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    Deutscher Bundestag 177. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Draeger 10225 A Austritt des Abg. Dr. Hupka aus der Fraktion der SPD und Eintritt in die Fraktion der CDU/CSU 10225 A Austritt des Abg. Dr. Seume aus der SPD 10225 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 10225 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 10226 A Eidesleistung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft . . . . . . . 10226 B Begrüßung einer Delegation der französischen Nationalversammlung unter Führung des ersten Vizepräsidenten La Combe 10234 B Jahresgutachten 1971 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache VI/2847) in Verbindung mit Jahreswirtschaftsbericht 1972 der Bundesregierung (Drucksache VI/3078) Dr. Schiller, Bundesminister 10226 C, 10283 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 10234 C Junghans (SPD) . . . . . . . . 10242 A Mertes (FDP) . . . . . . . . . 10246 C Strauß (CDU/CSU) . . . . . . . 10250 D Brandt, Bundeskanzler . . . . . 10276 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 10279 C Dr. Luda (CDU/CSU) 10289 A Dr. Arndt (Berlin) (SPD) . . . 10293 D Kirst (FDP) 10298 D Dr. Sprung (CDU/CSU) . . . . 10305 A Fragestunde (Drucksache VI/3243) Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) : Bundesmittel zur Förderung von Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten in Altwohngebäuden Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10261 D, 10262 B, C Baier (CDU/CSU) . . . . . . . 10262 B Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 10262 C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 Frage des Abg. Dr, Slotta (SPD) : Ermäßigung der Arbeitszeit von Beamtinnen Genscher, Bundesminister . . . 10263 A, B Dr. Slotta (SPD) . . . . . . . . 10263 B Frage des Abg. Geldner (FDP) : Einstufung von graduierten Ingenieuren Genscher, Bundesminister . . 10263 B, C, D Geldner (FDP) 10263 C Baier (CDU/CSU) . . . . . . 10263 D Fragen des Abg. Baeuchle (SPD) : Zahl und Aufklärung von Banküberfällen Genscher, Bundesminister . . . 10263 D, 10264 C, D Baeuchle (SPD) 10264 C Dr. Slotta (SPD) . . . . . . . 10264 C Pensky (SPD) 10264 D Frage des Abg. Dr. Arnold (CDU/CSU) : Versorgung der Familien von im Dienst getöteten oder dienstunfähig gewordenen Polizeibeamten Genscher, Bundesminister . . 10265 A, C, D Dr. Arnold (CDU/CSU) . . . . . 10265 C Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 10265 C Kiechle (CDU/CSU) . . . . . . . 10265 D Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Internationale Vereinbarungen zur Angleichung der Rechtsvorschriften über die Herstellung, den Handel, den Erwerb und das Führen von Waffen Genscher, Bundesminister . . . . 10265 D, 10266 B, C, D Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 10266 B, C Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . 10266 C Sieglerschmidt (SPD) 10266 D Pensky (SPD) 10266 D Frage des Abg. Ziegler (CDU/CSU) : Äußerungen eines Mitglieds der Bundesvorstands der Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten in der SPD Genscher, Bundesminister . . . 10267 A, B Ziegler (CDU/CSU) 10267 B Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) : Gesetzentwürfe betr. die Höherstufung der Eingangsämter und Umwandlung der Unterhaltszuschüsse für Beamtenanwärter in Anwärterbezüge Genscher, Bundesminister . . . 10267 C, D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . . 10267 D Frage des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) : Förderung der Errichtung von Eisschnellauf-Kunsteisbahnen Genscher, Bundesminister . . . . 10268 A Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Äußerung des stellvertretenden Vorsitzenden Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten in der SPD betr. Durchsetzung des „Bonner Staatsapparats" mit ehemaligen Nationalsozialisten Genscher, Bundesminister . . 10268 B, C, D Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 10268 C Hansen (SPD) . . . . . . . . . 10268 D Frage des Abg. von Bockelberg (CDU/CSU) : Anhörung freiberuflicher Verbände durch das Bundesministerium für Justiz Dr. Erkel, Staatssekretär . . . . 10269 A, B von Bockelberg (CDU/CSU) . . . 10269 A Pohlmann (CDU/CSU) 10269 B Becker (Pirmasens) (CDU/CSU) . 10269 B Frage des Abg. von Bockelberg (CDU/CSU) : Entwurf eines Partnerschaftsgesetzes Dr. Erkel, Staatssekretär 10269 B, C, 10270 A von Bockelberg (CDU/CSU) . . . . 10269 D Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 10270 A Frage des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Genitalkorrigierende Operationen bei Transsexuellen und Transvestiten Dr. Erkel, Staatssekretär . . . . 10270 B, D Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . 10270 C, D Frage des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Namensänderungen bei Transsexuellen und Transvestiten Dr. Erkel, Staatssekretär . 10270 D, 10271 B Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 10271 B Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 10271 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 III Fragen des Abg. Maucher (CDU/CSU) : Ermittlung des Einkommens aus Hausbesitz bei der Ausgleichsrente für Schwerbeschädigte und Kriegerwitwen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 10271 C, 10272 A, B, C Maucher (CDU/CSU) . 10271 D, 10272 A, B Fragen des Abg. Horstmeier (CDU/CSU) : Nachentrichtung von Beiträgen an die Rentenversicherung durch Landwirte Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10272 C, 10273 A, B Horstmeier (CDU/CSU) . ,10272 D, 10273 A Frage des Abg. Dr. Gleissner (CDU/CSU) : Sicherheit der Beförderung durch Charterflugzeuge Haar, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 10273 C, D, 10274 A Dr. Gleissner (CDU/CSU) 10273 C Dr. Jobst (CDU/CSU) 10273 D Fragen der Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Unfallgefahr durch zu hohe Trittbretter an den Personenwagen der Bundesbahn Haar, Parlamentarischer Staatssekretär 10274 B, C, D Frau Lauterbach (SPD) . . . 10274 C, D Frage des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) : Zahl der bei der Bundesbahn leerstehenden Waggons Haar, Parlamentarischer Staatssekretär . . 10274 D, 10275 B, C, D Dr. Jobst (CDU/CSU) 10275 A, B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 10275 C Nächste Sitzung 10309 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10311 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Probst (CDU/CSU) betr. Firmenzusammenarbeit bei multinationalen Raumfahrtprojekten und betr. Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA auf dem Gebiet der Raumfahrt 10311 C Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Dr. h. c. Bechert (SPD) betr. Lagerung radioaktiver Abfälle in Bohrlöchern von Bergwerken . . . . 10311 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/ CSU) betr. Leistungsprinzip an den Hochschulen 10312 B Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Picard (CDU/CSU) betr. Vergabe öffentlicher Gelder an nicht legitimierte Studentenverbände 10312 C Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) betr Bekämpfung des Radikalismus an den Hochschulen 10312 C Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. von Nordenskjöld (CDU/CSU) betr. Rechtsschutz zur Sicherung einer gedeihlichen Entwicklung des Hochschulwesens 10312 D Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Vogt (CDU/CSU) betr. öffentliche Mittel für den Verband Deutscher Studentenschaften 10313 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Jenninger (CDU/CSU) betr. Finanzkontrolle der Studentenschaften an den Hochschulen . . . . . . . 10313 B Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Sperling (SPD) betr. Grundlagenforschung im Bereich der supraleitenden Magnete bei Großbeschleunigern 10313 C Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Konrad betr. Förderung der Meeresforschung . . . . . . . . 10314 A Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Pieroth (CDU/CSU) betr. Übertragung der freien Marktwirtschaft auf Entwicklungsländer . . . . . . . 10314 D IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Werner (CDU/CSU) betr Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt 10315 A Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schmude (SPD) betr. Vorträge von Mitgliedern des Bundestages vor Einheiten der Bundeswehr über ihre Absichten für den nächsten Bundestagswahlkampf . . . . . . . . . . 10315 B Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Jung (FDP) betr. Ausnahmegenehmigungen für die Beförderung von Weichobst auf Autobahnen im Lastkraftwagen 10315 D 177. Sitzung Bonn, den 15. März 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach* 18. 3. Adams * 18. 3. Dr. Ahrens ** 18. 3. Dr. Aigner * 18. 3. Dr. Artzinger * 18. 3. Behrendt * 18. 3. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 15. 3. Borm * 18. 3. Dr. Burgbacher * 18. 3. Dasch 18. 3. Dr. Dittrich * 18. 3. Faller * 18. 3. Fellermaier * 18. 3. Flämig * 17. 3. Dr. Furler * 17. 3. Gerlach (Emsland) * 17. 3. Freiherr von und zu Guttenberg 18. 3. Frau Dr. Henze 15. 4. Hösl ** 17. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) * 18. 3. Jung ** 17. 3. Dr. Jungmann 15. 3. Dr. h. c. Kiesinger 18. 3. Klinker * 18. 3. Dr. Koch * 18. 3. Kriedemann * 18. 3. Lange * 18. 3. Lautenschlager * 18. 3. Lenze (Attendorn) ** 17. 3. Liedtke 17. 3. Dr. Dr. h. c. Löhr * 18. 3. Lücker (München) * 18. 3. Meister * 17. 3. Memmel * 18. 3. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 17. 3. Müller (Aachen-Land) * 18. 3. Frau Dr. Orth * 18. 3. Dr. Reischl * 18. 3. Richarts * 18. 3. Riedel (Frankfurt) * 18. 3. Dr. Rinderspacher 18. 3. Roser * 16. 3. Säckl 15. 3. Dr. Schmid (Frankfurt) 16. 3. Dr. h. c. Schmücker ** 17. 3. Schwabe * 18. 3. Dr. Schwörer * 18. 3. Seefeld* 17. 3. Springorum * 18. 3. Dr. Starke (Franken) * 18. 3. Werner * 18. 3. Wolf 18. 3. Wolfram * 17. 3. Wuwer 17. 3. Zander 17. 3. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Probst (CDU/CSU) (Drucksache VI/3196 Fragen A 72 und 73) : Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß im Hinblick auf die Langfristigkeit von großen multinationalen Raumfahrtprojekten, die zehn oder fünfzehn Jahre laufen, die dabei zusammenarbeitenden Firmen zur Erzielung einer größeren Wirtschaftlichkeit und eines umfassenderen know-how die bisherige Form der lockeren Zusammenarbeit von Fall zu Fall in festere Bindungen gesellschaftsreditlicher Art umwandeln sollten, und gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls entsprechende Schritte einzuleiten? Welche Absichten hat die Bundesregierung in bezug auf die künftige Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA auf dein Gebiet der Raumfahrt, und welche konkreten Angebote der amerikanischen Regierung zur Beteiligung der Europäer am Raumfahrtprogramm liegen vor? Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß angesichts der langfristigen multinationalen Raumfahrtprojekte enge Zusammenarbeit der beteiligten Firmen notwendig ist, um zu einer größeren Wirtschaftlichkeit und einem effektiveren Management bei der Projektdurchführung zu kommen. Ob und in welcher Form dies erfolgen soll, kann nicht generell, sondern nur konkret bei den einzelnen Projekten beurteilt werden. Hierbei sind z. B. die Zahl der beteiligten Firmen, die Größe und Dauer des Projekts, die Konkurrenz- und die Marktsituation zu berücksichtigen. Die Bundesregierung ist am Zustandekommen einer europäisch-amerikanischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Raumfahrt interessiert. Angebote für eine europäisch-amerikanische Kooperation liegen u. a. insbesondere beim Apollo-Nachfolgeprogramm vor. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Bechert (SPD) (Drucksache VI/3196 Fragen A 74 und 75) : Trifft es zu, daß Atommüll im Bergwerk Asse II bei Wolfenbüttel in nicht begehbaren engen Bohrlöchern gelagert wird oder gelagert werden soll? Welche Maßnahmen sind vorgesehen, falls in solche Bohrlöcher Wasser eindringt, um das Eindringen festzustellen und Grundwasserkontamination durch radioaktive Stoffe zu verhindern? Im Salzbergwerk Asse II werden bisher und in den nächsten 4 Jahren keinerlei radioaktive Abfälle in nicht begehbaren Bohrlöchern gelagert. Erstmals im Jahre 1976 sollen versuchsweise hochaktive Abfälle in nicht begehbaren engen Bohrlöchern eingelagert werden. Die entsprechenden Behälter befinden sich dabei in engstem Kontakt mit dem umgebenden Salzgestein. Diese Art der Lagerung ist erforderlich, damit die beim radioaktiven Zerfall dieser Abfälle freiwerdende Wärme vom Salz sicher 10312 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 abgeleitet wird und auf eine künstliche Kühlung verzichtet werden kann. Das Eindringen von Wasser in das Salzbergwerk kann, wie wissenschaftliche Untersuchungen ergeben haben, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist ein Eindringen von Wasser in die Bohrlöcher nicht möglich, weil nach Einbringen der Edelstahlbehälter mit den zu Glas verarbeiteten hochaktiven Abfällen in die Bohrlöcher das Bohrloch 5 Meter hoch bis zu seiner Oberkante mit Salz gefüllt wird. Dieses Salz wird durch die Zerfallswärme der Abfälle plastisch und schließt die Edelstahlbehälter nach allen Seiten völlig dicht ein. In dem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossenen Fall des Eindringens von Wasser in den Raum über den Bohrlöchern würde sich innerhalb einiger Tage eine annähernd gesättigte Salzlösung bilden. Von dem in den Bohrlöchern über den Edelstahlbehältern befindlichen Salz würde nur der oberste Teil gelöst werden. Anschließend würde sich ein Gleichgewichtszustand zwischen gesättigter Salzlösung und Salz einstellen. Ein weiteres Eindringen von Wasser in die Bohrlöcher kann daher ausgeschlossen werden. Eine zusätzliche besondere Überwachung der Bohrlöcher auf eindringendes Wasser über die allgemeine Überwachung des Bergwerks hinaus hätte deshalb keinen Sinn. Eine Kontamination des Grundwassers in der Umgebung des Salzbergwerks durch radioaktive Stoffe ist ebenfalls ausgeschlossen. Umfangreiche hydrologische Untersuchungen. vor Beginn der Einlagerung radioaktiver Abfälle haben ergeben, daß zwischen dem Salzgestein und dem Grundwasser keinerlei Verbindung besteht. Selbst bei einem — äußerst unwahrscheinlichen — starken Wassereinbruch in das Bergwerk würde die sich bildende gesättigte Salzlösung in der Schachtanlage eingeschlossen bleiben, eventuell vorhandene Hohlräume und Spalten abdichten und infolgedessen nicht in die Umgebung und damit auch nicht in das Grundwasser gelangen können. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) (CDU/ CSU) (Drucksache VI/3196 Frage A 78) : Bekennt sich die Bundesregierung noch zum herkömmlichen Leistungsprinzip an den Hochschulen? Die Aufgaben der Gesellschaft sind ohne einen sozialen Leistungswillen der Bürger nicht zu bewältigen. Dieser soziale Leistungswille ist deswegen auch bei Hochschullehrern und Studenten erforderlich. Für den Hochschulbereich hat die — von der Bundesregierung wiederholt geäußerte — Auffassung z. B. in den §§ 2 bis 4, 7 Graduiertenförderungsgesetz, § 9 Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie in § 37 Abs. 1 und 2 Entwurf Hochschulrahmengesetz Niederschlag gefunden. Die Bundesregierung bekennt sich also in diesem Sinne zum Leistungsprinzip. Ob das allerdings immer den „herkömmlichen" Leistungsbegriff deckt, muß wohl bezweifelt werden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Picard (CDU/CSU (Drucksache VI/3196 Frage A 80) : Sind der Bundesregierung in letzter Zeit Fälle bekanntgeworden, in denen öffentliche Gelder an nicht legitimierte Studentenverbände vergeben worden sind? Derartige Fälle sind der Bundesregierung nicht bekanntgeworden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Baier (CDU/CSU (Drucksache VI/3196 Frage A 81): Gedenkt die Bundesregierung den linksextremen Radikalismus an den Hochschulen zu tolerieren? Die Bundesregierung bekämpft linksextremen und rechtsextremen Radikalismus. Bereits in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 wurde darauf hingewiesen. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage ,des Abgeordneten Dr. von Nordenskjöld (CDU/CSU) (Drucksache VI/3196 Frage A 82) : Ist die Bundesregierung der Meinung, daß der bestehende Rechtsschutz für die Sicherung einer gedeihlichen Entwicklung des Hochschulwesens ausreichend ist? Die Bundesregierung ist der Meinung, daß alle Hochschulmitglieder und die Hochschule selbst vor Rechtsbrüchen, Gewalt und Obstruktion geschützt werden müssen. In vielen Fällen bieten die für alle Staatsbürger geltenden Rechtsnormen eine ausreichende Möglichkeit, Rechtsverstößen zu begegnen, wenn von ihnen Gebrauch gemacht wird. Es ist darüber hinaus die Frage, ob im Falle korporationsrechtlicher Pflichtverletzungen besondere Maßnahmen erforderlich sind. Die gedeihliche Entwicklung des Hochschulwesens ist aber nicht in erster Linie eine Frage eines besonderen Rechtsschutzes. Die Zukunft unserer Hochschulen hängt vor allem davon ab, ob es gelingt, die notwendige Steigerung ihrer wissenschaftlichen und pädagogischen Leistungsfähigkeit mit der Mitwirkung aller Beteiligten an ihrer Willensbildung zu Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 10313 verbinden. Dies hängt entscheidend von der Bereitschaft aller Mitglieder der Hochschule zu konstruktivem Zusammenwirken ab. Dabei müssen die Reformer gegen Obstruktion und Gewalt geschützt werden. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Vogt (CDU/CSU) (Drucksache VI/3196 Fragen A 83 und 84) : Gedenkt die Bundesregierung, den Verband Deutscher Studentenschaften auch nach den Beschlüssen seiner letzten Mitgliederversammlung weiterhin mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen? Was hat die Bundesregierung in der Vergangenheit (seit 1969) unternommen, um die Verwendung der an den Verband Deutscher Studentenschaften geleisteten Zuschüsse aus Bundesmitteln sowie Abgaben aus Pflichtbeiträgen zu überprüfen? Die Bundesregierung hat den Verband Deutscher Studentenschaften auf Grund des Kabinettsbeschlusses vorn 26. März 1969 bereits seit diesem Zeitpunkt nicht mehr gefördert. Auf Grund des Kabinettsbeschlusses vom 26. März 1969 erhält der Verband Deutscher Studentenschaften seit dem Jahr 1969 keine Zuschüsse mehr aus Bundesmitteln. Der Verband Deutscher Studentenschaften ist ein nicht rechtsfähiger Verein. Die Bundesregierung hat keine rechtliche Möglichkeit, die Verwendung von Beiträgen der Studentenschaften, die Mitglieder dieses Vereins sind, zu überprüfen. Das gilt auch dann, wenn die Beiträge aus Pflichtbeiträgen stammen, die Studenten an ihre Studentenschaften zahlen müssen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jenninger (CDU/CSU) (Drucksache VI/3196 Frage A 85) : Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um eine Finanzkontrolle der Studentenschaften an den Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland zu veranlassen, wie es dem Beiträgegesetz vom 24. März 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 235), der Bundeshaushaltsordnung und dem geltenden Hochschulrecht entspricht, um damit sicherzustellen, daß nicht mit öffentlichen Geldern rechts- und verfassungswidrige Aktionen finanziert werden? Erforderliche Finanzkontrollen der Studentenschaften an den Hochschulen zu veranlassen, ist Aufgabe der Aufsichtsbehörden der Länder. Im übrigen erhalten die Studentenschaften auch keine Zuschüsse des Bundes. Soweit sie Zuschüsse von Ländern erhalten, obliegt diesen die Prüfung. Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß das von Ihnen genannte Beiträge-Gesetz vom 24. März 1934 (RGBl I, S. 235) am 1. Januar 1970 als Bundesrecht gemäß § 119 Abs. 2 Ziffer 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I, S. 1284) außer Kraft getreten ist. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache VI/3196 Fragen A 86 und 87) : Reicht der Stand der Grundlagenforschung im Bereich der Supraleitung, insbesondere der supraleitenden Werkstoffe aus, um den Bau eines Großbeschleunigers mit supraleitenden Magneten bereits jetzt in Angriff zu nehmen? Ist es richtig, daß sich im Kernforschungszentrum Karlsruhe hei der Verwirklichung eines auf Supraleitung aufbauenden Beschleunigerprojekts herausgestellt hat, daß die daran Beteiligten sich nachträglich in den Stand der Grundlagenforschung dieses Bereichs einarbeiten mußten? Der Gedanke, supraleitende Magnete bei Kreisbeschleunigern zur Teilchenführung zu verwenden, ist in den letzten Jahren in zunehmendem Maße aufgegriffen worden. Bei dem neu konzipierten Großbeschleuniger von CERN würde durch die Verwendung supraleitender — statt konventioneller — Ringmagnete die Möglichkeit bestehen, anstelle einer Protonenendenergie von 300 GeV den Wert von etwa 1000 GeV zu erreichen. Zu beachtlichen Erfolgen hat inzwischen die Entwicklung von supraleitenden Gleichstrom-Magneten geführt, mit denen man konstante Magnetfelder — wie sie etwa bei Blasenkammern benötigt werden erzeugt. Demgegenüber steht die Entwicklung supra-leitender Wechselstrom-Magnete, die für die zeitlich veränderlichen Magnetfelder in Kreisbeschleunigern benötigt werden, noch in den Anfängen. Im Kernforschungszentrum Karlsruhe arbeitet das Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP) in enger Abstimmung mit französischen und englischen Gruppen seit etwa 3 Jahren an der Entwicklung supraleitender Wechselstrom-Magnete. Bisher ist es jedoch noch in keinem Land gelungen, einen serienreifen Prototyp fertigzustellen. Erst wenn dies geschehen ist, kann der Bau von Beschleunigern oder die Umrüstung bestehender Beschleuniger mit Hilfe der Supraleitungstechnik in Angriff genommen werden. Im Kernforschungszentrum Karlsruhe wird seit einigen Jahren der Prototyp eines supraleitenden Protonen-Linear-Beschleunigers entwickelt. Das Projekt entstand aus den Vorarbeiten über einen konventionellen Protonen-Linearbeschleuniger. Die beteiligten Mitarbeiter mußten sich in der Anfangsphase des Projekts — wie dies bei fast allen neuen Projekten notwendig ist — in die Supraleitungs-Technologie einarbeiten. Hierzu gehörte auch die umfassende Kenntnis der wissenschaftlichen Grundlagen. Der Erfolg technischer Entwicklungen setzt im übrigen keineswegs immer voraus, daß alle Fragen der theoretischen Deutung vorher voll beherrscht und verstanden werden. So arbeiten noch in vielen Ländern Forschungsgruppen über das Phänomen der Kernspaltung, die seit vielen Jahren wirtschaftlich mit großem Erfolg genutzt wird. 10314 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 Das Karlsruher Institut besitzt heute einen inter- national anerkannten Ruf, was auch durch die zahlreichen Besuche ausländischer, vor allem amerikanischer Gäste bestätigt wird. Es gibt derzeit keine internationale Fachtagung über die Entwicklung supraleitender Beschleuniger ohne Karlsruher Beteiligung und Beiträge. Die Karlsruher Arbeiten zur Supraleitungs-Technik sind ein gutes Beispiel für die Aufnahme neuer Entwicklungsarbeiten in den Kernforschungszentren. Die Umsetzung von Wissenschaftlern in andere Projekte setzt hierbei auch ausreichende Möglichkeiten für das Einarbeiten in die neuen Fachgebiete voraus. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 3. März 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Konrad (SPD) (Drucksache VI/3196 Fragen A 88 und 21): Teilt die Bundesregierung die auf einer Tagung des „Gesprächskreises Meerestechnik" beim Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein vertretene Ansicht, daß die Meeresforschung durch mangelhafte Förderung und Zielsetzung sowie Zersplitteiung der Kompetenzen und Maßnahmen behindert sei? Welche Planungen liegen vor, und welche Maßnahmen sind getroffen, um die westdeutsche Industrie über die Absichten der Bundesregierung ausreichend zu unterrichten und die Zusammenarbeit mit der Industrie laufend zu verbessern? Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß von einer mangelhaften Förderung der Meeresforschung die Rede sein kann seit die Aufwendungen des Bundes in den Jahren 1969 bis 1971 von 45 auf rd. 75 Millionen DM zeitlich stiegen (1966 bis 1968 insgesamt: 91,5 Millionen DM). Für 1972 sind nach den Haushaltsansätzen Bundesmittel in Höhe von rd. 108 Millionen DM veranschlagt. Die Förderung von Meeresforschung und Meerestechnik wird sich in Anbetracht ihrer Bedeutung für Wirtschaft, Ernährung, Seeverkehr und Küstenschutz sowie angesichts der Notwendigkeit einer Verhütung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung auch zukünftig stärker entwickeln müssen. Die Zielsetzung ist erstmals im Jahre 1969 im Gesamtprogramm für die Meeresforschung in der BRD formuliert worden; inzwischen wurde das Programm überarbeitet, weil auch die Bundesregierung mit der Klarheit bisheriger Zielsetzungen nicht zufrieden war. Mit der Veröffentlichung eines neuen Programms ist Mitte dieses Jahres zu rechnen. Die verschiedenen Kompetenzen sind zum Teil durch die Vielfalt der naturwissenschaftlichen Disziplinen der Meeresforschung bedingt, die von der Geophysik, Geologie über die Physik, Chemie und Biologie bis zur Meteorologie reichen, und die daher auch im Anwendungsbereich zu verschiedenen Zuständigkeiten des Bundes und der Länder führen. Eine Zersplitterung der Maßnahmen soll trotz der verschiedenen Zuständigkeiten durch eine gute Zusammenarbeit in der Deutschen Kommission für Ozeanographie (DKfO), dem IMA für Meeresforschung und anderen Fachgremien vermieden werden. Es sind Überlegungen im Gange, die Koordinierung noch wirksamer zu gestalten. Die intensivste Unterrichtung und Zusammenarbeit mit der westdeutschen meerestechnischen Industrie erfolgt über die Wirtschaftsvereinigung industrielle Meerestechnik e. V. (WIM), auf dem Wege über Ausschreibungen und im direkten Verkehr mit den einzelnen Unternehmen. Darüber hinaus ist die Industrie im Rohstoffausschuß der DKfO vertreten. Zur Fortsetzung von Vorhaben zum Aufsuchen mineralischer Rohstoffe im Ausland hat der BMWF für das Jahr 1972 Haushaltsmittel in Höhe von 9 Millionen DM vorgesehen. Ausgehend von der bisherigen Tätigkeit der rohstoffbezogenen Meeresforschung wird sich die Bundesregierung bemühen, die Bestrebungen zur Intensivierung der künftigen Nutzung mariner Rohstofflagerstätten auch aus Mitteln und nach den Richtlinien des Rohstoffprogramms zu unterstützen (vgl. Jahreswirtschaftsbericht 1972 in Drucksache VI/3078 vom 28. Januar 1972 und Bundesanzeiger Nr. 210 vom 10. November 1970). Die Bundesregierung geht dabei davon aus, daß sich die einschlägige Industrie an der Verwirklichung dieser Ziele interessiert beteiligen wird. Im übrigen verweise ich auf meine Antworten auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur Förderung der Meeresforschung und Meerestechnik (Drucksache VI/2450 vom 13. Juli 1971), auf die Großen Anfragen zur Technologiepolitik (Drucksache VI/2789 vom 3. November 1971) und auf zwei Fragen des Abg. Dr. Hubrig (Protokoll der 164. Sitzung vom 21. Januar 1972, S. 9484/5). Anlage 12 Schriftliche Antwort des Bundesminister Dr. Eppler vom 15. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache VI/3243 Frage A 3) : Teilt die Bundesregierung die von einem Referatsleiter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit öffentlich vertretene Auffassung, die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland sei eine „sogenannte freie Marktwirtschaft", die zu ungerechter Vermögensverteilung geführt habe und auf keinen Fall auf die Entwicklungsländer übertragen werden dürfe, und welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls in ihrer Entwicklungspolitik daraus zu ziehen? Die Bundesregierung ist nicht berechtigt, ihren Beamten vorzuschreiben, wie sie die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen haben. Es entspricht der entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesregierung (siehe Seite 11 des Kabinettbeschlusses vom 11. Februar 1971) daß sie nicht beabsichtigt, Entwicklungsländern ihre eigenen Vorstellungen von Gesellschaft und Wirtschaft aufzudrängen. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1972 10315 Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Frau Freyh vom 15. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Werner (CDU/CSU) (Drucksache VI/3243 Frage A 4) : Hält die Bundesregierung es für angemessen, daß die deutschen Entwicklungshilfeleistungen aus öffentlichen Mitteln für 1970 im Vergleich mit den Partnerstaaten der Europäischen Gemeinschaft einschließlich Englands, Dänemarks und Norwegens mit 0,32 % des Bruttosozialproduktes an vorletzter Stelle stehen, und wie stimmt das überein mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers und anderen Erklärungen der Bundesregierung? Der Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe am BSP im Jahre 1970 lag mit 0,32 % des BSP geringfügig unter dem Durchschnitt der DAC-Staaten von 0,34 % des BSP. Für den Rückgang dieses Anteils gegenüber dem Vorjahr waren, wie die Bundesregierung bereits bei Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU am 28. April 1971 ausgeführt hatte, vor allem zwei Gründe maßgebend: einmal die außergewöhnliche Steigerung des Bruttosozialprodukts und zum anderen der schleppende Abfluß der Kapitalhilfemittel. Die Höhe der abfließenden Mittel ist bekanntlich nicht zuletzt vom Volumen der niedrigeren Zusagen in den vorangegangenen Jahren abhängig. Dennoch lag der Anteil der öffentlichen Hilfe 1970 bei fünf DAC-Ländern niedriger als der Anteil der BRD. Nur bei drei der in der Frage aufgeführten Länder lag der Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe wesentlich über dem Anteil der BRD; bei diesen drei Ländern handelt es sich um Länder, bei denen der Umfang und die Richtung der öffentlichen Hifle auch heute noch durch ihre besonderen Überseebeziehungen bestimmt werden. Auch wenn endgültige Zahlen für 1971 noch nicht vorliegen, dürften die öffentlichen Leistungen der BRD ziemlich genau den DAC-Durchschnitt erreichen. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 15. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmude (SPD) (Drucksache VI/3243 Frage A 59) : Ist die Bundesregierung bereit, allen Mitgliedern des Bundestages die Möglichkeit zu eröffnen, vor Einheiten der Bundeswehr bei offiziellen Besuchen ihre Absichten für den nächsten Bundestagswahlkampf darzulegen? Die Bundesregierung hat es schon immer begrüßt, wenn die Mitglieder des Bundestages die Gelegenheit wahrnehmen, Einheiten der Bundeswehr Besuche abzustatten. Diese Kontakte zwischen Bundestagsabgeordneten und der Truppe sowie auch die Kontakte zwischen Landtagsabgeordneten sowie Mitgliedern der Kreis- und Gemeindeparlamente mit den Soldaten dienen zum besseren Verständnis der jeweiligen Probleme. Die Bundesregierung wünscht, daß solche Kontakte auch weiterhin gepflegt werden. Die Bundesregierung würde es indessen jedoch nicht begrüßen, wenn die Bundeswehr in den Bundestagswahlkampf oder in einen Landtagswahlkampf hineingezogen würde. Aus diesem Grunde ist durch einen Erlaß des Generalinspekteurs der Bundeswehr aus dem Jahre 1961 angeordnet worden, daß Besuche von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bei der Truppe möglichst für die Zeit nach der Wahl vereinbart werden sollen. Ich darf nochmals wiederholen, dieser Erlaß stammt bereits aus dem Jahre 1961. Die Bundesregierung geht davon aus, daß sich diese im Erlaß festgelegte Regelung bewährt hat. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 15. März 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Jung (FDP) (Drucksache VI/3243 Frage A 74) : Wird die Bundesregierung bei dem im Rahmen der neuen Ferienreiseverordnung 1972 vorgesehenen Wochenendfahrverbot für schwere LKW auf Bundesautobahnen und -fernstraßen eine Ausnahmegenehmigung für Weichobsttransporte in Fahrtrichtung Süd-Nord erteilen, um so negative Auswirkungen auf die süddeutschen Weichobstmärkte (z. B. Warenstau während der Kirschenernte am Samstag und Sonntag) zu vermeiden? Die Ferienreise-Verordnung 1972 wird versuchsweise in diesem Jahr — vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates — die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für die Beförderung von Weichobst auf Autobahnen in Lastkraftwagen ohne Anhänger an Sonntagen nach 14 Uhr vorsehen, wenn dies dringend geboten ist, um die rechtzeitige Ankunft in dem Bedarfsgebiet sicherzustellen. Für die in das Lkw-Fahrverbot einbezogenen Bundesstraßen ist die Erteilung von Ausnahmen wie in den Vorjahren vorgesehen.
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    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Aussprache über den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung fällt in eine Zeit, die sich konjunkturell deutlich unterscheidet von den Tagen des vergangenen Spätherbstes und des Winteranfangs. Die Auftragseingänge im neuen Jahr haben merklich zugenommen. Der Ifo-Test und andere Indikatoren zeigen eindeutig, die Geschäftserwartungen unserer Unternehmer haben sich unzweifelhaft verbessert. Nach den kritischen Momenten, die es vor einigen Monaten in der internationalen Handelspolitik gab, nach den Gefahren, die uns aus der Weltwährungskrise drohten, kann man heute in der Tat einen Gedanken aufgreifen, der aus dem Teilnehmerkreis der Konzertierten Aktion am vergangenen Freitag aufkam: Wir alle sollten jetzt mit mehr Vertrauen und mehr Zuversicht der weiteren Entwicklung entgegensehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben allen Anlaß dazu, und wir haben alle Berechtigung dazu. Noch im Oktober vorigen Jahres glaubte der Redner der Opposition, uns vor einer großen Zunahme der Arbeitslosigkeit warnen zu müssen. Herr Strauß hat in der Debatte zum Bundeshaushalt 1972 hier in diesem Hohen Hause dem Herrn Bundeskanzler gegenüber wörtlich erklärt: „Die Alternative, die Sie damals geleugnet haben, haben Sie mit Ihrer Regierung selbst herbeigeführt, nämlich die Alternative: Rezession mit Arbeitslosigkeit."

