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    Deutscher Bundestag 172. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 9833 A Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1972 (Drucksache VI/3080) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache VI/3156) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksache VI/3157) — Erste Beratung —, mit Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Deutschland- und Außenpolitik (Drucksachen VI/2700, VI/2828) und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen (Drucksache VI/ 1523) — Fortsetzung der Aussprache — Franke, Bundesminister 9833 D Dr. von Weizsäcker (CDU/CSU) . 9837 C Mattick (SPD) 9843 A Amrehn (CDU/CSU) 9849 B Dr. Achenbach (FDP) . . . . . . 9853 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 9859 B Heyen (SPD) . . . . . . . . . 9869 D Dr. Ehmke, Bundesminister . . . . 9885 C Windelen (CDU/CSU) . . . . . . 9897 A Genscher, Bundesminister . . . . 9905 D Strauß (CDU/CSU) . . . . . . . 9909 C Schmidt, Bundesminister . 9916 A, 9934 C Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 9929 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . 9933 C Dr. Wörner (CDU/CSU) . . . . 9935 A Fragestunde (Drucksache VI/3165) Frage des Abg. Cramer (SPD) : Anspruch mongoloider Kinder auf Ausstellung von Schwerbeschädigtenausweisen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 9872 B, C, D Cramer (SPD) . . . . . . . 9872 C, D Fragen des Abg. Vogt (CDU/CSU) : Vorlage des Vermögensbildungsberichts und des Sparförderungsberichts Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . 9872 D, 9873 A, B , C, D Vogt (CDU/CSU) . . . . . . 9873 B, C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Fragen des Abg. Varelmann (CDU CSU) : Einschränkung der von den Landesversicherungsanstalten gewährten Leistungen für Zahnersatz Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9873 D, 9874 A, C, D, 9875A Varelmann (CDU/CSU) . . . 9874 B, C, D, 9875 A Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Anzeigenaktion der Bundesregierung über die Erweiterung der EWG Ahlers, Staatssekretär 9875 B, C, D, 9876 A, B Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 9875 C, D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 9875 D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9876 A Damm (CDU/CSU) 9876 B Fragen des Abg. Engholm (SPD) : Vorschriften über die Haarlänge der Beamten des Bundesgrenzschutzes — Zurverfügungstellung von Haarnetzen und Vorgehen gegen Beamte mit langen Haaren Genscher, Bundesminister 9876 C, D, 9877 A Engholm (SPD) 9876 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 9877 A Fragen der Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) und Niegel (CDU/CDU) : Errichtung von Betreuungsstellen und Regionalsektionen der Kommunistischen Partei Italiens in der Bundesrepublik Genscher, Bundesminister . . . 9877 B, C, 9878 D, 9879 A, B, C , D, 9880 A, B , C, D, 9881 A Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9878 D, 9879 A Niegel (CDU/CSU) 9879 B, C Brück (Köln) (CDU/CSU) . . . 9879 D Matthöfer (SPD) . . . . . . . 9879 D von Thadden (CDU/CSU) . . . 9880 A Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . 9880 B Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . . 9880 C Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 9880 D Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . 9880 D Frage des Abg. Büchner (Speyer) (SPD) : Angabe von Orden und Ehrenzeichen in Personalbogen des öffentlichen Dienstes Genscher, Bundesminister . . . 9881 B, C Büchner (Speyer) (SPD) . . . . 9881 B, C Frage des Abg. Offergeld (SPD) : Erkenntnisse über die Wirkungen von Naßkühltürmen auf Klima und Luft — Kühlsysteme der Kernkraftwerke Kaiseraugst und Leibstadt Genscher, Bundesminister . . . . 9881 D, 9882 A, B Offergeld (SPD) . . . . . . . . 9882 A Josten (CDU/CSU) . . . . . . . 9882 B Frage des Abg. Schlee (CDU/CSU) : Verletzung der Gebietshoheit und des Asylrechts der Bundesrepublik am 2. Februar 1972 an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze Genscher, Bundesminister . . . 9882 C, D, 9883 A Schlee (CDU/CSU) 9882 D Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 9883 A Fragen des Abg. Müller (Mülheim) (SPD) : Zielsetzung des Umweltforums und in ihm vertretene Organisationen — Stand der Vorbereitungen Genscher, Bundesminister . , 9883 B, C, D, 9884 A Müller (Mülheim) (SPD) . . . 9883 B, C, D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9883 D Fragen des Abg. Dr. Häfele (CDU/CSU) : Einführung von Bewirtschaftungszuschüssen in landwirtschaftlichen Problemgebieten Ertl, Bundesminister . . . . 9884 B, C, D Dr. Häfele (CDU/CSU) . . . . 9884 C, D Frage des Abg. Höcherl (CDU/CSU) : Erklärung des Bundesministers Ertl in der Agrardebatte der Beratenden Versammlung des Europarates über Inflationsraten Ertl, Bundesminister . . . . 9885 A, B, C Höcherl (CDU/CSU) . . . . . 9885 B, C Nächste Sitzung 9935 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 III Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 9937 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Brauksiepe (CDU/ CSU) betr. Förderung der Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerks . . . . 9937 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. politische Extremisten im öffentlichen Dienst . . . . . . . 9937 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Pieroth (CDU/CSU) betr Zahl der unbearbeiteten Anträge bei den Ausgleichsämtern 9937 D Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. einheitliches Urheberrecht für EDV-Programme 9938 A Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Zander (SPD) betr. Ermittlungsverfahren gegen Monika Berberich als Gegenstand der Tätigkeit der Organisation Amnesty International . . 9938 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. wiederholte Vernehmung von Kindern und Heranwachsenden in Strafverfahren wegen an ihnen begangener Sittlichkeitsdelikte . . . . 9938 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Kater (SPD) betr. Auswirkungen der Explosionen in den Anlagen der Niederländischen Gas-Union auf die Belieferung der Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik . . . . 9939 B Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Nachentrichtung von Beiträgen und Novellierung der Altershilfe für Landwirte 9939 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) betr. Interview des Bundesministers Ehmke bezüglich der Konzentrationsbewegung in der Presse . . . 9940 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9833 17 2. Sitzung Bonn, den 24. Februar 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9937 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Bals *** 25. 2. Bredl 4. 3. Dasch 3.3. Dr. Dittrich 25. 2. Draeger *** 25. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 4. 3. Frau Dr. Henze 18. 3. Kahn-Ackermann *** 26. 2. Lautenschlager * 24. 2. Lenze (Attendorn) *** 25. 2. Lücker (München) * 24. 2. Mertes 25. 2. Pöhler *** 25. 2. Richarts 25. 2. Rinderspacher *** 25. 2. Schulte (Schwäbisch-Gmünd) 25. 2. Dr. Seume 25. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 22. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Brauksiepe (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Fragen A 4 und 5) : Hält die Bundesregierung - in Anbetracht der Tatsache, daß in deutschen Jugendherbergen im Jahre 1971 eine Gesamtzahl von fast 9 Millionen Übernachtungen erreicht wurde, darunter etwa eine Million Übernachtungen junger Ausländer - die Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerks für eine vorrangig zu fördernde Aufgabe der Jugendarbeit, insbesondere im Hinblick auf die vielfältige und nachhaltige Gelegenheit internationaler Begegnungen? Ist sie bereit und sieht sie eine Möglichkeit, den Bundesjugendplan dahin gehend zu überprüfen und die Arbeit des Jugendherbergwerks wirksamer als bisher finanziell zu unterstützen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerkes eine besonders förderungswürdige Aufgabe der Jugendarbeit darstellt. Dies wird durch die Tatsache belegt, daß die Förderung sowohl des Baues von Jugendherbergen als auch der Jugendarbeit in den Jugendherbergen in den vergangenen Jahren beträchtlich verstärkt worden ist. Die Bundesregierung ist bereit, das Deutsche Jugendherbergwerk bei dem Ausbau des Jugendherbergnetzes weiterhin nachhaltig zu unterstützen. Dafür wurden bisher alljährlich 2,8 Mio DM zur Verfügung gestellt, wozu Ländermittel in zumindest gleicher Höhe kamen. Bereits im vergangenen Haushaltsjahr konnten im Rahmen des Zonenrandförderungsgesetzes dem Deutschen Jugendherbergwerk Anlagen zum Stenographischen Bericht zusätzliche Mittel in erheblichem Ausmaß (ca. 2,5 Mio DM) zur Verfügung gestellt werden. Diese zusätzliche Förderung wird 1972 fortgesetzt und findet auch in der Finanzplanung Berücksichtigung. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 43) : In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung der durch Bundesinnenminister Genscher wiederholt erteilten Absage an politische Extremisten im öffentlichen Dienst Rechnung zu tragen? Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder haben bei ihrer Konferenz in Bonn am 28. Januar 1972 eine gemeinsame Erklärung darüber abgegeben, welche Maßnahmen nach dem geltenden Recht zu treffen sind. Nach den dort formulierten Grundsätzen werden die Bundesbehörden verfahren. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesminister Genscher vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 49) : Hat die Bundesregierung einen Überblick über die Zahl der unbearbeiteten Anträge bei den Ausgleichsämtern, insbesondere auch über Altersstruktur der wartenden Antragsteller? Von den 7 103 372 Anträgen auf Feststellung von Vertreibungsschäden, Kriegsschäden und Ostschäden nach dem Feststellungsgesetz waren Ende 1971 308 234 Anträge (= 4,31 v. H.) noch nicht abschließend bearbeitet. Im Zuerkennungsverfahren waren 69 174 Fälle (= 1,3 v. H.) noch nicht abgeschlossen. Von den 4 255 301 zuerkannten Ansprüchen auf Hauptentschädigung waren 161 587 (= 3,9 v. H.) noch nicht erfüllt. In 597 961 Fällen konnten die zuerkannten Hauptentschädigungsansprüche nicht oder nur teilweise erfüllt werden, weil die Erfüllung wegen noch laufender Kriegsschadenrente oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen gesperrt ist. Ein höherer Bearbeitungsrückstand ergibt sich bei den Anträgen auf Feststellung von Vermögensschäden in Mitteldeutschland und im Gebiet von Berlin (Ost) nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz (BFG) vom 22. Mai 1965. Hier sind bis zum 31. Dezember 1971 insgesamt 384 079 Feststellungsanträge eingereicht worden, von denen bis dahin 264 434 Anträge (= 69,1 v. H.) noch in Bearbeitung waren. 9938 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Von den 81 637 im Feststellungsverfahren positiv erledigten Anträgen sind 25 777 Fälle (= 31 v. H.) im Zuerkennungsverfahren noch unerledigt. Von den zuerkannten Ansprüchen auf Hauptentschädigung waren 35 156 voll erfüllt. 20 481 Ansprüche konnten nicht oder nur teilweise erfüllt werden, weil wegen der Gewährung laufender Beihilfe oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen eine Auszahlung nicht möglich war. Einen Überblick über die Altersstruktur der wartenden Antragsteller hat die Bundesregierung nicht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 50) : Wie beurteilt die Bundesregierung ein einheitliches Urheberrecht für EDV-Programme, und was hat sie in dieser Hinsicht bisher unternommen? Die Frage des Schutzes der EDV-Programme wird zur Zeit von der Weltorganisation für geistiges Eigentum im Auftrage der Vereinten Nationen untersucht. Dabei wird insbesondere auch geprüft, ob für EDV-Programme ein Schutz durch das Urheberrecht, durch Patente oder Gebrauchsmuster oder aufgrund der Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb ausreichend und angemessen ist oder ob es zweckmäßig erscheint, ein neues Schutzrecht für EDV-Programme zu schaffen. Die Bundesregierung hält es für angebracht, zunächst das Ergebnis dieser Untersuchung abzuwarten, da angesichts der internationalen Bedeutung des Problems des Schutzes der EDV-Programme eine Rechtsangleichung sehr erwünscht ist. Sofortige Maßnahmen auf nationaler Ebene sind nach Auffassung der Bundesregierung nicht erforderlich. EDV-Programme genießen, soweit sie persönliche geistige Schöpfungen sind, den Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz. Im übrigen greift ergänzend der Schutz des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ein, wenn EDV-Programme von Dritten in unlauterer Weise ausgenutzt werden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Zander (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 53) : Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus der Tatsache zu ziehen, daß die zur Hilfe für politische Häftlinge gegründete Organisation Amnesty International den Fall Monika Berberich aufgreifen will? Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, aufgrund der Tatsache, daß Amnesty International das Ermittlungsverfahren gegen Monika Berberich zum Gegenstand seiner Tätigkeit gemacht hat, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Dies ist schon deswegen nicht erforderlich, weil die Bundesanwaltschaft am 18. Februar 1972 den Generalsekretär von Amnesty International auf dessen Wunsch ausführlich über den bisherigen Verlauf des Verfahrens informiert und dabei insbesondere auch die Gründe für die Dauer der Untersuchungshaft erörtert hat. Der Generalsekretär von Amnesty-International hat aufgrund dieser Informationen am gleichen Tage in Karlsruhe auf einer Pressekonferenz im Namen seiner Organisation erklärt, daß Beanstandungen gegen die bisherige Behandlung des Verfahrens nicht zu erheben seien. Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren an die Strafverfolgungsbehörden Berlin abgegeben. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache V1/3165 Frage A 55) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß Kinder und Heranwachsende schweren psychischen Belastungen ausgesetzt sind, wenn sie in dem Strafverfahren wegen eines an ihnen begangenen Sittlichkeitsdeliktes mehrmals als Zeugen vernommen werden, und ist sie bereit, durch eine Gesetzesinitiative sicherzustellen, daß von weiteren Zeugeneinvernahmen bei späteren Beweisaufnahmen dann abzusehen ist, wenn bereits eine gerichtlich protokollierte Aussage vorliegt? Ich darf mir vorweg den Hinweis erlauben, daß das von Ihnen angeschnittene Problem bereits Gegenstand von Erörterungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform ist. Anläßlich der Beratungen über das 4. Strafrechtsreformgesetz hat der Sonderausschuß hierzu eine an den Bundesminister der Justiz gerichtete Entschließung gefaßt und den Bundesminister der Justiz gebeten, zu dem in der Entschließung enthaltenen Fragenkatalog Stellung zu nehmen. Mein Haus hat über die Landesjustizverwaltungen die gerichtliche und staatsanwaltliche Praxis zu diesen Fragen gehört und entsprechende gesetzliche Regelungen ausländischer Staaten überprüft. Das Ergebnis der Auswertung des umfangreichen Materials wird in diesen Tagen dem Sonderausschuß zugeleitet werden. Aufgrund des meinem Hause vorliegenden Materials wird davon auszugehen sein, daß unter Psychologen und bei der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis weitgehend Übereinstimmung darüber besteht, daß Kinder und Heranwachsende psychischen Belastungen ausgesetzt sein können, wenn sie in dem nachfolgenden Strafverfahren wegen eines an ihnen begangenen Sittlichkeitsdelikts als Zeugen vernommen werden. Dabei birgt insbesondere die wiederholte Vernehmung des kindlichen oder jugendlichen Zeugen die Gefahr eines schädigenden Einflusses in sich. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9939 Um diese Gefahr auszuschließen, wäre an sich eine Regelung erstrebenswert, die im Prinzip nur eine richterliche Vernehmung des kindlichen oder jugendlichen Zeugen zuläßt und als Regelfall die Verlesung dieser Vernehmungsniederschrift in der Hauptverhandlung vorsieht. Eine entsprechende Regelung erscheint allerdings nicht unproblematisch. Sie wird von der gerichtlichen Praxis einhellig abgelehnt. Eine entsprechende gesetzliche Bestimmung würde einen tiefgreifenden Eingriff in die Struktur des Strafprozesses bedeuten, da damit der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme durchbrochen würde. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zählt aber zu den wichtigsten Prinzipien unseres Strafverfahrensrechts. Er gewährleistet, daß das erkennende Gericht von den zur Rekonstruierung des Sachverhalts benutzten Beweismitteln in unmittelbar eigener sinnlicher Wahrnehmung Kenntnis erlangt. Dies ist gerade von besonderer Bedeutung in Strafverfahren wegen Sittlichkeitsdelikten, in denen kindliche oder jugendliche Opfer oft als einzige Zeugen, zumindest aber als Hauptbelastungszeugen auftreten. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß dem berechtigten Wunsch nach besonderem Schutz kindlicher und jugendlicher Zeugen vor schädlichen Nebenwirkungen des Strafverfahrens die rechtsstaatliche gegründete Forderung nach unbeschränkter Verteidigung des Angeklagten gegenübersteht. Diese Antinomie dürfte nicht ohne eine schwer zu vertretende Beschränkung des Rechts der Verteidigung aufgelöst werden können. Die Bundesregierung wird jedoch im Rahmen der bereits in Angriff genommenen Reform des Strafverfahrensrechts mit Vorrang auf eine gesetzliche Regelung hinwirken, die der besonderen psychischen Situation des kindlichen und jugendlichen Opfers von Sittlichkeitsdelikten im anschließenden Strafverfahren gerecht wird. Welcher gesetzgeberischen Lösung angesichts der hier nur kurz aufgezeigten Schwierigkeiten der Vorzug zu geben ist, bedarf noch weiterer eingehender Überlegungen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Rohwedder vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 58 und 59) : Welche Auswirkungen hatten nach Auffassung der Bundesregierung die Folgen der Sprengstoffexplosionen in den Kompressoranlagen der Niederländischen Gasunion in Ravenstein und Ommen auf die Belieferung der Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland? Was hat die Bundesregierung getan bzw. was gedenkt sie zu veranlassen, um Vorsorge für den Fall des Entstehens von in den Niederlanden verursachten Versorgungsschwierigkeiten für die Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland zu treffen? Die Sprengstoffexplosionen in den Kompressoranlagen der Niederländischen Gas-Union hatten auf die Belieferung der Letztabnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik keine nennenswerten Auswirkungen. Lediglich solche Abnehmer haben Liefereinschränkungen hinnehmen müssen, bei denen Lieferunterbrechungen vertraglich zulässig sind. Die Bundesregierung betrachtet gerade die niederländischen Erdgasvorkommen als eine sehr sichere Energiequelle für den deutschen Energiemarkt. Sie wird in dieser Auffassung dadurch noch bestärkt, daß die niederländische Regierung unverzüglich Sicherheitsmaßnahmen beschlossen hat, um auch außergewöhnliche Vorkommnisse wie Sprengstoffanschläge für die Zukunft zu verhindern. Wirksamster Schutz auch gegen solche Versorgungsstörungen ist im übrigen nach Auffassung der Bundesregierung eine Politik der Diversifikation der Bezugsquellen sowie der weitere Ausbau des Erdgas-Verbundsystems, das wechselseitige Aushilfen der Verbundpartner, auch über die Staatsgrenzen hinweg, ermöglicht. Die Versorgungssicherheit der Verbundpartner wird um so größer, je mehr Erdgasquellen und Erdgasspeicher in dieses System eingebunden werden. Die Bundesregierung ermutigt alle Bemühungen, die auf die Erschließung neuer Lieferquellen, auf die Anlage von Erdgasspeichern und auf den Ausbau eines umfassenden europäischen Erdgas-Verbundsystems gerichtet sind. Dies ist ein Weg, auf dem die deutsche Gaswirtschaft schon ein gutes Stück vorangekommen ist. Für den Fall gleichwohl eintretender Versorgungsstörungen liegen schließlich bei den einzelnen Ferngasgesellschaften bis ins einzelne ausgearbeitete Abschaltpläne vor, um nach Maßgabe der geringsten Beeinträchtigung die Auswirkungen einer solchen Störung in möglichst engen Grenzen zu halten. Dabei wird der Versorgung der Kommunen und damit der privaten Haushalte sowie der Belieferung der Abnehmer, die nicht auf andere Energiearten ausweichen können, Vorrang eingeräumt. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Fragen A 89 und 90) : Wird die Bundesregierung Landwirten, die sich bei der Einführung der Altershilfe für die Landwirtschaft von den Beitragszahlungen befreien ließen, eine Nachversicherungsmoglichkeit einräumen? Wie groß ist der oben angesprochene Personenkreis? Bei der vorgesehenen Novellierung der Altershilfe für Landwirte wird die Bundesregierung auch die Möglichkeiten für einen Verzicht auf die Befreiung von der Beitragspflicht und die damit verbundene Frage der Nachentrichtung von Beiträgen prüfen. Dabei ist jedoch eine differenzierte Betrachtung erforderlich, da es sich um unterschiedliche Befreiungstatbestände mit entsprechend unterschiedlichen Motivationen handelt. Und zwar sind diejenigen Personen, die sich bei Einführung der Altershilfe für Landwirte im Jahre 9940 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 1957 auf Grund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages haben befreien lassen, von jenen Personen zu unterscheiden, die wegen einer anderweitigen gesetzlichen Versicherung oder Versorgung befreit worden sind. Im ersten Fall ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen der Entschluß zur Befreiung seinerzeit gefaßt worden ist, nicht so verändert sind, daß eine Korrektur der damaligen Entscheidung ermöglicht werden sollte. Im zweiten Fall haben die Versicherungs- und Versorgungsansprüche an der allgemeinen Fortentwicklung teilgenommen, so daß er sich in einem anderen Licht darstellt. Soweit es die Zahlen angeht, möchte ich folgendes anmerken: Nach der Quartalstatistik der landwirtschaftlichen Alterskassen (Stichtag 31. Dezember 1971), die vom Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen herausgegeben wird, beträgt die Zahl der beitragsbefreiten Landwirte insgesamt 60 422. Die Zahl derjenigen, die auf Grund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages befreit worden sind, dürfte bei 2 500 liegen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Ehmke vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 117) : Entsprechen die Auffassungen, die Bundesminister Ehmke in einem Interview mit dem Bonner „General-Anzeiger" vom 7. Januar 1972 — auch nachgedruckt im Bulletin vom 8. Januar 1972 — zu den Problemen der Massenmedien darlegte, den in den zuständigen Bundesministerien entwickelten Vorstellungen, und teilt die Bundesregierung insbesondere die Behauptungen des Bundesministers "Hinsichtlich der Pressekonzentration -muß man sich klarmachen, daß ein Teil des Konzentrationsvorgangs allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen notwendig ist und daß die Zusammenlegung oft zu einem besseren Niveau der Zeitungen führt. Man muß auch lokale Zeitungsmonopole durch den Ausbau regionaler Rundfunk- und Fernsehsender auszugleichen suchen. Dennoch ist der Gedanke einer als öffentlich-rechtliche Körperschaft organisierten Zeitung ein interessantes theoretisches Modell, wenn wir nämlich unterstellen, daß es am Ende des Konzentrationsprozesses nur noch eine Zeitung mit einer absoluten Monopolstellung geben könnte. Wir sollten es aber auf keinen Fall zu einer solchen Situation kommen lassen, in der die Frage verneint werden muß, ob Zeitungen überhaupt noch auf privater Basis gemacht werden dürfen."? In dem von Ihnen zitierten Interview habe ich ausgeführt, daß ein Teil der Konzentrationsbewegung in der Presse auf betriebswirtschaftliche Zwänge zurückzuführen ist. Es handelt sich hierbei um eine Feststellung, die schon im Schlußbericht der Pressekommission vom 22. Mai 1968 dargelegt ist. Ein gewisses Maß von Konzentration kann aber durchaus dem Informationsinteresse des Bürgers dienen, soweit nämlich leistungsschwache und überalterte Pressebetriebe durch leistungsstarke und rationell arbeitende Betriebe ersetzt werden, die eine zuverlässigere und vielseitigere Information bieten können. Hiervon ausgehend habe ich weiter die Auffassung vertreten, daß der Pressekonzentration dann entgegengewirkt werden muß, wenn eine ausreichende Meinungsvielfalt in der Presse nicht mehr gewährleistet ist. Diese Auffassung deckt sich nicht nur mit der der Bundesregierung; ich gehe sogar davon aus, daß auch Sie ihr zustimmen. Falls es einmal dazu kommen sollte, daß die Vielfalt der Presse aufgrund der wirtschaftlichen Konzentration Meinungsmonopolen weichen müßte, dann stünde als Ausweg zur Erhaltung der Meinungsvielfalt das Denkmodell einer als öffentlich-rechtlichen Körperschaft organisierten Zeitung zur Debatte. Diese Frage, die mir in jenem Interview gestellt wurde, ist heute nicht akut, und ich hoffe, daß sie nie akut wird.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    (mit lebhaftem Beifall der SPD begrüßt)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Hauch von Vilshofen, den wir eben erlebt haben —

