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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 172. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 9833 A Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1972 (Drucksache VI/3080) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache VI/3156) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksache VI/3157) — Erste Beratung —, mit Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Deutschland- und Außenpolitik (Drucksachen VI/2700, VI/2828) und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen (Drucksache VI/ 1523) — Fortsetzung der Aussprache — Franke, Bundesminister 9833 D Dr. von Weizsäcker (CDU/CSU) . 9837 C Mattick (SPD) 9843 A Amrehn (CDU/CSU) 9849 B Dr. Achenbach (FDP) . . . . . . 9853 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 9859 B Heyen (SPD) . . . . . . . . . 9869 D Dr. Ehmke, Bundesminister . . . . 9885 C Windelen (CDU/CSU) . . . . . . 9897 A Genscher, Bundesminister . . . . 9905 D Strauß (CDU/CSU) . . . . . . . 9909 C Schmidt, Bundesminister . 9916 A, 9934 C Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 9929 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . 9933 C Dr. Wörner (CDU/CSU) . . . . 9935 A Fragestunde (Drucksache VI/3165) Frage des Abg. Cramer (SPD) : Anspruch mongoloider Kinder auf Ausstellung von Schwerbeschädigtenausweisen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 9872 B, C, D Cramer (SPD) . . . . . . . 9872 C, D Fragen des Abg. Vogt (CDU/CSU) : Vorlage des Vermögensbildungsberichts und des Sparförderungsberichts Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . 9872 D, 9873 A, B , C, D Vogt (CDU/CSU) . . . . . . 9873 B, C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Fragen des Abg. Varelmann (CDU CSU) : Einschränkung der von den Landesversicherungsanstalten gewährten Leistungen für Zahnersatz Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9873 D, 9874 A, C, D, 9875A Varelmann (CDU/CSU) . . . 9874 B, C, D, 9875 A Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Anzeigenaktion der Bundesregierung über die Erweiterung der EWG Ahlers, Staatssekretär 9875 B, C, D, 9876 A, B Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 9875 C, D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 9875 D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9876 A Damm (CDU/CSU) 9876 B Fragen des Abg. Engholm (SPD) : Vorschriften über die Haarlänge der Beamten des Bundesgrenzschutzes — Zurverfügungstellung von Haarnetzen und Vorgehen gegen Beamte mit langen Haaren Genscher, Bundesminister 9876 C, D, 9877 A Engholm (SPD) 9876 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 9877 A Fragen der Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) und Niegel (CDU/CDU) : Errichtung von Betreuungsstellen und Regionalsektionen der Kommunistischen Partei Italiens in der Bundesrepublik Genscher, Bundesminister . . . 9877 B, C, 9878 D, 9879 A, B, C , D, 9880 A, B , C, D, 9881 A Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9878 D, 9879 A Niegel (CDU/CSU) 9879 B, C Brück (Köln) (CDU/CSU) . . . 9879 D Matthöfer (SPD) . . . . . . . 9879 D von Thadden (CDU/CSU) . . . 9880 A Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . 9880 B Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . . 9880 C Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 9880 D Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . 9880 D Frage des Abg. Büchner (Speyer) (SPD) : Angabe von Orden und Ehrenzeichen in Personalbogen des öffentlichen Dienstes Genscher, Bundesminister . . . 9881 B, C Büchner (Speyer) (SPD) . . . . 9881 B, C Frage des Abg. Offergeld (SPD) : Erkenntnisse über die Wirkungen von Naßkühltürmen auf Klima und Luft — Kühlsysteme der Kernkraftwerke Kaiseraugst und Leibstadt Genscher, Bundesminister . . . . 9881 D, 9882 A, B Offergeld (SPD) . . . . . . . . 9882 A Josten (CDU/CSU) . . . . . . . 9882 B Frage des Abg. Schlee (CDU/CSU) : Verletzung der Gebietshoheit und des Asylrechts der Bundesrepublik am 2. Februar 1972 an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze Genscher, Bundesminister . . . 9882 C, D, 9883 A Schlee (CDU/CSU) 9882 D Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 9883 A Fragen des Abg. Müller (Mülheim) (SPD) : Zielsetzung des Umweltforums und in ihm vertretene Organisationen — Stand der Vorbereitungen Genscher, Bundesminister . , 9883 B, C, D, 9884 A Müller (Mülheim) (SPD) . . . 9883 B, C, D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9883 D Fragen des Abg. Dr. Häfele (CDU/CSU) : Einführung von Bewirtschaftungszuschüssen in landwirtschaftlichen Problemgebieten Ertl, Bundesminister . . . . 9884 B, C, D Dr. Häfele (CDU/CSU) . . . . 9884 C, D Frage des Abg. Höcherl (CDU/CSU) : Erklärung des Bundesministers Ertl in der Agrardebatte der Beratenden Versammlung des Europarates über Inflationsraten Ertl, Bundesminister . . . . 9885 A, B, C Höcherl (CDU/CSU) . . . . . 9885 B, C Nächste Sitzung 9935 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 III Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 9937 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Brauksiepe (CDU/ CSU) betr. Förderung der Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerks . . . . 9937 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. politische Extremisten im öffentlichen Dienst . . . . . . . 