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    Deutscher Bundestag 177. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Draeger 10225 A Austritt des Abg. Dr. Hupka aus der Fraktion der SPD und Eintritt in die Fraktion der CDU/CSU 10225 A Austritt des Abg. Dr. Seume aus der SPD 10225 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 10225 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 10226 A Eidesleistung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft . . . . . . . 10226 B Begrüßung einer Delegation der französischen Nationalversammlung unter Führung des ersten Vizepräsidenten La Combe 10234 B Jahresgutachten 1971 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache VI/2847) in Verbindung mit Jahreswirtschaftsbericht 1972 der Bundesregierung (Drucksache VI/3078) Dr. Schiller, Bundesminister 10226 C, 10283 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 10234 C Junghans (SPD) . . . . . . . . 10242 A Mertes (FDP) . . . . . . . . . 10246 C Strauß (CDU/CSU) . . . . . . . 10250 D Brandt, Bundeskanzler . . . . . 10276 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 10279 C Dr. Luda (CDU/CSU) 10289 A Dr. Arndt (Berlin) (SPD) . . . 10293 D Kirst (FDP) 10298 D Dr. Sprung (CDU/CSU) . . . . 10305 A Fragestunde (Drucksache VI/3243) Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) : Bundesmittel zur Förderung von Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten in Altwohngebäuden Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10261 D, 10262 B, C Baier (CDU/CSU) . . . . . . . 10262 B Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 10262 C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 Frage des Abg. Dr, Slotta (SPD) : Ermäßigung der Arbeitszeit von Beamtinnen Genscher, Bundesminister . . . 10263 A, B Dr. Slotta (SPD) . . . . . . . . 10263 B Frage des Abg. Geldner (FDP) : Einstufung von graduierten Ingenieuren Genscher, Bundesminister . . 10263 B, C, D Geldner (FDP) 10263 C Baier (CDU/CSU) . . . . . . 10263 D Fragen des Abg. Baeuchle (SPD) : Zahl und Aufklärung von Banküberfällen Genscher, Bundesminister . . . 10263 D, 10264 C, D Baeuchle (SPD) 10264 C Dr. Slotta (SPD) . . . . . . . 10264 C Pensky (SPD) 10264 D Frage des Abg. Dr. Arnold (CDU/CSU) : Versorgung der Familien von im Dienst getöteten oder dienstunfähig gewordenen Polizeibeamten Genscher, Bundesminister . . 10265 A, C, D Dr. Arnold (CDU/CSU) . . . . . 10265 C Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 10265 C Kiechle (CDU/CSU) . . . . . . . 10265 D Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Internationale Vereinbarungen zur Angleichung der Rechtsvorschriften über die Herstellung, den Handel, den Erwerb und das Führen von Waffen Genscher, Bundesminister . . . . 10265 D, 10266 B, C, D Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 10266 B, C Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . 10266 C Sieglerschmidt (SPD) 10266 D Pensky (SPD) 10266 D Frage des Abg. Ziegler (CDU/CSU) : Äußerungen eines Mitglieds der Bundesvorstands der Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten in der SPD Genscher, Bundesminister . . . 10267 A, B Ziegler (CDU/CSU) 10267 B Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) : Gesetzentwürfe betr. die Höherstufung der Eingangsämter und Umwandlung der Unterhaltszuschüsse für Beamtenanwärter in Anwärterbezüge Genscher, Bundesminister . . . 10267 C, D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . . 10267 D Frage des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Förderung der Errichtung von Eisschnellauf-Kunsteisbahnen Genscher, Bundesminister . . . . 10268 A Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Äußerung des stellvertretenden Vorsitzenden Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten in der SPD betr. Durchsetzung des „Bonner Staatsapparats" mit ehemaligen Nationalsozialisten Genscher, Bundesminister . . 10268 B, C, D Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 10268 C Hansen (SPD) . . . . . . . . . 10268 D Frage des Abg. von Bockelberg (CDU/CSU) : Anhörung freiberuflicher Verbände durch das Bundesministerium für Justiz Dr. Erkel, Staatssekretär . . . . 10269 A, B von Bockelberg (CDU/CSU) . . . 10269 A Pohlmann (CDU/CSU) 10269 B Becker (Pirmasens) (CDU/CSU) . 10269 B Frage des Abg. von Bockelberg (CDU/CSU) : Entwurf eines Partnerschaftsgesetzes Dr. Erkel, Staatssekretär 10269 B, C, 10270 A von Bockelberg (CDU/CSU) . . . . 10269 D Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 10270 A Frage des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Genitalkorrigierende Operationen bei Transsexuellen und Transvestiten Dr. Erkel, Staatssekretär . . . . 10270 B, D Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . 10270 C, D Frage des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Namensänderungen bei Transsexuellen und Transvestiten Dr. Erkel, Staatssekretär . 10270 D, 10271 B Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 10271 B Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 10271 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 III Fragen des Abg. Maucher (CDU/CSU) : Ermittlung des Einkommens aus Hausbesitz bei der Ausgleichsrente für Schwerbeschädigte und Kriegerwitwen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 10271 C, 10272 A, B, C Maucher (CDU/CSU) . 10271 D, 10272 A, B Fragen des Abg. Horstmeier (CDU/CSU) : Nachentrichtung von Beiträgen an die Rentenversicherung durch Landwirte Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10272 C, 10273 A, B Horstmeier (CDU/CSU) . ,10272 D, 10273 A Frage des Abg. Dr. Gleissner (CDU/CSU) : Sicherheit der Beförderung durch Charterflugzeuge Haar, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10273 C, D, 10274 A Dr. Gleissner (CDU/CSU) 10273 C Dr. Jobst (CDU/CSU) 10273 D Fragen der Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Unfallgefahr durch zu hohe Trittbretter an den Personenwagen der Bundesbahn Haar, Parlamentarischer Staatssekretär 10274 B, C, D Frau Lauterbach (SPD) . . . 10274 C, D Frage des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Zahl der bei der Bundesbahn leerstehenden Waggons Haar, Parlamentarischer Staatssekretär . . 10274 D, 10275 B, C, D Dr. Jobst (CDU/CSU) 10275 A, B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 10275 C Nächste Sitzung 10309 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10311 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Probst (CDU/CSU) betr. Firmenzusammenarbeit bei multinationalen Raumfahrtprojekten und betr. Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA auf dem Gebiet der Raumfahrt 10311 C Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Dr. h. c. Bechert (SPD) betr. Lagerung radioaktiver Abfälle in Bohrlöchern von Bergwerken . . . . 10311 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/ CSU) betr. Leistungsprinzip an den Hochschulen 10312 B Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Picard (CDU/CSU) betr. Vergabe öffentlicher Gelder an nicht legitimierte Studentenverbände 10312 C Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) betr Bekämpfung des Radikalismus an den Hochschulen 10312 C Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. von Nordenskjöld (CDU/CSU) betr. Rechtsschutz zur Sicherung einer gedeihlichen Entwicklung des Hochschulwesens 10312 D Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Vogt (CDU/CSU) betr. öffentliche Mittel für den Verband Deutscher Studentenschaften 10313 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Jenninger (CDU/CSU) betr. Finanzkontrolle der Studentenschaften an den Hochschulen . . . . . . . 10313 B Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Sperling (SPD) betr. Grundlagenforschung im Bereich der supraleitenden Magnete bei Großbeschleunigern 10313 C Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Konrad betr. Förderung der Meeresforschung . . . . . . . . 10314 A Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Pieroth (CDU/CSU) betr. Übertragung der freien Marktwirtschaft auf Entwicklungsländer . . . . . . . 10314 D IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Werner (CDU/CSU) betr Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt 10315 A Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schmude (SPD) betr. Vorträge von Mitgliedern des Bundestages vor Einheiten der Bundeswehr über ihre Absichten für den nächsten Bundestagswahlkampf . . . . . . . . . . 10315 B Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Jung (FDP) betr. Ausnahmegenehmigungen für die Beförderung von Weichobst auf Autobahnen im Lastkraftwagen 10315 D 177. Sitzung Bonn, den 15. März 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach* 18. 3. Adams * 18. 3. Dr. Ahrens ** 18. 3. Dr. Aigner * 18. 3. Dr. Artzinger * 18. 3. Behrendt * 18. 3. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 15. 3. Borm * 18. 3. Dr. Burgbacher * 18. 3. Dasch 18. 3. Dr. Dittrich * 18. 3. Faller * 18. 3. Fellermaier * 18. 3. Flämig * 17. 3. Dr. Furler * 17. 3. Gerlach (Emsland) * 17. 3. Freiherr von und zu Guttenberg 18. 3. Frau Dr. Henze 15. 4. Hösl ** 17. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) * 18. 3. Jung ** 17. 3. Dr. Jungmann 15. 3. Dr. h. c. Kiesinger 18. 3. Klinker * 18. 3. Dr. Koch * 18. 3. Kriedemann * 18. 3. Lange * 18. 3. Lautenschlager * 18. 3. Lenze (Attendorn) ** 17. 3. Liedtke 17. 3. Dr. Dr. h. c. Löhr * 18. 3. Lücker (München) * 18. 3. Meister * 17. 3. Memmel * 18. 3. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 17. 3. Müller (Aachen-Land) * 18. 3. Frau Dr. Orth * 18. 3. Dr. Reischl * 18. 3. Richarts * 18. 3. Riedel (Frankfurt) * 18. 3. Dr. Rinderspacher 18. 3. Roser * 16. 3. Säckl 15. 3. Dr. Schmid (Frankfurt) 16. 3. Dr. h. c. Schmücker ** 17. 3. Schwabe * 18. 3. Dr. Schwörer * 18. 3. Seefeld* 17. 3. Springorum * 18. 3. Dr. Starke (Franken) * 18. 3. Werner * 18. 3. Wolf 18. 3. Wolfram * 17. 3. Wuwer 17. 3. Zander 17. 3. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Probst (CDU/CSU) (Drucksache VI/3196 Fragen A 72 und 73) : Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß im Hinblick auf die Langfristigkeit von großen multinationalen Raumfahrtprojekten, die zehn oder fünfzehn Jahre laufen, die dabei zusammenarbeitenden Firmen zur Erzielung einer größeren Wirtschaftlichkeit und eines umfassenderen know-how die bisherige Form der lockeren Zusammenarbeit von Fall zu Fall in festere Bindungen gesellschaftsreditlicher Art umwandeln sollten, und gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls entsprechende Schritte einzuleiten? Welche Absichten hat die Bundesregierung in bezug auf die künftige Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA auf dein Gebiet der Raumfahrt, und welche konkreten Angebote der amerikanischen Regierung zur Beteiligung der Europäer am Raumfahrtprogramm liegen vor? Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß angesichts der langfristigen multinationalen Raumfahrtprojekte enge Zusammenarbeit der beteiligten Firmen notwendig ist, um zu einer größeren Wirtschaftlichkeit und einem effektiveren Management bei der Projektdurchführung zu kommen. Ob und in welcher Form dies erfolgen soll, kann nicht generell, sondern nur konkret bei den einzelnen Projekten beurteilt werden. Hierbei sind z. B. die Zahl der beteiligten Firmen, die Größe und Dauer des Projekts, die Konkurrenz- und die Marktsituation zu berücksichtigen. Die Bundesregierung ist am Zustandekommen einer europäisch-amerikanischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Raumfahrt interessiert. Angebote für eine europäisch-amerikanische Kooperation liegen u. a. insbesondere beim Apollo-Nachfolgeprogramm vor. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Bechert (SPD) (Drucksache VI/3196 Fragen A 74 und 75) : Trifft es zu, daß Atommüll im Bergwerk Asse II bei Wolfenbüttel in nicht begehbaren engen Bohrlöchern gelagert wird oder gelagert werden soll? Welche Maßnahmen sind vorgesehen, falls in solche Bohrlöcher Wasser eindringt, um das Eindringen festzustellen und Grundwasserkontamination durch radioaktive Stoffe zu verhindern? Im Salzbergwerk Asse II werden bisher und in den nächsten 4 Jahren keinerlei radioaktive Abfälle in nicht begehbaren Bohrlöchern gelagert. Erstmals im Jahre 1976 sollen versuchsweise hochaktive Abfälle in nicht begehbaren engen Bohrlöchern eingelagert werden. Die entsprechenden Behälter befinden sich dabei in engstem Kontakt mit dem umgebenden Salzgestein. Diese Art der Lagerung ist erforderlich, damit die beim radioaktiven Zerfall dieser Abfälle freiwerdende Wärme vom Salz sicher 10312 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 abgeleitet wird und auf eine künstliche Kühlung verzichtet werden kann. Das Eindringen von Wasser in das Salzbergwerk kann, wie wissenschaftliche Untersuchungen ergeben haben, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist ein Eindringen von Wasser in die Bohrlöcher nicht möglich, weil nach Einbringen der Edelstahlbehälter mit den zu Glas verarbeiteten hochaktiven Abfällen in die Bohrlöcher das Bohrloch 5 Meter hoch bis zu seiner Oberkante mit Salz gefüllt wird. Dieses Salz wird durch die Zerfallswärme der Abfälle plastisch und schließt die Edelstahlbehälter nach allen Seiten völlig dicht ein. In dem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossenen Fall des Eindringens von Wasser in den Raum über den Bohrlöchern würde sich innerhalb einiger Tage eine annähernd gesättigte Salzlösung bilden. Von dem in den Bohrlöchern über den Edelstahlbehältern befindlichen Salz würde nur der oberste Teil gelöst werden. Anschließend würde sich ein Gleichgewichtszustand zwischen gesättigter Salzlösung und Salz einstellen. Ein weiteres Eindringen von Wasser in die Bohrlöcher kann daher ausgeschlossen werden. Eine zusätzliche besondere Überwachung der Bohrlöcher auf eindringendes Wasser über die allgemeine Überwachung des Bergwerks hinaus hätte deshalb keinen Sinn. Eine Kontamination des Grundwassers in der Umgebung des Salzbergwerks durch radioaktive Stoffe ist ebenfalls ausgeschlossen. Umfangreiche hydrologische Untersuchungen. vor Beginn der Einlagerung radioaktiver Abfälle haben ergeben, daß zwischen dem Salzgestein und dem Grundwasser keinerlei Verbindung besteht. Selbst bei einem — äußerst unwahrscheinlichen — starken Wassereinbruch in das Bergwerk würde die sich bildende gesättigte Salzlösung in der Schachtanlage eingeschlossen bleiben, eventuell vorhandene Hohlräume und Spalten abdichten und infolgedessen nicht in die Umgebung und damit auch nicht in das Grundwasser gelangen können. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) (CDU/ CSU) (Drucksache VI/3196 Frage A 78) : Bekennt sich die Bundesregierung noch zum herkömmlichen Leistungsprinzip an den Hochschulen? Die Aufgaben der Gesellschaft sind ohne einen sozialen Leistungswillen der Bürger nicht zu bewältigen. Dieser soziale Leistungswille ist deswegen auch bei Hochschullehrern und Studenten erforderlich. Für den Hochschulbereich hat die — von der Bundesregierung wiederholt geäußerte — Auffassung z. B. in den §§ 2 bis 4, 7 Graduiertenförderungsgesetz, § 9 Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie in § 37 Abs. 1 und 2 Entwurf Hochschulrahmengesetz Niederschlag gefunden. Die Bundesregierung bekennt sich also in diesem Sinne zum Leistungsprinzip. Ob das allerdings immer den „herkömmlichen" Leistungsbegriff deckt, muß wohl bezweifelt werden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Picard (CDU/CSU (Drucksache VI/3196 Frage A 80) : Sind der Bundesregierung in letzter Zeit Fälle bekanntgeworden, in denen öffentliche Gelder an nicht legitimierte Studentenverbände vergeben worden sind? Derartige Fälle sind der Bundesregierung nicht bekanntgeworden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Baier (CDU/CSU (Drucksache VI/3196 Frage A 81): Gedenkt die Bundesregierung den linksextremen Radikalismus an den Hochschulen zu tolerieren? Die Bundesregierung bekämpft linksextremen und rechtsextremen Radikalismus. Bereits in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 wurde darauf hingewiesen. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage ,des Abgeordneten Dr. von Nordenskjöld (CDU/CSU) (Drucksache VI/3196 Frage A 82) : Ist die Bundesregierung der Meinung, daß der bestehende Rechtsschutz für die Sicherung einer gedeihlichen Entwicklung des Hochschulwesens ausreichend ist? Die Bundesregierung ist der Meinung, daß alle Hochschulmitglieder und die Hochschule selbst vor Rechtsbrüchen, Gewalt und Obstruktion geschützt werden müssen. In vielen Fällen bieten die für alle Staatsbürger geltenden Rechtsnormen eine ausreichende Möglichkeit, Rechtsverstößen zu begegnen, wenn von ihnen Gebrauch gemacht wird. Es ist darüber hinaus die Frage, ob im Falle korporationsrechtlicher Pflichtverletzungen besondere Maßnahmen erforderlich sind. Die gedeihliche Entwicklung des Hochschulwesens ist aber nicht in erster Linie eine Frage eines besonderen Rechtsschutzes. Die Zukunft unserer Hochschulen hängt vor allem davon ab, ob es gelingt, die notwendige Steigerung ihrer wissenschaftlichen und pädagogischen Leistungsfähigkeit mit der Mitwirkung aller Beteiligten an ihrer Willensbildung zu Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 10313 verbinden. Dies hängt entscheidend von der Bereitschaft aller Mitglieder der Hochschule zu konstruktivem Zusammenwirken ab. Dabei müssen die Reformer gegen Obstruktion und Gewalt geschützt werden. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Vogt (CDU/CSU) (Drucksache VI/3196 Fragen A 83 und 84) : Gedenkt die Bundesregierung, den Verband Deutscher Studentenschaften auch nach den Beschlüssen seiner letzten Mitgliederversammlung weiterhin mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen? Was hat die Bundesregierung in der Vergangenheit (seit 1969) unternommen, um die Verwendung der an den Verband Deutscher Studentenschaften geleisteten Zuschüsse aus Bundesmitteln sowie Abgaben aus Pflichtbeiträgen zu überprüfen? Die Bundesregierung hat den Verband Deutscher Studentenschaften auf Grund des Kabinettsbeschlusses vorn 26. März 1969 bereits seit diesem Zeitpunkt nicht mehr gefördert. Auf Grund des Kabinettsbeschlusses vom 26. März 1969 erhält der Verband Deutscher Studentenschaften seit dem Jahr 1969 keine Zuschüsse mehr aus Bundesmitteln. Der Verband Deutscher Studentenschaften ist ein nicht rechtsfähiger Verein. Die Bundesregierung hat keine rechtliche Möglichkeit, die Verwendung von Beiträgen der Studentenschaften, die Mitglieder dieses Vereins sind, zu überprüfen. Das gilt auch dann, wenn die Beiträge aus Pflichtbeiträgen stammen, die Studenten an ihre Studentenschaften zahlen müssen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jenninger (CDU/CSU) (Drucksache VI/3196 Frage A 85) : Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um eine Finanzkontrolle der Studentenschaften an den Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland zu veranlassen, wie es dem Beiträgegesetz vom 24. März 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 235), der Bundeshaushaltsordnung und dem geltenden Hochschulrecht entspricht, um damit sicherzustellen, daß nicht mit öffentlichen Geldern rechts- und verfassungswidrige Aktionen finanziert werden? Erforderliche Finanzkontrollen der Studentenschaften an den Hochschulen zu veranlassen, ist Aufgabe der Aufsichtsbehörden der Länder. Im übrigen erhalten die Studentenschaften auch keine Zuschüsse des Bundes. Soweit sie Zuschüsse von Ländern erhalten, obliegt diesen die Prüfung. Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß das von Ihnen genannte Beiträge-Gesetz vom 24. März 1934 (RGBl I, S. 235) am 1. Januar 1970 als Bundesrecht gemäß § 119 Abs. 2 Ziffer 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I, S. 1284) außer Kraft getreten ist. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache VI/3196 Fragen A 86 und 87) : Reicht der Stand der Grundlagenforschung im Bereich der Supraleitung, insbesondere der supraleitenden Werkstoffe aus, um den Bau eines Großbeschleunigers mit supraleitenden Magneten bereits jetzt in Angriff zu nehmen? Ist es richtig, daß sich im Kernforschungszentrum Karlsruhe hei der Verwirklichung eines auf Supraleitung aufbauenden Beschleunigerprojekts herausgestellt hat, daß die daran Beteiligten sich nachträglich in den Stand der Grundlagenforschung dieses Bereichs einarbeiten mußten? Der Gedanke, supraleitende Magnete bei Kreisbeschleunigern zur Teilchenführung zu verwenden, ist in den letzten Jahren in zunehmendem Maße aufgegriffen worden. Bei dem neu konzipierten Großbeschleuniger von CERN würde durch die Verwendung supraleitender — statt konventioneller — Ringmagnete die Möglichkeit bestehen, anstelle einer Protonenendenergie von 300 GeV den Wert von etwa 1000 GeV zu erreichen. Zu beachtlichen Erfolgen hat inzwischen die Entwicklung von supraleitenden Gleichstrom-Magneten geführt, mit denen man konstante Magnetfelder — wie sie etwa bei Blasenkammern benötigt werden erzeugt. Demgegenüber steht die Entwicklung supra-leitender Wechselstrom-Magnete, die für die zeitlich veränderlichen Magnetfelder in Kreisbeschleunigern benötigt werden, noch in den Anfängen. Im Kernforschungszentrum Karlsruhe arbeitet das Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP) in enger Abstimmung mit französischen und englischen Gruppen seit etwa 3 Jahren an der Entwicklung supraleitender Wechselstrom-Magnete. Bisher ist es jedoch noch in keinem Land gelungen, einen serienreifen Prototyp fertigzustellen. Erst wenn dies geschehen ist, kann der Bau von Beschleunigern oder die Umrüstung bestehender Beschleuniger mit Hilfe der Supraleitungstechnik in Angriff genommen werden. Im Kernforschungszentrum Karlsruhe wird seit einigen Jahren der Prototyp eines supraleitenden Protonen-Linear-Beschleunigers entwickelt. Das Projekt entstand aus den Vorarbeiten über einen konventionellen Protonen-Linearbeschleuniger. Die beteiligten Mitarbeiter mußten sich in der Anfangsphase des Projekts — wie dies bei fast allen neuen Projekten notwendig ist — in die Supraleitungs-Technologie einarbeiten. Hierzu gehörte auch die umfassende Kenntnis der wissenschaftlichen Grundlagen. Der Erfolg technischer Entwicklungen setzt im übrigen keineswegs immer voraus, daß alle Fragen der theoretischen Deutung vorher voll beherrscht und verstanden werden. So arbeiten noch in vielen Ländern Forschungsgruppen über das Phänomen der Kernspaltung, die seit vielen Jahren wirtschaftlich mit großem Erfolg genutzt wird. 10314 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 Das Karlsruher Institut besitzt heute einen inter- national anerkannten Ruf, was auch durch die zahlreichen Besuche ausländischer, vor allem amerikanischer Gäste bestätigt wird. Es gibt derzeit keine internationale Fachtagung über die Entwicklung supraleitender Beschleuniger ohne Karlsruher Beteiligung und Beiträge. Die Karlsruher Arbeiten zur Supraleitungs-Technik sind ein gutes Beispiel für die Aufnahme neuer Entwicklungsarbeiten in den Kernforschungszentren. Die Umsetzung von Wissenschaftlern in andere Projekte setzt hierbei auch ausreichende Möglichkeiten für das Einarbeiten in die neuen Fachgebiete voraus. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Konrad (SPD) (Drucksache VI/3196 Fragen A 88 und 21): Teilt die Bundesregierung die auf einer Tagung des „Gesprächskreises Meerestechnik" beim Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein vertretene Ansicht, daß die Meeresforschung durch mangelhafte Förderung und Zielsetzung sowie Zersplitteiung der Kompetenzen und Maßnahmen behindert sei? Welche Planungen liegen vor, und welche Maßnahmen sind getroffen, um die westdeutsche Industrie über die Absichten der Bundesregierung ausreichend zu unterrichten und die Zusammenarbeit mit der Industrie laufend zu verbessern? Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß von einer mangelhaften Förderung der Meeresforschung die Rede sein kann seit die Aufwendungen des Bundes in den Jahren 1969 bis 1971 von 45 auf rd. 75 Millionen DM zeitlich stiegen (1966 bis 1968 insgesamt: 91,5 Millionen DM). Für 1972 sind nach den Haushaltsansätzen Bundesmittel in Höhe von rd. 108 Millionen DM veranschlagt. Die Förderung von Meeresforschung und Meerestechnik wird sich in Anbetracht ihrer Bedeutung für Wirtschaft, Ernährung, Seeverkehr und Küstenschutz sowie angesichts der Notwendigkeit einer Verhütung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung auch zukünftig stärker entwickeln müssen. Die Zielsetzung ist erstmals im Jahre 1969 im Gesamtprogramm für die Meeresforschung in der BRD formuliert worden; inzwischen wurde das Programm überarbeitet, weil auch die Bundesregierung mit der Klarheit bisheriger Zielsetzungen nicht zufrieden war. Mit der Veröffentlichung eines neuen Programms ist Mitte dieses Jahres zu rechnen. Die verschiedenen Kompetenzen sind zum Teil durch die Vielfalt der naturwissenschaftlichen Disziplinen der Meeresforschung bedingt, die von der Geophysik, Geologie über die Physik, Chemie und Biologie bis zur Meteorologie reichen, und die daher auch im Anwendungsbereich zu verschiedenen Zuständigkeiten des Bundes und der Länder führen. Eine Zersplitterung der Maßnahmen soll trotz der verschiedenen Zuständigkeiten durch eine gute Zusammenarbeit in der Deutschen Kommission für Ozeanographie (DKfO), dem IMA für Meeresforschung und anderen Fachgremien vermieden werden. Es sind Überlegungen im Gange, die Koordinierung noch wirksamer zu gestalten. Die intensivste Unterrichtung und Zusammenarbeit mit der westdeutschen meerestechnischen Industrie erfolgt über die Wirtschaftsvereinigung industrielle Meerestechnik e. V. (WIM), auf dem Wege über Ausschreibungen und im direkten Verkehr mit den einzelnen Unternehmen. Darüber hinaus ist die Industrie im Rohstoffausschuß der DKfO vertreten. Zur Fortsetzung von Vorhaben zum Aufsuchen mineralischer Rohstoffe im Ausland hat der BMWF für das Jahr 1972 Haushaltsmittel in Höhe von 9 Millionen DM vorgesehen. Ausgehend von der bisherigen Tätigkeit der rohstoffbezogenen Meeresforschung wird sich die Bundesregierung bemühen, die Bestrebungen zur Intensivierung der künftigen Nutzung mariner Rohstofflagerstätten auch aus Mitteln und nach den Richtlinien des Rohstoffprogramms zu unterstützen (vgl. Jahreswirtschaftsbericht 1972 in Drucksache VI/3078 vom 28. Januar 1972 und Bundesanzeiger Nr. 210 vom 10. November 1970). Die Bundesregierung geht dabei davon aus, daß sich die einschlägige Industrie an der Verwirklichung dieser Ziele interessiert beteiligen wird. Im übrigen verweise ich auf meine Antworten auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur Förderung der Meeresforschung und Meerestechnik (Drucksache VI/2450 vom 13. Juli 1971), auf die Großen Anfragen zur Technologiepolitik (Drucksache VI/2789 vom 3. November 1971) und auf zwei Fragen des Abg. Dr. Hubrig (Protokoll der 164. Sitzung vom 21. Januar 1972, S. 9484/5). Anlage 12 Schriftliche Antwort des Bundesminister Dr. Eppler vom 15. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache VI/3243 Frage A 3) : Teilt die Bundesregierung die von einem Referatsleiter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit öffentlich vertretene Auffassung, die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland sei eine „sogenannte freie Marktwirtschaft", die zu ungerechter Vermögensverteilung geführt habe und auf keinen Fall auf die Entwicklungsländer übertragen werden dürfe, und welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls in ihrer Entwicklungspolitik daraus zu ziehen? Die Bundesregierung ist nicht berechtigt, ihren Beamten vorzuschreiben, wie sie die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen haben. Es entspricht der entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesregierung (siehe Seite 11 des Kabinettbeschlusses vom 11. Februar 1971) daß sie nicht beabsichtigt, Entwicklungsländern ihre eigenen Vorstellungen von Gesellschaft und Wirtschaft aufzudrängen. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 10315 Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Frau Freyh vom 15. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Werner (CDU/CSU) (Drucksache VI/3243 Frage A 4) : Hält die Bundesregierung es für angemessen, daß die deutschen Entwicklungshilfeleistungen aus öffentlichen Mitteln für 1970 im Vergleich mit den Partnerstaaten der Europäischen Gemeinschaft einschließlich Englands, Dänemarks und Norwegens mit 0,32 % des Bruttosozialproduktes an vorletzter Stelle stehen, und wie stimmt das überein mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers und anderen Erklärungen der Bundesregierung? Der Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe am BSP im Jahre 1970 lag mit 0,32 % des BSP geringfügig unter dem Durchschnitt der DAC-Staaten von 0,34 % des BSP. Für den Rückgang dieses Anteils gegenüber dem Vorjahr waren, wie die Bundesregierung bereits bei Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU am 28. April 1971 ausgeführt hatte, vor allem zwei Gründe maßgebend: einmal die außergewöhnliche Steigerung des Bruttosozialprodukts und zum anderen der schleppende Abfluß der Kapitalhilfemittel. Die Höhe der abfließenden Mittel ist bekanntlich nicht zuletzt vom Volumen der niedrigeren Zusagen in den vorangegangenen Jahren abhängig. Dennoch lag der Anteil der öffentlichen Hilfe 1970 bei fünf DAC-Ländern niedriger als der Anteil der BRD. Nur bei drei der in der Frage aufgeführten Länder lag der Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe wesentlich über dem Anteil der BRD; bei diesen drei Ländern handelt es sich um Länder, bei denen der Umfang und die Richtung der öffentlichen Hifle auch heute noch durch ihre besonderen Überseebeziehungen bestimmt werden. Auch wenn endgültige Zahlen für 1971 noch nicht vorliegen, dürften die öffentlichen Leistungen der BRD ziemlich genau den DAC-Durchschnitt erreichen. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 15. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmude (SPD) (Drucksache VI/3243 Frage A 59) : Ist die Bundesregierung bereit, allen Mitgliedern des Bundestages die Möglichkeit zu eröffnen, vor Einheiten der Bundeswehr bei offiziellen Besuchen ihre Absichten für den nächsten Bundestagswahlkampf darzulegen? Die Bundesregierung hat es schon immer begrüßt, wenn die Mitglieder des Bundestages die Gelegenheit wahrnehmen, Einheiten der Bundeswehr Besuche abzustatten. Diese Kontakte zwischen Bundestagsabgeordneten und der Truppe sowie auch die Kontakte zwischen Landtagsabgeordneten sowie Mitgliedern der Kreis- und Gemeindeparlamente mit den Soldaten dienen zum besseren Verständnis der jeweiligen Probleme. Die Bundesregierung wünscht, daß solche Kontakte auch weiterhin gepflegt werden. Die Bundesregierung würde es indessen jedoch nicht begrüßen, wenn die Bundeswehr in den Bundestagswahlkampf oder in einen Landtagswahlkampf hineingezogen würde. Aus diesem Grunde ist durch einen Erlaß des Generalinspekteurs der Bundeswehr aus dem Jahre 1961 angeordnet worden, daß Besuche von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bei der Truppe möglichst für die Zeit nach der Wahl vereinbart werden sollen. Ich darf nochmals wiederholen, dieser Erlaß stammt bereits aus dem Jahre 1961. Die Bundesregierung geht davon aus, daß sich diese im Erlaß festgelegte Regelung bewährt hat. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 15. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Jung (FDP) (Drucksache VI/3243 Frage A 74) : Wird die Bundesregierung bei dem im Rahmen der neuen Ferienreiseverordnung 1972 vorgesehenen Wochenendfahrverbot für schwere LKW auf Bundesautobahnen und -fernstraßen eine Ausnahmegenehmigung für Weichobsttransporte in Fahrtrichtung Süd-Nord erteilen, um so negative Auswirkungen auf die süddeutschen Weichobstmärkte (z. B. Warenstau während der Kirschenernte am Samstag und Sonntag) zu vermeiden? Die Ferienreise-Verordnung 1972 wird versuchsweise in diesem Jahr — vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates — die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für die Beförderung von Weichobst auf Autobahnen in Lastkraftwagen ohne Anhänger an Sonntagen nach 14 Uhr vorsehen, wenn dies dringend geboten ist, um die rechtzeitige Ankunft in dem Bedarfsgebiet sicherzustellen. Für die in das Lkw-Fahrverbot einbezogenen Bundesstraßen ist die Erteilung von Ausnahmen wie in den Vorjahren vorgesehen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Mertes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir haben in den letzten Wochen und praktisch bis zum heutigen Tage erlebt, wie in der Diskussion über konjunkturpolitische Prognosen ein Stimmungswandel eingetreten ist, der durch einige der jüngsten Konjunkturtests und durch andere Beiträge wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute ausgelöst wurde. Manche Auguren — das wissen Sie alle —, ,die noch zum Jahreswechsel nur dunkle Wolken am Konjunkturhimmel ausgemacht haben, sind nunmehr zum Teil auf einen optimistischen Kurs umgeschwenkt, und sie sehen schon wesentlich mehr als nur den bekannten zarten Silberstreifen am Horizont. Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf den jüngsten und damit aktuellen Bericht der Deutschen Bundesbank hinweisen.
    Selbstverständlich ist es so, wie es früher immer war und wie es auch gar nicht anders sein kann, daß die Entwicklung von Branche zu Branche und innerhalb der einzelnen Branchen große Unterschiede aufweist. Der Gesamttrend macht für mich aber nicht deutlich, woher der Kollege Müller-Hermann die Überzeugung nimmt, heute dennoch unbedingt schwarz in schwarz malen zu müssen, es sei denn, verehrter Herr Kollege Müller-Hermann, daß Sie eine besondere Sympathie für diese schwarze Farbe haben, wenn man unterstellen will, daß es sich dabei überhaupt um eine Farbe handelt.
    Ich meine, der fast abrupte Wandel sollte für uns eine Warnung sein. Wir sollten vermeiden, in der konjunkturellen Diskussion unbedacht und in maßloser Übertreibung zu argumentieren, weil wir damit die Wirtschaft belasten. Mit Emotionen, mit Ängsten, mit unmotivierten Befürchtungen oder sogar systematischer Verunsicherung kommen wir in