    (Zuruf von der CDU/CSU: 270 000!)

    Meine Damen und Herren, heute kann ich darauf eine klare Antwort geben: die Rezession findet nicht statt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Aber die Stagnation!)

    Dies muß jeder bestätigen, der sich von den Realitäten des wirtschaftlichen Geschehens leiten läßt. Künstliche Nervosität und sterile Aufgeregtheit mögen anderen politischen Zwecken dienen. Auf keinen Fall finden sie ihre Rechtfertigung im wirtschaftlichen Geschehen.
    Es mag für manche spannend wie in einem Krimi sein,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    uns politische Ersosionsvorgänge einzureden. Aber eines sage ich jenen Inszenierern, die deutsche Wirtschaft hat die Phase der Unsicherheit, die durch den Konjunkturumschwung im letzten Herbst hervorgerufen war, hinter sich,

    (Beifall bei den Regierungsparteien — Abg. Breidbach: Das haben wir 1970 auch schon gehört!)

    und die deutsche Wirtschaftspolitik verspürt überhaupt keine Lust zum Untergang.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)




    Bundesminister Dr. Schiller
    Das durchschnittliche Realeinkommen nimmt auch in dieser Zeit laufend zu.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Masochismus ist das!)

    — Lassen Sie mich einen Augenblick reden!

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Na sicher !— Schillers Werke!)

    — Sie können auch ganz gerne zuhören. — Das durchschnittliche Realeinkommen nimmt auch in dieser Zeit zu, im zweiten Halbjahr 1971 hat die volkswirtschaftliche Lohnquote mit 69 % eine nie gekannte Höhe erreicht. Die soziale Symmetrie war kein leerer Wahn.

    (Abg. Breidbach: Und die Preise?)

    Eine Konsumgütermesse nach der anderen zeigt bessere Ergebnisse, und mit einem Bauüberhang von 1 Million Wohnungen sind wir in. das neue Jahr gegangen. Das hat es noch nie gegeben, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg.)

    Haase [Kassel] : Flucht in die Sachwerte!)
    Und da spricht die Opposition draußen vom wirtschaftlichen. Ruin. In der Tat, einen solchen Kontrast von Wahrheit und Dichtung, den hat es noch nie gegeben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    Im Hinblick auf die Entwicklung des vergangenen Jahres liegt mir zuerst daran, dem Sachverständigenrat zur Begutachutng der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Namen der Bundesregierung zu danken für seine gutachtliche Tätigkeit. Der Rat hat uns kritisiert, aber er hat uns auch ermutigt und bescheinigt, daß die Bundesrepublik Deutschland am 9. Mai 1971 zu einer — wie er es wörtlich genannt hat — „couragierten Währungspolitik" überging.

    (Abg. Katzer: 6 Milliarden Verlust!)

    Der Rat hat uns bestätigt, daß der Bund mit seinem gleichzeitigen binnenwirtschaftlichen Stabilisierungsprogramm vom Mai vorigen Jahres finanzpolitisch das Ruder herumgerissen hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nur zum Teil!)

    Und der Rat hat schließlich zweifelsfrei dargelegt: „Die Wirtschaftspolitik hat die Chance für eine Rückkehr zur Stabilität noch einmal geschaffen."
    Aber nicht nur dem Sachverständigenrat, der kraft Gesetzes seines kritischen Amtes waltet, haben wir zu danken. Auch der Arbeitsgemeinschaft wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute gilt unser Dank. Ihr Gutachten von Anfang Mai 1971 war richtig und mutig, auch wenn es viele damals nicht wahrhaben wollten. Manche haben damals das klare Wort der Institute für flexible Wechselkurse als eine Ermunterung für die Spekulation angesehen. Diese Behauptung war schlechthin falsch.
    Die spekulativen Devisenzuflüsse waren verursacht durch tiefgreifende weltwirtschaftliche Ungleichgewichte.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Auch!)

    Ich wehre mich dagegen, daß der Arzt, der die Krankheit und die Therapie beim Namen nennt, zum Schuldigen für die Krankheit gemacht wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Bundesrepublik Deutschland sollte stolz sein auf den Kranz ihrer unabhängigen und im Urteil unbequemen, ja unerbittlichen Wirtschaftsinstitute.
    Meine Damen und Herren, mit diesen Hinweisen habe ich ein wirtschaftspolitisches Hauptproblem des Jahres 1971 angesprochen: die Überflutung Europas mit fremder Liquidität. Und wir haben damals am 8. und 9. Mai in Brüssel wahrlich nicht den Versuch gemacht, zum nationalen Alleingang anzutreten. Unser Vorschlag lautete bekanntlich: gemeinsame engere Bindung der europäischen Währungen aneinander, aber größere Flexibilität unserer Währungen nach außen. Manch einer wird jetzt erkennen — auch bei der Opposition —, daß wir heute in Europa, obwohl nach einigen Umwegen, uns mehr und mehr — wenn auch in bestimmten Grenzen — auf diesen damals angedeuteten Weg begeben.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    Die Weltwährungskrise kam bekanntlich mit dem 15. August durch die Maßnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika zum vollen Ausbruch. Die Bundesregierung hat in jenen schweren Wochen und Monaten unermüdlich und konsequent eine Linie gehalten, nämlich, die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft und den atlantischen Partner USA zu einer gemeinsamen Lösung zusammenzuführen. Dies wurde unter wesentlicher Mitwirkung der deutschen Delegation mit dem Währungsabkommen vom 18. Dezember 1971 in Washington erreicht. Natürlich war mit dieser Neuordnung der Wechselkurse noch nicht die Reform des Weltwährungssystems vollzogen. Ich selber habe dort schon am 18. Dezember 1971 gesagt: das Realignment — die Neuordnung der Wechselkurse ist ein „fragiles Gebäude, ein fragiles Kunstwerk". Es ist draußen wohl vermerkt worden, daß dieses deutsche Urteil weit entfernt war von billiger Euphorie. Und ich freue mich, daß wir uns in Europa auf der Brüsseler Tagung vom 6. und 7. März dieses Jahres auch zu dem ernsthaften Zweck zusammengefunden haben, eben jenes fragile Gebäude von Washington gemeinsam europäisch zu verteidigen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der binnenwirtschaftliche Sinn unserer couragierten Währungspolitik des Jahres 1971 war für jeden Klarsichtigen deutlich. Wir wollten den Zustrom von Auslandsgeldern abstoppen. Wir wollten die dadurch bewirkte explosionsartige Aufblähung unseres eigenen Geldvolumens entschlossen anhalten. Und da gibt es nun überhaupt keinen Zweifel; dies ist uns 1971 gelungen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wie jeder weiß, haben wir die Währungspolitik mit entsprechenden finanzpolitischen Maßnahmen flankiert. Unser Programm war beidhüftig angelegt, und wir haben es beidhüftig durchgeführt. Der Abschluß des Bundeshaushalts 1971 zeigt nun unwider-



    Bundesminister Dr. Schiller
    leglich, wir haben alle vier Ziele unserer haushaltspolitischen Beschlüsse vom Mai 1971 erreicht.

    (Abg. Breidbach: Unglaublich!)

    Die Bundesausgaben wurden tatsächlich um über 1 Milliarde DM verkürzt. Eine weitere Milliarde konnten wir zusätzlich in die Konjunkturausgleichsrücklage einzahlen. Die geplante Neuverschuldung des Bundes von 3,7 Milliarden DM wurde um sage und schreibe 2,7 Milliarden DM verkürzt, d. h. auf i Milliarde zurückgebracht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und die Preise?)

    Schließlich und endlich, wir haben von den rd. 26 Milliarden DM Verpflichtungsermächtigungen bis zum Jahresende mehr als geplant, nämlich 9,4 Milliarden DM, nicht ausgenützt. Der Jahresabschluß des Bundeshaushalts für 1971 kann sich sehen lassen. Wer das nicht erkennen will, dem mangelt es entweder an dem Willen zu erkennen oder er leidet an einem Sehfehler.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Zum Trost kann ich nur hinzufügen: beide Mängel, der des Willens oder der Sehschärfe, ließen sich korrigieren.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Bei entsprechenden Hilfen und bereiten Helfern ist das alles möglich.
    Die Währungspolitik und die Finanzpolitik des Jahres 1971 waren Teil einer in sich konsistenten Gesamtstrategie. Die Übersteigerungen des vorangegangenen Booms sollten Schritt für Schritt abgebaut, der Boden zur Wiedergewinnung eines höheren Grades an Preisstabilität sollte bereitet werden.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Aber zugleich sollte ein tieferer Einbruch in der Beschäftigung unserer Wirtschaft vermieden werden. Die Jahresergebnisse zeigen, daß unsere Strategie nicht ohne Erfolg war.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja, in Hannover! — Abg. Niegel: Preissteigerungen!)

    — Sie haben es sehr mit der Phonstärke. Hören Sie mal auf die Sache selber hin!

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Gewiß, der jahresdurchschnittliche Preisindex für die Lebenshaltung mit 5,2% gegenüber dem Vorjahr ist uns zu hoch.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha! Uns auch!) Da gibt es nichts zu beschönigen.


    (Ironischer Beifall bei der CDU/CSU.)

    Trotzdem, die Kombination dieses Preisindex von durchschnittlich 5,2% für die Verbraucherpreise mit einer jahresdurchschnittlichen Arbeitslosenquote von nur 0,8 % ist als im internationalen Vergleich mehr als gut zu bezeichnen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Barzel: Unglaublich!. — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Sehen Sie doch nach! — Sicherlich gibt es einige Länder mit einer niedrigeren Steigerung der Lebenshaltungskosten. Aber die Arbeitslosenquote ist darum in diesen Ländern bedeutend höher, oft doppelt oder dreifach so hoch wie in der Bundesrepublik. Viele Länder liegen in beiden Raten — im Preisindex der Verbraucherpreise wie in der Arbeitslosenquote — deutlich über unserem deutschen Niveau.
    Dies ist kein Anlaß für deutsche Selbstgefälligkeit.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Der Rückgang in der Steigerungsrate der Lebenshaltungskosten in diesem Jahr von 5,8 % auf 5,5 % im Februar ist in sich gesehen natürlich noch kein ausreichender Indikator für einen gesicherten Fortschritt in der Stabilität. Viel wichtiger erscheint mir da die Entwicklung unserer industriellen Erzeugerpreise. Seit Frühjahr 1971 — so im April mit plus 5,2 % gegenüber dem Vorjahr —, also mit dem Beginn unserer letzten großen außen- und binnenwirtschaftlichen Stabilisierungsaktion, haben sich diese Steigerungsraten nicht mehr erhöht, sondern sich laufend nach unten bewegt. Die Deutsche Bundesbank hat jetzt mit Befriedigung darauf hingewiesen: unsere industriellen Erzeugerpreise haben im Januar dieses Jahres zum erstenmal seit zwei Jahren den durchschnittlichen Steigerungssatz der wichtigsten Industrieländer in der Welt unterschritten.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die industriellen Erzeugerpreise liegen im Februar nur noch um 2,6 % über dem Vorjahresstand. Dies — 2,6 % — ist ein gutes Ergebnis im Sinne der Wiedergewinnung unserer Stabilität und im Sinne der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie. Unsere industriellen Erzeugerpreise sind im Boom ab 1969 seinerzeit der Zunahme der Verbraucherpreise zeitlich um einige Monate vorausgeeilt. Aus demselben Wirkungszusammenhang sollten wir nun mit einer nachfolgenden Abflachung auch der Verbraucherpreise rechnen können. Aber auch diesen Nachholprozeß müssen wir illusionsfrei verfolgen und unterstützen: administrative Preiserhöhungen im Verkehr und in der Agrarwirtschaft stehen vor der Tür. Um so mehr müssen wir unsere Anstengungen gegen weitere Kostensteigerungen und vor allem gegen den erneuten Zufluß von Auslandsliquiditäten verstärken.
    Für die bisherigen Ergebnisse unserer Stabilitätspolitik des Jahres 1971 war auch ein anderer Tatbestand von ganz besonderer Wichtigkeit. Die Effektivverdienste je Beschäftigten in der Industrie sind im vierten Quartal 1971 auf eine Steigerungsrate von 6,8 % zurückgegangen gegenüber einem Jahresdurchschnitt von 10,6 % im Jahre 1971 und 16,7% im Jahre 1970. Das Fazit ist, die Tarifpolitik unserer Gewerkschaften, die Lohn- und Gehaltspolitik unserer Tarifparteien hat sich also dem Konjunkturverlauf angepaßt. Ich möchte es so sagen, unsere Gewerkschaften haben in der Praxis einen viel höheren Grad von Elastizität und Anpassungsfähigkeit bewiesen, als es vor einem halben Jahr noch viele Untergangspropheten wahrhaben wollten.