9937 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Pieroth (CDU/CSU) betr Zahl der unbearbeiteten Anträge bei den Ausgleichsämtern 9937 D Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. einheitliches Urheberrecht für EDV-Programme 9938 A Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Zander (SPD) betr. Ermittlungsverfahren gegen Monika Berberich als Gegenstand der Tätigkeit der Organisation Amnesty International . . 9938 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. wiederholte Vernehmung von Kindern und Heranwachsenden in Strafverfahren wegen an ihnen begangener Sittlichkeitsdelikte . . . . 9938 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Kater (SPD) betr. Auswirkungen der Explosionen in den Anlagen der Niederländischen Gas-Union auf die Belieferung der Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik . . . . 9939 B Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Nachentrichtung von Beiträgen und Novellierung der Altershilfe für Landwirte 9939 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) betr. Interview des Bundesministers Ehmke bezüglich der Konzentrationsbewegung in der Presse . . . 9940 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9833 17 2. Sitzung Bonn, den 24. Februar 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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      Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9937 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Bals *** 25. 2. Bredl 4. 3. Dasch 3.3. Dr. Dittrich 25. 2. Draeger *** 25. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 4. 3. Frau Dr. Henze 18. 3. Kahn-Ackermann *** 26. 2. Lautenschlager * 24. 2. Lenze (Attendorn) *** 25. 2. Lücker (München) * 24. 2. Mertes 25. 2. Pöhler *** 25. 2. Richarts 25. 2. Rinderspacher *** 25. 2. Schulte (Schwäbisch-Gmünd) 25. 2. Dr. Seume 25. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 22. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Brauksiepe (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Fragen A 4 und 5) : Hält die Bundesregierung - in Anbetracht der Tatsache, daß in deutschen Jugendherbergen im Jahre 1971 eine Gesamtzahl von fast 9 Millionen Übernachtungen erreicht wurde, darunter etwa eine Million Übernachtungen junger Ausländer - die Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerks für eine vorrangig zu fördernde Aufgabe der Jugendarbeit, insbesondere im Hinblick auf die vielfältige und nachhaltige Gelegenheit internationaler Begegnungen? Ist sie bereit und sieht sie eine Möglichkeit, den Bundesjugendplan dahin gehend zu überprüfen und die Arbeit des Jugendherbergwerks wirksamer als bisher finanziell zu unterstützen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerkes eine besonders förderungswürdige Aufgabe der Jugendarbeit darstellt. Dies wird durch die Tatsache belegt, daß die Förderung sowohl des Baues von Jugendherbergen als auch der Jugendarbeit in den Jugendherbergen in den vergangenen Jahren beträchtlich verstärkt worden ist. Die Bundesregierung ist bereit, das Deutsche Jugendherbergwerk bei dem Ausbau des Jugendherbergnetzes weiterhin nachhaltig zu unterstützen. Dafür wurden bisher alljährlich 2,8 Mio DM zur Verfügung gestellt, wozu Ländermittel in zumindest gleicher Höhe kamen. Bereits im vergangenen Haushaltsjahr konnten im Rahmen des Zonenrandförderungsgesetzes dem Deutschen Jugendherbergwerk Anlagen zum Stenographischen Bericht zusätzliche Mittel in erheblichem Ausmaß (ca. 2,5 Mio DM) zur Verfügung gestellt werden. Diese zusätzliche Förderung wird 1972 fortgesetzt und findet auch in der Finanzplanung Berücksichtigung. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 43) : In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung der durch Bundesinnenminister Genscher wiederholt erteilten Absage an politische Extremisten im öffentlichen Dienst Rechnung zu tragen? Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder haben bei ihrer Konferenz in Bonn am 28. Januar 1972 eine gemeinsame Erklärung darüber abgegeben, welche Maßnahmen nach dem geltenden Recht zu treffen sind. Nach den dort formulierten Grundsätzen werden die Bundesbehörden verfahren. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesminister Genscher vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 49) : Hat die Bundesregierung einen Überblick über die Zahl der unbearbeiteten Anträge bei den Ausgleichsämtern, insbesondere auch über Altersstruktur der wartenden Antragsteller? Von den 7 103 372 Anträgen auf Feststellung von Vertreibungsschäden, Kriegsschäden und Ostschäden nach dem Feststellungsgesetz waren Ende 1971 308 234 Anträge (= 4,31 v. H.) noch nicht abschließend bearbeitet. Im Zuerkennungsverfahren waren 69 174 Fälle (= 1,3 v. H.) noch nicht abgeschlossen. Von den 4 255 301 zuerkannten Ansprüchen auf Hauptentschädigung waren 161 587 (= 3,9 v. H.) noch nicht erfüllt. In 597 961 Fällen konnten die zuerkannten Hauptentschädigungsansprüche nicht oder nur teilweise erfüllt werden, weil die Erfüllung wegen noch laufender Kriegsschadenrente oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen gesperrt ist. Ein höherer Bearbeitungsrückstand ergibt sich bei den Anträgen auf Feststellung von Vermögensschäden in Mitteldeutschland und im Gebiet von Berlin (Ost) nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz (BFG) vom 22. Mai 1965. Hier sind bis zum 31. Dezember 1971 insgesamt 384 079 Feststellungsanträge eingereicht worden, von denen bis dahin 264 434 Anträge (= 69,1 v. H.) noch in Bearbeitung waren. 