    Mertes
    keinem Bereich der Politik weiter, am wenigsten in dem Bereich der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik. Vielmehr ist Nüchternheit geboten, d. h. konkret, alle neuen Daten und Fakten müssen ständig neu in die Überlegungen eingebaut werden. Zweifellos ist das Verharren auf einer einmal bezogenen Linie in der Konjunktureinschätzung keine Tugend. Wir sollten uns andererseits aber auch davor hüben, noch nicht als gesichert anzusehende Tendenzen als absolute und unverrückbare Wahrheiten mißzuverstehen.
    Meine Kolleginnen und Kollegen! Genauso, wie nach der Meinung der Freien Demokraten die Aussage von Konjunkturberichten mit Nüchternheit und Distanz zu betrachten ist, sollten wir nüchtern und mit der notwendigen Distanz das prüfen, was die Jahresprojektion der Bundesregierung beinhaltet. Sie stellt, basierend auf der Einschätzung einer gegebenen, zeitpunktbezogenen Konjunkturlage und auf der Einschätzung der Möglichkeiten staatlicher Konjunkturpolitik, ein Urteil über die künftige Wirtschaftslage dar. Ändern sich nun aber im Zeitverlauf bestimmte Daten in anderer als vorausgesehener Weise, so hat dies selbstverständlich Auswirkungen auf die projektierten Größen. Die Projektionen erheben also nach unserer Meinung nicht, wie immer fälschlicherweise behauptet wird, den Anspruch der absoluten Sicherheit oder gar der Unfehlbarkeit. Sie wollen nicht mehr, als die Voraussetzungen für rationale Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik verbessern; und sie wollen nicht diese Entscheidungen selbst überflüssig machen, die vom Staat, von den Unternehmern und von den
    Gewerkschaften in voller Verantwortung getroffen werden müssen.
    In der Beurteilung der von der Bundesregierung in der Jahresprojektion 1972 festgelegten Eckwerte stimmen wir Freien Demokraten mit den Aussagen überein, die im Jahreswirtschaftsbericht unter Nr. 46 niedergelegt sind und die ich wegen ihrer Bedeutung mit Ihrer Genehmigung auszugsweise zitieren möchte. Es heißt dort:
    Gemessen an den mittelfristigen Zielsetzungen sind die Werte der Jahresprojektion der Bundesregierung nicht befriedigend.... Diese Zielkombination bietet jedoch die Chance, die Wirtschaftsentwicklung schrittweise wieder zu verstetigen und den mittelfristigen Gleichgewichtspfad anzusteuern. Sie ist aber nicht allein mit staatlichen Maßnahmen zu verwirklichen. Der Zielkonflikt zwischen hohem Beschäftigungsstand und realem Wachstum einerseits sowie Preisstabilität andererseits ist nur dann aufzulösen, wenn die Kostensteigerungen — und hier insbesondere deren gewichtigster Teil, die Lohnkosten je Produkteinheit — auf das von der Bundesregierung projektierte Ausmaß reduziert werden. Anderenfalls muß mit einem stärkeren Konjunkturabschwung gerechnet werden. Gleichzeitig würde die Chance eines Einstiegs in Richtung auf mehr Preisniveaustabilität vertan. Sehr wahrscheinlich würden die Unternehmen bei weiter steigendem Kostendruck ihre Investitionen unerwünscht stark einschränken und letztlich in
    die Unterbeschäftigung ausweichen. Vollbeschäftigung wäre dann mit Mitteln der staatlichen Wirtschaftspolitik nicht mehr zu gewährleisten, wie auch die Erfahrungen anderer Staaten in ähnlichen Situationen gezeigt haben und zeigen.
    Soweit, meine Damen und Herren, das Zitat.
    Insbesondere möchte ich hier die Ausführungen zur Preisniveaustabilität unterstreichen. Die Bundesregierung weist mit Recht unter Nr. 4 des Jahreswirtschaftsberichts mit Nachdruck auf die Ansicht des Sachverständigenrates hin, daß der Staat im Hinblick auf die öffentlichen Haushalte neben seiner allgemeinen stabilitätspolitischen Verpflichtung ein unmittelbares Eigeninteresse an möglichst großer Preisniveaustabilität hat. Auch hier hat die Entwicklung deutlich gemacht, daß die Vorstellung, der Staat könne in einer Periode der Preissteigerungen seine Finanzen verbessern und er habe damit ein unmittelbares Eigeninteresse an einer solchen Entwicklung, in das Reich der Sage verwiesen werden muß.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Die Frage ist, ob überhaupt eine staatliche oder gesellschaftliche Instanz oder Gruppe an einer tendenziellen Preissteigerung ein Interesse haben kann. Die Antwort ist eindeutig: der Staat nicht, weil ihm die Kosten davonlaufen, die Wirtschaft nicht, weil ihr von einem gewissen Zeitpunkt an ebenfalls die Kosten davonlaufen und vorübergehende Vorteile sich sehr rasch ins Gegenteil verkehren, die Arbeitnehmer nicht, weil früher oder später ihre Arbeitsplätze gefährdet werden, die Konsumenten aus begreiflichen Gründen schon gar nicht und die vom Sachverständigenrat erwähnten Opfer des Verteilungskampfes, d. h. die schwächeren Gruppen der Bevölkerung, z. B. die Landwirte oder die Rentner, erst recht nicht. Und doch, meine Damen und Herren — das sollte uns zu denken geben —, scheint unsere Gesellschaft als Ganzes nicht stark genug zu sein, ihre Kräfte so zu koordinieren — das gilt auch für die politischen Parteien —, daß das gemeinsame, alle Interessen berücksichtigende Ziel der Preisstabilität erreicht werden kann. Ich treffe diese Feststellung ungeschminkt und ohne irgendeine Gefühlsduselei.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Deshalb ist sie auch richtig!)