    (Beifall bei der SPD.)




    Bundesminister Dr. Schiller
    Wir sollten das Verhalten unserer Gewerkschaften mit Dankbarkeit anerkennen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Natürlich haben unsere Gewerkschaften im Herbst vorigen Jahres ihre Schwierigkeiten gehabt, um mit der veränderten Konjunkturlage und mit dem veränderten Konjunkturklima fertig zu werden. Arbeitskämpfe mußten durchgestanden werden. Trotzdem haben die Gewerkschaften im Ergebnis den richtigen Weg eingeschlagen. Aber, meine Damen und Herren, Lohn- und Gehaltspolitik wird immer von zwei Seiten gemacht. Es wird wahrlich Zeit, daß die Unternehmer, gerade in der Konsumgüterindustrie, nun das Ihrige dazutun: der Weg zu einer kostenneutralen Lohn- und Gehaltspolitik sollte nun endlich durch eine entsprechende Unternehmerpolitik bei den Endverbraucherpreisen honoriert werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich sage es mit aller Deutlichkeit, wer jetzt gegen weichende Märkte Preiserhöhungen durchzusetzen versucht,

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Die Bundespost! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    oder wer jetzt gar als Unternehmer mit erneuten Chancen der Preisüberwälzung rechnet, der spielt mit dem Feuer einer neu entfachten Preis-KostenSpirale. Niemand, der im Markte Verantwortung hat, sollte dieser Versuchung erliegen. Wer es dennoch tut, vergibt die einmalige Chance, daß der marktwirtschaftliche Wettbewerb gerade in der Zeit einer ruhigen Konjunkturbewegung wieder zu Ehren
    kommt. Der echte Marktwirtschaftler kann sich gerade jetzt bewähren.

    (Abg. Rösing: Ein Theoretiker! — Abg. Dr. von Bismarck: Völliger Unsinn! Unerhört!)

    Ich darf das Hohe Haus daran erinnern, daß seit dem 18. August 1971 die Novelle zum Kartellgesetz, die Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf dem Tisch liegt. Speziell den Abgeordneten der Opposition, die der Bundesregierung so gern vorwerfen, sie komme mit ihren Reformvorhaben nicht über, ist hier bei der Behandlung dieser Novelle ein fruchtbares Betätigungsfeld angeboten.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Dann bringen Sie mal Ihre Koalition auf Vordermann!)

    Damit gelangen wir zur unmittelbaren Gegenwart. Wir können uns der Frage nach unserem heutigen konjunkturellen Standort und nach dem weiteren Verlauf der Dinge zuwenden.
    Die Senkung des Diskonts durch die Deutsche Bundesbank auf 3 % am 24. Februar in diesem Jahre und die Einführung der Bardepotpflicht in Höhe von 40 v. H. durch die Bundesregierung und durch die Bundesbank am 1. März 1972 zeigen mit aller Deutlichkeit: für unsere Stabilitätspolitik müssen wir weiterhin an der Außenfront äußerst aktiv sein. Die Bewegungen auf den Devisenmärkten beweisen das zur Genüge.
    Nun kann aber auch empirisch — nicht theoretisch, Herr von Bismarck, sondern praktisch — jener
    Unsinn widerlegt werden, der anläßlich der letzten Währungsdebatte vom Sprecher der Opposition im bekannten Katarakt der Worte behauptet wurde, nämlich, die Devisenzuflüsse seien einzig und allein, so wurde es gesagt, durch die Hochzinspolitik der Deutschen Bundesbank verursacht, die ihrerseits durch die vermeintlichen Versäumnisse der Finanzpolitik eben zur Kreditverknappung gezwungen gewesen sei. Nun, meine Damen und Herren, heute haben wir, Herr Müller-Hermann, doch mit unserem Diskont den niedrigsten Satz in der ganzen westlichen Welt und dennoch spüren wir den Druck des geschwächten Dollars gegen unsere Wirtschaft. Da muß doch nun in der Tat eine andere Ursache dahinterstecken! Eines weiteren Beweises gegen die Unrichtigkeit jener These aus der Mottenkiste der Opposition bedarf es wohl nicht mehr. Der währungspolitische Rest ist dort wohl hoffentlich Schweigen.

    (Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Breidbach: Wie ein Kraftmeier!)

    Unserer Währungspolitik, die der Verteidigung der Leitkurse von Washington dient, entspricht gleichzeitig unsere eigene fortgesetzte Finanzpolitik der Zurückhaltung und der Vorsicht. Auch jetzt in diesen neuen Umständen bleibt unsere Politik gleichgewichtig, ausgewogen. Wir müssen den Kräften des Marktes zur Preisstabilisierung und zur markteigenen Erhöhung der privaten Investitionen weiter freien Raum geben. Ein flottes Durchstarten mit den öffentlichen Finanzen ist nach den neuen Gegebenheiten fehl am Platze. Denn sonst würde uns bald eine neue Überforderung der volkswirtschaftlichen Kräfte ins Haus stehen. Aus diesen Überlegungen sind in den letzten Tagen der Konjunkturrat für die öffentliche Hand, der Finanzplanungsrat und die Konzertierte Aktion zu einer übereinstimmenden Feststellung gekommen, nämlich: Die Notwendigkeit, die Eventualhaushalte und die Konjunkturausgleichsrücklagen des Bundes und der Länder, zusammen eine Summe von 4,2 Milliarden DM, zu aktivieren, besteht auf absehbare Zeit nicht.
    Meine Damen und Herren, diese Vorschläge jener von mir genannten wichtigen Gremien sind schmerzlich für so manches Bundes- und Landesressort. Aber sie sind unumgänglich. Wenn die Geldpolitik aus außenwirtschaftlichen Gründen „leichter" geworden ist, dann muß die Fiskalpolitik um so „härter" werden, wenn man in der Gesamtpolitik solide bleiben will, und das wollen wir.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ CSU: Späte Erkenntnis! — Abg. Dr. Barzel: „Beifallsrauschen bei der SPD" ! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die elastische Behandlung der Eventualhaushalte bedeutet zugleich eine erneute Entlarvung jener Vernebelungsthesen der Opposition. Für die Opposition waren bislang die Eventualhaushalte so ein Sammelsurium für kosmetische Kürzungen des Kernhaushaltes,

    (Abg. Dr. Jenninger: Das, was Sie vorfabriziert haben!)




    Bundesminister Dr. Schiller
    die dann dennoch mit seinem Inkrafttreten ebenfalls, wenn auch in schamhafter Verkleidung, wieder auf der Bühne der öffentlichen Ausgaben auftreten würden. Der jetzige Aufschub beweist, daß diese Konjunkturhaushalte wirklich politisch nur in eventum geplant sind.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Breidbach: „Rauschender Beifall bei der SPD" ! Das rauscht nur so!)

    Die Opposition hat auch hier in ihrem Urteil wieder einmal völlig schief gelegen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Breidbach: „Rauschender Beifall bei der SPD" !)

    Anders ist es mit der Zurückzahlung des Konjunkturzuschlages.

    (Aha-Rufe bei der CDU/CSU.)

    Wie wir alle wissen, ist er ohnehin zum 31. März 1973 fällig. Diese Bundesregierung hat bekanntlich mehrfach erklärt, daß sie diesen Zuschlag unter allen Umständen ehrlich nach Hause bringen will.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Breidbach: Ehrlich? 10% weniger! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Warten Sie nur ab; es kommt noch! Da für die zweite Hälfte dieses Jahres von allen Seiten eine merkliche Konjunkturbelebung vorausgesagt wird, wurde von den verschiedensten Gremien übereinstimmend empfohlen, den Konjunkturzuschlag so bald wie technisch möglich mit einem Schlag zurückzuzahlen, so z. B. vom Deutschen Industrie- und Handelstag. Die Opposition verhedderte sich

    (Abg. Haase [Kassel] : Wer hat sich verheddert?)

    bei diesen öffentlichen Überlegungen in ganz besonderem Maße.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Haase [Kassel] : Sie verheddern sich doch jeden Tag!)

    — Nein, Sie haben sich beim Konjunkturzuschlag schön verheddert.

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Einmal verfiel sie auf den Gag, den ich auf gut bayerisch nur als hirnrissig bezeichnen kann,

    (Heiterkeit bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Abg. Stücklen: Was verstehen Sie unter „bayerisch"?)

    daß nämlich die baldige Zurückzahlung des Konjunkturzuschlages sozusagen ein Wahlgeschenk sei. Das kommt doch von Ihnen.

    (Abg. Stücklen: Rückzahlung mit Ausgabe der Stimmzettel!)

    Hier verwechselt anscheinend die Opposition in ihrem Rundum-Gefuchtel

    (Beifall bei den Regierungsparteien — Lachen bei der CDU/CSU — Abg. Rösing: Ergänzen Sie den Jahreswirtschaftsbericht, oder was machen Sie hier? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — jawohl! — den Deutschen Industrie- und Handelstag mit der Bundesregierung. Welch eine Ehre, kann ich nur sagen!

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Jenninger: Sagen mit Nathan dem Weisen!)

    Zum Thema Wahlgeschenke sollte sich die Opposition überhaupt in wohltuendes Schweigen hüllen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. —Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)

    Sie hat bekanntlich — Sie wissen das alle — vor der letzten CDU/CSU-Wahl, 1965, das deutsche Volk aus einem ganzen Füllhorn von finanziellen Erleichterungen gesegnet.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr! — Abg. Breidbach: Das ist eine unglaublich schwache Rede!)

    Aber als sich dann die verehrten und gebetenen Gäste nach vollzogener Wahl fröhlich an die Tafel setzten, kamen Köche und Kellner und servierten die herrlichen Gaben kurzerhand wieder ab.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Sehr wahr! — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Solches, meine Damen und Herren, ist nicht die Politik der sozial-liberalen Koalition.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Müller-Hermann: Ist das die „Holzerei", die der Herr Bundeskanzler angekündigt hat?)

    Wir haben dem deutschen Volk im Jahre 1970 ein Konjunkturropfer abverlangen müssen, und wir zahlen es im gesamtwirtschaftlich richtigen Augenblick zurück.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Ohne Zinsen!)

    Außerdem: diese Bundesregierung wird dafür sorgen, daß im Jahre 1973 finanziell nicht in Saus und Braus gelebt wird, nur damit im darauffolgenden Jahr wieder mit der großen Krille abkassiert wird.

    (Abg. Haase [Kassel] : Wer kassiert mit der großen Kelle ab, Herr Schiller?)

    Die Opposition möge sich rechtzeitig darauf einstellen — sie sollte es eigentlich schon erkannt haben —: Wir Sozialdemokraten und wir Freie Demokraten

    (Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU)

    — ja —, wir sind so gemein: wir sagen immer und sogleich die Wahrheit. Das ist es.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)

    — Es freut mich, daß Ihre Stimmung bei der Opposition sich entgegen den düsteren Prognosen der neuen Konjunkturlage merklich, hörbar, sichtbar anpaßt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)


    Bundesminister Dr. Schiller
    Doch zurück zum fälligen Konjunkturzuschlag. Der von mir sehr verehrte Herr Kollege Leicht, der so vorbildliche Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, verfiel vor einiger Zeit auf die Idee, den Konjunkturzuschlag unmittelbar für öffentliche Investitionen zu verwenden. Dieser staatstragende Vorschlag wurde allerdings von den Propagandisten seiner Partei mit der Geschwindigkeit eines Lamellenverschlusses aus dem Verkehr gezogen.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dabei muß ich daran erinnern, daß diese Option für den Konjunkturzuschlag der CDU/CSU im Jahre 1970 sehr gut zu Gesicht gestanden hätte. Damals, im Februar, hat die Regierung bekanntlich in diesem Hohen Hause die Möglichkeit der Anwendung des § 26 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes angedeutet, d. h. die Erhebung des zehnprozentigen Konjunkturzuschlages und seine Zuführung zur Konjunkturausgleichsrücklage für spätere öffentliche Investitionen. Ich habe damals insistiert und den von mir schon mehrfach hier vermißten Herrn Stoltenberg ausdrücklich gefragt, ob man für den § 26 bei der Opposition eine Basis finden könne.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Ich denke, Sie sind in der Regierung!)

    Die Opposition spricht doch immer so viel von Gemeinsamkeit

    (Abg. Stücklen: Nur wenn es Ihnen paßt!) auch in den großen Fragen der Innenpolitik.


    (Abg. Stücklen: Ja, ja, nur wenn es Ihnen paßt!)

    Dazu wäre damals, Herr Stücklen, eine gute Gelegenheit gewesen. Tatsächlich rührte sich aber damals bei Ihnen keine Hand. Als dann im Sommer 1970 nach längeren Überlegungen der rückzahlbare Konjunkturzuschlag durch ein besonderes Gesetz beschlossen wurde, versagte sich die Opposition auf besondere Weise. Sie sagte weder ja noch nein, sondern sie ging still ins Abseits.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Und dort im Abseits befindet sich die Opposition beim Thema Konjunkturzuschlag heute noch. Aus der Ecke kommen Sie nicht wieder heraus.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich empfehle der Opposition da nur eine Haltung:

    (Abg. Katzer: Ich empfehle zu regieren!)

    Der Kavalier schweige

    (Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU)

    ja, hören Sie zu, das ist an Sie gerichtet! — und nehme die Rückzahlung mit Würde in Empfang.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)

    Was nun die tatsächlichen Auswirkungen der Rückzahlung in nächster Zukunft betrifft, so müssen wir bedenken, von den 5,9 Milliarden DM, die bei
    der Bundesbank deponiert sind, entfallen 2 Milliarden DM auf den Unternehmenssektor. Sie werden dort bei der Rückzahlung der Konsolidierung von alten Schulden dienen. Ich hoffe sehr, daß hierbei auch die Auslandsverschuldung der betreffenden Unternehmungen zurückgeführt wird. Bei den restlichen knapp 4 Milliarden DM, die auf die privaten Haushalte entfallen, rechnen wir mit einer überdurchschnittlichen Sparrate von rund 20 %.
    Meine Damen und Herren, wir haben in allen■diesen Jahren trotz allen Währungsstörungen von draußen den unerschütterlichen Sparwillen der deutschen Bevölkerung bewundert.