9938 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Von den 81 637 im Feststellungsverfahren positiv erledigten Anträgen sind 25 777 Fälle (= 31 v. H.) im Zuerkennungsverfahren noch unerledigt. Von den zuerkannten Ansprüchen auf Hauptentschädigung waren 35 156 voll erfüllt. 20 481 Ansprüche konnten nicht oder nur teilweise erfüllt werden, weil wegen der Gewährung laufender Beihilfe oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen eine Auszahlung nicht möglich war. Einen Überblick über die Altersstruktur der wartenden Antragsteller hat die Bundesregierung nicht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 50) : Wie beurteilt die Bundesregierung ein einheitliches Urheberrecht für EDV-Programme, und was hat sie in dieser Hinsicht bisher unternommen? Die Frage des Schutzes der EDV-Programme wird zur Zeit von der Weltorganisation für geistiges Eigentum im Auftrage der Vereinten Nationen untersucht. Dabei wird insbesondere auch geprüft, ob für EDV-Programme ein Schutz durch das Urheberrecht, durch Patente oder Gebrauchsmuster oder aufgrund der Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb ausreichend und angemessen ist oder ob es zweckmäßig erscheint, ein neues Schutzrecht für EDV-Programme zu schaffen. Die Bundesregierung hält es für angebracht, zunächst das Ergebnis dieser Untersuchung abzuwarten, da angesichts der internationalen Bedeutung des Problems des Schutzes der EDV-Programme eine Rechtsangleichung sehr erwünscht ist. Sofortige Maßnahmen auf nationaler Ebene sind nach Auffassung der Bundesregierung nicht erforderlich. EDV-Programme genießen, soweit sie persönliche geistige Schöpfungen sind, den Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz. Im übrigen greift ergänzend der Schutz des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ein, wenn EDV-Programme von Dritten in unlauterer Weise ausgenutzt werden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Zander (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 53) : Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus der Tatsache zu ziehen, daß die zur Hilfe für politische Häftlinge gegründete Organisation Amnesty International den Fall Monika Berberich aufgreifen will? Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, aufgrund der Tatsache, daß Amnesty International das Ermittlungsverfahren gegen Monika Berberich zum Gegenstand seiner Tätigkeit gemacht hat, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Dies ist schon deswegen nicht erforderlich, weil die Bundesanwaltschaft am 18. Februar 1972 den Generalsekretär von Amnesty International auf dessen Wunsch ausführlich über den bisherigen Verlauf des Verfahrens informiert und dabei insbesondere auch die Gründe für die Dauer der Untersuchungshaft erörtert hat. Der Generalsekretär von Amnesty-International hat aufgrund dieser Informationen am gleichen Tage in Karlsruhe auf einer Pressekonferenz im Namen seiner Organisation erklärt, daß Beanstandungen gegen die bisherige Behandlung des Verfahrens nicht zu erheben seien. Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren an die Strafverfolgungsbehörden Berlin abgegeben. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache V1/3165 Frage A 55) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß Kinder und Heranwachsende schweren psychischen Belastungen ausgesetzt sind, wenn sie in dem Strafverfahren wegen eines an ihnen begangenen Sittlichkeitsdeliktes mehrmals als Zeugen vernommen werden, und ist sie bereit, durch eine Gesetzesinitiative sicherzustellen, daß von weiteren Zeugeneinvernahmen bei späteren Beweisaufnahmen dann abzusehen ist, wenn bereits eine gerichtlich protokollierte Aussage vorliegt? Ich darf mir vorweg den Hinweis erlauben, daß das von Ihnen angeschnittene Problem bereits Gegenstand von Erörterungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform ist. Anläßlich der Beratungen über das 4. Strafrechtsreformgesetz hat der Sonderausschuß hierzu eine an den Bundesminister der Justiz gerichtete Entschließung gefaßt und den Bundesminister der Justiz gebeten, zu dem in der Entschließung enthaltenen Fragenkatalog Stellung zu nehmen. Mein Haus hat über die Landesjustizverwaltungen die gerichtliche und staatsanwaltliche Praxis zu diesen Fragen gehört und entsprechende gesetzliche Regelungen ausländischer Staaten überprüft. Das Ergebnis der Auswertung des umfangreichen Materials wird in diesen Tagen dem Sonderausschuß zugeleitet werden. Aufgrund des meinem Hause vorliegenden Materials wird davon auszugehen sein, daß unter Psychologen und bei der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis weitgehend Übereinstimmung darüber besteht, daß Kinder und Heranwachsende psychischen Belastungen ausgesetzt sein können, wenn sie in dem nachfolgenden Strafverfahren wegen eines an ihnen begangenen Sittlichkeitsdelikts als Zeugen vernommen werden. Dabei birgt insbesondere die wiederholte Vernehmung des kindlichen oder jugendlichen Zeugen die Gefahr eines schädigenden Einflusses in sich. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9939 Um diese Gefahr auszuschließen, wäre an sich eine Regelung erstrebenswert, die im Prinzip nur eine richterliche Vernehmung des kindlichen oder jugendlichen Zeugen zuläßt und als Regelfall die Verlesung dieser Vernehmungsniederschrift in der Hauptverhandlung vorsieht. Eine entsprechende Regelung erscheint allerdings nicht unproblematisch. Sie wird von der gerichtlichen Praxis einhellig abgelehnt. Eine entsprechende gesetzliche Bestimmung würde einen tiefgreifenden Eingriff in die Struktur des Strafprozesses bedeuten, da damit der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme durchbrochen würde. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zählt aber zu den wichtigsten Prinzipien unseres Strafverfahrensrechts. Er gewährleistet, daß das erkennende Gericht von den zur Rekonstruierung des Sachverhalts benutzten Beweismitteln in unmittelbar eigener sinnlicher Wahrnehmung Kenntnis erlangt. Dies ist gerade von besonderer Bedeutung in Strafverfahren wegen Sittlichkeitsdelikten, in denen kindliche oder jugendliche Opfer oft als einzige Zeugen, zumindest aber als Hauptbelastungszeugen auftreten. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß dem berechtigten Wunsch nach besonderem Schutz kindlicher und jugendlicher Zeugen vor schädlichen Nebenwirkungen des Strafverfahrens die rechtsstaatliche gegründete Forderung nach unbeschränkter Verteidigung des Angeklagten gegenübersteht. Diese Antinomie dürfte nicht ohne eine schwer zu vertretende Beschränkung des Rechts der Verteidigung aufgelöst werden können. Die Bundesregierung wird jedoch im Rahmen der bereits in Angriff genommenen Reform des Strafverfahrensrechts mit Vorrang auf eine gesetzliche Regelung hinwirken, die der besonderen psychischen Situation des kindlichen und jugendlichen Opfers von Sittlichkeitsdelikten im anschließenden Strafverfahren gerecht wird. Welcher gesetzgeberischen Lösung angesichts der hier nur kurz aufgezeigten Schwierigkeiten der Vorzug zu geben ist, bedarf noch weiterer eingehender Überlegungen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Rohwedder vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 58 und 59) : Welche Auswirkungen hatten nach Auffassung der Bundesregierung die Folgen der Sprengstoffexplosionen in den Kompressoranlagen der Niederländischen Gasunion in Ravenstein und Ommen auf die Belieferung der Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland? Was hat die Bundesregierung getan bzw. was gedenkt sie zu veranlassen, um Vorsorge für den Fall des Entstehens von in den Niederlanden verursachten Versorgungsschwierigkeiten für die Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland zu treffen? Die Sprengstoffexplosionen in den Kompressoranlagen der Niederländischen Gas-Union hatten auf die Belieferung der Letztabnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik keine nennenswerten Auswirkungen. Lediglich solche Abnehmer haben Liefereinschränkungen hinnehmen müssen, bei denen Lieferunterbrechungen vertraglich zulässig sind. Die Bundesregierung betrachtet gerade die niederländischen Erdgasvorkommen als eine sehr sichere Energiequelle für den deutschen Energiemarkt. Sie wird in dieser Auffassung dadurch noch bestärkt, daß die niederländische Regierung unverzüglich Sicherheitsmaßnahmen beschlossen hat, um auch außergewöhnliche Vorkommnisse wie Sprengstoffanschläge für die Zukunft zu verhindern. Wirksamster Schutz auch gegen solche Versorgungsstörungen ist im übrigen nach Auffassung der Bundesregierung eine Politik der Diversifikation der Bezugsquellen sowie der weitere Ausbau des Erdgas-Verbundsystems, das wechselseitige Aushilfen der Verbundpartner, auch über die Staatsgrenzen hinweg, ermöglicht. Die Versorgungssicherheit der Verbundpartner wird um so größer, je mehr Erdgasquellen und Erdgasspeicher in dieses System eingebunden werden. Die Bundesregierung ermutigt alle Bemühungen, die auf die Erschließung neuer Lieferquellen, auf die Anlage von Erdgasspeichern und auf den Ausbau eines umfassenden europäischen Erdgas-Verbundsystems gerichtet sind. Dies ist ein Weg, auf dem die deutsche Gaswirtschaft schon ein gutes Stück vorangekommen ist. Für den Fall gleichwohl eintretender Versorgungsstörungen liegen schließlich bei den einzelnen Ferngasgesellschaften bis ins einzelne ausgearbeitete Abschaltpläne vor, um nach Maßgabe der geringsten Beeinträchtigung die Auswirkungen einer solchen Störung in möglichst engen Grenzen zu halten. Dabei wird der Versorgung der Kommunen und damit der privaten Haushalte sowie der Belieferung der Abnehmer, die nicht auf andere Energiearten ausweichen können, Vorrang eingeräumt. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Fragen A 89 und 90) : Wird die Bundesregierung Landwirten, die sich bei der Einführung der Altershilfe für die Landwirtschaft von den Beitragszahlungen befreien ließen, eine Nachversicherungsmoglichkeit einräumen? Wie groß ist der oben angesprochene Personenkreis? Bei der vorgesehenen Novellierung der Altershilfe für Landwirte wird die Bundesregierung auch die Möglichkeiten für einen Verzicht auf die Befreiung von der Beitragspflicht und die damit verbundene Frage der Nachentrichtung von Beiträgen prüfen. Dabei ist jedoch eine differenzierte Betrachtung erforderlich, da es sich um unterschiedliche Befreiungstatbestände mit entsprechend unterschiedlichen Motivationen handelt. Und zwar sind diejenigen Personen, die sich bei Einführung der Altershilfe für Landwirte im Jahre 9940 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 1957 auf Grund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages haben befreien lassen, von jenen Personen zu unterscheiden, die wegen einer anderweitigen gesetzlichen Versicherung oder Versorgung befreit worden sind. Im ersten Fall ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen der Entschluß zur Befreiung seinerzeit gefaßt worden ist, nicht so verändert sind, daß eine Korrektur der damaligen Entscheidung ermöglicht werden sollte. Im zweiten Fall haben die Versicherungs- und Versorgungsansprüche an der allgemeinen Fortentwicklung teilgenommen, so daß er sich in einem anderen Licht darstellt. Soweit es die Zahlen angeht, möchte ich folgendes anmerken: Nach der Quartalstatistik der landwirtschaftlichen Alterskassen (Stichtag 31. Dezember 1971), die vom Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen herausgegeben wird, beträgt die Zahl der beitragsbefreiten Landwirte insgesamt 60 422. Die Zahl derjenigen, die auf Grund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages befreit worden sind, dürfte bei 2 500 liegen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Ehmke vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 117) : Entsprechen die Auffassungen, die Bundesminister Ehmke in einem Interview mit dem Bonner „General-Anzeiger" vom 7. Januar 1972 — auch nachgedruckt im Bulletin vom 8. Januar 1972 — zu den Problemen der Massenmedien darlegte, den in den zuständigen Bundesministerien entwickelten Vorstellungen, und teilt die Bundesregierung insbesondere die Behauptungen des Bundesministers "Hinsichtlich der Pressekonzentration -muß man sich klarmachen, daß ein Teil des Konzentrationsvorgangs allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen notwendig ist und daß die Zusammenlegung oft zu einem besseren Niveau der Zeitungen führt. Man muß auch lokale Zeitungsmonopole durch den Ausbau regionaler Rundfunk- und Fernsehsender auszugleichen suchen. Dennoch ist der Gedanke einer als öffentlich-rechtliche Körperschaft organisierten Zeitung ein interessantes theoretisches Modell, wenn wir nämlich unterstellen, daß es am Ende des Konzentrationsprozesses nur noch eine Zeitung mit einer absoluten Monopolstellung geben könnte. Wir sollten es aber auf keinen Fall zu einer solchen Situation kommen lassen, in der die Frage verneint werden muß, ob Zeitungen überhaupt noch auf privater Basis gemacht werden dürfen."? In dem von Ihnen zitierten Interview habe ich ausgeführt, daß ein Teil der Konzentrationsbewegung in der Presse auf betriebswirtschaftliche Zwänge zurückzuführen ist. Es handelt sich hierbei um eine Feststellung, die schon im Schlußbericht der Pressekommission vom 22. Mai 1968 dargelegt ist. Ein gewisses Maß von Konzentration kann aber durchaus dem Informationsinteresse des Bürgers dienen, soweit nämlich leistungsschwache und überalterte Pressebetriebe durch leistungsstarke und rationell arbeitende Betriebe ersetzt werden, die eine zuverlässigere und vielseitigere Information bieten können. Hiervon ausgehend habe ich weiter die Auffassung vertreten, daß der Pressekonzentration dann entgegengewirkt werden muß, wenn eine ausreichende Meinungsvielfalt in der Presse nicht mehr gewährleistet ist. Diese Auffassung deckt sich nicht nur mit der der Bundesregierung; ich gehe sogar davon aus, daß auch Sie ihr zustimmen. Falls es einmal dazu kommen sollte, daß die Vielfalt der Presse aufgrund der wirtschaftlichen Konzentration Meinungsmonopolen weichen müßte, dann stünde als Ausweg zur Erhaltung der Meinungsvielfalt das Denkmodell einer als öffentlich-rechtlichen Körperschaft organisierten Zeitung zur Debatte. Diese Frage, die mir in jenem Interview gestellt wurde, ist heute nicht akut, und ich hoffe, daß sie nie akut wird.
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Dr. Hermann Schmitt


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

      Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Schlee auf:
      Wie gedenkt die Bundesregierung auf die laut Bekanntgabe des bayerischen Staatsministeriums des Innern, nach der tschechoslowakische Sicherheitsorgane sich in der Nacht zum Mittwoch, dem 2. Februar 1972 wiederum durch Festnahme oder Bedrohung mit Schußwaffen eines Flüchtlings bemächtigt haben, der sich bereits auf dem deutschen Ufer der Röslau bei Schirnding/ Mühlbach (Gemeinde Fischern) befand, neuerliche Verletzung der