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine Unverschämtheit!)

    — Ich habe wirklich nicht die Absicht, zu polemisieren, und verstehe nicht, daß Sie bei dem Wort „Vilshofen" in Feindschaft geraten können.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Hat sozialdemokratischen Bürgermeister!)

    Wie dem auch sei, meine Damen und Herren, mindestens die letzte Rede hat gezeigt, wie viele andere vorher auch, daß die Debatte hüben und drüben offensichtlich nicht so sehr den Zweck hat, das Haus zu überzeugen, sondern den Zweck, die eigenen Motive für die Öffentlichkeit klarzustellen. Fragen, die gestellt werden, werden von Fragenden gestellt, die im Grunde auf die Antworten nicht warten, um ihre eigene Meinungsbildung daran zu orientieren, sondern es sind rhetorische Fragen, wie wir sie eben vielfach erlebt haben.

    (Zunehmende Unruhe bei der CDU/CSU.)

    Mir scheint, daß dies ,ein notwendiger Vorgang ist —

    (Anhaltende Unruhe bei der CDU/CSU.)

    — Wenn das Volksgemurmel sich so fortsetzt, ist allerdings der Ausdruck „Vilshofen" vollständig gerechtfertigt.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Liselotte Funcke
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Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gallus?

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    Ich möchte heute gerne auf Zwischenfragen verzichten.
    Mir scheint, daß die Klarstellung der eigenen Motive der Öffentlichkeit gegenüber ein notwendiger Vorgang für alle Beteiligten ist, an dem ich mich beteiligen möchte hinsichtlich der Sicherheit Berlins, der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Sicherheit Europas. Alle diese Sicherheiten werden nach meiner Überzeugung durch die zu ratifizierenden Verträge verbessert, wenn auch Herr Kollege Schröder sie in seiner gestrigen Rede angeblich beeinträchtigt sah.
    Diese sorgfältig vorbereitete Rede des Kollegen Schröder war mir in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zunächst stellte sie, wofür man danken muß, ausdrücklich die Gemeinsamkeit der Ziele vorweg. Sodann wurde diese Rede den Forderungen nach nüchterner Sachlichkeit und nach Verzicht auf gegenseitige Verteufelung — Forderungen, die beide Dr. Schröder selbst aufgestellt hatte — voll gerecht. Zur Frage der beiden Verträge war sie gewiß eine Klasse besser als alle anderen Reden, die die Opposition bis zur gegenwärtigen Stunde in diesem Hause gehalten hat.

    (Beifall bei der SPD.) Trotzdem, meine Damen und Herren,


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    trotzdem oder gerade deswegen bedarf diese Rede einer sehr sorgfältigen Kritik. Denn Herr Kollege Schröder hat sich in seiner Rede nach meinem Urteil dreier schwerwiegender Versäumnisse schuldig gemacht.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Das erste Versäumnis: Das entscheidende Problem Berlins und seine weitgehende qualitative Veränderung im Zuge des deutsch-sowjetischen Vertrages wurden in dieser Rede völlig verschwiegen.
    Zweitens. Die eigene Lagebeurteilung, von der Herr Kollege Schröder in seinen Darlegungen mehrfach ausdrücklich ausging, wurde hier auch nicht andeutungsweise dargelegt.
    Drittens. Von dem deutsch-polnischen Vertrag war überhaupt nicht die Rede. Nach meinem Urteil enthielt seine Rede auch ansonsten mehrere Irrtümer.
    Infolge all dessen kam der Kollege Schröder zu einem Schlußurteil, das ich für fundamental falsch halte. Nun möge mir der Herr Kollege Strauß verzeihen, daß ich heute abend seine Darlegungen über die Moral des Neubaus in Europa nicht einbeziehen will. Ich möchte mich statt dessen im wesentlichen auf die Ausführungen des Kollegen Schröder beziehen und auf sie antworten. Ich tue das mit dem Gefühl des Respektes für einen bedeutenden Gegner jener Politik, die meine Kollegen und ich für richtig halten. Ich werde zugleich den großen sicherheitspolitischen Fortschritt darstellen, den das Vertragswerk für Berlin, für uns, für Europa und auch für die Amerikaner darstellt. Beide Zwecke verlangen, daß man den Zusammenhang herstellt.
    In ihrer Regierungserklärung vom Oktober 1969 hat die Bundesregierung den folgenden sicherheitspolitischen Maßstab formuliert:
    Welche der beiden Seiten der Sicherheitspolitik wir auch betrachten, ob es sich um unseren ernsten und nachhaltigen Versuch zur gleichzeitigen und gleichwertigen Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle handelt oder um die Gewährleistung ausreichender Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland: unter beiden Aspekten begreift die Bundesregierung ihre Sicherheitspolitik als Politik des Gleichgewichts und der Friedenssicherung. Und ebenso versteht sie unter beiden Aspekten die äußere Sicherheit unseres Staates als eine Funktion des Bündnisses, dem wir angehören und als dessen



    Bundesminister Schmidt
    Teil wir zum Gleichgewicht der Kräfte zwischen West und Ost beitragen.
    Ich nehme an, daß dieser Maßstab zwischen der Opposition und den Koalitionsparteien nicht kontrovers ist: Er definiert Sicherheit so, wie es auch die Regierungserklärung der Großen Koalition am 13. Dezember 1966 tat. Es hieß dort:
    Der Wille zum Frieden und zur Verständigung der Völker ist das erste Wort und das Grundlegende der Außenpolitik dieser Regierung.
    Wie gesagt: das war Dezember 1966.
    Nun, vor welchem weltpolitischen Hintergrund ist dieser Maßstab gesetzt worden?
    Erstens. Die thermonuklearen Waffen, mit denen die Supermächte einander vernichten können, hatten diese Mächte bereits gezwungen, ihrer Gegnerschaft Schranken zu setzen. Zwar bestehen fundamentale Gegensätze der Interessen und der Ideologien fort, doch war aus der unversöhnlichen Konfrontation doch schon eine Art von Konflikt unter Kontrolle geworden, der eine Zusammenarbeit der beiden Weltmächte auf Teilgebieten nicht mehr ausschloß. Beide Supermächte waren sich klargeworden, daß ihre Interessen sich dort treffen, wo es darum geht, Zwangsläufigkeiten von Zusammenprall, Zwangsläufigkeiten von Eskalation und gegenseitiger Vernichtung zu vermeiden. Konkret: Präsident Nixon hatte als wichtigstes Ziel bei seinem Regierungsantritt den Übergang von der Konfrontation zur Kooperation verkündet. Die Aufnahme der Ver-
    ) handlungen über die Begrenzung nuklear-strategischer Waffen — in den Zeitungen meist „SALT" genannt — erfolgte unmittelbar anschließend.
    Zweitens. Zur selben Zeit, da die beiden Supermächte Konfrontation zu vermeiden wünschten und die Suche nach Feldern der Zusammenarbeit begann, wurde auch die Tendenz erkennbar, daß die bisherige Bipolarität, von der Herr Strauß soeben sprach, durch ein neues Gleichgewicht mit mehreren Pfeilern abgelöst werden konnte. In der kommunistischen Welt war die frühere Einheit im Glauben zerbrochen. Der Bruch zwischen Moskau und Peking hat die Vorstellung von der Einheit des Weltkommunismus, von der Einheitlichkeit seines Vorgehens ad absurdum geführt. Das Hegemoniebedürfnis der Sowjetunion hatte sich in einer brutalen Invasion in der Tschechoslowakei geäußert. Aber das westliche Verlangen nach einem Europa, das mehr ist als nur Westeuropa, konnte damit ebensowenig auf die Dauer erstickt werden wie das Verlangen in ganz Osteuropa, auch in der Sowjetunion, nach mehr Berührung mit dem Westen. Wer Entspannung in Europa will, der muß Zusammenarbeit suchen, und zwar ohne neue Unsicherheiten ins Spiel zu bringen. Ich habe die Darlegungen von Herrn Strauß über China soeben vielleicht nicht ganz verstanden. Aber ich wiederhole für diejenigen, die meinen, der Basis der Ostpolitik müsse der Faktor China hinzugefügt werden: Wer Entspannung in Europa will, muß Zusammenarbeit suchen, ohne neue Unsicherheitsfaktoren ins Spiel zu bringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der dritte Punkt des Hintergrunds. Mit der Verabschiedung des Harmel-Berichts hatte die atlantische Allianz ein Signal für einen neuen Abschnitt der Entwicklung des Bündnisses gesetzt. Dem Grundelement Verteidigung wurde das zweite Grundelement Entspannung hinzugefügt. Die durch gemeinsame Verteidigungsanstrengungen gewonnene Sicherheit sollte von nun an, mehr als 20 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, die Grundlage für den Versuch der Verständigung mit Osteuropa werden; Entspannung und Ausgleich also auf der Basis des Gleichgewichts und ohne Sicherheitsrisiko für die Beteiligten. Dies war der Rahmen, den die gegenwärtige Bundesregierung vorfand, als sie 1969 die Verantwortung übernahm.
    Den Rahmen zu erkennen, genügte aber nicht. Die Kenntnis der weltpolitischen Umweltbedingungen muß für unser Land nutzlos bleiben, wenn der Versuch unterbleibt, die spezifisch deutsche Situation in diesem Rahmen zu sehen, und zwar mit all ihren Faktoren, die häufig genug im Gegensatz und in Konkurrenz zueinander stehen.
    Ich habe kurz nach Bildung der Großen Koalition — es war, glaube ich, im Februar 1967 — in einem Vortrag in Hamburg gesagt, eine der Hauptaufgaben der Großen Koalition liege in der Nutzung ihrer breiten innenpolitischen Basis für die Herstellung einer größeren Realitätsbereitschaft in der öffentlichen Meinung unseres Volkes hinsichtlich der Deutschland- und Außenpolitik, und ich habe hinzugefügt, „wenn es der Großen Koalition nicht gelingen sollte, unbrauchbar gewordene, ausgefahrene Gleise zu verlassen und neue Wege zu finden, so würde die Große Koalition ihre geschichtliche Legitimation verfehlen". Tatsächlich hat die Große Koalition einige neue Wege beschritten, tatsächlich ist die Realitätsbereitschaft gestiegen. Aber, Herr Dr. Kiesinger, Ihre Realitätsbereitschaft und diejenige der CSU sind am Ende schließlich kleiner gewesen als am Anfang.