    (Abg. Niegel: Trotz der Inflationspolitik!)

    Ich bin fest davon überzeugt, daß dieser Sparwille in diesem besonderen Falle auch speziell angesprochen wird. Anlagemöglichkeiten stehen bei Rückzahlung in Hülle und Fülle zur Verfügung, bis hin zu den Bundesschatzbriefen, denen sich in diesem Jahr besonders viele Leute zuwenden. Die Devise kann also lauten: Zur Sache, Schätzchen!

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)

    Aber unabhängig von solchen Anlagemöglichkeiten ist oberster Gesichtspunkt für uns dieser: Jeder Berechtigte kann völlig frei über seinen Betrag verfügen. Abgesehen davon ist es wohl angemessen, die Rückzahlung in eine Zeit zu legen, in der die Versuchung im Sinne einer stürmischen Vermehrung der Inlandsnachfrage relativ gering ist.
    Deshalb, meine Damen und Herren, darf ich im Namen der Bundesregierung folgendes erklären: Der Konjunkturzuschlag wird ab 15. Juni zurückgezahlt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Verrechnung mit den Unternehmen wird dabei verhältnismäßig schnell und einfach erfolgen. Die Masse der Arbeitnehmer wird spätestens mit der nächsten Gehaltszahlung, die auf den 15. Juni folgt, den Konjunkturzuschlag zurückerhalten. Abgesehen von Ausnahmefällen — wie z. B. bei den in die Heimat zurückgekehrten Gastarbeitern — wird der größte Teil des Konjunkturzuschlages um die Monatswende Juni/Juli in den Händen der berechtigten Arbeitnehmer sein.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Breidbach: Gott sei Dank'!)

    Die Finanzämter werden sich bemühen, die Rückzahlung beschleunigt vorzunehmen. Der Vorsitzende der Länderfinanzministerkonferenz konnte im Finanzplanungsrat darauf hinweisen, daß ein ansehnlicher Teil der technischen Vorarbeiten schon geleistet sei. Ich weiß, daß unsere Steuerbeamten seit Jahren, seit Jahrzehnten

    (Abg. Dr. Klepsch: Seit Jahrhunderten!)

    hoffnungslos überlastet sind. Dennoch glaube ich, daß sie sich dieser Arbeit mit besonderer Genugtuung annehmen werden.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)




    Bundesminister Dr. Schiller
    Meine Damen und Herren, ich habe eben schon auf die allgemeinen finanzpolitischen Beschlüsse des Konjunkturrates und des Finanzplanungsrates hingewiesen. Wir haben ganz unmißverständlich die Fragen der Neuverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden in diesem Jahr angesprochen. Wie Sie wissen, hat der Bund durch die Neuverteilung der Umsatzsteuer rund 2,8 Milliarden DM pro Jahr an die Länder abgetreten. Es bestand überhaupt kein Zweifel daran, daß hiervon die Hälfte der Neuverschuldung des Bundes zugeschlagen werden mußte. Hinzu treten einige andere unabweisbare Mehrausgaben auf Bundesseite: eine halbe Milliarde für Lohn- und Gehaltsaufbesserungen, die Pauschalkosten für den Berlin-Verkehr und ähnliches. Aber, meine Damen und Herren, dies ist nicht das Problem. Das Hauptproblem der Neuverschuldung der öffentlichen Hände in diesem Jahr ist das Problem der Länder. Bekanntlich erhalten Länder und Gemeinden von diesem Jahr an — und bereits in diesem Jahr — jährlich rund 4 Milliarden DM ansteigend —durch Abtretung von Steuereinnahmequellen und durch Verbrauchsteuererhöhungen, z. B. durch die Erhöhung der Mineralölsteuer.
    Manche Kritiker in den Ländern und den Gemeinden sollten diese Mehreinnahmen als einen Beweis dafür ansehen, daß der Bund seine Verantwortung für den Gesamtstaat wahrnimmt.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Rauschender Beifall!)

    Dabei sollte man allerdings auch bedenken, daß der Bund im wesentlichen für die Erschließung dieser Steuerquellen zu sorgen hat. Es ist nicht zu übersehen, daß man bei dieser Drecksarbeit der Steuererhöhung selber staubig wird.

    (Abg. Wohlrabe: Ja, Ja! — Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Aber lachen Sie nicht zu früh!

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wir sollten dabei auch nicht vergessen, daß die Opposition hier in diesem Saal zu fein dazu ist, um sich die Hände für Steuererhöhungen staubig zu machen, für Steuererhöhungen, die den Ländern und Gemeinden zugute kommen sollten, denen Sie sich politisch verbunden fühlen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Ott: Inflationsquote, die Sie verschulden!)

    Bei der neuen Operation hatten wir uns vorgenommen, daß die Erschließung neuer Steuerquellen für Länder und Gemeinden die geplante Neuverschuldung bei diesen Gebietskörperschaften reduzieren müßte. Bei den Ländern ist das bisher nicht eingetreten. Im Gegenteil, während der Verhandlungen über die Steuerneuverteilung und während der Gesetzgebung zur Steuererhöhung bei den Verbrauchsteuern schwollen die Ausgabenpläne in den Ländern an, so daß sich nunmehr nach erfolgter steuerlicher Verbesserung für die Länder gar noch ein erhöhter Ansatz für die Neuverschuldung der Länder abzeichnet.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Warum wohl?)

    Wir haben das alles im Konjunkturrat und Finanzplanungsrat ohne Wertung, ohne Klagen über Schuld und Sühne behandelt. Wir haben einstimmig festgestellt, daß die Stabilisierung der öffentlichen Haushalte eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden ist.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Neuwahlen! Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Rückführungen der Ausgabepläne werden bei einigen Gebietskörperschaften unvermeidlich sein. Wenn wir dabei von etwaigen gesetzlichen Maßnahmen gesprochen haben, so will ich hier nur ein Beispiel nennen, damit unnötige Phantasien unterbleiben. So könnte es unter Umständen im Sommer nötig sein, daß wir dann, also in der Mitte dieses Jahres, durch eine wirksame Rechtsverordnung nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz erneut den Schuldendeckel auf die öffentlichen Haushalte setzen.

    (Abg. Dr. Barzel: Aha!)

    An diesem allen sehen Sie, meine Damen und Herren, wir haben in engster Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften die Lage nüchtern analysiert, und wir bereiten gemeinsam die notwendigen Maßnahmen vor. Im übrigen muß man auch hier Maß und Mitte halten. Die Eindämmung der gesamten öffentlichen Neuverschuldung ist zu schaffen, wenn wir unsere Instrumente gemeinschaftlich gebrauchen.

    (Abg. Dr. Jenninger: Sehr richtig!)

    Niemand sollte da Streit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden säen. Wer aber da so leichthin angesichts dieser gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden von Finanzchaos spricht, der versündigt sich an der engen und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den Länderfinanz- und -wirtschaftsministern und der Bundesregierung.

    (Abg. Wehner: Sehr wahr! — Abg. Dr. Barzel: Habt Ihr nicht von der totalen Sanierung gesprochen? — Weitere Zurufe.)

    — Von Chaos — Herr Barzel, ich meine nicht Sie kann nur derjenige faseln, dessen Gedanken von Dunst und Qualm einer aufgeräumten CSU-Versammlung, gelinde gesagt, beeinflußt sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen möchte ich eines klarstellen. Der Bundeshaushalt 1972 wird von den stets arbeitsbereiten und belastungswilligen Kollegen im Haushaltsausschuß kritisch durchleuchtet und ausgehandelt. Wir sollten heute nicht, wie die Engländer sagen, „Contempt of Parliament" begehen, d. h. wir sollten uns vor einer Mißachtung der laufenden Arbeit eines der wichtigsten Ausschüsse dieses Hohen Hauses hüten. Warten wir also seine Arbeitsergebnisse ab.

    (Abg. Dr. Barzel: Nochmal warten?)

    Lassen wir die Dinge in der richtigen Ordnung und Reihenfolge. Kritik und Würdigung des Haushalts 1972 gehören in die zweite und dritte Lesung des Etats. Dort sprechen wir uns wieder.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Nach den Wahlen in BadenWürttemberg! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)




    Bundesminister Dr. Schiller
    Wirtschafts- und finanzpolitisch halten wir unser Haus in Ordnung. Das sollte auch für jedes Land gelten. Es gibt keine Extravaganzen, keine Extrawürste

    (Abg. Wohlrabe: In Hannover gibt es Extrawürste!)

    und und keinen Ausgabenrausch.

    (Abg. Wohlrabe: Bei Machens!)

    Vorsicht und Zurückhaltung sind die Leitmotive unseres Handelns.

    (Abg. Wohlrabe: Vor allem beim Familienklüngel!)

    Zugleich orientieren wir uns immer an den spontanen Kräften des Marktes und der Konjunktur.
    Immer wieder habe ich auf die Gefährdungen an der außenwirtschaftlichen Front, an der währungspolitischen Front hingewiesen. Ich sagte schon, am 6. und 7. März 1972 hat Europa einen großen Schritt nach vorn getan. Die Parallelität von wirtschaftspolitischen und währungspolitischen Fortschritten ist nunmehr gesichert. Endlich wird es einen Lenkungsausschuß geben, bestehend aus zehn Mitgliedern, den unmittelbaren Stellvertretern der für die Konjunkturpolitik im eigenen Lande zuständigen Minister. Hinzu tritt das kompetente Mitglied der Kommission. Wir haben alles getan — und wir haben es erreicht —, um diesen neuen Lenkungsausschuß freizuschlagen, freizuhalten von allem Gestrüpp und Verhau, von Zwischenzuständigkeiten und Konsultationsritualen mit anderen Brüsseler Instanzen, die dort, wie wir alle wissen, im Wildwuchs grassieren. Hier ist endlich eine schlagkräftige Instanz geschaffen, in der laufend Informationen ausgetauscht werden, in der laufend Transparenz zwischen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer hergestellt wird, in der die wirtschaftspolitische Konvergenz vorbereitet und in der für die Durchführung der vom Rat gegebenen Orientierung gesorgt wird. Ich sage das hier sehr ungeschützt, aber gerade, weil ich damit einem Anliegen dieses ganzen Hohen Hauses nachkommen möchte: Meine Damen und Herren, dieser Lenkungsausschuß — Herr Barzel, das sollte Sie ganz besonders interessieren —

    (Abg. Dr. Barzel: Ich höre ja auch sorgfältig zu!)

    kann im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Keimzelle, zu einem politischen Aktionszentrum erster Ordnung werden. Dies sollten wir alle begrüßen.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl, Herr Oberlehrer!)

    Für die Intervention unserer Notenbanken auf den Devisenmärkten haben wir gemeinschaftliche und verbindliche Regeln beschlossen. Wenn Sie so wollen: wir haben den ersten europäischen Regelmechanismus eingerichtet. In Zukunft wird Währungspolitik auf der Basis der Washingtoner Beschlüsse im Rahmen der Gemeinschaft nur noch konzertiert gemacht. Alle haben aus den Erfahrungen des vergangenen Jahres gelernt. Deshalb kamen wir zu diesem hervorragenden Kompromiß.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Barzel: Das ist doch voriges Jahr schon mal gewesen!)

    Ich sagte schon, mit diesen Beschlüssen des Ministerrats ist Europas Position im Weltwährungssystem gestärkt, ja, ist Europas Position in der Weltwirtschaft gestärkt worden. Wir werden diese Position weiter festigen. Dieses Europa kann gerade im Angesicht der drängenden transatlantischen Probleme seine eigenen Kräfte in enger Allianz mit den USA mehr denn je entfalten.
    Aber, meine Damen und Herren, dieses verstärkte und gestärkte Europa blickt nach West und Ost. In Osteuropa ist der Prozeß der weiteren Industrialisierung, der weiteren Entwicklung jener großen und kleinen Volkswirtschaften, unausweichlich. Wir alle sollten diesen Vorgang, einen Vorgang weltwirtschaftlichen Ausmaßes, begrüßen. Aber die Bundesrepublik Deutschland und mit ihr die gesamte Europäische Gemeinschaft können bei diesem Prozeß der Entwicklung in Osteuropa nicht abseits stehen. Vielmehr haben wir doch in jenem gewaltigen Entwicklungsvorgang eine Funktion zu übernehmen, die unserer Lage, unserer ökonomischen Kraft und der Anpassungsfähigkeit und der Vielseitigkeit unseres Produktionsapparats entspricht.
    In Kürze wird es Klarheit darüber geben, daß ein neuer Handelsvertrag zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland zustande kommt.

    (Abg. Wehner: Sehr gut!)

    Auch die deutsch-sowjetische Wirtschaftskommission wird ihre Arbeit sehr bald aufnehmen können. Meine Damen und Herren, ich weiß, daß die interessierte deutsche Wirtschaft auf einen solchen Vertrag Wert legt, ja, daß sie die Notwendigkeit der politischen Absicherung eines solchen Handelsvertrags bejaht. Wirtschafts- und währungspolitische Integration im Westen, ökonomische Kooperation nach dem Osten, — das ist für uns, das ist für diese Bundesregierung ein Ganzes.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es gibt manche — auch in diesem Hause —, die in diesen Tagen diese Zusammenhänge nicht sehen wollen. In der Entscheidung um diese ausgewogene Politik ist es vielleicht unausweichlich, daß einige Späne abfallen. Aber diese Späne, die hin und wieder die Grenzlinien der Entscheidung wechseln, fallen letztlich nicht ins Gewicht. Jene Späne, von denen ich spreche, werden schnell vom Winde verweht sein. Entscheidend ist die Kraft der historischen Tatsache,

    (Abg. Breidbach: Jetzt kommen die großen Sprüche! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    daß unserer Wirtschaft in einer erstarkten Europäischen Gemeinschaft nun gerade durch die Ostverträge neue Chancen eröffnet werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. —Abg. Wohlrabe: Wofür die Ostverträge alles herhalten müssen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)




    Bundesminister Dr. Schiller
    So wende ich mich in diesem Augenblick ganz besonders an die deutsche Wirtschaft. Die deutsche Wirtschaft sollte in den Auseinandersetzungen um jene Seite unserer Politik nicht im Schatten bleiben.

    (Unruhe bei der CDU/CSU. — Abg. Breidbach: Da werden Geschäftchen versprochen!)

    Sie sollte jene Seite unserer Politik prüfen und dabei ihre eigenen Interessen im Rahmen des Ganzen erkennen. Die deutsche Wirtschaft sollte aus dem unpolitischen Schatten heraustreten.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Sie sollte ihre Stimme erheben für eine internationale Politik der Vernunft und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

    (Abg. Haase [Kassel] : Vetternwirtschaft! — Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auch die deutsche Wirtschaft des Jahres 1972 kann nicht außerhalb der außenpolitischen Auseinandersetzungen dieser Zeit stehen. Auch das gehört, nebenbei gesagt, zum Jahreswirtschaftsbericht.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Haase [Kassel] : Wann kommt denn die Vetternwirtschaft?)