    Das ist einfach ein Erfahrungswert, der nicht vom Tisch zu wischen ist.
    Nach Ansicht der Freien Demokraten sind also auf diesem Sektor weiterhin verstärkte Bemühungen aller Entscheidungsträger in unserer Wirtschaft notwendig, insbesondere wenn sich die Tendenz einiger neuer konjunktureller Daten im Trend in den nächsten Monaten fortsetzen sollte. Im Januar hat sich die monetäre Expansion, die sich schon in den letzten Monaten des Jahres 1971 wieder deutlich beschleunigt hatte, nahezu unvermindert fortgesetzt. Demgegenüber zeigte die Industrieproduktion bei teilweise allerdings erheblichen Zuwächsen des Auftragseingangs weiterhin einen leichten Abwärts-



    Mertes
    trend. Dies ist zweifellos eine Entwicklung, die nicht gerade zu überwältigendem Optimismus hinsichtlich der Preisentwicklung in den nächsten Monaten Anlaß geben kann, aber auch eine Entwicklung, die wir als Faktum, so scheint mir, in unsere politischen Überlegungen und Entscheidungen mit einbeziehen müssen.
    Insbesondere mahnt uns die Entwicklung der Geldmenge als Summe aus Bargeldumlauf und Sichteinlagen unter stabilitätspolitischen Gesichtspunkten wieder zu erhöhter Aufmerksamkeit. Während ihre Zuwachsrate, saisonbereinigt und auf Jahresrate umgerechnet, vor der Freigabe des D-Mark-Wechselkurses im Dreimonatsabschnitt — März bis Mai 1971 —21,4% betrug, sank sie in der Folgezeit, insbesondere durch Maßnahmen dieser Bundesregierung und dieses Parlaments, bis einschließlich September des vergangenen Jahres auf 4,7 % ab. Im letzten Quartal 1971 dagegen betrug die Zuwachsrate, umgerechnet auf die Jahresrate, schon wieder 12 %. Schon diese wenigen Zahlen in ihrem zeitlichen Bezug zueinander zeigen, wie sehr das monetäre Problem in unserer Wirtschaft durch unsere außenwirtschaftliche Verflechtung bestimmt wird. Die Abhängigkeit vom Ausland ist durch die Integration in der EWG, die weitergelaufen ist, und den Ausbau unserer Handelsbeziehungen mit anderen Ländern in den letzten Jahren so stark geworden, daß wir uns dem intern ationalen Preiszusammenhang nur sehr schwer entziehen können. Das zeigt auch ein Blick auf die durchschnittliche Steigerungsraten der Lebenshaltungskosten des letzten Jahres bei uns und unseren
    wichtigen Handelspartnern. Einige Zahlen in diesem Zusammenhang sind in der Debatte heute bereits genannt worden. Ich möchte nur feststellen, daß wir mit 5,2 % bedauerlicherweise im vorderen Mittelfeld der Stabilitätsskala liegen. Das kann man auch als einen Erfolg bezeichnen; es kommt dabei auf den Standpunkt an.
    Die in den letzten Wochen aufgetretenen Probleme werden sich abschließend erst dann lösen lassen, wenn — auch das spreche ich hier ungeschützt aus — die USA eine stärker zahlungsbilanzorientierte Geldpolitik betreiben, wenn ihr Zahlungsbilanzdefizit abgebaut wird und der Dollar zur Konvertibilität zurückkehren kann. Aber auch hier möchte ich sagen, daß das in naher Zukunft leider nicht zu erwarten ist. Auch das ist eine der nüchternen Realitäten. Aus diesem Grunde gilt es zu prüfen, wie wir uns von dem Dollarproblem unabhängiger machen können. Hier sind wir Freie Demokraten der Meinung, daß der in Brüssel eingeschlagene Weg der Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion der einzig denkbare ist und die einzige Alternative darstellt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, die Brüsseler Beschlüsse sind nach Meinung der Freien Demokraten insbesondere deshalb positiv zu bewerten, weil die geplante Integration nicht nur auf einem Bein steht, also nicht nur die Schaffung einer Währungsunion vorsieht, sondern weil auch der Grundsatz der Parallelität zwischen Wirtschafts- und Währungspolitik fest verankert worden ist. Schon mit Rücksicht auf
    die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des gemeinsamen Agrarmarktes haben wir Freien Demokraten immer wieder darauf hingewirkt, daß die Harmonisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in der EWG zur Voraussetzung einer Integration gemacht wird. Diese Notwendigkeit ist jetzt von allen Partnern voll anerkannt worden. Sie kommt in den Maßnahmen der Brüsseler Beschlüsse zum Ausdruck, die eine Verstärkung der Koordinierung der kurzfristigen Wirtschaftspolitik vorsehen. Wir begrüßen das.
    Es handelt sich dabei einmal um die Einsicht, daß wegen der Harmonisierung alle Partner ihr wirtschafts- und finanzpolitisches Instrumentarium vervollständigen und vereinheitlichen müssen. Die Kommission wird deshalb dem Rat sobald wie möglich den Vorschlag einer Richtlinie zur Förderung von Stabilität, Wachstum und Vollbeschäftigung in der Gemeinschaft unterbreiten. Ferner ist mit der Koordinierungsgruppe ein Organ geschaffen worden. das auf Grund seiner Zusammensetzung in der vorgesehenen Arbeitsweise die Möglichkeit hat, eine wirkliche Harmonisierung der gesamten Wirtschafts-und Finanzpolitik in der EWG herbeizuführen. Damit, meine Damen und Herren, kommen wir auch auf dem Sektor der Stabilitätspolitik einen ganz, ganz großen Schritt weiter.
    Auf dieser Grundlage war es unserer Ansicht nach in Brüssel möglich und angesichts der aktuellen Lage zweckmäßig, bei den währungspolitischen Vereinbarungen eben diesen Schritt nach vorn zu machen. Es wird jetzt die Aufgabe der Zentralbanken der erweiterten Europäischen Gemeinschaft sein, mit einem untereinander abgestimmten Verhalten auf der Basis des detailliert festgelegten Regelsystems Zug um Zug die währungspolitische Gleichschaltung gegenüber dem Dollar zu vollziehen. Dabei begeben wir uns — das sei nicht verschwiegen, meine Damen und Herren, das wissen Sie so gut wie ich — auf absolutes Neuland. In Brüssel ist deshalb richtigerweise von den Verhandlungspartnern be- schlossen worden, sich nicht auf einen festen Zeitplan für eine weitere Verringerung der Bandbreiten festzulegen; denn das Spiel mit acht Bällen, wie es Präsident Klasen genannt hat, erfordert auch bei guten Jongleuren einige Zeit der Übung.
    Wir Freien Demokraten sind der Ansicht, daß es mit dem Instrumentarium, das jetzt in Brüssel geschaffen worden ist, sowie mit dem Maßnahmekatalog, der bei uns zur Verfügung steht, möglich sein sollte, schrittweise mit marktkonformen Mitteln die internationalen Finanzströme zu regulieren. Auf Grund unseres wirtschaftlichen Gewichts in der EWG besteht ferner die Chance, die Gemeinschaft auf den Weg zu einem stabilitätsbewußten Wachstum zu führen, ein Ziel, dessen Durchsetzung bisher in der ganzen Welt mehr oder weniger als eine Illusion angesehen wurde. Der Schritt zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion allein wird uns allerdings noch nicht von der Notwendigkeit vermehrter interner Bemühungen um die Lösung des Stabilitätsproblems befreien; denn keine außenwirtschaftliche Absicherung — gleich, welcher Art allein kann eine innere Preisniveaustabilisierung garantieren.