      (0 zu reagieren? Herr Minister! Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt beantworte ich die Frage wie folgt: Nach den Feststellungen des Bundesgrenzschutzes hat sich in der Nacht vom 1. zum 2. Februar 1972 an der deutschtschechoslowakischen Grenze folgendes ereignet. Gegen 22.30 Uhr beobachtete eine Streife des Zollgrenzdienstes, daß von einem tschechoslowakischen Beobachtungsturm an der erwähnten Stelle Leuchtkugeln abgeschossen wurden. Unmittelbar darauf riegelten tschechoslowakische Grenzsicherungskräfte die Grenze mit Doppelposten im Abstand von etwa 50 Metern ab. Die Streife des Zollgrenzdienstes und eine von ihr verständigte Streife des Bundesgrenzschutzes erreichten gegen 22.45 Uhr das fragliche Gebiet an der Grenze, konnten aber zunächst keine weiteren Feststellungen treffen. Beim Absuchen der Grenze wurden am 2. Februar 1972 gegen 1.00 Uhr am Ufer der Röslau, die in diesem Abschnitt die Grenze bildet, Spuren gefunden, die vermuten lassen, daß eine Person versucht hat, sich mit den Händen am angeböschten Ufer hochzuziehen und daß sie sich dabei leicht verletzt hatte. Spuren, die darauf schließen ließen, daß tschechoslowakische Grenzsoldaten den Bach oder anderes Bundesgebiet betreten hatten, konnten indessen nicht entdeckt werden. Nach dem festgestellten Sachverhalt spricht zwar einiges für die Vermutung, daß die tschechoslowakischen Grenzsicherungsorgane bei diesem Vorgang einen Fluchtversuch vereitelt haben. Die getroffenen Feststellungen reichen jedoch für den Nachweis einer Grenzverletzung durch die Grenzwachen der Tschechoslowakei nicht aus. Zusatzfrage, Herr Abgeordneter. Herr Bundesminister, würden die Feststellungen auch dann nicht für den Nachweis einer Grenzverletzung ausreichen, wenn die Ergebnisse zeigten, daß man von tschechoslowakischer Seite mit Waffengewalt den Flüchtlinge zur Rückkehr gezwungen hat? Herr Abgeordneter, wenn das bewiesen werden könnte, wäre das etwas anderes. Herr Bundesminister, da es sich hierbei nicht um den ersten Fall dieser Art handelt, frage ich Sie: Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß derartige Vorkommnisse, auch wenn sie nicht genau festgestellt werden können, in der dortigen Grenzbevölkerung ein Gefühl der Unruhe, der Unsicherheit und der Bedrohung hervorrufen müssen, wenn darauf nicht entschieden reagiert wird? Herr Abgeordneter, das ruft nicht nur bei dieser Grenzbevölkerung Beunruhigung hervor, sondern überall und vor allem dort, wo die Bevölkerung mit diesen Problemen in besonderem Maße konfrontiert ist. Ich glaube aber, daß die Wirksamkeit unserer Proteste in den Fällen, in denen wir genaue Unterlagen haben, herabgemindert würde, wenn wir uns auf den Pfad von Vermutungen begäben, auch wenn diese Vermutungen ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit haben. Es sollte Ihnen bekannt sein, Herr Abgeordneter, daß die Bundesregierung in jedem Fall einer Grenzverletzung, wo immer sie stattfindet, mit aller Energie protestiert, übrigens nicht, wie früher, durch untergeordnete Stellen, sondern als Bundesregierung. Als Mitglied der Bundesregierung tue ich das. Eine Zusatzfrage. Hat man sich in diesem speziellen Fall bei den tschechoslowakischen Grenzbehörden um Aufklärung bemüht, da die Spurensicherung, von der Sie hier berichtet haben, darauf hindeutet, daß etwas geschehen ist? Ja, Herr Abgeordneter, das ist geschehen. Der Grenzbeauftragte der bayerischen Grenzpolizei in Furth im Wald hat den Vorfall bei einer aus anderem Anlaß abgehaltenen Besprechung mit Offizieren der tschechoslowakischen Paßkontrolle in Mühlbach zur Sprache gebracht. Auch dabei konnten keine weiteren Erkenntnisse gewonnen werden. Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Müller Welche Zielsetzung verfolgt die Bundesregierung mit dem von ihr in ihrem Umweltprogramm angekündigten Umweltforum, und welche Organisationen und Gruppen sollen in dem Forum vertreten sein? Herr Minister! Das Umweltforum ist als eine gemeinsame Veranstaltung für alle an Umweltproblemen Beteiligten gedacht, d. h. für die Verursacher, für Gesetzgebung und Verwaltung in allen Bereichen, für den theoretischen und praktischen Sachverstand, für Vertreter der Medien, insbesondere aber für die von Umweltbelastungen berührten Bürger. Eine solche Zusammenführung von Energien und von Aktivitäten außerhalb der Verwaltung und die Aufnahme von Kritik und Anregungen aus der Bevölkerung hat sich ja bereits bei der Erarbeitung des Umweltprogramms der Bundesregierung außerordentlich bewährt. Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller. Herr Minister, besteht zwischen diesem Forum, das nach Ihren Worten ja wohl als eine ständige Einrichtung für den Dialog gedacht und geplant ist, und der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen e. V. irgendeine Übereinstimmung und ein Zusammenhang? Wir den-den auch an diese Arbeitsgemeinschaft. Eine weitere Zusatzfrage. Halten Sie im Sinne meiner ersten Frage die Zusammensetzung dieses Kreises für so abgewogen — ich meine die Beteiligung aller —, daß er den Gesichtspunkten gerecht werden kann, von denen Sie vorhin gesprochen haben? Wenn das so wäre und nichts mehr zu wünschen übrigbliebe, brauchten wir dieses neue Gremium nicht zu schaffen. Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Müller Welche Vorbereitungen sind bisher getroffen worden, damit das Umweltforum möglichst bald mit seiner Arbeit beginnen kann? Wie ich schon gesagt habe, wird das Umweltforum keine Veranstaltung der Bundesregierung sein. Wir hoffen, daß wir dem Hohen Hause in Kürze ausführlich über die Beteiligung berichten können. Wir sind da noch in Gesprächen mit verschiedenen Partnern. Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller. Herr Minister, darf man davon ausgehen, daß zumindest das, was ich vorhin bereits habe anklingen lassen, gesichert sein wird, daß es in dem vorhin genannten Verein auch eine abgewogene personelle Zusammensetzung des Hauptausschusses gibt, wobei alle Interessen berücksichtigt sind? Es darf nicht etwa so aussehen, daß Industrie, Technik und Wissenschaft dominieren, während die eigentlichen Betroffenen, die zum Teil auch Verursacher sind, dabei zu kurz kommen. Ja, Herr Abgeordneter. Dabei sind natürlich nicht nur die Verursacher betroffen. Ich finde, Betroffene sind vielmehr diejenigen, die nicht Verursacher sind. Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jahn. Herr Minister, ist daran gedacht, dieses Umweltforum auch für Interessengruppen aus dem EWG-Bereich zu öffnen? Sie wissen, daß die Harmonisierungsfragen hier eine große Rolle spielen. Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß ich sehr dafür eintrete, eine internationale Zusammenarbeit zu fördern. Aber ich würde es schon als einen großen Fortschritt ansehen, wenn wir ein sehr differenziertes, unabhängiges Forum dieser Art für unseren Bereich schaffen könnten. Was Sie anregen, kann dann sicher ein nächster Schritt sein. Die Frage 49 des Abgeordneten Pieroth wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Minister. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung steht der Herr Bundesminister Ertl zur Verfügung. Zuerst rufe ich die Fragen 79 und 80 des Abgeordneten Dr. Häfele auf: Welche konkreten Vorstellungen hat die Bundesregierung in der Frage der Einführung von Bewirtschaftungszuschüssen in landwirtschaftlichen Problemgebieten? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß solche Bewirtschaftungszuschüsse rasch kommen müssen, um zu verhindern, daß infolge übermäßiger Abwanderung aus der Landwirtschaft wertvolle Landschaften veröden? 1. Im Rahmen der Agrarstrukturpolitik werden verschiedene Hilfen für die Landwirtschaft gewährt. Soweit sie die Landschaftspflege berühren, hat der Bund keine Kompetenz. 2. Die Landschaftspflege ist bis zur Lösung der Frage, ob sie in die konkurrierende Gesetzgebung genommen werden soll oder nicht, ausschließliche Ländersache. 3. Für begrenzte Gebiete stehen Einkommenshilfen zur Diskussion, in Brüssel, aber auch hier in der Bundesrepublik. Es ist sehr schwierig, hierfür die Kriterien zu finden. Diese Hilfen sind sicherlich nicht geeignet, das Problem der Sozialbrache zu lösen. 4. Weil der Bundesregierung die Schwierigkeiten insbesondere für Grünlandund Futterbaubetriebe bekannt sind, hat sie sich ganz besonders bemüht, im Rahmen des Einkommensausgleichs, der für die Verluste durch die D-Mark-Aufwertung gewährt wird, vor allem die Grünlandund Futterbaubetriebe zu berücksichtigen. Das galt auch für die im letzten Jahr zusätzlich gewährte Liquiditätshilfe. Ich kann Ihnen aus meinem Bereich versichern, daß diese Hilfen sehr nützliche Wirkungen gezeigt haben. So konnte im bayerischen Bereich festgestellt werden — ähnliche Berichte habe ich auch aus dem Schwarzwald —, daß beispielsweise seit langem nicht mehr bestoßene Almen wieder neu bestoßen wurden. Zusatzfrage. Herr Minister, denkt die Bundesregierung daran, für den Fall, daß sie die Kompetenz für den Landschaftsschutz erhält, Bewirtschaftungszuschüsse einzuführen? Für ein noch nicht gelöstes Problem kann ich jetzt natürlich keine verbindliche Erklärung abgeben. Herr Kollege, das werden Sie von mir nicht verlangen können. Hier ist ja zunächst das Hohe Haus gefragt; denn das muß das Hohe Haus entscheiden. Aber ich will einmal versuchen, Ihnen hier so präzise wie möglich zu antworten: 1. Das Problem der Sozialbrache ist sicherlich ein Problem, das auch im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur zur Diskussion steht. Diesbezüglich führen wir Verhandlungen mit den Ländern. 2. Selbstverständlich muß sich der Bund, sollte die konkurrierende Gesetzgebung kommen, auf Grund dieser Tatsache und der sich daraus möglicherweise ableitenden legislativen Verpflichtung auch Gedanken darüber machen, wie er zur Lösung des Problems beitragen kann. Eine weitere Zusatzfrage. Hat die Bundesregierung schon Vorstellungen, welche Kosten entstünden, wenn solche Bewirtschaftungszuschüsse eingeführt würden? Herr Kollege Häfele, Sie bringen mich hierbei auf einen ganz schwierigen Pfad. Aber ich will Ihnen hier einmal folgendes sagen: Ich lasse in meinem Haus, weil ich diese positiven Erfahrungen mit dem Einkommensausgleich für die Almwirtschaft und Hutungen gesammelt habe, gerade ermitteln, welche Kosten entstehen, wenn man diese Hilfen langfristig fortsetzen könnte. Das soll nicht heißen, daß ein Beschluß über die Fortsetzung dieser Hilfen gefaßt wurde. Aber ich lasse es wenigstens untersuchen. Eine weitere Zusatzfrage. Aber, Herr Kollege, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß mit jeder weiteren Zusatzfrage die Chance des Kollegen Höcherl schwindet, daß seine Frage aus diesem Geschäftsbereich noch beantwortet wird. Es ist meine letzte Zusatzfrage. Herr Bundesminister, teilen Sie meine Meinung, daß hier Eile geboten ist, bald eine Entscheidung herbeizuführen? Herr Kollege Häfele, ich teile Ihre Meinung. Ich teile sogar Ihre Meinung, daß bezüglich der konkurrierenden Gesetzgebung Eile geboten ist. Ich kann Sie als Kollegen der bedeuBundesminister Ertl tenden CDU/CSU-Fraktion nur bitten, dem Bundesminister zu helfen. Ich rufe die Frage 81 des Abgeordneten Höcherl auf: Trifft es zu, daß Bundesminister Ertl in der Agrardebatte der Beratenden Versammlung in Straßburg die Inflationsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zugestanden