Gnädige Frau! Meine sehr geehrten Damen und meine Herren! Lassen Sie mich an die Spitze meiner Bemerkungen zur Haushaltsplanberatung 1972 ein Wort des Dankes an die Bundesregierung setzen. Durch die Vorlage des Gesetzentwurfes und der Anlagen wird sich das Bundesparlament in den Stand gesetzt sehen, den bisherigen Haushaltsplänen seit 1949 nun auch noch den Haushaltsplan 1972 hinzuzufügen.
Namens meiner Fraktion möchte ich mich ausdrücklich beim Bundesrat bedanken, der in seiner Gesamtheit auf die ihm zustehende Beratungsfrist verzichtet hat, damit der Bundesetat 1972 noch vor Ablauf des Haushaltsjahres verabschiedet werden kann.
Auch die CDU/CSU-regierten Länder haben in einem im Bundesrat gestellten Antrag ausdrücklich auf die Einlegung der Fristen verzichtet.
Der dritte Dank, den ich auszusprechen habe, gilt der CDU/CSU-Opposition. Denn der Kollege Albert Leicht hat in einem Brief an den Herrn Bundesminister der Finanzen vom 5. Dezember 1972 einen Hinweis auf das Interesse der CDU/CSU-Opposition an einer baldigen Verabschiedung des Haushaltsplans gegeben, damit die parlamentarische Kontrolle wiederhergestellt werden kann.
Das alles ist richtig, aber nach meinen Dankesworten an die Bundesregierung, den Bundesrat und die Opposition muß ich natürlich auch ein paar Bemerkungen zur Geschichte des Haushaltsplans 1972 machen.
Hier erinnere ich Sie alle an den 28. April 1972. In einer großen Kraftanstrengung hat es die Opposition fertiggebracht, die gültige Verabschiedung des Kanzleretats zu verhindern, indem sie Stimmengleichheit herbeiführte. Die an die nicht erfolgte Verabschiedung des Kanzlerhaushalts geknüpfte Schlußfolgerung, der Bundeskanzler habe also kein Vertrauen mehr, hat sich spätestens und erfreulicherweise am 19. November 1972 als falsch herausgestellt.
Hier wäre der Opposition überhaupt zu raten, mit ihren Prophezeihungen nicht allzu voreilig zu sein; sonst wird sie von der Öffentlichkeit, vom Wähler — wie in diesem Fall geschehen — zurückgewiesen.
Damals, am 28. April 1972, hat der Herr Bundeskanzler hier folgendes ausgeführt — ich zitiere —:
Die Bundesregierung bedauert, daß durch Stimmengleichheit bei Nichtwertung der Berliner Stimmen diese Vorlage nicht die Zustimmung des Hohen Hauses gefunden hat. Ich bitte namens der Bundesregierung schon jetzt um die Unterstützung, die wir brauchen, um dies bei der dritten Lesung zu korrigieren.
Wenn man ein bißchen Sinn für Geschichte hat, muß man eigentlich diese erste Lesung als die dritte Lesung des Bundeshaushalts 1972 werten.
Wir haben die erste Beratung und den Beginn der zweiten Beratung hier im Hohen Hause gehabt. Wir haben zweitens die Rücküberweisung und die Beratung des Etats im Haushaltsausschuß gehabt. Jetzt haben wir die erste Beratung — sprich: dritte Beratung — noch immer desselben Entwurfs,
den wir aber natürlich aktualisiert haben, Herr Kollege Leicht, wie Sie mir ja als alter Fachmann zugeben müssen. Diese Aktualisierung hat in dem Antrag der CDU/CSU-regierten Länder im Bundesrat und auch in Ihrem Schreiben sowie in Ihrer Rede eine Rolle gespielt. Sie spielt auch eine Rolle bei dem Antrag, der zu unserer Überraschung, aber auch zu unserer Freude — wir haben ihm ja zugestimmt — heute auf den Tisch gelegt worden ist.
Ich gehe davon aus — sehr viel mehr werde ich dazu gar nicht sagen; denn wir werden im Haushaltsausschuß, im Plenum und nun auch noch im Rechtsausschuß beraten —, daß alle fälligen und kassenwirksamen Einnahmen und Ausgaben veranschlagt sind, soweit sie etatreif sind; diese Einschränkung möchte ich machen.