    Mertes
    Darüber hinaus muß, bezogen auf unsere gegenwärtige Lage, das berücksichtigt werden, was die Bundesbank im Dezember letzten Jahres, also vor der erneuten Spekulation gegen den Dollar, feststellt:
    Es wird — noch einer längeren Periode verminderten Geldvolumens bedürfen, um das in der Bundesrepublik zweifellos noch vorhandene monetäre Inflationspotential wirklich abzubauen.
    Wenn wir also Preisstabilität wollen, müssen wir auf eine straffere Geldpolitik ein stärkeres Gewicht legen. Hierbei sollte meines Erachtens eingehend geprüft werden, ob es nicht zweckmäßig ist, die Entwicklung der Geldmenge als monetären Indikator stärker in das Kalkül der Konjunkturpolitik einzubeziehen.
    Darüber hinaus sollten wir zu einer Verstetigung bei der Zuwachsrate der Geldmenge kommen und diese den realen Expansionsmöglichkeiten in etwa anpassen. Denn es muß, meine Damen und Herren, einmal ganz eindeutig festgestellt werden, daß ohne eine außergewöhnlich starke Ausdehnung der Geldmenge eine Verschlechterung des Geldwertes nicht denkbar ist und daß alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die die Wachstumsrate der Geldmenge nicht verringern, letztlich keinen durchschlagenden stabilitätspolitischen Effekt haben können.
    In diesem Zusammenhang darf ich kurz auf das Instrument des Konjunkturzuschlags eingehen, an dessen Wirksamkeit im Zusammenhang mit der Erörterung des Rückzahlungstermins vor einiger Zeit Zweifel aufgekommen sind. Es ist unbestritten, daß in dem Maße, in dem Mittel bei der Bundesbank stillgelegt worden sind, der Konjunkturzuschlag in den Jahren 1970/71 direkt restriktiv gewirkt hat.

    (Abg. Ott: Deshalb sind die Preise gestiegen!)

    Was die Rückzahlung betrifft, so ist zweifelsohne der ins Auge gefaßte und heute mitgeteilte Termin der denkbar günstigste, den es für diese Rückzahlung überhaupt geben kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Eine stärkere Berücksichtigung der Geldpolitik um zu dieser Frage noch einmal kurz zurückzukehren — heißt nun aber nicht, daß eine regelmechanistische Wirtschaftspolitik verfolgt werden sollte. Die Gründe, die hiergegen sprechen, sind ausführlich und einleuchtend in dem jüngst veröffentlichten Gutachten des wirtschaftswissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen niedergelegt worden. Notwendig ist es jedoch, die Geldmenge als Orientierungsmaßstab und als Entscheidungshilfe für den Einsatz der korrigierenden Maßnahmen verstärkt heranzuziehen. Diese Tendenz ist auch bei der Bundesbank ganz deutlich verstärkt worden.
    Aber nicht nur in der Ausrichtung, sondern ouch um Mitteleinsatz, sollte meines Erachtens bei der Geldpolitik eine Überprüfung in Richtung auf eine Aktivierung vorgenommen werden, und zwar im Bereich der Offenmarktpolitik durch eine Intensivierung der Geschäfte mit Nichtbanken und auf dem Kapitalmarkt sowie im Bereich der Staatsverschuldung durch Berücksichtigung der monetären Effekte, d. h. der Wirkungen, die sich aus einer Veränderung von Höhe und Struktur der Schuld auf Geldmenge und Zins ergeben. Als Konsequenz der hier skizzierten Richtung würde sich ein Effekt ergeben, den ein liberaler Wirtschaftspolitiker besonders hervorheben muß. Die Globalsteuerung würde zumindest teilweise von der Notwendigkeit der direkten Regulierung der Nachfragekomponenten am Markt befreit werden. Das wäre schon etwas. Statt der konjunkturpolitisch motivierten Schwankungen der Staatsausgaben könnte eine gleichmäßigere Entwicklung angestrebt werden. Eine solche Haushaltspolitik würde aber gleichzeitig für die Unternehmen besser kalkulierbar sein und ihren Freiheitsspielraum ganz beträchtlich erweitern.
    Eine ausgeglichene monetäre Entwicklung ist zwar eine notwendige, aber — das möchte ich hinzufügen — keine hinreichende Bedingung für eine gleichmäßige stabilitätsorientierte Wirtschaftsentwicklung. Sie muß sowohl im Bereich der gesellschaftlichen Gruppen durch Tarifvereinbarungen entsprechend ergänzt werden, die der Gesamtlage angemessen sind, als auch im Bereich der staatlichen Politik durch eine abgestimmte Haushalts-, Finanz- und Strukturpolitik, um die sich diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen von Beginn der Arbeit an ernsthaft und nicht ohne Erfolg bemüht haben.
    In unserer Wirtschaft sind in den letzten Jahren beträchtliche Strukturwandlungsprozesse ausgelöst worden. Sie haben ihre wesentliche Ursache in der Kosten-Preis-Entwicklung, die zu einer Veränderung der Wettbewerbssituation und zur Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Sektoren, national und international, geführt hat. Zum Teil sind auch unter diesem, ich möchte sagen, Quasi-Zollschutz unrealistischer Paritäten oder aus anderen Gründen Produktionskapazitäten aufgebaut worden, die bei einer normalen wirtschaftlichen Entwicklung nicht ausgenutzt werden können. Auch das, meine ich, sollten wir sehen.
    Das weitere Ausmaß dieses Prozesses wird davon abhängen, wie sich in Zukunft in den einzelnen Bereichen die Kosten-Ertragslage darstellen wird. Wir Freien Demokraten sind der Ansicht, daß diese Entwicklung unabhängig von der konjunkturellen Situation einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf, weil mit ihr Umschichtungen verbunden sind, die zur Freisetzung von Arbeitskräften in sektoralen und regionalen Bereichen führen können.
    Diese Gefährdung der Arbeitsplätze, die sich heute zum Teil erst abzeichnet, aber durchaus existent ist, kann nicht durch eine globale Vollbeschäftigungspolitik, also durch ein Mittel der Konjunktursteuerung, aus der Welt geschafft werden. Die Sicherung der Arbeitsplätze für die abhängig Beschäftigten ist vielmehr nur durch die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gewährleistet. Dies setzt aber eine konsequente und wirksame Strukturpolitik voraus, die in den betroffenen Wirtschaftszweigen zur Konsolidierung führen muß.



    Mertes
    In einigen Branchen werden wir dabei nicht umhin können temporäre Anpassungshilfen zu gewähren. Diese sollten in der Regel aber nur in solchen Zweigen gezahlt werden, die, langfristig gesehen, ausreichende Wachstumsmöglichkeiten haben oder von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung sind. Solche vorübergehenden Hilfen sind nämlich nur sinnvoll, wenn zu erwarten ist, daß in wenigen Jahren die Phase der Marktkonsolidierung erreicht wird.
    Nach Ansicht meiner Fraktion muß eine wirksame Strukturpolitik neben den wichtigsten Aspekten, wie Raumordnung, Umweltschutz, Bildung und Ausbildung, Verkehrs- und Gesundheitswesen, vor allem die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen berücksichtigen. Dabei kommt der Erhaltung der Investitionsfähigkeit eine ganz zentrale Bedeutung zu. Sie macht in unserem wirtschaftlichen System eine ausreichende Gewinnentwicklung erforderlich. Ohne die Bereitschaft ,der Unternehmen, zu investieren, würde der notwendige technische, betriebliche und organisatorische Fortschritt behindert, wenn nicht blockiert werden. Das heißt, die staatliche Wirtschaftspolitik muß sich bewußt an den fortschrittlichen Unternehmer wenden, der den technischen, ökonomischen und sozialen Erfordernissen unserer Zeit aufgeschlossen gegenübersteht und diese Entwicklung auch von sich aus vorantreibt.
    In einer dynamischen, auf Wettbewerb und auf optimale Ausnutzung der vorhandenen Mittel eingestellten Welt können wir uns die Konservierung überholter Produktionsmethoden einfach nicht mehr leisten. Strukturschwächen und Strukturkrisen sind bei der Ablaufdynamik der gegenwärtigen Strukturwandlungen unvermeidbar. Das wissen wir. Gefährlich und kostspielig aber wäre der Versuch, diesen Strukturwandel abbremsen zu wollen und der Gesamtentwicklung in der Wirtschaft und der Technik insbesondere retardierend in die Speichen zu greifen. Die Aufgabe staatlicher Wirtschaftspolitik ist es vielmehr, wie es meine Fraktion immer wieder gefordert hat, von einer Politik der Angebotsstärkung auszugehen, wenn wir erreichen wollen, daß die Wirtschaft langfristig all diejenigen Leistungen erbringt, die notwendig sind, die wachsenden Anforderungen des Staates und der Gesellschaft zu decken. Insbesondere muß die staatliche Förderung verstärkt Pilotprojekten dienen, d. h. Modellen, die der Erschließung neuer Wege dienen, zu einer besseren Ausnutzung der vorhandenen Reserven führen und deshalb für nachahmungswürdig gehalten werden.
    In diesem Zusammenhang richten wir erhöhtes Augenmerk auf die Förderung der kleinen und mittleren Betriebe der gewerblichen Wirtschaft. Dabei genügt es nach Auffassung der Freien Demokraten aber nicht, eine mehr oder weniger behelfsmäßige Schutzpolitik zu betreiben. Das Problem für die kleinen und mittleren Selbständigen ist die Bewältigung der Flut von Veränderungen, die ständig über uns hereinbricht. Das Motto muß also statt „Schutzpolitik" heißen „Befähigungspolitik" mit allen Konsequenzen, die sich aus diesem Begriff ergeben. In der Zielsetzung richtige Ansätze sind hierzu im Aktionsprogramm zur Leistungssteigerung kleinerer und
    mittlerer Unternehmen enthalten, das diese Bundesregierung verabschiedet hat. Sie müssen weiter ausgebaut werden.
    In dieser Hinsicht begrüßen wir Freien Demokraten, daß im Jahreswirtschaftsbericht in Ziffer 71 die Fortentwicklung der Grundsätze für kleine und mittlere Unternehmen sowie des Aktionsprogramms als wichtige Aufgabe der Bundesregierung in diesem Jahr bezeichnet wird. Im Bereich der Mittelstandspolitik ist darüber hinaus auf die Förderung von Kooperationen verstärktes Gewicht zu legen. Die im Wirtschaftssauschuß zur Beratung anstehende, von dieser Bundesregierung eingebrachte und begründete Kartellrechtsnovelle wird die gesetzlichen Möglichkeiten hierfür verbessern und zum Teil neu schaffen. Wir dürfen uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß im mittelständischen Bereich der Wirtschaft noch erhebliche psychologische Widerstände gegen Kooperationen zu überwinden sind, einesteils aus Unkenntnis hinsichtlich der Möglichkeiten, die Kooperationen bieten, andernteils aber auch deshalb, weil an dieses moderne wirtschaftspolitische Instrument Befürchtungen in bezug auf eine Einengung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit geknüpft werden, Befürchtungen, die in aller Regel jedoch unbegründet sind.
    Meine Damen und Herren, im ersten Teil meiner Ausführungen — insoweit schließt sich hier der Kreis — habe ich schon auf die Folgen der engen Außenhandelsverflechtungen unserer Wirtschaft hingewiesen. Einer zu einseitigen Exportorientierung und damit der mit dieser Kopflastigkeit verbundenen Krisenanfälligkeit bestimmter Teile der deutschen Wirtschaft muß auch von der strukturellen Seite der außenwirtschaftlichen Verflechtung entgegengewirkt werden. Als Mittel dazu bieten sich an: die Verstärkung des privaten Kapitalexports für Anlageinvestitionen im Ausland, die Unterstützung des Aus- und Aufbaus von Produktionsprozessen im Ausland, die in einem komplementären Verhältnis zum Industriepotential der Bundesrepublik stehen, die weitere Verstärkung der Außenhandelsbeziehungen, vor allem im Bereich der hochwertigen Wirtschaftsgüter. Diese Maßnahmen, in die auch kleine und mittlere Unternehmen verstärkt eingeschaltet werden sollten, verfolgen das Ziel, die Export-Import-Struktur gleichmäßiger zu gestalten.
    In weiten Teilen meiner Ausführungen habe ich mich mit dem Problem der Preisstabilität befaßt. Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend feststellen: Nur eine Politik äußerster Konsequenz vermag dieses Ziel zu sichern. Aber der damit verbundene Erfolg würde, so meine ich, alle Anstrengungen mehr als rechtfertigen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Strauß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In manchen Situationen des politischen Lebens ist es sicherlich ange-



    Strauß
    bracht, nach der Maxime zu handeln: Angriff ist die beste Verteidigung. Ob es die Situation, in der sich Herr Schiller zur Zeit befindet, ebenfalls angebracht erscheinen läßt, nach dieser Maxime zu handeln, möchte ich mehr als bezweifeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir hätten gern etwas mehr über die unverkennbaren Schwächen, Ungereimtheiten, Absurditäten und Widersprüche in der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung gehört, als es heute geschehen ist. Die gelegentlichen Ausfälle, die ihn sogar in bayerische Gefilde entrückt haben,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    befreien ihn in Zukunft nicht von der Aufgabe, als verantwortlicher Wirtschafts- und Finanzminister zu handeln, solange er noch im Amt ist.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Herr Schiller hat heute in seiner Darstellung, die einerseits der Versuch eines gigantischen Heldenepos, eines Doppelhelden war, mit gelegentlichen romantischen Einlagen und einem lyrischen Abschluß eine Landschaft gezeichnet, wie sie sonst etwa nur von bukolischen Dichtern dargestellt wird:

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    eine sonnenüberglänzte Wiese, in der sich alles in perfekter Harmonie befindet, in der Mensch und Natur in glückseliger Zuordnung zueinander ihrem höheren Wesen nachstreben können.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Leider sieht die Wirklichkeit etwas anders aus. Dabei darf ich mich mit seiner Rede, die ich sehr sorgfältig gehört und gelesen habe, sowie auch mit einigen Ausführungen des Kollegen Junghans beschäftigen, weshalb ich nicht von einem vorbereiteten Konzept ausgehen kann.
    Herr Schiller hat am Anfang seiner Darlegungen von der falschen Prognose der Opposition gesprochen und in dem Zusammenhang erklärt, ich hätte bei der ersten Lesung des Haushalts 1972 — das ist schon sehr, sehr lange her; es wird noch lange Zeit dauern, bis er verabschiedet wird, und weshalb, das werden wir heute auch noch der Öffentlichkeit mitzuteilen haben — gesagt: Die Alternative „Rezession mit Arbeitslosigkeit" ist doch die Schwelle, an der wir heute stehen. Und dann sagte er: „Darauf kann ich eine klare Antwort geben: die Rezession findet nicht statt." Sehr verehrter Kollege Schiller, die Rezession ist schon eingetreten; denn der Zuwachs im Wachstum ist in einem auf Zuwachsraten, wenn auch maßvoller Art, aufgebauten sozialen und wirtschaftlichen Leistungssystem eine unentbehrliche Größe.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und wenn das Wachstum zum Stillstand gekommen ist, wie es zur Zeit beim realen Wachstum der Fall ist, während Sie immer noch ein stattliches Wachstum nominaler Art verzeichnen können, dann ist das bereits eine Rezession. Wir befinden uns in einem Zustand, den ich nennen möchte: Stagnation, also Stillstand des realen Wachstums, anhaltende Inflation — siehe auch das, was das Ifo-Institut gestern
    prognostiziert hat, nämlich anhaltende Preiserhöhungen in der Größenordnung von 5 % und mehr — und noch gesicherte Vollbeschäftigung. Das heißt, wenn die Bundesregierung Stabilität erreichen wollte, dann hätte sie gleichzeitig einen Zustand herbeiführen müssen, den sie mit Recht vermieden hat — das bestreite ich nicht —; sie hätte nämlich Stabilität nur um den Preis der Arbeitslosigkeit herbeiführen können. Die Aufgabe einer verantwortlichen Wirtschaftspolitik ist es aber, ein ausreichendes Maß an Wachstum — keine gigantischen Wachstumsraten, aber doch Raten von real 4 bis 5 %, nominal von 6 bis 7 % — zu erreichen, d. h. eine Inflationsrate von etwa 2 %, die aber nicht von vornherein zu programmieren ist. Programmieren soll man null Prozent; dann wird man zum Schluß immer noch mit einer kleinen Preisauftriebsrate abkommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Von diesem Dreieck: Wachstum, Stabilität und Vollbeschäftigung — ich lasse einmal die Zahlungsbilanz beiseite, auf sie komme ich in einem anderen Zusammenhang zu sprechen — hat die Bundesregierung nur die Vollbeschäftigung erreicht. Sie hat das Wachstum versäumt, weil wir in den Zustand der Stagnation eingetreten sind, und hat andererseits die Vollbeschäftigung mit einer anhaltenden, über das Jahr 1972 sich erstreckenden Inflation erkauft. Das ist doch der Zustand.
    Darf ich in dem Zusammenhang, Herr Kollege Schiller, etwas zitieren, was heute im „Handelsblatt" zu lesen ist. Dort heißt es:
    Das Dokument der Bundesregierung
    — gemeint ist der Jahreswirtschaftsbericht —
    ist bereits Makulatur. Papiere, auf denen Konjunkturprognosen stehen, vergilben besonders schnell. Die im Bericht erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Strategie der Vorsicht und Zurückhaltung ist reichlich euphemistisch.
    Gleichzeitig ist heute vom Präsidenten der Westdeutschen Landesbank, von Herrn Poullain, der ja sicherlich zu Ihren Freunden und gelegentlichen Bewunderern gehört, eine Warnung zu lesen, und zwar die Warnung vor der kontrollierten Inflation. Der Zustand, den Sie herbeigeführt haben, ist Stagnation im Wachstum, kontrollierte Inflation und auf dieser Basis noch mühsam aufrechterhaltene Vollbeschäftigung. Es heißt dort weiter: Er kritisierte, daß man sich bereits mit relativer Stabilität zufrieden gäbe. Das sei eine Einladung an Unternehmer und öffentliche Hand, von vornherein eine bestimmte Rate der Geldentwertung einzukalkulieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eine der großen Sünden und einer der Fehler, Herr Kollege Schiller, war es, von vornherein eine Inflationsrate einzuprogrammieren. Sie können es ruhig als Erfahrungswert nehmen: Wenn man eine Inflationsrate in Höhe von 2 bis 3 % einprogrammiert, wird man im Endergebnis eine von 4 bis 5 oder von 5 bis 6 % erreichen, wie es geschehen ist.
    Herr Kollege Schiller, es gibt sicherlich bei jedem von uns die Möglichkeit, zu sagen, er habe sich da