    Unser Volk ist durch die Probleme der Verträge mehr denn je politisiert.

    (Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Das kann man wohl sagen!)

    Es ist mit Recht aufgewühlt von dieser tiefgreifenden Problematik, und das ist gut so.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Aber die Stimme unserer Unternehmerschaft, die doch ein Symbol unserer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung ist,

    (Abg. Stark [Nürtingen] : Hören Sie mal die Jungsozialisten, was die dazu sagen!)

    sollte hier nicht stumm bleiben. Und ich sage zu den Unternehmern: Heute und in den kommenden Wochen werden auch dort Bekenner gefragt.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich danke dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen für die Einbringungsrede. Wir verbinden die Aussprache zu den Punkten 3 a und 3 b. Bevor ich das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann erteile, für den 55 Minuten Redezeit beantragt sind, habe ich die Ehre, eine Delegation der französischen Nationalversammlung unter Leitung des ersten Vizepräsidenten La Combe zu begrüßen. Es ist seit langer Zeit wieder die erste Begegnung. Wir freuen uns, heute die offizielle Delegation der französischen Nationalversammlung bei uns im Deutschen Bundestag und damit in der Bundesrepublik Deutschland herzlich willkommen zu heißen.

(Lebhafter Beifall.)

Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Müller-Hermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies war die schwächste und enttäuschendste Einführungsrede, die es je gab.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und Zurufe bei der SPD.)

    Es wäre besser gewesen, der Herr Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen hätte sich konkreter zum Jahreswirtschaftsbericht und zu den Fragen geäußert, auf die die Öffentlichkeit eine Antwort erwartet,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    statt hier eine polemische und blumenreiche Debattenrede zu halten.

    (Abg. Haase [Kellinghusen]: Das hat euch nicht geschmeckt!)

    Der Herr Kavalier Schiller

    (Abg. Haase [Kassel]: Der Bundesbeauftragte für Vetternwirtschaft!)

    hätte in weiten Passagen, glaube ich, besser Zurückhaltung üben sollen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

    Meine Damen und Herren, jeder, der politisch handelt, muß sich an dem messen lassen, was er versprochen und was er gehalten hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das gilt für die Opposition, aber das gilt besonders für die Regierung.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Anspruch und Wirklichkeit, Wahrheit und Dichtung sind die Eckwerte auch der wirtschaftspolitischen Beurteilung.
    Bei der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht 1970 hat Herr Schiller erklärt: „Vor allem dürfen wir nicht in der schlechtesten aller Welten landen, nämlich bei Stagnation ohne Stabilität." Und genau das ist die Situation, in die uns diese Bundesregierung hineinmanövriert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Das ist ja nicht wahr!)

    Als die Bundesregierung Brandt das Ruder in die Hand nahm, hatten wir eine Preissteigerungsrate von 2,7 %, und 1970 erklärte Herr Schiller: Eine Preissteigerungsrate von 3,5 % ist uns noch viel zuviel. Er fügte damals hinzu: Auch eine anvisierte Preissteigerungsrate des privaten Verbrauchs von 3 % im Jahresdurchschnitt ist nicht befriedigend; sie entspricht auch nicht unseren mittelfristigen Zielsetzungen. — Das war der Anspruch, meine Damen und Herren. Im Jahre 1971 hatten wir dann eine Preissteigerungsquote von 5,2 % und in den letzten Monaten des vergangenen Jahres, um die Jahreswende, eine Preissteigerungsrate von 5,9 und 5,8%. Das ist die Wirklichkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn wir im Augenblick auch vielleicht eine abflachende Entwicklung zu verzeichnen haben, so



    Dr. Müller-Hermann
    haben wir doch die bei weitem höchste Inflationsrate der Nachkriegszeit.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung war angetreten, nicht nur Preisstabilität, sondern auch Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung zu garantieren, und hatte dafür so der Herr Minister Schiller — das beste Instrumentarium der Welt zur Verfügung. Das war der Anspruch. Tatsächlich hat die Bundesregierung alle drei Ziele in Gefahr gebracht.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Herr Minister Schiller hat gesagt: Rezession findet nicht statt. Sein Wort in Gottes Ohr! Das reale Wirtschaftswachstum liegt aber derzeit bei Null.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung war angetreten, übermäßige Konjunkturausschläge zu verhindern. Wir sind aber dabei, von einem Extrem ins andere zu verfallen.
    Die Regierung war angetreten, große innere Reformen zu verwirklichen. Übriggeblieben sind Reformruinen, sind Löcher in allen öffentlichen Haushalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Übriggeblieben sind Bundesunternehmen, die durch die Schuld dieser Bundesregierung immer tiefer in die roten Zahlen geraten. Das ist die Wirklichkeit.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun hat uns Herr Schiller im Jahreswirtschaftsbericht 1972 für das Jahr 1972 eine Preissteigerungsrate von 4,5 % prophezeit, und er bezeichnet das als einen erheblichen Fortschritt in Richtung auf Preisstabilität.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Nun, meine Damen und Herren, wenn sich dieses Ziel tatsächlich erreichen ließe, so wäre das mit Sicherheit nicht befriedigend, aber immerhin ein gewisser Hoffnungsschimmer. Ich meine bloß, Herr Minister Schiller: damit, daß Sie sich hier selbst — auch heute — Mut zusprechen, werden die Probleme mit Sicherheit nicht gelöst.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn auch nicht das Geringste spricht dafür, daß Herrn Schillers bewundernswerter Optimismus im Jahre 1972 gerechtfertigter sein wird als 1971.

    (Abg. Breidbach: Sehr gut!)

    Denn im vorjährigen Jahreswirtschaftsbericht, Herr Minister Schiller, hatten Sie eine durchschnittliche Preissteigerungsrate von 3 % vorausgesagt. Tatsächlich ist eine völlig andere Entwicklung eingetreten. Und die für Dezember vorausgesagten und die tatsächlichen Werte klaffen um etwa 100 % auseinander.

    (Abg. Haase [Kassel] : Die Voraussagen haben doch noch nie gestimmt! — Zuruf von der CDU/CSU: Der weiß doch alles!)

    Auch hier Anspruch und Wirklichkeit, meine Damen und Herren.
    Wir sollten das auch nicht mit dem internationalen Vergleich beschönigen. Wir sind auf dem besten
    Wege, uns in die internationale Spitzengruppe vorzurobben. Als wir in der Debatte über den vorjährigen Jahreswirtschaftsbericht auf Grund eigener Analysen darauf hinwiesen, eine Preissteigerungsrate von 4 % schiene uns wahrscheinlicher, hat Herr Minister Schiller über die Opposition einen Kübel von Hohn ausgeschüttet.

    (Zurufe von der CDU: Jawohl! Genau!)

    Er sprach von einer „Subkultur", in der sich die Opposition bei ihren Befragungen und Ermittlungen offenbar bewegt habe.
    Nun, meine Damen und Herren, die Quintessenz der Prognosen für 1972 muß doch auf Grund aller bisherigen Erfahrungen bleiben: Wer sich immer wieder in seinen Prognosen irrt, der kann doch nun beim besten Willen nicht erwarten, daß man heute seinen Voraussagen Glauben schenkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, was jetzt zu tun ist, ist eine nüchterne und ungeschminkte Bestandsaufnahme notwendig. Ich sage das ohne dramatische Akzente, aber auch ohne euphorische Klimmzüge, wie sie die Rede von Herrn Schiller enthielt, die obendrein noch mit einigen Unwahrhaftigkeiten durchsetzt war.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Unruhe bei der SPD.)

    — Ich komme noch darauf. Wie ist die wirtschaftliche Lage tatsächlich zu sehen?
    Erstens. Am ehesten scheint die Welt auf dem Arbeitsmarkt noch in Ordnung zu sein. Trotz der gerade in der letzten Zeit zunehmenden Unsicherheit liegt die Arbeitslosenquote nicht nennenswert über der in den vergangenen Jahren. Dabei dürfen wir aber nicht übersehen: diese relativ günstige Entwicklung ist nicht zuletzt auch eine Folge des milden Winterwetters, und auch die strukturellen Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt — etwa der natürliche Abgang von Erwerbspersonen — drücken die Arbeitslosenquote nach unten. Entscheidend und ein echter Konjunkturpuffer ist der ausländische Arbeitsmarkt. Immerhin sind in den letzten Monaten etwa 110 000 ausländische Arbeitskräfte zurückgegangen. Trotzdem — machen wir uns bitte nichts vor ist die Vollbeschäftigung durchaus nicht ungefährdet. Ein Anhalten der jetzigen Kostenentwicklung muß insbesondere für die exportorientierte Industrie zur Einschränkung von Produktionen oder auch zu der Überlegung führen, ob man nicht Produktionen ins Ausland verlagern muß.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU!)

    Zweitens. Entscheidend für die zukünftige Entwicklung ist das reale Wachstum unserer Wirtschaft. Im Jahre 1971 ist es auf 2,9 % abgesunken, in den letzten beiden Vierteljahren 1971 bis auf Null, ja sogar unter Null,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    und niemand sollte sich hier durch Zuwachsraten blenden lassen, die nur durch die Geldentwertung aufgebläht sind, aber nicht mehr sind als Papieraussagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Dr. Müller-Hermann
    Das Ifo-Institut hat für 1972 einen realen Rückgang der Investitionen um 9 % vorausgesagt. Zwar wird unsere Konjunktur nach wie vor von einer starken Verbrauchernachfrage getragen, wie gerade auch die Steigerung der Einzelhandelsumsätze in den letzten Monaten zeigt. Die Achillesferse der gegenwärtigen Konjunktursituation ist die Investitionsgüterindustrie. Die starken Ertragseinbußen, die Erschwernisse im Exportgeschäft und die ja regierungsamtlich bestätigten „Absurditäten" in der Steuerreform und dazu die allgemeine politische Unsicherheit werden auf absehbare Zeit kaum einen Anreiz für große Investitionsvorhaben geben. Im Gegenteil, alle Unternehmen schalten derzeit auf Sparflamme. Um so mehr muß man sich wundern, wie sehr die Bundesregierung schon wieder den Mund vollnimmt, wenn sie das reale Wirtschaftswachstum für 1972 im Jahreswirtschaftsbericht auf 2 bis 3% einschätzt. Um das zu erreichen, müßte in der zweiten Jahreshälfte der reale Wirtschaftswachstumszuwachs etwa bei 5 oder 6 % liegen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Hier kann man nur sagen: entweder gibt sich diese Bundesregierung Illusionen hin, oder man lügt sich oder anderen etwas in die linke Tasche.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auch von der Diskontsenkung sind keine Wunder zu erwarten, nicht zuletzt deshalb, weil eben die öffentlichen Hände genötigt sind, den Kapitalmarkt sehr stark in Anspruch zu nehmen, und damit der Kapitalzins sicherlich stark in die Höhe getrieben wird. Immerhin wird die Nettokreditaufnahme von Bund, Ländern und Gemeinden in diesem Jahre einschließlich Bahn und Post bei 29 % liegen. Ohne Bahn und Post wird sie um 50% über der des Vorjahres liegen. Auch das ist ein Rekord, der nicht ohne gesamtwirtschaftliche Folgen bleiben kann.
    Drittens. Die Preis- und Kostenentwicklung wird auch von der Bundesregierung — auch heute von Herrn Schiller — als nicht befriedigend anerkannt. Nun, Selbsterkenntnis ist immerhin der erste Weg zur Besserung. Wir fragen da nur die Bundesregierung, warum sie denn bisher so wenig getan hat, da es doch diese unbefriedigende Preisauftriebsentwicklung nicht erst seit heute gibt.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung beschönigt aber auch wieder in ihrem Jahreswirtschaftsbericht, daß die Preissteigerungsraten dieses Jahres mehr oder weniger vorprogrammiert sind, und da spielen doch gerade die staatlich geregelten Preise eine ganz entscheidende Rolle. Ich wundere mich bloß, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister hier einen so eindringlichen Appell an die private Wirtschaft richtet, aber die inflationären Steigerungsquoten, die von den öffentlich administrierten Preisen und natürlich auch von den Steuererhöhungen ausgehen, unerwähnt läßt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir müssen bei einer nüchternen Betrachtung davon ausgehen, daß es aus den Lohnrunden des vergangenen Jahres noch einen ganz erheblichen Überhang gibt, rdaß wir auch einen Nachholbedarf im preislichen Bereich bei den Agrarprodukten haben, der zweifellos auf die Lebenshaltungskosten nicht unerheblich durchschlagen wird. Es ist einmal nötig, darauf hinzuweisen, daß in den Jahren von 1969 bis 1971 der Produktivitätsfortschritt unserer Wirtschaft nicht einmal ein Drittel der Lohn- und Gehaltssteigerungen ausgemacht hat; von 1969 bis 1971 hatten wir einen Ldhn- und Gehaltszuwachs von etwa 41 %, aber nur einen echten Produktivitätsfortschritt von etwa 13 %. Die Folge ist, daß in den beiden iletzten Jahren allein die Lohnstückkosten um 25% angestiegen sind.

    (Abg. Dr. Giulini: Man kann eben nicht mehr Geld ausgeben, als man hat!)

    Schließlich hat die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den öffentlichen Haushalten ihre verheerenden Spuren hinterlassen. Hier kann man wirklich nur von dem Teufelskreis der Inflationspolitik sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn von der überproportionalen Aufblähung der öffentlichen Haushalte ist in besonderem Maße ein inflationärer Schub ausgegangen, und jetzt schlagen die Folgen der Inflation mit der Kostenexplosion wieder auf ,die öffentlichen Haushalte zurück.

    (Zurufe von der SPD.)

    Die Folge ist — bitte, hören Sie gut zu, meine Damen und Herren —, daß der reale staatliche Anteil am Produktionspotential erheblich zurückgegangen ist, und zwar von 281/2% im Jahre 1966 auf 26,7% im Jahre 1971. Diese Entwicklung zeigt nach meiner Auffassung zweierlei sehr eindringlich: erstens, wie völlig falsch die These ist, ,daß die Inflation den Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben begünstige,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    und zweitens, daß die Bundesregierung selbst mit ihrer Inflationspolitik ihr Lieblingsvorhaben zum Scheitern gebracht hat, die öffentlichen Dienstleistungen qualitativ und quantitativ zu verbessern. Nicht zuletzt — ich muß das hier noch einmal erwähnen — sind gerade die großen Dienstleistungsunternehmen des Bundes die Opfer der Wirtschaftspolitik dieser Regierung geworden. Der Ausgleich immer neuer Defizite bei Bahn, Post, Ruhrkohle, Lufthansa wird die öffentlichen Haushalte in einer Weise belasten, die in erster Linie zu Lasten der Zukunftsinvestitionen gehen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mit aller Deutlichkeit muß für die politischen Verantwortlichen und vor allem vor dem deutschen Volk festgehalten werden, daß diese Regierung leichtfertig die Geldwertstabilität verspielt hat und damit eben nicht nur ein Regierungsprogramm — das ließe sich noch hinnehmen , sondern letztlich den Forschritt in unserem Lande und die Sicherung unserer Zukunft.
    Wie ist es nun zu dieser fast ausweglosen Situation gekommen? Die Bundesregierung hat fünf kardinale Fehler begangen, die zugleich fünf kardinale Schwächen dieser Koalition bloßlegen.



