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    Deutscher Bundestag 172. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 9833 A Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1972 (Drucksache VI/3080) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache VI/3156) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksache VI/3157) — Erste Beratung —, mit Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Deutschland- und Außenpolitik (Drucksachen VI/2700, VI/2828) und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen (Drucksache VI/ 1523) — Fortsetzung der Aussprache — Franke, Bundesminister 9833 D Dr. von Weizsäcker (CDU/CSU) . 9837 C Mattick (SPD) 9843 A Amrehn (CDU/CSU) 9849 B Dr. Achenbach (FDP) . . . . . . 9853 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 9859 B Heyen (SPD) . . . . . . . . . 9869 D Dr. Ehmke, Bundesminister . . . . 9885 C Windelen (CDU/CSU) . . . . . . 9897 A Genscher, Bundesminister . . . . 9905 D Strauß (CDU/CSU) . . . . . . . 9909 C Schmidt, Bundesminister . 9916 A, 9934 C Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 9929 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . 9933 C Dr. Wörner (CDU/CSU) . . . . 9935 A Fragestunde (Drucksache VI/3165) Frage des Abg. Cramer (SPD) : Anspruch mongoloider Kinder auf Ausstellung von Schwerbeschädigtenausweisen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 9872 B, C, D Cramer (SPD) . . . . . . . 9872 C, D Fragen des Abg. Vogt (CDU/CSU) : Vorlage des Vermögensbildungsberichts und des Sparförderungsberichts Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . 9872 D, 9873 A, B , C, D Vogt (CDU/CSU) . . . . . . 9873 B, C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Fragen des Abg. Varelmann (CDU CSU) : Einschränkung der von den Landesversicherungsanstalten gewährten Leistungen für Zahnersatz Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9873 D, 9874 A, C, D, 9875A Varelmann (CDU/CSU) . . . 9874 B, C, D, 9875 A Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Anzeigenaktion der Bundesregierung über die Erweiterung der EWG Ahlers, Staatssekretär 9875 B, C, D, 9876 A, B Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 9875 C, D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 9875 D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9876 A Damm (CDU/CSU) 9876 B Fragen des Abg. Engholm (SPD) : Vorschriften über die Haarlänge der Beamten des Bundesgrenzschutzes — Zurverfügungstellung von Haarnetzen und Vorgehen gegen Beamte mit langen Haaren Genscher, Bundesminister 9876 C, D, 9877 A Engholm (SPD) 9876 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 9877 A Fragen der Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) und Niegel (CDU/CDU) : Errichtung von Betreuungsstellen und Regionalsektionen der Kommunistischen Partei Italiens in der Bundesrepublik Genscher, Bundesminister . . . 9877 B, C, 9878 D, 9879 A, B, C , D, 9880 A, B , C, D, 9881 A Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9878 D, 9879 A Niegel (CDU/CSU) 9879 B, C Brück (Köln) (CDU/CSU) . . . 9879 D Matthöfer (SPD) . . . . . . . 9879 D von Thadden (CDU/CSU) . . . 9880 A Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . 9880 B Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . . 9880 C Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 9880 D Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . 9880 D Frage des Abg. Büchner (Speyer) (SPD) : Angabe von Orden und Ehrenzeichen in Personalbogen des öffentlichen Dienstes Genscher, Bundesminister . . . 9881 B, C Büchner (Speyer) (SPD) . . . . 9881 B, C Frage des Abg. Offergeld (SPD) : Erkenntnisse über die Wirkungen von Naßkühltürmen auf Klima und Luft — Kühlsysteme der Kernkraftwerke Kaiseraugst und Leibstadt Genscher, Bundesminister . . . . 9881 D, 9882 A, B Offergeld (SPD) . . . . . . . . 9882 A Josten (CDU/CSU) . . . . . . . 9882 B Frage des Abg. Schlee (CDU/CSU) : Verletzung der Gebietshoheit und des Asylrechts der Bundesrepublik am 2. Februar 1972 an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze Genscher, Bundesminister . . . 9882 C, D, 9883 A Schlee (CDU/CSU) 9882 D Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 9883 A Fragen des Abg. Müller (Mülheim) (SPD) : Zielsetzung des Umweltforums und in ihm vertretene Organisationen — Stand der Vorbereitungen Genscher, Bundesminister . , 9883 B, C, D, 9884 A Müller (Mülheim) (SPD) . . . 9883 B, C, D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9883 D Fragen des Abg. Dr. Häfele (CDU/CSU) : Einführung von Bewirtschaftungszuschüssen in landwirtschaftlichen Problemgebieten Ertl, Bundesminister . . . . 9884 B, C, D Dr. Häfele (CDU/CSU) . . . . 9884 C, D Frage des Abg. Höcherl (CDU/CSU) : Erklärung des Bundesministers Ertl in der Agrardebatte der Beratenden Versammlung des Europarates über Inflationsraten Ertl, Bundesminister . . . . 9885 A, B, C Höcherl (CDU/CSU) . . . . . 