    Strauß
    oder dort getäuscht. Niemand ist ausgenommen, und ich möchte mich selbst selbstverständlich auch nicht ausnehmen. Ich habe z. B. damals gemeint, der Export würde zurückgehen, weil die Unternehmer ihre Erträge erhalten wollten. Die Unternehmer haben ihren Export weiterhin aufrechterhalten und um ihre Marktanteile auf den Weltmärkten gekämpft, haben drastische Ertragsrückgänge im Exportgeschäft hingenommen. Die Folge davon ist der Gewinnverfall im Inland und der Rückgang des Ertrags der Körperschaftsteuer sowie das Ausnutzen der letzten Preisnischen im Inland zur Kompensation dieser Verluste im Auslandsgeschäft.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe niemals gesagt, Herr Kollege Schiller, daß eine totale Preisstabilität möglich sei. Das billige ich Ihnen auch heute zu. Ich habe gesagt, man müsse eine volle Preisstabilität anstreben, Wenn man alle Zeichen darauf setzt, eine volle Preisstabilität zu erreichen, wird man zum Schluß immer noch mit einer leichten Preissteigerungsrate herauskommen. Das ist der Tribut, den man dem auf Wachstum aufgebauten Leistungssystem unseres Staates und der Vollbeschäftigung zahlen muß. Das sage ich ausdrücklich, weil es die Alternative „Stabilität oder Arbeitslosigkeit" für uns nicht geben darf. Aber ich habe nicht zu denen gehört, Herr Kollege Schiller, die damals wie Sie als anklagender Oppositionsredner in der Zeit der Regierung Erhard und des Wirtschaftsministers Schmücker den Finger erhoben und gesagt haben: 3,4 % sind unerträglich; wenn wir hinkommen: im ersten Jahr 3 %, im zweiten Jahr 2 %, im dritten Jahr 1 %, im vierten Jahr 1/2% — so haben Sie sogar einmal gesagt —, und dabei bleibt es. Wobei es geblieben ist, haben wir gesehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Umgekehrt ist es!)

    Sie haben weiterhin erklärt, wenn die Preissteigerungsrate 2 % überschreite, müsse eine Regierung den Hut nehmen. — Sie haben dann zwei Hüte genommen, aber in einem anderen Sinne des Wortes.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Schiller, im Zusammenhang mit den Staatsausgaben muß ich Ihnen noch entgegenhalten: Sie haben seinerzeit von der Inflationslücke gesprochen und haben diesen Begriff definiert als den Unterschied zwischen der Erhöhung der Staatsausgaben und dem realen Zuwachs des Bruttosozialprodukts.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Warum haben Sie heute nicht bekanntgegeben, wie hoch die von Ihnen so definierte inflationäre Lücke nach Ihren eigenen Maßstäben in den Jahren Ihrer Regierungszeit geworden ist? Ich werde Ihnen die Zahlen dazu nennen müssen. Vielleicht kann man es auch gleich machen. In einem Vergleich der Jahre betrug z. B. der Zuwachs des realen Bruttosozialprodukts im Jahre 1966 3 %, dagegen die Haushaltssteigerung beim Bund 4,2 % und bei den öffentlichen Händen insgesamt 4,5 %. Im Jahre 1967 war die Steigerung plus minus null, die Haushaltssteigerung beim Bund dagegen betrug 12,4 % und bei den öffentlichen Händen insgesamt 6,4 %. Das wider-
    spricht der Regel, die Sie aufgestellt haben und die ich hier auch genannt habe.
    Allerdings gebe ich zu: Man darf Ausgabesteigerungen und realen Zuwachs des Sozialprodukts nicht immer nur auf ein Jahr beziehen. Im Jahre 1967 war es unsere gemeinsame Aufgabe, die in Stagnation abgleitende Wirtschaft aufzufangen und mit neuem Leben zu erfüllen. Damals war es richtig und angebracht, die Ausgaben des Bundes kräftig zu erhöhen, um durch starke Erhöhung der Staatsnachfrage auch die private Nachfrage wiederum zu beleben.
    Im Jahre 1968 haben wir aber vorbildlich gehandelt. Damals betrugen der reale Zuwachs 7,3 %, die Haushaltssteigerung beim Bund minus 0,7 und im Gesamthaushalt nur plus 2,3 %. Wenn man also 1967 und 1968 zusammennimmt, ergibt sich ein vorzügliches Bild.
    Im Jahre 1969 betrugen der reale Zuwachs 8 %, die Haushaltssteigerung beim Bund 8,3 und im Gesamthaushalt 9,7 %.
    Jetzt zum Jahr 1970: Realer Zuwachs 5,3 %, Haushaltssteigerung beim Bund 6,9 und im Gesamthaushalt 11,3 %. Ich werde Ihnen sagen, warum. Es hat keinen Sinn, hier Länder und Gemeinden anzuklagen. Der Bund ist der Anführer im Inflationsgeleitzug, und wenn die öffentlichen Haushalte durch die Versprechungen und Programme des Bundes in Zwang genommen werden, müssen Länder und Gemeinden folgen, weil sie überhaupt keine Wahl mehr haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Im Jahre 1971 haben wir noch einen Zuwachs des realen Sozialprodukts von 2,9 %, eine Ausgabensteigerung beim Bund von 13,5 und im Gesamthaushalt von 14 bis 15 % zu verzeichnen.
    Für das Jahr 1972 prognostizieren Sie einen realen Zuwachs von 2 bis 3 %. Herr Müller-Hermann hat vorhin schon mit Recht ein Fragezeichen dahinter gesetzt. Denn zur Zeit sind wir im ersten Quartal bei Null, und für das zweite Quartal ist noch keine wesentliche Besserung zu erwarten. Der Zuwachs des realen Sozialprodukts müßte in der zweiten Hälfte schon bei 6 % liegen, um 3 % zu erreichen. Aber selbst wenn man 2 bis 3 % als richtige Prognose — Sie werden das im nächsten Jahreswirtschaftsbericht wahrscheinlich korrigieren müssen —

    (Beifall und Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie meinen: ein anderer; aber das ist jetzt nicht die Sorge –

    (Abg. Dr. Jenninger: Der Schwager macht es!)

    zugrunde legt — beträgt die Zuwachsrate des Bundeshaushalts 1972 — das ist ja auch einer der Gründe, warum vor dem 23. April nicht die zweite und dritte Lesung des Bundeshaushalts erfolgen darf —

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    nicht 8,5 %, wie Sie damals angegeben haben. Ich habe schon in der ersten Lesung als Sprecher meiner Fraktion erklärt, daß diese 8,5 % nichts an-



    Strauß
    deres sind als das Ergebnis kosmetischer Operationen und schönheitlicher Korrekturen. In Wirklichkeit beträgt die Zuwachsrate des Bundeshaushalts im Jahre 1972 um die 12 % herum. Die Zuwachsrate der gesamten Haushalte liegt hei 12 bis 13 oder 14 %. Ein abschließendes Urteil ist noch nicht möglich. Bei einem realen Wachstum von 2 bis 3 %, das Sie prognostizieren, und einer sicheren Ausgabensteigerung von 12 % und noch mehr haben wir in diesem Jahr nach Ihrer eigenen Definition — Ihre wissenschaftliche Erkenntnis ist doch sicherlich in der Zeit Ihrer Amtserfahrung nicht größer geworden als in Ihrer Zeit als Oppositionsredner —eine inflationäre Lücke von 10 %. Darum soll man endlich einmal zugeben, daß diese Steigerungen der öffentlichen Haushalte, die durch Ihre Versprechungen, Ankündigungen und Reformprogramme oder Reformluftschlösser eingeleitet worden sind, eine Inflationsquelle erster Ordnung darstellen, wobei ich mit dem Wort „Inflationsquelle erster Ordnung" oder „Inflationsherd erster Ordnung" nur die damaligen Sprecher der Opposition, nämlich Karl Schiller und Alex Möller, im Zusammenhang mit den bescheidenen Steigerungsraten der Bundeshaushalte jener Jahre 1965 und 1966 anführe.
    Gilt das Wort von der „inflationären Lücke" heute nicht mehr, Herr Schiller? Ist dieses Wort in die Gedächtnislücke gefallen? Regiert bei uns schon George Orwell von 1984? Darf man nicht mehr sagen, was seinerzeit gesagt worden ist? Wir hätten gern etwas dazu gehört, wie Sie heute Ihre damalige Äußerung bewerten, daß der Unterschied zwischen der Steigerung des realen Sozialprodukts und der Steigerung der Staatsausgaben, daß dieser Zuwachs die inflationäre Lücke sei. Halten Sie noch immer an der „inflationären Lücke" fest? Dann sagen Sie uns doch bitte: Hier bin ich gescheitert und gebe es zu, statt Ihre Blamage hinter den Angriffen gegen die CDU/CSU zu verbergen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe vorhin gesagt: im Jahre 1967 betrugen der reale Zuwachs praktisch null, die Haushaltssteigerung beim Bund 12,4 und die Steigerung aller öffentlichen Haushalte 6,4 %. Aber damals galt es, die Vollbeschäftigung zu erhalten, die Einbrüche beim Wachstum und auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen, wieder normale Vollbeschäftigung herzustellen und die Kurzarbeit zu beseitigen. In einer solchen Situation ist selbstverständlich ein Wirtschafts- und Finanzminister nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die Staatsausgaben höher anzusetzen, als der augenblickliche Zuwachs des realen Sozialprodukts ist. Aber wir hatten ja Vollbeschäftigung in diesen Jahren, wir hatten zum Teil sogar Übervollbeschäftigung. Sie haben überflüssigerweise Vollbeschäftigungsgarantien in jenen Jahren gegeben, in denen die Überbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt und in der Währung unserem Geldwert größte Schwierigkeiten gemacht hat. ln einer solchen Situation sind solche Steigerungsraten der öffentlichen Haushalte Inflationsquellen erster Ordnung. Ich kann das nicht deutlich und oft genug sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Schiller, wenn Sie mir sagen dürften oder könnten, was Sie sich dabei denken, dann könnten Sie mir hierbei doch nicht Unrecht geben. Denn Sie können doch nicht leugnen, daß dieser ungeheure „Deflator", wie man es neuerdings nennt — der Unterschied zwischen realem und nominalem Zuwachs und der Unterschied auch zwischen der Erhöhung der Staatsausgaben und der Erhöhung des nominalen Sozialprodukts --, daß dieser Unterschied eine der Inflationsquellen ist. Ich lasse mich nicht darauf ein, zu sagen: „Das ist die Inflationsquelle"; es gibt mehrere Inflationsquellen. Hier kann man dann immer sagen: „Die Opposition behauptet, es sei der öffentliche Haushalt", und weist dann nach, daß der öffentliche Haushalt es angeblich nicht ist. Dann kommt dazu die an Dämlichkeit nicht zu überbietende Frage: Wo hättet denn ihr gespart? Auf die habe ich heute bei dem Kollegen Junghans bloß noch gewartet. Das war das, was in dem Katalog noch fehlte.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Dieser Unterschied ist nun einmal die inflationäre Lücke. Die Bundesregierung muß zugeben, daß sie auf diesem Gebiet das Gebot der Stabilität gröblichst verletzt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie hat es auch noch auf anderen Gebieten gröblichst verletzt, auch auf dem Gebiete der Währungspolitik, auch auf dem Gebiete ihrer Einstellung zur Lohnpolitik. Wir sind hundertprozentig Anhänger der Tarifautonomie. Eine verantwortliche Regierung darf aber die Lohnbewegung in einer solchen Konjunktursituation nicht anheizen, wie es durch sie und den Bundeskanzler geschehen ist. Hier muß die Bundesregierung vielmehr den Mut haben, dämpfend einzuwirken, und darf nicht die Gewerkschaftsführer gegenüber ihren eigenen Mitgliedern noch unter Druck setzen, wie es geschehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dann ist heute der Konjunkturzuschlag erwähnt worden. Herr Schiller hat, was sicherlich morgen mit seinem Namen verbunden sein wird, die Rückzahlung zum 15. Juni angekündigt. Erstens ist die Rückzahlung nicht anderes als eine gesetzliche Pflicht. Bezeichnend war nur, daß manche überhaupt die Einhaltung der gesetzlichen Pflicht bezweifelt haben. —

    (Zurufe.)