hat, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese Entwicklung einzudämmen? Herr Kollege Höcherl, ich habe keine solche Aussage gemacht, wie Sie es in Ihrer Frage darstellen. Aber ich will Ihnen hier einmal mitteilen, was ich gesagt habe. Ich habe in einer Rede vor dem Europarat im Zusammenhang mit der Fortentwicklung der europäischen Agrarpolitik folgendes ausgeführt — jetzt zitiere ich wörtlich, deshalb muß ich es ablesen, da man sich ja nicht alles merken kann —: „Die Agrarpreiserhöhung muß, solange es keine besseren Alternativen gibt" — das führt übrigens auf die vorhergehende Frage zurück, nämlich zur europäischen Regionalund Strukturpolitik —, „so gestaltet werden, daß sie nicht hinter den Inflationsraten zurückbleibt." Das gilt für die EWG-Agrarpolitik. Damit wird also nicht, wie Sie glaubten, eine Inflationspolitik der Bundesrepublik unterstellt, sondern ich habe allgemein festgestellt, daß das meine Auffassung für eine Normierung bzw. für eine Fixierung von Agrarpreisfestsetzungsdaten ist. Ich muß noch den zweiten Teil beantworten: Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Konjunkturdämpfung darf ich bei einem so versierten Kollegen wie dem Kollegen Höcherl als bekannt voraussetzen. Sie greifen im Augenblick offensichtlich so, daß ein so bedeutender Verband, wie es der DIHT, wie Sie wissen, ist — ich bin gar nicht seiner Meinung —, vor kurzem z. B. gefordert hat, den Konjunkturzuschlag sofort zurückzuzahlen. Eine Zusatzfrage. Herr Bundesminister, warum haben Sie der Pressemeldung nicht widersprochen, wenn Sie jetzt behaupten, Sie hätten das überhaupt nicht auf Deutschland bezogen, sondern es wären die fünf schlechten Partner, die inflationäre Politik machten, während der chemisch reinen Preispolitik der Bundesregierung so etwas natürlich überhaupt nicht passieren könne. Herr Kollege Höcherl, ich brauchte gar nicht zu dementieren, weil jeder Mensch und damit auch jeder Journalist das Bulletin der Bundesregierung lesen kann. Dort ist das wortwörtlich veröffentlicht. Ich kann mir nicht die Mühe machen, dann auch noch für Falschleser Dementis zu erlassen. Die Rede ist in vollem Wortlaut veröffentlicht. Eine letzte Zusatzfrage. Ich will nicht von dem Geheimblatt, dem Bulletin der Bundesregierung, sprechen, das nicht jeder liest, aber eine Frage: Sie halten also die Preisentwicklung in der Bundesrepublik nicht für inflationär, sondern glauben, daß sie sich im Rahmen einer ganz ordentlichen Stabilitätsentwicklung halte? Herr Kollege Höcherl, ich will Ihnen die Frage sehr gern beantworten. Ich halte die Preisentwicklung für nicht gut, und ich bin der Meinung, die Bundesregierung hat gut daran getan, durch Konjunkturdämpfungsmaßnahmen dazu beizutragen, daß sich die Preise wieder normalisieren, wie zur Zeit alle Wirtschaftsredaktionen und alle Fachleute bestätigen. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Wir treten wieder in die Beratung der Punkte 2 bis 6 der Tagesordnung ein. Das Wort hat Herr Bundesminister Ehmke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Hause bestand und besteht Einigkeit darüber, daß das Haus vor einer der wichtigsten Entscheidungen steht, die es in seiner Geschichte zu treffen hat. Gemessen an dieser Bedeutung ist mir aufgefallen, daß in den Beiträgen der Opposition eigentlich wenig von dem geschichtlichen Atem zu spüren ist, der diese Frage begleitet. Das gilt auch für die Rede von Herrn Kollegen Schröder, so sehr ich deren meisterhafte Form bewundert habe; denn diese Rede hat sich ja zur Substanz, nicht nur zu Berlin, sondern zur Substanz der Verträge überhaupt nicht geäußert, sondern sich auf verfahrensmäßige und methodologische Bemerkungen beschränkt. Sie war darin allerdings weit qualifizierter als die ausgewählten Erzählungen von Herrn Kollegen Marx. Herr Kollege Marx, die Rede, die Sie hier gehalten haben, war eine Rede, die in Weimar manche Deutschnationale gehalten haben. Ich sage manche Deutschnationale, weil zu sagen alle Deutschnationalen den Deutschnationalen der Weimarer Republik Unrecht tun würde. Auf die Rolle der Deutschnationalen in Weimar komme ich noch zurück. Ich war eigentlich der Meinung, Herr Kollege Barzel, wir könnten uns und diese Debatte selbst insofern nicht geschichtslos betrachten, als wir darin übereinstimmen könnten, daß heute hier in diesem Hause nicht mehr das gesagt werden kann, was Herr KolBundesminister Dr. Ehmke lege von Merkatz am 19. März 1953 hier gesagt hat: bei der Frage der Wiedervereinigung gehe es — Zitat — nicht um einen im Wege des Verhandelns und des Brückenbaus zu schaffenden Ausgleich, sondern um die Befreiung der besetzten deutschen Gebiete. Ich glaube, davon, daß diese Töne vorbei sind, können wir und sollten wir gemeinsam ausgehen, und nicht von den Tönen, die wir damals gehört haben und die wir zum Teil heute wieder hören. Ich möchte vielmehr bei aller notwendigen Auseinandersetzung festhalten, Herr Kollege Barzel, daß Sie — und das war in dieser Form neu — gestern mit der Bundesregierung darin übereingestimmt haben, daß die Lösung der deutschen Frage ein geschichtlicher Prozeß sei, dessen einzelne Stationen man heute noch nicht absehen könne. (Abg. Dr. Barzel: Der Satz geht weiter, Herr Kollege Ehmke!)


    Rede von Hans-Dietrich Genscher
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)