immer hinweggegangen — mit der Rechenmethodik beschäftigen, die dort angewandt wird. Da scheint mir einiges problematisch zu sein.
    Nun zu dem dritten Punkt einige wenige Worte. Wir haben ja dem Antrag zugestimmt, auch den Rechtsausschuß wieder in alter Form zu konstituieren. Wir sind mit der Prüfung dieser Frage einverstanden. Wenn ich Herrn Leicht recht verstanden habe, ging es ihm um die Frage der Einbringung in dieser Form. Es kann kein Zweifel bestehen, daß das vorletzte Wort über die Haushaltswirtschaft und den Haushaltsvollzug des Jahres 1972 der Bundesrechnungshof haben wird. Das ist seine Aufgabe. Das letzte Wort haben wir dann, wenn wir die Rechnung für 1972 zur Entlastung vorgelegt bekommen. Was meine Person angeht, so bin ich bereit, hier folgendes zu sagen. Wir werden die Handlungen der Exekutive an Hand des Berichtes des Rechnungshofes ganz vorurteilsfrei prüfen. Meine Damen und Herren, es gehörte für mich zu den angenehmen Erfahrungen der letzten Legislaturperiode — Kollege Haehser, das darf man wohl so sagen —, daß sich auch die Kollegen der Opposition vorurteilsfrei an der Kritik im Hinblick auf die Rechnungslegung der Jahre bis 1969 beteiligt haben. Wir werden Ihnen, was die kommenden Jahre angeht, darin nicht nachstehen. Das kann ich Ihnen versprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    38 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1972
    Kirst
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß eine politische Bemerkung machen. Die Opposition hat die Nichtverabschiedung des Haushalts wesentlich in den Mittelpunkt ihrer Wahlkampagne gestellt. Im Zusammenhang mit der gesamten Stabilitätspolitik war das eines Ihrer Standardthemen. Wir, die Freien Demokraten, betrachten das Wahlergebnis vom 19. November als Vollmacht und Auftrag, diesem Haushalt nun endlich zur politischen Legitimität zu verhelfen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)