    (Beifall bei der SPD.)

    — Herr Kiesinger schüttelt den Kopf. Ich darf ihn mit einem Seitenblick auf die Hallstein-Doktrin daran erinnern, daß er am Anfang bereit war, diplomatische Beziehungen zu Bukarest und zu Belgrad aufzunehmen, und daß er am Ende meinte, die Regierung solle lieber platzen, als die Beziehungen zu dem kleinen südostasiatischen Staat Kambodscha nicht abzubrechen.

    (Beifall bei der SPD.)

    1967 hat der damalige Bundeskanzler Kiesinger das gestern schon von Herbert Wehner zitierte Wort von der „kritischen Größenordnung Deutschlands" gesagt, das durchaus richtig ist. Die Passage endete damals mit dem Satz: „Man kann das Zusammenwachsen der getrennten Teile Deutschlands nur eingebettet sehen in den Prozeß der Überwindung des Ost-West-Konflikts in Europa." Ich stimme dem zu; das war damals richtig, und es ist auch heute noch richtig. Die erste Konsequenz aus diesem Satz, Herr Dr. Kiesinger, ist die, daß wir diesen von Ihnen genannten Prozeß der Überwindung des Ost-West-Konflikts einmal realistisch betrachten. Es ist ja nicht nur ein Prozeß, der uns betrifft, sondern