    Nein, Sie nicht, ich auch nicht. — Aber wenn Sie
    nun in dem Zusammenhang, Herr Kollege Schiller, sagen, nur Hirnrissige hätten einen Zusammenhang mit dein Stichwort „Neuwahlen" hergestellt, dann muß ich sagen, daß es um die Volksgesundheit, besonders im Bereich der Publizistik, in unserem Lande ganz schlecht bestellt sein muß.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Denn so viele Karikaturisten, Kommentatoren und Leitartikler haben den Zusammenhang zwischen einer baldigen Rückzahlung des Konjunkturzuschlags und den eventuell unvermeidlichen Neuwahlen herausgestellt, daß ich mir um den Gesundheitszustand dieser Gruppe in unserer Bevölkerung ernste



    Strauß
    Sorgen machen muß. Die sind dann alle hirnrissig geworden und brauchen eine neurologische Behandlung.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    So viele Neurologen gibt es trotz der Bemühungen der Bundesregierung um die Verbesserung der Gesundheitserhaltung in unserem Lande nicht, wie erforderlich wären, um alle die zu behandeln, die nach Meinung des Herrn Schiller hirnrissig sind, weil zwischen der Rückzahlung des Konjunkturzuschlags und dem Stichwort „Neuwahlen" sie einen Zusammenhang sehen.
    Herr Schiller, vielleicht sind Sie im Augenblick in Ihrer Partei weniger tätig; das kann sein. Sie haben zwar in Ihren Organisationen nicht immer leichtes Spiel — das weiß ich —, aber wenn Sie so viel mit Parteiarbeit zu tun hätten wie ich, würden Sie folgendes wissen. Aus dem Bereich der SPD-Organisation ist das Stichwort bekannt geworden: „Ab 6. Mai Urlaubssperre, ab 6. Mai Vorbereitung von Neuwahlen" — nicht als sichere Angabe, aber man muß ja auf alles gefaßt sein —, und wenn es nun so zufällig eintrifft: „6. Mai" und „Zielangabe: zweite Hälfte Juni" — das wäre dann der Termin, der in der SPD-Organisation angegeben wurde —, und am 15. Juni zahlen Sie den Konjunkturzuschlag zurück, dann sind wir alle „hirnrissig", wenn wir da einen gewissen Zusammenhang schüchtern anzudeuten uns erlauben.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Und weil wir schon über den Konjunkturzuschlag im Zusammenhang mit Wahlgeschenken reden, und weil Herr Schiller meint, im Hause des Gehenkten rede man nicht vom Strick — das meinte er doch, als er sagte: „Sie haben es gerade nötig, über Wahlgeschenke zu reden", und sich dabei auf das Jahr 1965 bezog —: Wir alle kennen die Übertreibungen, die damals bei Kosten in der privaten Wirtschaft und angesichts der allgemeinen Forderungen und Erwartungen auf dem Gebiet der öffentlichen Haushalte unserer volkswirtschaftlichen Leistungskraft auferlegt wurden. Diese Übertreibungen haben wir mit einem kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Einbruch bezahlt, der wieder kurzfristig ausgebügelt werden konnte. Nur, Herr Kollege Schiller: die Regierung Erhard hatte damals dank dem Nein der SPD das Stabilitätsgesetz nicht zur Verfügung — das kann nicht oft genug und deutlich genug gesagt werden —, weil Sie damals noch der Meinung waren
    ich habe Ihnen damals Postkutschen-Föderalismus vorgehalten —, man sollte, statt eine Verfassungsänderung vorzunehmen, Staatsverträge gleichlautenden Inhalts zwischen dem Bund und allen Bundesländern schließen. Aber das Fazit war, daß die Überlastung der Wirtschaft mit Kosten und die Überbürdung der öffentlichen Haushalte, die zum erstenmal in diesem Umfange als Folge einer lang anhaltenden Prosperität und demgemäß gestiegener Forderungen aufgetreten waren, zu einem Rückschlag geführt haben. Das hätte eine Lehre sein müssen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

    Aber nun wollen wir das Thema „Wahlgeschenke" noch etwas ausdehnen. Wer hat denn hier in diesem Hause am 28. Oktober 1969 der staunenden Umwelt in einer schon von Inflation gefährdeten Wirtschaftssituation — aber nur gefährdeten, noch nicht befallenen — Steuersenkung versprochen? Das war der Bundeskanzler dieser Regierung mit Zustimmung seines Finanz- und seines Wirtschaftsministers. Wie konnte man am 28. Oktober 1969 die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages und den Wegfall der Ergänzungsabgabe am 1. Januar 1970 versprechen, wenn man von Konjunkturpolitik auch nur die geringste Ahnung hat?!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die damals versprochene Steuersenkung ist nicht eingetreten. Sie tritt auch nicht mehr ein, Herr Kollege Schiller. Denn in der Zwischenzeit ist das, was diese Bundesregierung durch Erhöhung der administrativen Preise, id est Tarife und Gebühren, sowie durch die Erhöhung der Verbrauchsteuern dem „kleinen Mann" aus der Tasche gezogen hat, wesentlich mehr als das, was er durch Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrags jemals hätte bekommen können.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bei dem Zusammenhang der in der Steuerreform bestehenden berühmten Interdependenzen können Sie die Steuerreform erst vom 1. Januar 1976 an in Kraft setzen. Dann kommt er in den Genuß des Wahlversprechens vom Jahre 1969, hat in der Zwischenzeit ein Mehrfaches davon zahlen müssen, was er nun bekommt, und nach Ihren Plänen soll ja dann der Arbeitnehmerfreibetrag nur von der Steuerschuld mit 20 % abgezogen werden, d. h. er kriegt im Monat 4 DM mehr. Das ist übriggeblieben, aber für den 1. Januar 1976.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Der Wegfall der Ergänzungsabgabe fällt mangels Masse aus; denn die Ergänzungsabgabe wird in den kommenden Tarif sowieso eingebaut werden. Dann können Sie sagen: Die Ergänzungsabgabe gibt es nicht mehr; dafür ist der allgemeine Tarif erhöht worden.
    Herr Kollege Schiller, ich hätte heute nicht so geantwortet, wenn Sie uns durch Ihre Bemerkungen nicht dazu herausgefordert hätten. Wir hätten heute einen streng sachlichen, sich seiner eigenen Schwächung, Fehlprognosen und Sünden bewußten Schiller viel milder behandelt

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    als den, der hier als Gewichtheber vor seiner Fraktion zum Weltrekord angetreten ist.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der CDU/ CSU.)

    Uns galt das ja gar nicht; es galt ja den Kollegen da drüben. Es geht eben nichts über Imageverbesserung.

    (Abg. Dr. Jenninger: Nathan der Weise!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir nicht erlebt, daß im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages am 5. Juni 1970 die CDU/CSU den Antrag gestellt hat, diese Steuersenkungsvor-



    Strauß
    lage auf unbestimmte Zeit zu vertagen, weil sie konjunkturpolitisch unverantwortlich sei?

    (Abg. Leicht: Alternative!)

    In der Situation des Jahres 1970 eine Steuersenkung von 2 Milliarden DM, die dann für den 1. Juli in Aussicht gestellt wurde, durchzuführen, hätte nichts anderes bedeutet, als einem Zuckerkranken Traubenzucker zur Kräftigung zu verabreichen,

    (Heiterkeit)

    hätte bedeutet, die damals schon heranbrandende inflationäre Welle zu verstärken. Wir sind damals im Finanzausschuß mit 13 gegen 12 Stimmen niedergestimmt worden. Die Vorlage ist zur Behandlung im Plenum reif gemacht worden.
    Am 14. Juni waren Landtagswahlen in drei Bundesländern, in Nordrhein-Westfalen, in Niedersachsen und im Saarland. Fast die Hälfte der Bundesbevölkerung ist an die Wahlurnen getreten. Bei den Diskussionen vor diesen Landtagswahlen, in die vielmals einzugreifen ich die Möglichkeit hatte, sind wir immer wieder mit der Frage beglückt worden: „Warum gönnt ihr uns die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrags und den Wegfall der Ergänzungsabgabe nicht? Die Bundesregierung hält, wenn nicht für den 1. Januar, dann für den 1. Juli daran fest." Wir mußten als Oppositionssprecher die unangenehme Pflicht erfüllen, zu sagen: Im Interesse der Stabilität der Währung und der Erhaltung ihres Geldwertes sind diese Steuersenkungen unverantwortlich.
    Die Wahlen waren vorbei. Es kam der Freitag nach den Wahlen, die Vorlage wurde aufgerufen. In Unkenntnis der Geschäftsordnung des Bundestages, Herr Schiller, haben Sie das Wort zur Geschäftsordnung ergriffen, was Sie als Mitglied der Bundesregierung gar nicht konnten, sondern nur als Parlamentarier, und haben die Absetzung der Steuervorlage auf unbefristete Zeit hier an dieser Stelle mit der Begründung beantragt, daß sie aus konjunkturpolitischen Gründen nicht zu verantworten sei.
    Wenn das nicht Wahlgeschenke sind! Was ist Ihnen denn zwischen dem 5. und dem 19. Juni an neuen Erkenntnissen zugewachsen? Ein Bundesbankbericht? Haben Sie damals einen Bundesbankbericht gebraucht, um zu wissen, daß wir uns in inflationärer Gefahr befinden? Sehen Sie, das ist ein Vorgang, der das Vertrauen, den Glauben an eine Regierung in weiten Kreisen der Öffentlichkeit ernsthaft erschüttern mußte und erschüttert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dabei waren Sie damals noch nicht Doppelminister. Aber Sie haben den Antrag als Konjunkturminister gestellt, und wir müssen die Regierung ja als eine Einheit behandeln.
    Keine Regierung ist sicher vor Fehlern. Sicherlich könnte auch eine CDU/CSU-Regierung weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft behaupten, daß sie fehlerfrei alle Dinge mit genialer Fähigkeit behandeln würde. Sie haben auch durchaus das Recht, zu sagen: Der Vorgang von 1965, zuerst Leistungsprogramme aufbauen und dann in einem Haushaltssicherungsgesetz abbauen müssen, — das macht man nicht, oder: das ist nicht schön. Das gebe ich Ihnen zu. Da waren wir alle mit beteiligt. Alle zusammen waren wir Sünder. Auch die Opposition von damals hat ihr Teil dazu beigetragen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    die Regierung da hineinzutreiben im Wettlauf um die Verteilung des Kuchens, die Verteilung des Sozialprodukts. Aber eine Steuersenkung am 5. Juni im Ausschuß gegen die Opposition, die Ihnen damals die Hand geboten und gesagt hat: Runter von der Vorlage!, mit 13 gegen 12 Stimmen durchsetzen und beim Wähler des 14. Juni den Eindruck erwekken, am 1. Juli komme die Steuersenkung, und am Freitag hernach sagen: 1. April! Nichts wird's mit der Steuersenkung!,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    — Herr Kollege Schiller, das ist ein Vorgang, der sicherlich im Bewußtsein nur durch Hilfe mancher publizistischer Ambulanzen etwas verdrängt worden ist. Aber wir werden dafür sorgen, daß hier die Erinnerung ungetrübt bleibt.
    Ich würde das nicht sagen, Herr Kollege Schiller, wenn uns nicht die Vorgänge um den Haushalt 1972 und um die Finanzplanung 1973 bis 1975 wieder in peinlicher Weise an diesen Vorgang erinnert hätten.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut! — So ist es!)

    Wir haben damals im Oktober den Haushalt 1972 in erster Lesung behandelt. Der Haushalt 1972 ist das Basisjahr für die Finanzplanung der Jahre 1973, 1974 und 1975. Daß die Regierung im Jahre 1969 den Haushalt nicht zeitgerecht vorlegen konnte, hat ihr niemand vorgeworfen. Eine Regierung, die neu anfängt, kann nicht in der kurzen Frist vom 1. November bis zur Weihnachtspause die schwierige Aufgabe der Neufassung des Haushalts — damals für 1970 — und der Finanzplanung für 1971 bis 1973 erfüllen. Aber im Jahre 1971/72 bestand keinerlei Grund, die Verabschiedung des rechtzeitig vorgelegten Haushalts so zu verzögern.
    Ich habe hier schon einmal gesagt, mit welchen Methoden das betrieben wird, nämlich durch planvolles, systematisches Verzögern der Berichterstattung.

    (Abg. Kirst: Sie wissen ja, daß das nicht wahr ist!)

    — Es wäre möglich gewesen, Herr Kollege Kirst, diesen Haushalt vor dem 23. April dieses Jahres zu verabschieden. Sie wissen doch genau, daß Verfassung und Haushaltsrecht in einer Soll-Bestimmung die Verabschiedung vor Beginn des neuen Jahres vorschreiben. Ich bin nicht der Meinung, daß die Soll-Bestimmung immer exakt eingehalten werden kann. Aber wer glaubt, daß die Behandlung des Haushalts in der Woche nach den Landtagswahlen ein Zufall sei, der glaubt auch, daß der Storch Kinder bringt und das Christkind zu Weihnachten kommt.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    10256 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972
    Strauß
    Man will die Stunde des finanzpolitischen Offenbarungseides auf die Zeit nach den Landtagswahlen vom 23. April verschieben, weil man weiß, welche Bedeutung ihnen zukommt. Wir haben ja auch bereits Töne dieser Art gehört. Sie können nicht bestreiten, daß Sie schon in Ihren bruchstückweisen Antworten

    (Abg. Dr. Jenninger: Mehr als Bruchstücke!)

    auf unsere sehr präzisen Anfragen zugeben mußten, wie sehr sich die Haushaltslage aus heutiger Sicht bereits gegenüber Ihrer damals von mir als falsch bezeichneten Haushaltsplanung verändert hat. Sie haben damals illusionäre Zahlen eingesetzt. In der Zwischenzeit mußten Sie Mehrausgaben oder Mindereinnahmen in Höhe von 2,8 Milliarden DM zugeben. Sie waren bis jetzt nicht in der Lage, 1,2 Milliarden DM globale Minderausgaben bzw. Einsparungen zu verteilen. Sie erwarten nunmehr, daß das der Haushaltsausschuß macht. Es wäre aber die Aufgabe der Regierung, wenn sie eine globale Minderausgabe einsetzt,

    (Abg. Leicht: Auch zugesagt!)

    sie auf die einzelnen Haushalte zu verteilen. Ihre Ressortkollegen sträuben sich mit Händen und Füßen dagegen, diese Minderausgaben hinzunehmen. Dast ist doch der Grund dafür, daß Sie sagen: „Ich wollte, es wäre Nacht, oder der Haushaltsausschuß käme!",

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    ) damit Sie diese Entscheidung nicht selbst zu treffen brauchen.

    (Zuruf von der FDP.)

    — Ich wollte, es wäre Nacht, oder Blücher käme; aber in diesem Fall muß es heißen: oder der Haushaltsausschuß käme.
    Wenn aber nun der Haushalt 1972, wie von Ihnen, Herr Kollege Schiller, zugestanden wurde, schon um 2,8 Milliarden DM höher wird — das sind schon 3 % Mehrausgaben gegenüber den 8,5 %, die Sie angekündigt haben —, wenn weiterhin 1,2 Milliarden DM Minderausgaben ein halbes Jahr nach der Vorlage mitten im Haushaltsjahr von dieser Regierung immer noch nicht auf die Einzelpläne aufgeteilt werden können, dann haben wir doch Grund zu der Annahme, daß die Minderausgaben nicht erfolgen oder nur per Zufall nachgewiesen werden, wenn in einigen Ressorts am Ende Haushaltsreste übrigbleiben. Darüber hinaus gibt es noch bestimmte auf den Bundeshaushalt bereits zukommende Belastungen auf dem Agrarsektor, dem Personalsektor, dem Schuldensektor, dem Kapitaldienstsektor,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ruhrkohle!)

    — bei der Ruhrkohle usw., die Mehrausgaben erfordern, nicht zu sprechen von der ungenügenden Defizitdeckung bei der Bahn, Mehrausgaben, die nicht einmal in den jetzt zugegebenen Zahlen enthalten sind. Darum muß auch die Nettokreditfinanzierung, d. h. die Mehrverschuldung des Bundes, erheblich erhöht werden. Die Einnahmen könnten stimmen; das hängt vom Wirtschaftsverlauf ab.
    Vor einem Vierteljahr waren Sie selbst und die Herren Ihres Hauses noch anderer Meinung und haben mit Minderannahmen bis zu 1,5 Milliarden DM gerechnet. Vielleicht bleiben sie uns erspart. Aber wenn nun heute Ihre Rechnung zum Basisjahr 1972 papierkorbreife Makulatur ist der Haushalt muß grundlegend neu gefaßt werden —, dann ist doch die Finanzplanung 1973 bis 1975 das erste Märchen, das unter dem Namen Schiller erscheint, aber nicht unter dem des Dichters, sondern unter dem des Wirtschaftsministers.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn wenn die Basis des Jahres 1972 so stark verschoben wird, nämlich im Sinne von Mehrausgaben und wesentlich höheren Kreditaufnahmen, dann tritt doch mit dem Jahr 1973 und mit jedem weiteren Jahr in stärkerem Maße das Gesetz der perspektivischen Verzerrung auf. Wenn schon die Basis falsch geschätzt ist, und zwar um einen optisch korrigierten, schöngefärbten Haushaltsansatz zu bieten, dann ist diese Basis für die Jahre 1973, 1974, 1975 eine Quelle ständig größer werdender Fehler. Darum sollte die Bundesregierung auch ihre Finanzplanung von 1973 bis 1975 zurückziehen und neu vorlegen.

    (Beifall bei der CDU CSU.)

    Das wäre auch eine Stunde der Ehrlichkeit, wenn sie sie neu vorlegte.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollege Schiller sprach davon, daß die Opposition ins Abseits gegangen sei, daß er damals in der ersten Hälfte — in der Rede steht, glaube ich, im Februar -
    des Jahres 1970 Herrn Kollegen Stoltenberg, dessen Anwesenheit er vermißt — ich habe Ihr Bedauern früher nicht so bemerkt, aber ich nehme es jetzt gern zur Kenntnis , die Hand geboten habe,

    (Ab. Dr. Häfele: Angedeutet!)