Die von Ihnen gewünschte Aktualisierung wäre ein ständiger Prozeß. Sie müßte manchmal mehrfach am Tage vorgenommen werden, denn in der Bundeskasse passiert ja, was Einnahmen und Ausgaben angeht, etwas. Ich bin sicher, meine Damen und
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meine Herren, daß so aktualisiert noch kein Bundeshaushalt verabschiedet worden ist, wie es in der nächsten Woche, ich hoffe, mit Zustimmung des ganzen Hauses, geschehen kann. Das ergibt sich doch aus der Rücküberweisung an den Haushaltsausschuß. Wer die Aktualisierung wünscht — sie wird hier ohne Einschränkung gefordert —, der muß wissen, daß dann unter Umständen 6500 Titel betroffen wären. Das ist rein technisch überhaupt nicht mehr zu machen.
Herr Kollege Leicht, was uns vorgelegt werden kann, ist das Ist-Ergebnis von Oktober 1972. Ich habe mich davon überzeugt, daß das Ist-Ergebnis von November 1972 noch gar nicht vorgelegt werden kann.
Würde uns das weiterhelfen, würde das den Erkenntnisstand beträchtlich vermehren? Das sind Fragen, die ich hier zu stellen habe. Jeder weiß -und das weiß der bisherige und wohl auch künftige Vorsitzende des Haushaltsausschusses
genauso —, daß uns das Ist-Ergebnis 1972 erst im März/April nächsten Jahres zur Verfügung stehen wird.
Ein anderes Thema hat heute, aber auch in Ihrem Brief, Herr Kollege Leicht, und in der Stellungnahme der CDU/CSU-regierten Länder, immer wieder eine Rolle gespielt, nämlich die sogenannten Schattenhaushalte. Dieser Begriff ist von mir heute zurückzuweisen. Es wird mit seiner Verwendung der Versuch unternommen, unterschwellig zum Ausdruck bringen ,als vollziehe sich mit den, wie Sie das nennen, Schattenhaushalten etwas im dunkeln oder am Rande der Legalität. Das ist falsch, das ist unwahr.
Meine Damen und meine Herren, was ist das Kernstück der sogenannten Schattenhaushalte? Wenn ich mich nach den bisherigen Ausführungen nicht täusche, dann sind damit insbesondere die Kredite für öffentliche Arbeiten, die sogenannten ÖffaKredite, gemeint. Nun tun Sie doch nicht so, als gebe es diese Offa-Kreditfinanzierung erst seit der Regierung Brandt/Scheel! Diese gibt es seit 1955, d. h. es gab sie fast eineinhalb Jahrzehnte lang unter christlich-demokratischen Bundeskanzlern.
Das ist doch die Wahrheit, und das muß ich hier einmal ganz deutlich sagen.
Es stimmt im übrigen auch nicht — ich habe das im Haushaltsausschuß schon ausgeführt —, daß Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit verletzt werden.
— Sie verstehen sowieso nichts davon, Herr Wohlrabe.
— Aber von dem, was ich gerade gesagt habe, sind doch Ihre eigenen Kollegen überzeugt.
Ich weise zunächst darauf hin, daß in § 4 des jetzt vorliegenden Entwurfs des Haushaltsgesetzes die Offa-Kreditfinanzierung ausdrücklich erwähnt ist. Darüber hinaus sind die Offa-Kredite sowohl im Bundeshaushalt als auch im Straßenbauplan und in der Haushaltsrechnung klar ausgewiesen. Ich könnte Ihnen sogar die Seitenzahlen nennen, wo sie ausgewiesen sind. — Sie wollen sie anscheinend wissen, Herr Leicht. Was den Einzelplan 12 angeht, ist es die Seite 178.
und soweit es den Kapitaldienst angeht, ist es die Seite 168, Tit. 661 01. Also geben Sie dieses Märchen von den Schattenhaushalten auf!