    Bundesminister Schmidt
    es ist ein Prozeß, der von vielen gemeinsam beeinflußt wird.
    Nun einige Tatsachen zu dem sich tatsächlich abspielenden Prozeß.
    Erstens. Für die Vereinigten Staaten wie für die Sowjetunion wie für unsere Nachbarn in Ost und West sind die aus der andauernden Teilung Deutschlands erwachsenden Problemen die hauptsächliche Ursache für die Sorge um den Frieden in Europa. Diese Probleme sind einerseits Folgen des von Hitler total geführten und total verlorenen Krieges, sie sind andererseits Folgen der sich von 1945 an ergebenden Konfrontation der Siegermächte.
    Zweitens. Gerade wir Deutschen müssen aber auch einer anderen Erkenntnis ins Auge sehen. Die Nachbarn Deutschlands in Ost und West sind weit eher geneigt, sich mit der Teilung Deutschlands abzufinden, als zuzulassen, daß derjenige Teil Deutschlands, mit dem sie durch ein Bündnis verknüpft sind, in den Bereich des anderen Bündnisses hinüberwechselt. Kollege von Weizsäcker hat von diesen Problemen gesprochen. Alle unsere Nachbarn halten zwar den jetzigen Zustand für nicht normal und womöglich für eine Bedrohung des Friedens und ihrer Sicherheit, aber ein vereinigtes Deutschland und vor allem der Prozeß bis hin zu einem vereinigten Deutschland erscheint den meisten unserer Nachbarn noch gefährlicher, weil er das Gleichgewicht der Macht in Europa und damit den Frieden gefährden könnte. Siehe Dr. Kiesingers Wort über das kritische Gewicht oder die kritische Größe.
    Drittens. Gleichwohl fühlen viele unserer Nachbarn auch die historische Anomalie der Trennung Deutschlands und mehr noch der Teilung Europas insgesamt. Manche wären möglicherweise bereit, dann an einer Vereinigung Europas und damit Deutschlands mitzuwirken, wenn sie eine Art Garantie dafür hätten, daß der zu diesem Ziel hinführende Prozeß unter Kontrolle gehalten und daß seine Risiken eingegrenzt und kalkulierbar gemacht werden können.
    Viertens. In der Bundesrepublik Deutschland hat es lange gedauert, ehe klar wurde, daß die beiden Teile der Nation nur dann wieder zueinander kommen können, wenn auch Europa wieder zusammenwächst. Vielen in unserem Lande fällt es heute noch schwer, zu begreifen, daß dies keineswegs von den Deutschen allein bewirkt werden kann, sondern daß ein Zusammenwachsen in Europa nur möglich ist, wenn beide Weltmächte u n d die ost- und westeuropäischen Staaten u n d das deutsche Volk in seinen beiden Teilen dies wollen. Mit anderen Worten und verkürzt ausgedrückt.: eine Wiederherstellung der Identität Europas ist nur möglich, wenn dies auch von Moskau, auch von Warschau, auch von Ost-Berlin gewollt wird.
    Fünftens. Die Kontinuität des westlichen Verteidigungsbündnisses, die Solidarität der europäischen mit den nordamerikanischen Partnern waren und bleiben Grundlage unserer Politik innerhalb dieses Prozesses. Eine manchmal aufgetretene Überbetonung unserer Sicherheit hat allerdings in manchen Phasen der Nachkriegspolitik zur Unbeweglichkeit
    der Regierung hier in Bonn beigetragen. Heute wissen wir, daß NATO und EWG den westlichen Teil Europas von sowjetischer Dominanz in kritischen Zeiten haben freihalten können, daß sie aber mit ihrer bis spät in die 60er Jahre verfolgten starren politischen Strategie nicht der Vereinigung Europas und unseres Landes haben dienen können. Sie werden das auch in Zukunft kaum tun können, und erst recht nicht wird ohne unsere eigene Initiative etwas bewegt. Herr Dr. Schröder hat in einer Rede, auf die mein Freund Kurt Mattick heute morgen schon zurückkam, vor dem CDU-Parteitag schon 1965 in Düsseldorf — ich komme noch mal auf die Rede zurück — öffentlich daran gezweifelt, daß die Zeit für uns arbeite.
    Sechstens. Je mehr aber wir in Bonn uns selbst in unserer Außenpolitik bewegen, desto mehr könnten unsere Nachbarn in Ost und West in Besorgnis geraten, nämlich dann, wenn wir versuchen wollten, uns allein zu bewegen. Deshalb unternehmen wir zu keinem Zeitpunkt dieses Prozesses einen isolierten Schritt, sondern diese Regierung achtet sehr sorgfältig darauf, daß ihre Bewegung eingebettet bleibt in das Gesamtvorhaben der Partner unseres Bündnisses. Die Beweise für diese Gemeinsamkeit, welche die Oppositionsredner nicht sehen wollen, liegen dokumentarisch in einer ganzen Kette von Ministerratsbeschlüssen der Allianz öffentlich vor. Diese Kommuniqués des Minsterrats der Allianz über zwei, drei Jahre beschreiben den wichtigsten Teil — ich benutze noch einmal Dr. Kiesingers Worte — „des Prozesses der Überwindung des Ost-West-Konfliktes". Unsere Politik verwirklicht sich im Rahmen der Möglichkeiten, die hier gegeben sind, im Rahmen der Wandlungen der internationalen Beziehungen überhaupt.
    Präsident Nixons Schlagwort heute vor drei Jahren „from confrontation to negotiation" bezeichnet eine Epoche, die die ganze Welt umfaßt, die zugleich auch unserem Land ermöglich hat, unseren außenpolitischen Spielraum zu erweitern und voll auszunutzen.
    Die Erkenntnis der Lage unseres Landes, wie sie wirklich ist, hat gewiß deutsche Außen- und Sicherheitspolitik nicht leichter gemacht. Kollege Schröder hat darauf 1965 in dieser Parteitagsrede schon hingewiesen. Damals sagte er:
    Im Zeichen des kalten Krieges war die Wiedervereinigungspolitik eingebettet in das umfassende Anliegen der freien Welt, die Einflußsphäre des Kommunismus in Europa zurückzudrängen. Heute hat sich in der Welt das beherrschende und allgemeine Interesse der Friedenserhaltung vor das Teilinteresse der Wiedervereinigung Deutschlands geschoben. Es besteht zwar noch eine Übereinstimmung im Ziel, aber es ist für die deutsche Außenpolitik schwieriger geworden.
    Ich habe damals, 1965, diese Rede für bedeutsam gehalten. Sie war ein Schritt auf Ihrem Wege, meine Damen und Herren, zur sogenannten Friedensnote mit dem Gewaltverzichtsangebot im Frühjahr 1966.