    — ihm angedeutet habe, daß er ihm die Hand biete, § 26 anzuwenden. Das wäre beinahe der SchillerStoltenberg-Pakt geworden. Wenn ich mich noch recht erinnere, liegt die Entscheidung über die Anwendung von § 26 des Stabilitätsgesetzes ausschließlich bei der Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Ihnen vorliegende Text sieht anscheinend ein Vetorecht der Opposition vor, und darum haben Sie Herrn Stoltenberg die Hand geboten, damit Ihnen die Opposition keine Schwierigkeiten macht. Nein, Herr Kollege Schiller, wir haben nur die Fehler gesehen, die im Herbst 1969 begangen worden sind, und haben von dieser Bundesregierung erwartet, daß sie pflichtgemäß handelt und nicht nach Opportunität und Popularität und nach Bundesgenossen schielt, die man zuerst beschimpft und dann heranzieht, wenn es in diesem Hause um unpopuläre Dinge geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben uns auch im Juli 1970 bei dem Gesetz über den Konjunkturzuschlag von 10 0/0 nur deshalb der Stimme enthalten, weil dieser Konjunkturzuschlag im Juli 1970 bereits keinen Sinn mehr hatte, seine Wirkung bereits weitgehend verfehlen mußte.



    Strauß
    Ich habe damals hier auf meine Pressekonferenz vorn Oktober, die letzte, die ich als Finanzminister hatte, verwiesen und gesagt, daß es notwendig wäre, den Konjunkturzuschlag noch im Jahre 1969 einzuführen. Ich habe in unzähligen Reden gesagt: Hätten wir nicht Wahlkampf gehabt, wäre das Thema Konjunkturzuschlag schon in der Zeit der Großen Koalition — das war aber damals bei dem Partner hoffnungslos — behandelt worden. Im Juli 1970 hat man den Konjunkturzuschlag dann eingeführt, um die unerträgliche Preissteigerungsrate von 3,8 % zu dämpfen. Eingestellt wurde seine Erhebung bei 5,3 %, und die Zurückzahlung ist bei 5,8 % angekündigt worden; jetzt haben wir 5,2%.
    Die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags schafft natürlich neue Probleme. Ist es richtig, ihn jetzt zurückzuzahlen? Ich gebe Ihnen zu, es ist richtig, ihn auf einmal zurückzuzahlen; denn Sie haben sich zum Durchstarten bei hoher Inflationsrate entschieden, nur nicht zum vollen Durchstarten. Sie geben nur Dreiviertelgas, aber Sie haben sich zum Durchstarten entschieden. Deshalb ist für die voraussehbare Zukunft kein Zeitpunkt mehr zu erwarten, wo die Rückzahlung des Konjunkturzuschlages etwa weniger schädlich wäre, als sie heute ist. Deswegen muß das ganze Problem des Konjunkturzuschlages völlig neu durchdacht werden; denn der § 26 ist von der Regierung nicht angewendet worden, weil die Rückzahlung nicht vorgesehen ist. Wir haben damals die Verzinsung verlangt; die ist von der Bundesregierung abgelehnt worden. Wir haben eine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, und Sie können nicht leugnen, Herr Kollege Schiller, daß der Substanzverlust der Steuerzahler beim Konjunkturzuschlag rund 1,2 Milliarden DM beträgt. Er teilt sich ungefähr hälftig auf den eingetretenen Zinsverlust und auf den eingetretenen Substanzverlust auf. Wissen Sie, daß diese 1,2 Milliarden DM die Eigenfinanzierungsquote für 75 000 Eigentumswohnungen wäre?

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Für 75 000 Eigentumswohnungen! Das ist ein quantitativer Vergleich, der Sie zum Nachdenken anregen sollte. Wir haben uns damals nicht ins Abseits gestellt, sondern wir haben uns der Stimme enthalten, weil wir dieser verpfuschten Konjunkturpolitik nicht durch einen nachträglichen Segen noch eine Rechtfertigung erteilen wollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Schiller, Sie haben mich heute über den Unsinn belehrt, daß das hohe Zinsniveau die Auslandsgelder angelockt hätte.

    (Bundesminister Dr. Schiller: Nicht allein!)

    — Ja, Sie haben heute zwischen den Zeilen angedeutet, daß es dafür noch andere Gründe gebe. Ja, es gibt noch andere Gründe, aber Sie taten gut daran, in der so aufgebauten Rede auf diese anderen Gründe nicht einzugehen. In dem Fall darf ich Sie ergänzen. Das ist eine Funktion, die ich schon öfter mit Erfolg übernommen habe.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Nach der Aufwertung 1969 waren wenige Milliarden abgeflossen, aber es waren einige abgeflossen. Der Tiefstand war im Januar 1970 erreicht. Im Januar 1970 setzte ein langsam ansteigender Dollarstrom ein, bis sich der Strom zur Lawine verwandelte. Die Lawine kam Ende April/Anfang Mai 1971. Wenn Sie die damaligen Berichte der Bundesbank nachlesen, finden Sie in den Zeilen und zwischen den Zeilen den Vorwurf der Bundesbank, daß die Bundesregierung ihre stabilitätspolitischen Verpflichtungen nicht ernst genug nehme. Sie haben sich ja damals, als Sie die Steuervorlage abgesetzt haben, selbst auf einen Bundesbankbericht berufen und haben gesagt, auf Grund dieses Bundesbankberichtes sei es unverantwortlich, die Steuersenkungen zu gewähren. Das war, wie Sie wissen, der Unterschied zwischen dem 5. und dem 19. Juni.
    Die Bundesbank hat eher zu dämpfen begonnen als die Bundesregierung. Der Bundesbank standen stumpfe Instrumente zur Verfügung: in der Hauptsache das Instrument des Diskontsatzes und das Instrument der Mindestreserven. Durch die Erhöhung der Mindestreserven sind die Kredite verknappt worden; durch die Erhöhung des Diskontsatzes sind die Kredite verteuert worden. Aber, Herr Kollege Schiller, sie sind doch nur für den verteuert worden, der nicht die nötigen Sicherheiten, die nötigen Verbindungen und die nötigen Kenntnisse hatte, um sich wesentlich billiger und in praktisch unbegrenzter Menge Auslandskredite verschaffen zu können.

    (Abg. Haase [Kassel] : Soziale Politik!)

    Sie können doch — und ich muß es Ihnen hier einmal sagen — einfach nicht bestreiten, daß eine erhebliche Zahl von hochvermögenden und gut verdienenden Bürgern unseres Landes, die die Voraussetzungen dafür aufbrachten, durch diese Ihre Währungspolitik in den Genuß steuerfreier und arbeitsloser Einkommen in Millionenhöhe gekommen sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Während der kleine Mann — der Handwerker, der Einzelhändler, der kleine und der mittlere Industrielle — es schwer hatte, überhaupt einen Kredit zu bekommen, und jedenfalls nicht so viel bekam, wie er wollte,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist soziale Politik!)

    während er einen Zins von 11 1/2 bis 12 1/2 % zahlen mußte, bekam der andere aus dem Ausland in unbegrenzter Höhe einen Kredit mit einer Kostenlage von 8 oder 8 1/2 %.
    Es gibt nicht wenige Fälle, Herr Kollege Schiller, in denen Sie mit Ihrer scheinbar marktwirtschaftlichen Ideologie — ich sage: scheinbar marktwirtschaftlichen Ideologie — die Möglichkeit gegeben haben, Auslandskredite aufzunehmen und sie im Inland zu einem höheren Zins zu verleihen, als man im Ausland zahlen mußte. Und wenn die Kreditnehmer dann ein halbes Jahr durchgehalten haben, hatten sie den Gewinn. Aber die haben das Geld in der Zwischenzeit noch gar nicht abgezogen; die warten auf weitere Leistungen Ihrerseits auf diesem Gebiete. Aber wer den Kredit — nehmen



    Strauß
    wir einmal einen Kredit von 5 Millionen Dollar im Dezember zurückgezahlt hat, der hat im Februar, März oder April 18 Millionen Mark gutgeschrieben bekommen. Dafür hat er 8 bis 81/2 % bei den damaligen Habensätzen gezahlt. Er hat im Inland mühelos für 9 bis 91/2% weiterverleihen können. Dann hat er ein Dreivierteljahr später den Kredit von 5 Millionen Dollar — also 16 Millionen DM — zurückgezahlt, und 2 Millionen DM waren sein arbeits- loses, steuerfreies Einkommen. Und da können Sie doch nicht sagen, daß diese Regierung für den kleinen Selbständigen eingetreten ist und die Großverdiener schröpft!

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist es!)

    Ich gehöre nicht zu den volksrednerischen Klassenkämpfern, die gegen das Großkapital, gegen die Großverdiener usw. in der Öffentlichkeit zu Felde ziehen, weil die in der Minderheit sind und man so besser bei der Mehrheit Sympathien bekommt. Aber ich scheue mich nicht, in jedem Kreise — auch vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie und vor dem Deutschen Industrie- und Handelstag — zu sagen, daß diese Währungspolitik den Großbesitzern und Großverdienern in unserem Lande arbeits- und steuerfreie Einkommen in einer Höhe gebracht hat, wie sie ein normaler Handwerker oder kleiner Industrieller mit härtester Arbeit nicht einmal in zehn Jahren erwerben kann. Und das hat doch mit „sozial" nichts mehr zu tun!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Strom kam mit dem Zinsgefälle. Und dann kamen die Gutachten. Wir haben uns ja schon oft über die Kausalwirkung unterhalten. Die wollen Sie nicht sehen, Herr Kollege Schiller, aber außer Ihnen sehen sie alle anderen. Dann kamen also die Gutachten — sicher nicht ganz ohne Zusammenhang mit der Arbeit Ihres Hauses —, in denen Wechselkursfreigabe oder Aufwertung empfohlen wurde. Diese Gutachten wurden von der Bundesregierung als wertvoller Beitrag begrüßt, und dann wurde aus dem Strom eine Lawine. Es kam Ihr größtes Heldenstück — in Wirklichkeit eine Verzweiflungstat —: die Freigabe der Wechselkurse, von der Sie heute sagen, Sie hätten damit die Reform des Weltwährungssystems eingeleitet oder herbeigeführt. Ich habe dazu damals schon in meiner Rede gesagt: am deutschen Wesen soll nicht immer allzu penetrant die Welt genesen; das ist nicht unbedingt gut. Sie wissen, wir haben hier einmal eine Diskussion darüber ausgetragen.
    Nun kommen die Washingtoner Beschlüsse. Was ist nach den Washingtoner Beschlüssen abgeflossen? Wenig. Was ist zugeflossen? In der Zwischenzeit wesentlich mehr, als abgeflossen ist. Dasselbe Problem ergibt sich wieder. Ich hätte heute eigentlich erwartet, daß Sie auf die Rede Ihres Kollegen Arndt, Ihres ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretärs, eingegangen wären. Ich sehe diese Rede heute nur in der Fassung der „Süddeutschen Zeitung" mit der Überschrift: „Arndt droht" den USA „mit Dollar-Boykott". Er hat in der Rede in Tokio angekündigt, daß unter Umständen drastische Maßnahmen ergriffen werden müßten, um den Zustrom
    von Dollar gegen stabile Währungen zu unterbinden. Damit sind wir wieder bei dem alten Thema.
    Sie haben das Bardepot-Gesetz angeführt. Das Bardepot-Gesetz, Herr Kollege Schiller, zieht nicht! Das Bardepot-Gesetz bekämpft nur zum Teil zinsinduzierte Zuflüsse. Ich habe mich in der Bankenwelt in der Zwischenzeit, seit Sie es angewandt haben, genau umgehört. Da sieht es so aus, daß die Auslandskreditaufnahme unvermindert weitergeht und man sogar die Bardepoteinlage leistet, die dann vom ausländischen Kreditgeber dazugegeben wird. Wenn der 2 Millionen DM vom Ausland will, nimmt er 2,8 Millionen DM auf, deponiert 800 000 DM bei der Bank und hat, wie gewollt, 2 Millionen DM, und das auch heute noch zu einem Zinssatz, der nicht höher ist, zum Teil noch niedriger, als er zur Zeit in der Bundesrepublik gültig ist. Mit dem Bardepot-Gesetz sind nicht einmal zinsinduzierte Zuflüsse voll zu bremsen, wie Sie gemeint haben.
    Herr Kollege Schiller, Sie haben mich immer als einen bösen Dirigisten angeprangert. Letztes Jahr, als wir den währungspolitischen Diskurs miteinander gehabt haben, haben Sie sich als apostolisch reiner Engel der Marktwirtschaft in wohlwollende Empfehlung gebracht, dafür aber mich als den teuflischen Dirigisten mit dem Pferdefuß und mit dirigistischem Gestank bezeichnet.

    (Bundesminister Dr. Schiller: So schlimm war es nicht!)

    — Ich blieb nur in Ihrer heutigen Diktion, Herr Kollege Schiller. Sie sagten, Sie würden die Marktwirtschaft erhalten und der böse Strauß wolle die Devisenkontrolle einführen. Ich mache gar kein Hehl daraus, daß ich in Übereinstimmung mit den meisten Industrieländern der Welt eine Kontrolle der Devisenbewegungen größeren Umfanges, solange der Euro-Dollar-See nicht ausgetrocknet ist, für unvermeidbar halte. Sie haben es ja heute in Ihrem Plädoyer gegen sich selbst zugegeben. Sie haben gesagt: Hier hat sich gezeigt, daß die Behauptungen, vom Zinsgefälle käme der Zustrom, falsch seien.
    Es sind andere Gründe. Heute wird doch kein Mensch mehr behaupten, daß unsere Währung im Export unterbewertet sei und deshalb neue währungspolitische Maßnahmen notwendig seien. Man frage unsere Exportwirtschaft, vor allem in ihrer Konkurrenz gegenüber Frankreich, England und anderen Ländern, aber auch gegenüber den USA und gegenüber Japan! Hier kann von Unterbewertung keine Rede mehr sein. Vergleicht man nämlich — wozu ich leider keine Zeit mehr habe — die Entwicklung der industriellen Erzeugerpreise seit 1960, so haben fast alle Länder mehr inflationiert als wir; das stimmt. Aber die Währungsänderungen, die Verschiebung der Paritäten sind wesentlich größer als die Mehr-Inflation in anderen Ländern. Die Franzosen hatten in diesen elf Jahren z. B. 24 % mehr Inflation auf dem Gebiet der industriellen Erzeugerpreise. Ich rede nicht von Lebenshaltungskosten der Index paßt hier nicht —. Aber die Währungsrelationen zwischen Frankreich und uns haben sich seit der Zeit um 42 % zugunsten der fran-