Worum es Ihnen geht, ist die Abschaffung der sogenannten Schattenhaushalte, um dann mit so langer Nase der Regierung vorwerfen zu können, sie habe eine Aufblähung des Staatshaushalts vorgenommen. Das steckt doch dahinter,
und Sie können uns nicht vormachen, daß Sie dafür andere, sachlich gerechtfertigte Gründe haben.
Nun will ich Ihnen namens der sozialdemokratischen Fraktion und deren Arbeitsgruppe Haushalt ein Angebot machen. Ich mache Ihnen das Angebot, in einer ruhigen Stunde, zu einer ruhigen Zeit mit uns über die ganze Problematik einmal zu reden.
Es ist kein Angebot, die Haushalte, die Sie zu Unrecht „Schattenhaushalte" nennen, abzuschaffen, aber es ist das Angebot, in aller Ruhe und Sachlichkeit über dieses Thema einmal zu reden.
Nun lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Immer wieder wird erklärt, dieser Haushalt 1972, der, wenn er verabschiedet ist, nur noch eine relativ kurze Laufzeit hat, sei kein Beitrag zur Stabilität. Dies i s t ein Beitrag zur Stabilität. Denn der Haushaltsvollzug wird deutlich machen, daß die Zuwachsrate bei den Ausgaben Ende Oktober 1972 bei 10,5 % liegt. Mich wundert es sehr, daß im Bundesrat die CDU/CSU-regierten Länder auch das Thema „Beitrag zur Stabilität" aufgreifen, denn die Zuwachsraten der Länder liegen im Durchschnitt um mehr als 1 % über der erkennbaren Zuwachsrate des Bundeshaushalts 1972.
Das muß also sehr verwundern.
Nun lassen Sie mich zum Schluß auf Grund der Rede des Herrn Kollegen Barzel und auch auf Grund der Einlassungen des Herrn Kollegen Leicht folgendes sagen. Auf der Seite der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses ist der Eindruck entstanden,
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sie haben beide in den letzten drei Jahren nichts hinzugelernt.
Wir haben, was den Herrn Vorsitzenden der Opposition anging, die gleichen Töne auch in der gleichen Art vorgebracht gehört, und wir haben vom Herrn Kollegen Leicht die gleiche Schwarzmalerei gehört, mit der Sie am Schluß des Wahlkampfes die Zeitungsseiten überschwemmten. Das hat bei uns nichts bewirkt, und das hat — was uns noch viel froher stimmt — beim deutschen Wähler nichts bewirkt. Deswegen unser Rat
— Herr Kollege Wehner, Sie greifen mir vor —: machen Sie so weiter, dann wird unsere Mehrheit noch
größer, und Sie werden noch etwas kleiner werden.
Zum Schluß! Der Herr Bundesminister der Finanzen Helmut Schmidt hat uns wissen lassen, daß er sowohl im Haushaltsausschuß als auch im Plenum des Deutschen Bundestages in der nächsten Woche zum Haushaltsplan 1972 Stellung zu nehmen beabsichtigt. Das wird noch manche Klärung bringen, insbesondere, Herr Kollege Leicht, in der sachlichen ruhigen Atmosphäre des Ausschusses, dem, wenn Sie ihm wieder vorsitzen werden, immer ein ganz anderer Leicht vorsitzt, als ich ihn im Wahlkämpfer wiederentdeckt habe. Da herrscht Ruhe und Sachlichkeit und Gelassenheit, und das wird unseren Beratungen guttun.
Dem Bundesminister der Finanzen Helmut Schmidt wünscht bei dieser Gelegenheit die SPD-Fraktion Glück in seinem Wirken, bietet ihm jede Unterstützung an und möchte den Wunsch an ihn richten, daß er sich mit seinen Kabinettskollegen darum bemüht, daß wir den Bundeshaushalt 1973 frühzeitig zur Verfügung haben, damit er entsprechend frühzeitig verabschiedet werden kann.
Nun hoffe ich, daß wir in der nächsten Woche Einmütigkeit bei der Abstimmung über den Bundeshaushalt 1972 haben. Wir jedenfalls werden ihm zustimmen. Von den Kollegen der FDP-Fraktion erwarte ich das auch. Bleiben also nur noch Sie eventuell übrig, aber das können Sie sich ja noch überlegen.