    Dr. Müller-Hermann
    Erstens. Die Politik der Regierung Brandt war von vornherein auf eine allgemeine Überforderung des Produktionspotentials angelegt. Das fing schon bei der Regierungserklärung mit der Ankündigung aller nur denkbaren Reformvorhaben bei gleichzeitigen Steuersenkungsversprechen an.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Durch die großspurigen Ankündigungen wurde doch
    allgemein der Eindruck erweckt, es sei schließlich
    alles machbar und darstellbar, wenn man nur wolle.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Dadurch wurde der Keim für jene psychologische Grundstimmung in unserem Volk gelegt, die allenthalben im öffentlichen wie im privaten Bereich überhöhte Ansprüche aufkommen ließ. Bezeichnend ist, daß auf der letzten Sitzung des Finanzplanungsrates — Herr Minister Schiller, Sie werden das vielleicht bestätigen können — die Ländervertreter, und zwar quer durch alle politischen Schattierungen, darauf hingewiesen haben, daß für die übermäßige Ausweitung der Länderhaushalte die Reformillusionen und die von der Bundesregierung selbst geschaffene Inflationsmentalität verantwortlich seien.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Die Länder sähen sich angesichts der von der Bundesregierung gesetzten Zielsetzungen jetzt außerstande, ihre Ausgabenflut einzudämmen. Diese Feststellung der Ländervertreter ist im Grunde eine Anklage an die Adresse dieser Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung hat es außerdem unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Inanspruchnahme großer Mittel für die Durchführung staatlicher Aufgaben nur dann gutgehen kann, wenn bei den zusätzlichen Ansprüchen an die Leistungskraft unserer Wirtschaft — und dann folgerichtig im privaten Bereich — eine entsprechende Zurückhaltung an den Tag gelegt wird. Die Bundesregierung meinte, ungestraft mehr verteilen zu können, als erwirtschaftet wurde. Das ist der Grund für die heutige Misere.
    Franz Josef Strauß, meine Damen und Herren, hat Ihnen einen geordneten Haushalt mit vollen Kassen hinterlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was haben Sie daraus gemacht!?

    (Abg. Breidbach: Alles verfrühstückt!)

    Schon nach eineinhalb Jahren war soviel verwirtschaftet, daß Ihrem damaligen Finanzminister Alex Möller nichts anderes mehr übrigblieb, als seinen Hut zu nehmen, um damit ein deutliches und warnendes Signal zu setzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Giulini: Der hat noch Haltung bewiesen! —Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ihre Haushalts- und Finanzpolitik war und ist unseriös und unverantwortlich. Das isst ein weiterer Grund für die Misere, in die wir hineingeraten sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zum zweiten. In ihrem Hang, es jedermann recht machen zu wollen, hat die Bundesregierung mit der Abgabe von Vollbeschäftigungs- und Absatzgarantien gerade in der Phase der Hochkonjunktur ihre eigenen Maßhalteappelle konterkariert.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Die Freiheiten, die ein wesentliches Element unserer freiheitlichen Grundordnung sind und bleiben sollen, dürfen gerade von den starken gesellschaftlichen Gruppen nicht als eine Aufforderung zur Zügellosigkeit und Disziplinlosigkeit verstanden werden. Freiheit funktioniert nur — das gilt nicht nur für den wirtschaftlichen Bereich —, wenn sie sich auch stets der Bindungen und der Pflichten bewußt zeigt. So müßten und müssen auch die beiden Tarifpartner in dem Bewußtsein gestärkt werden, daß ihre Handlungen nachteilige Konsequenzen für die Allgemeinheit, aber auch für sie selbst haben, wenn das gesamtwirtschaftlich vertretbare Maß überschritten wird. Meine Damen und Herren, hier hätte der Herr Bundeskanzler mit der Autorität seines Amtes zum richtigen Zeitpunkt eine wichtige Aufgabe gehabt, nämlich betont darauf hinzuweisen, daß die Überforderung der wirtschaftlichen Leistungskraft in erster Linie zu Lasten der schwächsten Glieder unserer Gesellschaft geht,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    der Rentner, der kinderreichen Familien, der Sparer. Statt dessen kam in dieser Phase der Hochkonjunktur aus dem Regierungslager die bekannte Unter-dem-Strich-Rechnung, die ein wahres Paradebeispiel für die Inflationsmentalität innerhalb der Bundesregierung war und ist. Schon jetzt zeigt sich mehr und mehr, wie fragwürdig und kurzlebig diese Unter-dem-Strich-Rechnung ist. Bereits als die Lebenshaltungskosten um 4 % anstiegen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung darauf hingewiesen, daß die Lohnerhöhungen bei 81/2% liegen müßten, wenn man das reale Einkommensniveau der Arbeitnehmer erhalten wollte. Wie sieht denn diese Unter-dem-Strich-Rechnung, meine Damen und Herren, im Jahre 1972 aus? Wenn Sie ehrlich sind, Herr Minister Schiller, dann müssen Sie zugeben, daß 1972 von den Lohn- und Gehaltssteigerungen günstigstenfalls Null, nichts übrigbleiben wird.

    (Abg. Haase [Kassel] : Für Herrn Machens bleibt mehr übrig! — Zuruf des Abg. Lenders.)

    — Das können Sie sich ganz einfach ausrechnen, Herr Lenders.
    Drittens. Die Bundesregierung hat keinen Mut gehabt, das konjunkturpolitische Instrumentarium zu nutzen, um das Konjunkturschiff in ruhigere Gewässer zu steuern. Auf zwei Dinge muß man hier besonders hinweisen.
    Erstens. Wie sehr sich die Bundesregierung zum Gefangenen ihrer eigenen Politik gemacht hat, das zeigt nun gerade das Schicksal des Konjunkturzuschlags. Der Konjunkturzuschlag wurde bei einer Preissteigerung von 3,8 % eingeführt, um die allgemeine Nachfrage und die Preise zu dämpfen. Er



    Dr. Müller-Hermann
    lief dann bei einer Preissteigerung von 5,3 % aus, und jetzt wird die Rückzahlung verkündet, wo wir eine Preissteigerung um 6 % haben. Natürlich, meine Damen und Herren, müssen wir schon um der Glaubwürdigkeit des Parlaments willen die Rückzahlung des Konjunkturzuschlags bis zu dem durch Gesetz festgelegten Termin durchführen. Ja, die Unionsfraktion hätte es unseren Mitbürgern gegönnt, wenn der zurückzuzahlende Betrag auch noch den gleichen Wert gehabt hätte wie zum Zeitpunkt der Einziehung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Anzuprangern bleibt aber — das können Sie doch hier nicht verwischen, Herr Minister Schiller , daß diese Art von Konjunktursteuerung jeder, aber auch jeder inneren Logik entbehrt, ja, wirklich wie die Faust aufs Auge paßt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn Sie jetzt in diesem Zusammenhang von einer Verhedderung und einer Fummelei sprechen, so kann ich das nur an Ihre eigene Adresse zurückgeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Erhebung des Konjunkturzuschlages hat sich rückschauend konjunkturpolitisch als ein völliger Schlag ins Wasser erwiesen, und seine Rückzahlung wird — dafür sprechen alle Indizien — die Konsumnachfrage weiter anheizen und damit den Preisauftriebstrend verstärken.
    Das zweite. Das Fehlen eines konjunkturwirtschaftlichen Binnenprogramms zwang 1970 die Bundesbank, in die Bresche zu springen. Die Bundesregierung ging damals den Weg des geringsten Widerstandes. Die Bundesbank mußte den Diskontsatz auf 71/2% anheben; übrigens auch ein Nachkriegsrekord. Dabei hatte Herr Schiller noch am 17. Februar 1970 erklärt, die Kredit- und Kapitalzinsen könnten nicht länger auf dem gegenwärtigen Mount-Everest-Niveau gehalten werden, und dann kam die Anhebung des Diskontsatzes. Die Folgen dieser Hochzinspolitik haben unsere mittelständische Wirtschaft natürlich außerordentlich betroffen. Zum anderen waren die Dollarzuflüsse, die das monetäre Schmiermittel für die hausgemachte Inflation lieferten, zu einem großen Teil, wenn auch gewiß nicht allein, Herr Minister Schiller, die Folge der deutschen Hochzinspolitik. Die Bundesregierung hat doch durch ihre eigene Handlungsweise die Spekulation jedenfalls erst so richtig auf den Plan gerufen. Wenn Sie heute hier erklären, das habe mit der Hochzinspolitik nichts zu tun gehabt, sondern sei alles nur auf die Situation des Dollars zurückzuführen, so darf ich Sie auf Ihren eigenen Jahreswirtschaftsbericht verweisen, in dem es auf Seite 29 heißt:
    In dieser Zeit
    das war Mitte des vorigen Jahres —
    strömte ein erheblicher Teil der im internationalen Verkehr befindlichen Geld- und Kapitalbeträge in das Bundesgebiet ein, weil ein beträchtliches Zinsgefälle zum Ausland bestand und im Frühjahr 1971 immer stärkere Aufwertungserwartungen hinzutraten.
    Das sind die Tatsachen.
    Damit sind wir bei Punkt vier der Fehlerskala angelangt. Viel zu sehr, meine Damen und Herren, hat diese Bundesregierung von vornherein die Währungspolitik als ein Instrument zur Steuerung der Binnenkonjunktur angesehen und eingesetzt. Durch die konjunkturpolitische Passivität der Bundesregierung geriet sie in einen wachsenden Widerstreit zu ihren weltwirtschaftlichen Verpflichtungen. Das hätte sie viel früher erkennen müssen. Die Freigabe der Wechselkurse war doch mit Sicherheit nicht, wie Sie das heute hinstellen, eine von Anfang an geplante Aktion. Sie glich mehr der Tat eines Verzweifelten, der Hals über Kopf die Flucht vor Problemen ergreift, die er selbst zuvor in die Welt gesetzt hat.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung hat es eben an einer rechtzeitigen und systematischen Abstimmung mit ihren europäischen Partnern im vergangenen Jahr fehlen lassen. Auch hier trägt der mit seiner Ostpolitik damals besonders engagierte Bundeskanzler sein gerüttelt Maß an Verantwortung.

    (Zuruf von der SPD: Unsinn, was Sie da erzählen!)

    Denn, meine Damen und Herren, viel zerschlagenes währungspolitisches Porzellan in und außerhalb der EWG ist sicherlich nicht zuletzt auf die recht schulmeisterliche und überhebliche Art des deutschen Verhandlungsführers zurückzuführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auf jeden Fall war ,das völlig unzulängliche und nicht abgestimmte Krisenmanagement der Bundesregierung für einen erheblichen Teil der Probleme verantwortlich, die dann vorläufig durch die Konferenz von Washington gelöst schienen. Wir wissen aber heute, meine Damen und Herren, daß diese Lösung in ihrer Wirkung eben auch nur sehr begrenzt war und daß uns neue währungspolitische Probleme aufgehalst wurden. Mit Sicherheit — ich nehme an, hier befinden wir uns mittlerweile auch in Übereinstimmung mit der Bundesregierung — werden wir uns noch einmal wirtschafts- und währungspolitische Alleingänge wie im vergangenen Jahr nicht leisten können, wenn nicht noch mehr politisches Porzellan innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu Bruch gehen soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das fünfte. Diese Bundesregierung hat schließlich um ihre wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziele erhebliches Zwielicht entstehen lassen und bestehen lassen. Niemand im Lande verläßt sich mehr darauf, daß die Kräfte, die diese Bundesregierung tragen, in ihrer Gesamtheit auf dem Boden unserer marktwirtschaftlichen Grundordnung stehen. Innerhalb der Sozialdemokratischen Partei und Fraktion gewinnt eine Fraktion immer stärker an Boden, die das Heil der Menschen in einem marxistischen Staats- und Wirtschaftsmodell sieht und das Prinzip von Wettbewerb und Leistung ablehnt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wie sehr diese Fraktion nach vorne drängt und sich
    durchzuboxen versucht, lesen wir fast jeden Tag



    Dr. Müller-Hermann
    erneut in den Zeitungen. Ich verweise nur auf die Beispiele von Bremen und München.

    (Erneuter Beifall bei .der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel: Jawohl!)

    Bundeskanzler 'Brandt und die SPD lassen es zu, daß das gesellschaftliche Klima durch eine emotionale, ideologisch gefärbte Kampagne zunehmend vergiftet wird.

    (Zuruf von der SPD: Durch die CDU/CSU!)

    Der SPD-Sonderparteitag zur Steuerreform hat ebenfalls klar gezeigt, daß es sich bei den Vertretern dieses Gedankengutes nicht etwa um eine sektiererische Minderheit, sondern eben um eine sehr ernst zu nehmende Strömung handelt, die wahrscheinlich in der zweiten Hälfte der 70er Jahre und in den 80er Jahren die Politik der Sozialdemokratischen Partei bestimmen wird.

    (Zuruf von der SPD: Sie haben doch überhaupt keine Vorschläge!)

    Diese Situation innerhalb der derzeitigen stärksten Regierungspartei schafft eben kein Klima, in dem sich Unternehmer ermutigt fühlen können,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    längerfristige Dispositionen zu treffen und sich mit ihrem Kapital zu engagieren. Die Marktwirtschaft funktioniert aber nur dann, wenn die Unternehmer Risiken eingehen. Und sie können nur Risiken eingehen, wenn diese sich in einem kalkulierbaren Rahmen bewegen. Der Bundeskanzler selbst hat einmal die Wirtschaft als Kuh bezeichnet, die man melken will. Man könnte auch sagen: sie ist das Pferd, das den Karren unserer ganzen Gesellschaft zieht. Der Karren unserer Gesellschaft wird mit seinen vielen Ansprüchen immer schwerer. Deshalb muß man auch das Pferd gesund und leistungsfähig halten, sonst funktioniert die Sache eben nicht.
    Was muß nun in dieser Situation geschehen? Zunächst ein Wort zu der Frage nach den sogenannten Alternativen. Die erste Alternative wäre ein Bundeskanzler, der wirklich die Richtlinien der Politik bestimmt,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Matthöfer: Ein Bundeskanzler, der wie Herr Strauß die Richtlinien bestimmt?)

    ein Bundeskanzler, der einen klaren Kurs erkennen läßt, der seine Führungsmannschaft auf einen gemeinsamen Nenner bringt,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    der den Rest seiner Führungsmannschaft daran hindert, dem wirtschaftspolitischen Steuermann in den Arm zu fallen, wenn dieser wirklich einmal den richtigen Kurs steuern will,

    (Abg. Ott: Er „holzt" ja!)

    ein Bundeskanzler, der mehr Verständnis für die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge aufbringt,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Breidbach: Sehr gut!)

    ein Bundeskanzler, der nicht erst nach zweieinhalb Jahren Regierungszeit bei der letzten, aber sicherlich nicht allerletzten Schiller-Krise vor seiner Fraktion erklären muß, er werde sich in Zukunft auch um die Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik kümmern.

    (Hört! Hört! und Beifall bei der CDU/CSU. Abg. Dr. Barzel: Er ist gar nicht da!)