    Bundesminister Schmidt
    Die Rede enthielt übrigens auch die richtige Feststellung, es stelle sich immer wieder neu die schwierige Frage, wie wir unsere Deutschlandpolitik am besten in den ganzen Zusammenhang der allgemeinen Ost-West-Beziehungen einfügen können. Diese Frage stellt sich auch heute und morgen und übermorgen — da stimme ich Ihnen zu — immer wieder neu. Wenn sich insgesamt die Beziehungen zwischen Ost und West ändern, ändern sich damit auch Rahmen und Lage unserer Ostpolitik.
    Übrigens haben Sie, Herr Kollege Schröder — auch das will ich nachtragen —, schon in jener Rede, wenn auch sehr verklausuliert, festgestellt, daß die Alleinvertretungsposition à la longue nicht haltbar sein würde. Ich sage das, weil Sie gestern die von Ihnen festgestellte Diskontinuität so hervorgehoben haben. Sie selber haben heute vor sieben Jahren Diskontinuitäten vorausgesehen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    — wenn es wirklich Diskontinuitäten sind! Wenn es sich nicht um einen kontinuierlichen Wandel der Position entsprechend der jeweils sich wandelnden Gesamtlage der Beziehungen zwischen Ost und West handeln würde!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Bundesregierung hat 1969 aus der vorgefundenen, nicht von ihr geschaffenen, sondern historisch gewachsenen Situation die Konsequenzen gezogen, und zwar von der Lage aus, die sie 1969 antraf. Dabei war und bleibt das Gleichgewichtsprinzip der oberste Leitsatz unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Er prägt die Haltung der Bundesregierung zum nordatlantischen Bündnis, zu den großen Nuklearmächten, zu dem notwendigen Versuch, Sicherheit bei geringerer Rüstung zu erhalten. Er prägt aber auch unsere Haltung bei dem Versuch der Bundesregierung, Verständnis und Ausgleich mit der Sowjetunion, mit den Völkern des europäischen Ostens zu erreichen.
    Für diese Politik muß gelten: Wer seine eigene Politik unter den Schutz des Gleichgewichts stellt, darf nicht versuchen, andere aus diesem Gleichgewicht herauszubrechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das heißt für unsere Entspannungspolitik gegenüber dem Westen wie dem Osten ganz konkret:
    1. Es kann im osteuropäischen Bereich nichts Wesentliches ohne die Mitwirkung Moskaus geschehen. So ist die Lage heute.
    2. Die Regierungen in Warschau, Ost-Berlin, Prag und in anderen osteuropäischen Hauptstädten haben gleichwohl eigene Interessen, eigenen Willen, eigenes Gewicht.
    3. Es wäre jedoch töricht und gefährlich, Keile zwischen die Staaten des Paktes treiben zu wollen, gefährlich nicht nur für uns, sondern für den Frieden überhaupt. Es wäre genauso töricht und für Entspannung und Zusammenarbeit gleichermaßen gefährlich, wenn jemand unseren Willen zum friedlichen Miteinander als ein bloß taktisches Manöver
    interpretieren wollte, wie das einige — ich erinnere mich genau — vor zehn Jahren gegenüber dem Godesberger Programm der Sozialdemokratischen Partei gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist eine sehr gefährliche Sache, wenn man den ernsten Willen eines anderen in eine taktische Wendung umfälscht.
    Deutschland und Frieden, meine Damen und Herren, werden heute wieder in einem Atemzug genannt. Die Geschichte erlaubt nicht, diesen Sachverhalt eine Selbstverständlichkeit zu nennen, genausowenig — auch das will ich deutlich sagen — wie es etwa erlaubt wäre, dies als Verdienst allein unserer Bundesregierung zu bezeichnen. Der Frieden nach Westen ohne den Frieden nach Osten bleibt ein unvollständiger Frieden, ein gefährdeter Frieden. Hier liegt die Aufgabe, deren Erfüllung wir allerdings nähergekommen sind als jede Regierung vorher.
    Künftige Historiker mögen darüber befinden, warum die CDU/CSU so viel länger braucht, dies zu begreifen, als die Umwelt, in der wir leben. Mit „Umwelt" meine ich nicht nur die Bürger dieses Landes, nicht nur unsere Nachbarn. Ich hatte im Herbst Gelegenheit, festzustellen, daß einem auch in Japan, Australien, Neuseeland eine ungewöhnlich herzliche Zustimmung zu dieser Versöhnungspolitik entgegengebracht wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wie aber immer die Urteile anderer lauten mögen, unsere Pflicht ist es, heute unsere Ziele, unsere Motive, unsere Kalkulationen offenzulegen, um jedermann draußen ein fundiertes Urteil zu ermöglichen. Ein solches Urteil wird sich an der tatsächlichen Entwicklung orientieren müssen, die wir einerseits als Mitglied des atlantischen Bündnisses und der Europäischen Gemeinschaften mit bewirkt haben und die andererseits von diesen politischen Zusammenschlüssen aus auf uns zurückgewirkt hat.
    Was also hat sich seit 1969 in Europa geändert? Wir haben uns daran gewähnt, darauf zu verweisen, daß die atlantische Allianz in Verteidigung und Entspannung die beiden Grundelemente ihrer politischen Strategie sehe. Mir scheint, der entscheidende Wandel des Atlantischen Bündnisses seit 1969 liegt darin, daß das Bündnis diesen Grundsatz, Verteidigung plus Entspannung, nicht nur verkündet, sondern ihn tatsächlich mit politischem Leben erfüllt und auf seiner Basis vielfältige politische Initiativen in Gang gesetzt hat. So haben sich zum einen die Partner in der „Studie über die Verteidigungsprobleme der Allianz in den 70er Jahren" geeinigt, am militärstrategischen Konzept der flexiblen Reaktion und am Prinzip der Vorne-Verteidigung festzuhalten, also an zwei Grundprinzipien, die gerade für uns wichtig sind. Sie haben es übernommen, Schwächen des Verteidigungssystems zu beseitigen und dabei nicht nur die bisher gültigen Grundsätze fortzuschreiben, sondern auch ein neues Programm für die künftige Arbeit zu entwickeln, aber andererseits hat das Bündnis 1970 und 1971 den Zusammen-