    Strauß
    zösischen Exporteure und zu Lasten der deutschen Exporteure verschoben. Gut, das sei jetzt erledigt, wir wollen darüber nicht mehr reden. Das ist Tatsache. Es hat bis zu einem gewissen Grad auch gesundheitsfördernd gewirkt; aber nur bis zu einem gewissen Grade — wenn man sagt: nur was mich nicht umbringt, macht mich stärker. Aber die Dosis ist nicht beliebig zu steigern, das wissen Sie.
    Darum ist jetzt nicht mehr über währungspolitische Maßnahmen zu reden. Sie stehen heute hier und erklären Ihren Bankrott, eingekleidet in die Worte des Angriffs gegen uns. Wenn das Zinsgefälle heute nach Ihrer Meinung nicht mehr existiert und der Zustrom trotzdem kommt, gibt es dafür doch nur zwei Erklärungen: Entweder sind wir aufwertungsverdächtig, was wir nicht sind, nicht sein dürfen und was diese Regierung mit einer Lautstärke und Deutlichkeit verkünden müßte, die in der ganzen Welt endgültig als glaubwürdig, trotz ihrer sonstigen Unglaubwürdigkeit, angenommen würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn wir aber nicht aufwertungsverdächtig sind, gibt es doch nur noch den einen Grund, daß dieser See von rund 50 Milliarden Euro-Dollar — das sind 160 Milliarden DM jederzeit in Richtung dieser Währung oder in Richtung jener Währung in Bewegung gesetzt werden kann. Alle anderen Länder, auch Großbritannien, auch Belgien, auch Holland, auch die Schweiz, haben mit offenen oder mit versteckten administrativen Maßnahmen ihre Wirtschaft davon abgehalten, größere Kredite im Ausland aufzunehmen, ohne diesen Euro-Dollar-Besitzern zu erlauben, ihre Euro-Dollars in ihren Ländern in größerem Umfang unterzubringen. Deshalb haben Sie mich als Dirigisten angegriffen; ich bin deshalb nicht gestorben. Sie haben gesagt: Die Marktwirtschaft erlaubt so etwas nicht. Und heute müssen Sie zugeben, daß Ihr Bardepot-Gesetz nicht ausreicht, daß es nicht einmal die zinsinduzierten Zuflüsse ausreichend abwehrt, geschweige denn gegen das Problem der Euro-Dollars eine ausreichende Waffe ist. Hier muß die Bundesregierung einmal sagen, was sie in Gemeinschaft mit den EWG-Partnern in Wirklichkeit tun will. Denn sonst kommt der unaufhaltsame Strom des Dollars wiederum auf uns zu.
    Herr Kollege Schiller, ich möchte von Ihnen gerne einmal wissen, wie Sie sich die Reform des Weltwährungssystems denn vorstellen. Beim letzten Mal habe ich Sie gefragt, und Sie haben gesagt, es sei noch nicht Zeit. Wir wollen doch einmal wissen: Wer soll z. B. die Funktion der Reseverwährung übernehmen? Welcher Anpassungsmechanismus löst nach Meinung der Bundesregierung die Probleme der Währungspolitik, und vor allem, wie kann ein ausreichender Prozentsatz der in der Welt herum-schwimmenden Euro-Dollars — wahrscheinlich nur durch Vereinbarung der Notenbankpräsidenten möglich — nach den USA zurückgeholt und dort für die Währungen der übrigen Länder unschädlich eingelagert werden? Das sind die Probleme, die sich hier stellen.
    Nach Ihrer Meinung hatte die Opposition unrecht, als sie sagte, die Zinspolitik sei es gewesen. Nein, die Zinspolitik hat den Strom angelockt. Aus dem Strom wurde eine Lawine. Ich habe aus meiner Meinung nie ein Hehl gemacht. Es war schon unser Dissens in der Großen Koalition, daß ich die Anwendung des Außenwirtschaftsgesetzes immer für notwendig gehalten habe, um diese Flut fernzuhalten und um nach dem Fernhalten mit den übrigen Landern und den USA zusammen die Maßnahmen zu besprechen, die notwendig sind, wenn der EuroDollar-See ausgetrocket werden soll. Darauf haben Sie heute wieder keine Antwort gegeben. Das ist doch das eigentliche Problem.
    Lassen Sie mich ein Letztes behandeln. Herr Kollege Schiller, die Neuverschuldung des Bundes und die Neuverschuldung der öffentlichen Hände überhaupt steigen in einer für die heutige Konjunktursituation nicht zu verantwortenden Weise.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie hatten 4,7 Milliarden DM eingeplant. Das war angesichts der Konjunktursituation schon hoch. Bei den 4,7 Milliarden DM bleibt es aber nicht, da die 4 Milliarden DM Steuererhöhungen verschluckt sind, nicht mehr zu Buche schlagen und nur einen Teil der Schlaglöcher gestopft haben und da Mehrausgaben in der Größenordnung von 3 bis 4, unter Umständen sogar 5 Milliarden DM herumschwimmen; 2,8 Milliarden DM geben Sie zu, 1,2 Milliarden DM Minderausgaben sind in keiner Weise belegt. Sie müssen also 3 bis 4, unter Umständen sogar 5 Milliarden DM auf dem Wege der Mehrverschuldung decken.

    (Abg. Leicht: Eine Milliarde Buchforderungen!)

    Dazu kommen die Nebenherfinanzierungen bei Öffa, bei ERP, in der Krankenhausfinanzierung usw. Ihre Annahme, daß der Bund sich stärker verschulden könne, aber die Länder und Gemeinden in diesem Jahr weniger bräuchten, ist evident falsch, Herr Kollege Schiller.

    (Abg. Leicht: Genau!)

    Sie müssen im Bund als Minimum 7,5 Milliarden DM, im Haushalt erkennbar, aufnehmen. Wahrscheinlich werden es bis zu 9 Milliarden DM werden. Die Nebenherfinanzierung hat der Rechnungshof früher so sehr gerügt. Wir haben diese Sünde in kleinem Umfang, als läßliche Sünde begangen. Sie ist von Ihnen zur Kapitalsünde und Dauersünde ausgebaut worden, sie ist beinahe die Schillersche Erbsünde geworden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bei der Nebenherfinanzierung, der Finanzierung neben den öffentlichen Haushalten, steht der Kapitaldienst in den Haushalten, auch Zinszuschüsse. Das andere wird dann über KfW und andere Kreditinstitute finanziert. Die Bundesbank bezeichnet 12,5 Milliarden DM als inflationsunschädlich. Wenn der Bund 7,5 bis 9 Milliarden DM für sich in Anspruch nimmt — nehmen wir den schlechteren Ansatz, nur 7,5 Milliarden DM für den Bund —, bleiben nur 5 Milliarden DM übrig. Länder und Gemeinden brauchen aber mindestens soviel, wie der Bund braucht, nämlich 7,5 Milliarden DM, wahrscheinlich wesentlich mehr. Ihr Haus hat es ein Märchen genannt, als wir von einem Verschuldungs-



    Strauß
    bedarf der öffentlichen Hand von 18 Milliarden DM sprachen und mit der Nebenherfinanzierung, wenn man Bahn und Post mit einbezieht, auf einen Betrag von 25 Milliarden DM kamen. Aber lassen wir Bahn und Post und Nebenherfinanzierung heraus! Dann sind es 15 Milliarden DM als Minimum. Da müssen Sie viel Glück haben. Es geht bis zu 18 Milliarden DM hinauf.
    Diese Verschuldungsquote ist angesichts der gegebenen Konjunktursituation, bei der gar nicht genügend Dämpfung vorhanden ist, noch inflationär. Darüber gibt es nicht den leisesten Zweifel. Sie müssen aber diese Verschuldung aufnehmen, weil es anders gar nicht möglich ist.
    Sie haben hier nicht erklärt, was der Konjunkturrat der öffentlichen Hand Ihnen gesagt hat, als Sie darüber sprachen:
    Für Bund, Länder und Gemeinden, ohne Bahn und Post, ergibt sich nach einer von Schiller vorläufig aufgemachten Rechnung folgendes Finanzierungsdefizit:
    — ich entnehme das der Niederschrift eines Landesbevollmächtigten über die Sitzung —:
    Bund 7,5, Länder 6, Gemeinden 5. Macht zusammen 18,5.
    Darin sind die Nebenfinanzierung sowie Bahn und Post nicht enthalten.
    In der gleichen Sitzung haben die Ländervertreter übereinstimmend festgestellt, daß die Reformillusionen und eine Inflationsmentalität die eigentlichen Fakten der überproportionalen Steigerungen der Länderhaushalte seien. Es heißt dort weiter:
    Die Länder sehen sich angesichts der in allen Bereichen, im Bereich der Bildung, Krankenversorgung, Umweltschutz, Verkehr, maßgeblich auf Grund der vom Bund gesetzten Zielvorstellungen nicht in der Lage, die Ausgabenflut zu bremsen. Trotz überproportionaler Steigerungen der Haushalte und der Neuverschuldung würden vielfach die Investitionsausgaben sinken.
    Das hat dieser Landesbevollmächtigte in seinem Protokoll beim Ablauf der Sitzung für seinen Ministerpräsidenten festgehalten. Herr Kollege Schiller, darüber hätten wir hier heute gern etwas gehört. Statt Ihrer von Attacken gespickten Märchenstunde hätten Sie ein Bild der Wahrheit bei der Diskussion über den Jahreswirtschaftsbericht bieten müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich komme zum vorletzten Punkt. Herr Kollege Junghans, Sie haben mich wegen der 17 % Mehrwertsteuer angesprochen, die im Zusammenhang mit meinem Namen genannt worden sind. Ich darf Ihnen sagen, was ich in Wirklichkeit ausgeführt habe; Herr Kollege Schiller war dabei. Herr Kollege Schiller und ich waren beide der Auffassung, daß die alte Behauptung, direkte Steuern seien sozial und indirekte Steuern seien unsozial, in dieser Primitivität nicht aufrechterhalten werden könnte. Ich teile die Auffassung des Kollegen Schiller. Wir haben beide übereinstimmend die Auffassung vertreten, daß eine gewisse Erhöhung der indirekten Steuern mit entsprechenden sozialen Ausgleichsleistungen wahrscheinlich unvermeidlich sei und im Hinblick auf die EWG-Harmonisierung uns ohnehin abgefordert werde.
    Ich habe in dem Zusammenhang geschildert, wie groß die Schwierigkeiten sind. Die Franzosen haben 23 % Mehrwertsteuer, wir haben 11 %. Die arithmetische Mitte sind 17 %. Wenn die Franzosen auf 17 % heruntergehen, entsteht bei ihnen ein Ausfall von 25 Milliarden NF. Wenn wir von 11 auf 17 % erhöhen, entsteht bei uns eine Mehreinnahme von rund sechs mal vier — 25 Milliarden DM. Ich habe in dem Zusammenhang gesagt:
    Wir liegen bei 11 %, und wenn wir 17 % anvisieren — was ich nicht empfehle —,
    so steht es hier im Wortlautprotokoll, laut Tonband und zwei vereidigten Stenographen des Bundestages, die diese Sitzung aufgenommen haben. —
    wäre das für uns ein Mehrbetrag von 25 Milliarden DM, ...
    Daraufhin fragte mich der Diskussionsleiter, Herr Sweerts-Sporck:
    Herr Strauß, Sie sagen, 17 % anzuvisieren würden Sie nicht empfehlen. Was würden Sie denn anvisieren?
    Meine Antwort:
    Das läßt sich nicht in der Form sagen, daß man einen Prozentsatz in die Landwirtschaft stellt. Die Gesamtsteuerlast kann nach meiner und unserer Überzeugung praktisch nicht wesentlich angehoben werden, ohne daß negative, wirtschaftsschädigende Wirkungen eintreten.
    Ich habe dann im folgenden dafür plädiert, daß bei einer Anhebung der indirekten Steuern Sozialentlastungen auf dem Gebiet der direkten Steuern eintreten müßten, als da sind: Erhöhung des Existenzminimums, Ausbau des Familienlastenausgleichs, eine sozialere Staffelung des Tarifs, als Sie sie vorhaben mit der Anhebung von 19 auf 20 % und mit dem Sprung nach der Proportionalzone gleich von 20 auf 26 %, statt eine durchgehende Progressionszone zu wählen; dazu käme unter Umständen auch noch eine Verbesserung der Sparförderung für die kleineren und die mittleren Einkommensbezieher. Das wären die sozialen Ausgleichsleistungen, die man bei Erhöhung der indirekten Steuern den Beziehern der kleineren und der mittleren Einkommen gewähren müßte. Den Rentnern müßte man eine Zulage gewähren, weil sie von den Ausgleichsleistungen im Rahmen der direkten Steuern nichts hätten.
    Herr Kollege Junghans, Sie können das Protokoll jederzeit von mir bekommen. Ich hoffe, Sie sind damit zufrieden.
    Wir haben das Thema Steuerreform, Herr Kollege Schiller, nicht angeschnitten. Aber der Kollege Junghans hat es getan. Sie hätten diese Gelegenheit heute benutzen sollen. Da Sie das nicht getan haben, so benutzen Sie sie noch!
    Sie haben der Steuerverwaltung dafür gedankt, daß sie die schwierigen Gesetze vollzieht, daß sie



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    auch die Aufgabe freudig erfüllen werde, jetzt den Konjunkturzuschlag zurückzuzahlen. Aber Sie behaupten immer noch, daß Sie in der Lage wären, die Steuerreform am 1. Januar 1974 in Kraft zu setzen. Ich sage Ihnen im Namen der gesamten Opposition eines: Wir lassen das nicht zu. Jedenfalls wird die Steuerreform nicht mit unserer Zustimmung in Etappen verabschiedet werden. Es geht nicht an, daß man die vermögensabhängigen Steuern unter dem Stichwort Steuerreform ohne Aussagen über die Änderung der Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer erhöht bzw. verlangt, daß wir diese Vorhaben ohne Kenntnis Ihrer Vermögensbildungspläne und Ihrer Mehrwertsteuerpläne isoliert für sich behandeln. Und wenn Sie sagen, es wäre möglich, die Steuerreform zum 1. Januar 1974 in Kraft zu setzen, dann gilt das nur, wenn Sie die vermögensabhängigen Steuern, abgetrennt von der übrigen Steuerreform, in den Steuererhöhungsplänen für sich allein hier in diesem Hause gegen uns durchziehen wollen. Im Herbst kommen die Vorlagen über Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer. Es ist diesem Parlament nicht zuzumuten, daß man vor einer Bundestagswahl — wenn wir sie normal ansetzen: im Herbst des Jahres 1973 — im ersten Halbjahr 1973 ein Steuerreformwerk unter Zeitdruck und unter dem Druck von Wahlen verabschiedet, ein Reformwerk, das kühlen Verstand, den Verzicht auf opportunistische Lösungen und deshalb weite zeitliche Distanz von kommenden Wahlentscheidungen erfordert.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Darüber gibt es doch nicht den geringsten Zweifel. Angenommen, wir würden diese Steuerreform, sagen wir, im Juni 1973 verabschieden, dann brauchen die Steuerverwaltung und die Wirtschaft — und wenn Sie das nicht wissen, Herr Kollege Schiller, dann erkundigen Sie sich bei Ihrer Steuerverwaltung — ein ganzes Jahr, um Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer, was die meiste Arbeit macht, in ihren Verwaltungen und Betrieben auf das neue System umzustellen. Darum sagen Sie doch hier einmal, was Sie wollen. Bleiben Sie beim 1. Januar 1974 mit der Verabschiedung eines Teilpaketes? Dann sagen wir nein dazu. Legen Sie das Ganze vor? Dann müssen Sie auf das Jahr 1975 oder 1976 kommen, weil 1973 eine normale Behandlung und Verabschiedung im Finanzausschuß angesichts der gegebenen Umstände nicht mehr möglich ist.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das waren die Probleme, die beim Jahreswirtschaftsbericht hier auch vom Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen anders hätten behandelt werden müssen, als sie behandelt worden sind.
    Wenn Sie, Herr Kollege Junghans, uns hier vorwerfen, daß wir im Lande draußen die Unternehmer verunsicherten, daß wir den Sozialdemokraten böse Pläne unterstellten, dann darf ich Sie nur bitten, das zu lesen, was heute im „Handelsblatt" über die Eckwerte der Bundesregierung und über die Eckwerte des SPD-Parteitages steht. Lesen Sie die genauen Zahlenbeispiele und daß die Antwort des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen auf diesen damaligen Artikel im „Handelsblatt" schlechterdings falsch ist, weil er von falschen Gewinnvoraussetzungen, nämlich von einer bis zu 20%igen Kapitalverzinsung, ausgeht. Diese heute in der Wirtschaft fast nirgendwo mehr anzutreffende Voraussetzung führt dann zu den optimistisch gefärbten Zahlen. Lesen Sie das, bevor Sie darüber reden, und lesen Sie bitte auch, was der neu gewählte Bundesvorsitzende der Jungsozialisten kurz nach seiner Wahl als sein Programm bekanntgegeben hat. Sie mögen sagen, das seien Jugendtorheiten; dann ist es — das gebe ich zu — ein innerparteiliches Problem. Er sagte wörtlich: „Ich bin der Auffassung, daß es gute Gründe dafür gibt zu sagen, daß die derzeitige kapitalistische Wirtschaftsordnung überwunden werden muß." Und in einer anderen Passage heißt auf die Frage „Kann Ihres Erachtens die soziale Marktwirtschaft überhaupt im Sinne der Jungsozialisten reformiert werden und gleichzeitig private Verfügungsgewalt über Produktionsmittel und freie Unternehmerentscheidung erhalten bleiben?" die Antwort: „Nein, das kann nicht sein!" Ja, wenn das die verbindliche Meinung der Generation bei Ihnen ist, die morgen diese Ränge hier einnimmt, dann können Sie doch uns als Opposition weder das Recht absprechen noch die Pflicht verübeln, daß wir vor dieser Entwicklung warnen und diese Warnung auch in der Öffentlichkeit gebührend zum Ausdruck bringen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)