    Gerade aus der Sicht der gegenwärtigen Koalition ist die Frage nach den Alternativen eigentlich sehr, sehr vordergründig. Sie ist mehr ein Ablenkungsmanöver.

    (Zuruf von der SPD: Bringen Sie doch welche!)

    Ich komme darauf. Die Frage nach den Alternativen aus Ihren Reihen, meine Damen und Herren, ist im Grunde ein Armutszeugnis.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich entsinne mich auch nicht, daß zu Zeiten einer von der CDU/CSU geführten Bundesregierung die Frage nach den Alternativen eine solche Rolle in der öffentlichen Diskussion gespielt hätte. Die Unionsfraktion ist während ihrer Regierungszeit ihren Weg gegangen, ohne viel nach den Alternativen der Opposition zu fragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Lassen Sie mich noch eines hinzufügen. Gerade die Steuereung der Konjunktur ist nun einmal von der Sache her eine ausgesprochene Aufgabe der Exekutive, denn sie verfügt über die Informationen, sie verfügt über das Instrumentarium. Sie hat Einfluß auf die Konzertierte Aktion. Sie kann sich mit der Bundesbank absprechen. Es ist doch nicht Sache der Opposition, der Bundesregierung zu sagen, sie solle einmal hier oder einmal dort ein Schräubchen anders drehen.

    (Zuruf von der SPD: Ist das schwach!)

    Die Alternative zur jetzigen Koalition ist eine andere politische Konstellation, ist ein anderes politisches Klima, ist eine neue, solide, eine neue, unverbrauchte Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Die Alternative zur jetzigen Politik ist eine entschlossene Politik, die in ihren Ansprüchen vielleicht bescheidener, aber eben darum realistischer ist und die auf diese Weise dem Verbraucher, der Wirtschaft und dem Staat besser dient. Was wir jetzt brauchen, ist eine Regierung, die ihre Arbeit unter den Kernsatz stellt: Solidität und Stabilität.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Die haben wir!)

    Lassen Sie mich das, was wir darunter verstehen, in fünf Punkten zusammenfassen:

    (Zurufe von der SPD. — Abg. Breidbach: Sie wollen die Alternativen noch nicht einmal hören!)

    Erstens. Die Politik der CDU/CSU wird sich mit aller Energie an dem Ziel der Preisstabilität orien-



    Dr. Müller-Hermann
    tieren, gerade um Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum auf Dauer zu sichern. Dazu bedarf es gewiß großer gemeinsamer Anstrengungen, und es gibt mit Sicherheit keine rasche Wiederherstellung zum Normalen,

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD.)

    — Ja, meine Damen und Herren, nach allem, was geschehen, und nach allem, was unter Ihrer Verantwortung unterlassen worden ist,

    (Zurufe von der SPD)

    müssen wir uns auf eine langfristige Sanierung der Wirtschaft einrichten. Da nützt kein Schwitzbad über Nacht mehr.
    Was insbesondere die öffentlichen Hände anbetrifft, werden wir, um es sinnbildlich darzustellen, auch um Schweiß und Tränen nicht herumkommen. Alle und voran die öffentlichen Hände werden sich ein erhebliches Maß an Zurückhaltung auferlegen müssen, gerade damit wir unsere zukünftigen Ansprüche an das Sozialprodukt realisieren können. Langfristig müssen wir die zusätzlichen Ansprüche aller Gruppen wieder am Produktivitätsfortschritt unserer Wirtschaft orientieren. Die Überforderung der letzten Jahre kann nicht zu einem guten Ende führen. Kurz- und mittelfristig werden wir in diesem Konsolidierungsprozeß sicherlich behutsam vorgehen müssen, um es nicht zu Zusammenbrüchen in der Wirtschaft und zu Einbrüchen in die Vollbeschäftigung kommen zu lassen, was wir alle nicht wünschen.
    Die Erfahrung zeigt, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es sehr viel schwieriger ist, den gesellschaftlichen Gruppen wieder abzugewöhnen, mit der Inflation zu leben, als Stabilität zu erhalten. Die Inflationsmentalität ist der Ausdruck mangelnden Vertrauens in Geldwert und Politik. Gewerkschaften und Unternehmer, Verbraucher und Bauwillige kalkulieren den Geldwertverfall in ihre Dispositionen ein und heizen damit wieder die Inflation an. Die Flucht in die Sachwerte, die sich gerade in den imponierenden Ziffern im Wohnungsbau äußert, hat eben zwei Seiten. Die Rekordziffern von Herrn Lauritzen sind auch Ausdruck dieser Flucht in die Sachwerte, die zu immer neuer Preistreiberei führt. Dies wird sich nur ändern, wenn keine Zweifel aufkommen und aufkommen können, daß eine neue Bundesregierung auch vor unbequemen Entscheidungen nicht zurückschreckt, wenn es darum geht, dem Verfall des Geldwertes Einhalt zu gebieten.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Zweitens. Die Unionsfraktion wird in den Fragen der Ordnungspolitik für einen ganz klaren Kurs sorgen. Mit dem Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft legt sie ein generelles Bekenntnis zu unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung, zum Leistungs-und zum Solidaritätsdenken ab, ein Bekenntnis zu jener Grundordnung, die das deutsche Volk in die Lage versetzt hat, aus Schutt und Trümmern wieder etwas aufbauen zu können, was sich in der ganzen Welt sehen lassen kann. Das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft schließt natürlich das Bekenntnis zum Wettbewerb und zur Weiterentwicklung der Wettbewerbsordnung ein. Dazu gehört aber auch, daß wir unsere Wirtschaft instand setzen, das für die Modernisierung der Betriebe und die Erhaltung der Arbeitsplätze nötige Kapital zu bilden. Auch müssen wir die Industrie sich möglichst frühzeitig auf den Strukturwandel einstellen lassen, der sich unausweichlich aus der technologischen Entwicklung, aber auch auf dem Wege zu einer großräumigen internationalen Arbeitsteilung ergibt.
    Wir müssen — das wird gelegentlich übersehen — immer davon ausgehen, daß auf lange Sicht, auf absehbare Zeit unsere volkswirtschaftlichen Reserven knapp bleiben werden. Das gilt für Arbeitskräfte, das gilt für Kapital, das gilt für die Mittel des Staates. Und wir werden die gesamtwirtschaftliche Produktivität nur dann optimal steigern können, wenn nicht — oft aus politisch gefärbten Motiven und unter entsprechenden Vorwänden, meine Damen und Herren — volkswirtschaftliche Ressourcen auf die Dauer fehlgeleitet werden.

    (Abg. Matthöfer: Z. B. durch eine falsche Bewertung der D-Mark gegenüber dem Ausland!)

    Deshalb kommt der Strukturverbesserung unserer Wirtschaft und der regionalen Erschließung nach unserer Auffassung ganz besondere Bedeutung zu. Dazu gehört, ,daß wir die Produktion mit hoher Wertschöpfung und hohem technischen know-how stark entwickeln. Dazu gehört aber auch, daß wir unsere Steuerpolitik, meine Damen und Herren, nicht in Widerspruch zu den ökonomischen Erfordernissen treten lassen.

    (Zuruf von der SPD: Wo bleibt denn Ihr Rezept?)

    Das dritte: Die Unionsfraktion sieht die Vermögensbildung in breiten Schichten der Bevölkerung und insbesondere die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital nicht als eine isolierte Aktion an, sondern als einen bedeutsamen, ja unerläßlichen Beitrag zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität über verstärkte Investitionen. Und da Sie an uns so häufig die Frage nach den konkreten Alternativen richten, möchte ich Sie hier einmal fragen: wo bleibt denn nun eigentlich Ihre Alternative zur Vermögensbildung?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir wissen doch alle, daß die technische Entwicklung einen ungewöhnlich hohen Kapitaleinsatz bedingt. Kapitalbildung ist praktizierter Konsumverzicht. Heute wird doch unter Ihrer Federführung der Sparer bestraft, der bei einer Steigerung der Lebenhaltungskosten um 6% nur mit einem Spareckzins von 4% rechnen darf. Die Anreize, die wir für die Vermögensbildung geben wollen, setzen die Herstellung eines stabilen Geldwerts voraus. Wer in der Gegenwart auf Konsum verzichtet, muß eben sicher sein können, daß ihm sein Engagement über die Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität auf die Dauer entsprechenden materiellen Vorteil einbringt.
    Das vierte: Die Unionsfraktion wird die Kraft aufbringen, in der Haushaltspolitik eindeutige Prio-

    Dr. Müller-Hermann
    ritäten zu setzen und aril eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte hinzuwirken; mein Kollege Strauß wird dieses Thema noch ausgiebig behanhandeln.

    (Zuruf von der SPD.)

    Aktuelle Aufgabe ist es zunächst, alle Preisstabilisierungstendenzen zu stützen und bei der Konjunkturankurbelung äußerste Vorsicht walten zu lassen. Das gilt insbesondere für die Eventualhaushalte, zumal schon von den Kernhaushalten eine prozyklische Wirkung ausgeht. Ähnliches haben wir heute von Herrn Schiller gehört, nur steht das etwas in Widerspruch zu den Aussagen, die Herr Kollege Hermsdorf als sein Staatssekretär vor wenigen Wochen im „Spiegel" gemacht hat, wo er meinte: jetzt so schnell wie möglich die Eventualhaushalte in Gang setzen.
    Die Verschuldung muß sich in den Grenzen halten, die durch den Kapitalbedarf der Wirtschaft auf der einen Seite und durch die Rücksichtnahme auf die Preisentwicklung auf der anderen Seite gesetzt sind. Wir warnen nachdrücklich davor, meine Damen und Herren, daß Bundesregierung, Länder und Gemeinden auch hier den Weg des geringsten Widerstandes gehen, indem sie die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand übersteigern.
    Fünftens. Die Unionsfraktion wird sehr viel mehr Energie als die jetzige Koalition auf die Politik der europäischen Einigung verwenden. Sicherlich, wir geben uns keinerlei Illusionen über die Schwierigkeiten und Wagnisse hin, die mit der Bildung der Wirtschafts- und Währungsunion verbunden sind. Wir übersehen auch nicht, wie schwierig es sein und bleiben wird, die EWG wirklich zu einer Stabilitätsgemeinschaft zu entwickeln.
    Wichtig und vordringlich ist nach unserer Auffassung, daß bei allen Entscheidungen, die jetzt auf der EWG-Ebene getroffen werden, die Verzahnung von Währungs- und Wirtschaftspolitik gesehen und nicht nur gesehen, sondern auch durchgehalten wird, daß die EWG durch ihre eigene Stabilitätspolitik bei der Neuordnung des Weltwährungssystems selbst der Vorbereiter einer internationalen Stabilitätsgemeinschaft wird, daß sich die EWG auf eine Kooperation mit den Vereinigten Staaten und den anderen Staaten der westlichen Welt einstellt und insbesondere gegenüber den Amerikanern endlich lernt, mit einer Zunge zu sprechen, daß sie sich ihrer Mitverantwortung für die Entwicklungsländer bewußt zeigt und daß sich schließlich alles, was wir kurz- und mittelfristig an pragmatischen Entscheidungen zu treffen haben, langfristig an den Zielsetzungen eines liberalisierten Welthandels und einer funktionsfähigen neuen Weltwährungsordnung orientiert.
    Meine Damen und Herren, gerade meine letzten Ausführungen haben erkennen lassen, daß es zwischen Koalition und Opposition durchaus auch Berührungspunkte gibt, daß wir manches Stück des Weges gemeinsam gehen könnten. So haben wir — ich glaube, Herr Bundesminister Schiller wird das bestätigen müssen — in den Fragen der europäischen Einigungspolitik der Bundesregierung Rükkendeckung und Hilfestellung gegeben, und auch da, wo wir eigene Initiativen entwickelt haben, geschah das nicht zuletzt, um damit unserer Regierung eine Chance zu geben, die Vorstellungen von dem Aufbau einer funktionsfähigen Gemeinschaft wirkungsvoller vertreten zu können. In den Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik und bei den konkreten Entscheidungen, die getroffen werden müssen, kann und darf es unter keinen Umständen zu einer Vernebelung der Meinungsunterschiede kommen.
    Diese Bundesregierung Brandt wird in die deutsche Nachkriegsgeschichte als die Regierung eingehen, die die Inflation zugelassen und durch ihre eigenen Machenschaften gefördert hat und die mit den Problemen ihrer Zeit nicht fertig geworden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie ist eine Bundesregierung, die sich besonders in der Wirtschafts- und Finanzpolitik durch große Worte und kleine Taten auszeichnet.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Abgang von Ministern und der Verschleiß von Staatssekretären — ich begrüße Ihren neuen Staatssekretär — macht doch die ganze Misere dieser Bundesregierung deutlich; denn jeder Rücktritt signalisiert doch ein weiteres Stück Resignation und signalisiert, daß ein gewichtiges Teilprogramm nach dem anderen abgeschrieben werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Breidbach: So ist es!)

    Lenin wird das Wort zugesprochen, daß man eine freiheitliche Ordnung am wirkungsvollsten zerstört, wenn man ihren Geldwert zerstört,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Gerade an diesem fundamentalen Punkt — diesen
    Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen und auch anhören — hat diese Bundesregierung versagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben die große Sorge, daß 'die Kritik an dieser Bundesregierung mehr und mehr zu einer ungerechtfertigten Kritik an unserer freiheitlichen Grundordnung wird und daß die Unfähigkeit dieser Bundesregierung zu einem Beweis für die Unfähigkeit und mangelnde Funktionsfähigkeit unserer marktwirtschaftlichen Ordnung umfunktioniert wird.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Gegen 'diese Verketzerung und Verzerrung der Tatsachen werden ,wir mit aller Energie angehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nimmt man jedenfalls die bisherigen Prognosen der Bundesregierung zum Maßstab, werden sich auch die Hoffnungsschimmer, von denen Herr Minister Schiller heute gesprochen ,hat und die der Jahreswirtschaftsbericht 1972 enthält, nicht weniger als Seifenblasen erweisen wie die Hoffnungsschimmer der beiden letzten Jahreswirtschaftsberichte.
    Meine Damen und Herren, wir brauchen in dieser Situation eine Regierung, die in der Lage ist, Vertrauen auszustrahlen, auf deren Wort Verlaß ist,



    Dr. Müller-Hermann
    die mutig und konsequent handelt, wenn die Umstände es erfordern. Die Regierung Brandt hat ihren Vertrauensvorschuß eingebüßt, weil sie nicht oder weil sie falsch handelt und weil heute jeder spürt, daß man ihren Worten, Reden und Versprechungen nicht trauen kann. Wegen der Ausweglosigkeit ihrer Politik sind Bundesregierung und Koalition in sich selbst brüchig und unsicher geworden. Diese Schwäche einer Regierung, die offenbar selbst nicht mehr sicher ist, ob sie überhaupt noch eine Mehrheit hinter sich hat, ist auch der Kern jenes Unsicherheitsgefühls, das alle Schichten unserer Bevölkerung erfaßt hat. Es besteht eine Vertrauenskrise in diesem Lande.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Deshalb kann die Bevölkerung und können wir nicht an eine Besserung der Dinge glauben, solange diese Bundesregierung im Amt ist.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)