    Bundesminister Schmidt
    hang zwischen Verteidigung und Entspannung tatsächlich praktiziert.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die sehr konkreten Beschlüsse des NATO-Rats von Rom, Brüssel, Lissabon und nochmals Brüssel sind Beleg und Beweis: das ganze Bündnis mit all seinen Teilnehmerstaaten hat am Zustandekommen und am erfolgreichen Abschluß der Viermächteverhandlungen über Berlin mitgewirkt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Da muß man die Kommuniqués lesen, um das bestätigt zu finden. Das ganze Bündnis hat daran mitgewirkt, daß die Voraussetzung für ein solches Abkommen geschaffen werden konnte, nämlich der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken.
    Wer den Vorwurf erhebt, daß die Entspannungs-
    und Vertragspolitik der Bundesregierung den Zusammenhalt des Westens gefährde und die Funktionstüchtigkeit des Bündnisses beeinträchtige, der muß wissen, daß er sich selbst zu allen Regierungen in Gegensatz setzt — ich betone: allen — der im westlichen Bündnis verbündeten Staaten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Dr. Schröder, Sie sind ein bißchen außer Kontakt geraten mit der politischen Entwicklung in den uns verbündeten Ländern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn Sie Ihre gestrige Rede statt hier in Bonn in der Ministerratstagung des Atlantischen Bündnisses gehalten hätten, wäre nicht nur augenblicks eine tiefe Konsternation eingetreten, sondern der Prozeß der Isolierung Deutschlands innerhalb dieses Bündnisses hätte am gleichen Abend seinen Anfang genommen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Lemmrich: Vielleicht lesen Sie die Debatte des Europarats vom letztenmal nach! — Zurufe von der CDU/CSU: Der Zweck heiligt die Mittel!)

    — Vielleicht sind Sie so liebenswürdig, genauso wie wir gestern die — ich wiederhole — bemerkenswerten Darlegungen des Kollegen Schröder angehört haben, meinen Versuch einer Antwort entgegenzunehmen.
    Ich möchte Ihnen sagen, Herr Dr. Schröder, Sie durften sich — nach meinem Urteil — auch nicht in die Ausflucht retten, unserer Partner hätten diese Erklärung bloß abgegeben, weil sie — das hat Herr Strauß nachher wiederholt — eine lästige Verantwortung loswerden wollten, weil sie nicht deutscher als die Deutschen selbst sein wollten.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Was ist daran falsch? — Das ist aber so!)

    — Wer zu dieser Argumentation greift, impliziert ungewollt, daß unsere nationalen Interessen im bewußten Widerspruch zu den Interessen der Partner stünden.
    Sie haben in dem Zusammenhang gestern eine Drei-Mächte-Erklärung von 1964 zitiert, aber Sie
    hatten 1965 in der schon zitierten Rede vor dem Parteitag der CDU öffentlich ausgesprochen, daß Sie sich immer Mühe geben müßten, die drei Mächte zu solchen Erklärungen zu bringen. Sie wissen doch selbst auch aus der Erinnerung, Herr Schröder, daß damals diese Erklärung nicht dem innersten Willen und heiligsten Interesse der Beteiligten entsprach.

    (Abg. Dr. Schröder: Aber heute doch? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie widersprechen sich ja!)

    -- Nein, ich glaube nicht, daß darin ein Widerspruch liegt. Die sind etwas losgeworden, was ihnen lästig war; das ist richtig. Aber, Herr Schröder, Sie haben nie im Grunde glauben können, daß die auf Grund ihrer Erklärung jemals eine deutsche Wiedervereinigungsinitiative ergreifen könnten. Das hat niemand geglaubt, weder in Bonn noch anderswo.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)