9885 B, C Nächste Sitzung 9935 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 III Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 9937 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Brauksiepe (CDU/ CSU) betr. Förderung der Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerks . . . . 9937 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. politische Extremisten im öffentlichen Dienst . . . . . . . 9937 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Pieroth (CDU/CSU) betr Zahl der unbearbeiteten Anträge bei den Ausgleichsämtern 9937 D Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. einheitliches Urheberrecht für EDV-Programme 9938 A Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Zander (SPD) betr. Ermittlungsverfahren gegen Monika Berberich als Gegenstand der Tätigkeit der Organisation Amnesty International . . 9938 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. wiederholte Vernehmung von Kindern und Heranwachsenden in Strafverfahren wegen an ihnen begangener Sittlichkeitsdelikte . . . . 9938 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Kater (SPD) betr. Auswirkungen der Explosionen in den Anlagen der Niederländischen Gas-Union auf die Belieferung der Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik . . . . 9939 B Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Nachentrichtung von Beiträgen und Novellierung der Altershilfe für Landwirte 9939 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) betr. Interview des Bundesministers Ehmke bezüglich der Konzentrationsbewegung in der Presse . . . 9940 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9833 17 2. Sitzung Bonn, den 24. Februar 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9937 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Bals *** 25. 2. Bredl 4. 3. Dasch 3.3. Dr. Dittrich 25. 2. Draeger *** 25. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 4. 3. Frau Dr. Henze 18. 3. Kahn-Ackermann *** 26. 2. Lautenschlager * 24. 2. Lenze (Attendorn) *** 25. 2. Lücker (München) * 24. 2. Mertes 25. 2. Pöhler *** 25. 2. Richarts 25. 2. Rinderspacher *** 25. 2. Schulte (Schwäbisch-Gmünd) 25. 2. Dr. Seume 25. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 22. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Brauksiepe (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Fragen A 4 und 5) : Hält die Bundesregierung - in Anbetracht der Tatsache, daß in deutschen Jugendherbergen im Jahre 1971 eine Gesamtzahl von fast 9 Millionen Übernachtungen erreicht wurde, darunter etwa eine Million Übernachtungen junger Ausländer - die Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerks für eine vorrangig zu fördernde Aufgabe der Jugendarbeit, insbesondere im Hinblick auf die vielfältige und nachhaltige Gelegenheit internationaler Begegnungen? Ist sie bereit und sieht sie eine Möglichkeit, den Bundesjugendplan dahin gehend zu überprüfen und die Arbeit des Jugendherbergwerks wirksamer als bisher finanziell zu unterstützen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerkes eine besonders förderungswürdige Aufgabe der Jugendarbeit darstellt. Dies wird durch die Tatsache belegt, daß die Förderung sowohl des Baues von Jugendherbergen als auch der Jugendarbeit in den Jugendherbergen in den vergangenen Jahren beträchtlich verstärkt worden ist. Die Bundesregierung ist bereit, das Deutsche Jugendherbergwerk bei dem Ausbau des Jugendherbergnetzes weiterhin nachhaltig zu unterstützen. Dafür wurden bisher alljährlich 2,8 Mio DM zur Verfügung gestellt, wozu Ländermittel in zumindest gleicher Höhe kamen. Bereits im vergangenen Haushaltsjahr konnten im Rahmen des Zonenrandförderungsgesetzes dem Deutschen Jugendherbergwerk Anlagen zum Stenographischen Bericht zusätzliche Mittel in erheblichem Ausmaß (ca. 2,5 Mio DM) zur Verfügung gestellt werden. Diese zusätzliche Förderung wird 1972 fortgesetzt und findet auch in der Finanzplanung Berücksichtigung. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 43) : In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung der durch Bundesinnenminister Genscher wiederholt erteilten Absage an politische Extremisten im öffentlichen Dienst Rechnung zu tragen? Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder haben bei ihrer Konferenz in Bonn am 28. Januar 1972 eine gemeinsame Erklärung darüber abgegeben, welche Maßnahmen nach dem geltenden Recht zu treffen sind. Nach den dort formulierten Grundsätzen werden die Bundesbehörden verfahren. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesminister Genscher vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 49) : Hat die Bundesregierung einen Überblick über die Zahl der unbearbeiteten Anträge bei den Ausgleichsämtern, insbesondere auch über Altersstruktur der wartenden Antragsteller? Von den 7 103 372 Anträgen auf Feststellung von Vertreibungsschäden, Kriegsschäden und Ostschäden nach dem Feststellungsgesetz waren Ende 1971 308 234 Anträge (= 4,31 v. H.) noch nicht abschließend bearbeitet. Im Zuerkennungsverfahren waren 69 174 Fälle (= 1,3 v. H.) noch nicht abgeschlossen. Von den 4 255 301 zuerkannten Ansprüchen auf Hauptentschädigung waren 161 587 (= 3,9 v. H.) noch nicht erfüllt. In 597 961 Fällen konnten die zuerkannten Hauptentschädigungsansprüche nicht oder nur teilweise erfüllt werden, weil die Erfüllung wegen noch laufender Kriegsschadenrente oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen gesperrt ist. Ein höherer Bearbeitungsrückstand ergibt sich bei den Anträgen auf Feststellung von Vermögensschäden in Mitteldeutschland und im Gebiet von Berlin (Ost) nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz (BFG) vom 22. Mai 1965. Hier sind bis zum 31. Dezember 1971 insgesamt 384 079 Feststellungsanträge eingereicht worden, von denen bis dahin 264 434 Anträge (= 69,1 v. H.) noch in Bearbeitung waren. 9938 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Von den 81 637 im Feststellungsverfahren positiv erledigten Anträgen sind 25 777 Fälle (= 31 v. H.) im Zuerkennungsverfahren noch unerledigt. Von den zuerkannten Ansprüchen auf Hauptentschädigung waren 35 156 voll erfüllt. 20 481 Ansprüche konnten nicht oder nur teilweise erfüllt werden, weil wegen der Gewährung laufender Beihilfe oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen eine Auszahlung nicht möglich war. Einen Überblick über die Altersstruktur der wartenden Antragsteller hat die Bundesregierung nicht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 50) : Wie beurteilt die Bundesregierung ein einheitliches Urheberrecht für EDV-Programme, und was hat sie in dieser Hinsicht bisher unternommen? Die Frage des Schutzes der EDV-Programme wird zur Zeit von der Weltorganisation für geistiges Eigentum im Auftrage der Vereinten Nationen untersucht. Dabei wird insbesondere auch geprüft, ob für EDV-Programme ein Schutz durch das Urheberrecht, durch Patente oder Gebrauchsmuster oder aufgrund der Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb ausreichend und angemessen ist oder ob es zweckmäßig erscheint, ein neues Schutzrecht für EDV-Programme zu schaffen. Die Bundesregierung hält es für angebracht, zunächst das Ergebnis dieser Untersuchung abzuwarten, da angesichts der internationalen Bedeutung des Problems des Schutzes der EDV-Programme eine Rechtsangleichung sehr erwünscht ist. Sofortige Maßnahmen auf nationaler Ebene sind nach Auffassung der Bundesregierung nicht erforderlich. EDV-Programme genießen, soweit sie persönliche geistige Schöpfungen sind, den Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz. Im übrigen greift ergänzend der Schutz des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ein, wenn EDV-Programme von Dritten in unlauterer Weise ausgenutzt werden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Zander (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 53) : Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus der Tatsache zu ziehen, daß die zur Hilfe für politische Häftlinge gegründete Organisation Amnesty International den Fall Monika Berberich aufgreifen will? Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, aufgrund der Tatsache, daß Amnesty International das Ermittlungsverfahren gegen Monika Berberich zum Gegenstand seiner Tätigkeit gemacht hat, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Dies ist schon deswegen nicht erforderlich, weil die Bundesanwaltschaft am 18. Februar 1972 den Generalsekretär von Amnesty International auf dessen Wunsch ausführlich über den bisherigen Verlauf des Verfahrens informiert und dabei insbesondere auch die Gründe für die Dauer der Untersuchungshaft erörtert hat. Der Generalsekretär von Amnesty-International hat aufgrund dieser Informationen am gleichen Tage in Karlsruhe auf einer Pressekonferenz im Namen seiner Organisation erklärt, daß Beanstandungen gegen die bisherige Behandlung des Verfahrens nicht zu erheben seien. Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren an die Strafverfolgungsbehörden Berlin abgegeben. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache V1/3165 Frage A 55) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß Kinder und Heranwachsende schweren psychischen Belastungen ausgesetzt sind, wenn sie in dem Strafverfahren wegen eines an ihnen begangenen Sittlichkeitsdeliktes mehrmals als Zeugen vernommen werden, und ist sie bereit, durch eine Gesetzesinitiative sicherzustellen, daß von weiteren Zeugeneinvernahmen bei späteren Beweisaufnahmen dann abzusehen ist, wenn bereits eine gerichtlich protokollierte Aussage vorliegt? Ich darf mir vorweg den Hinweis erlauben, daß das von Ihnen angeschnittene Problem bereits Gegenstand von Erörterungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform ist. Anläßlich der Beratungen über das 4. Strafrechtsreformgesetz hat der Sonderausschuß hierzu eine an den Bundesminister der Justiz gerichtete Entschließung gefaßt und den Bundesminister der Justiz gebeten, zu dem in der Entschließung enthaltenen Fragenkatalog Stellung zu nehmen. Mein Haus hat über die Landesjustizverwaltungen die gerichtliche und staatsanwaltliche Praxis zu diesen Fragen gehört und entsprechende gesetzliche Regelungen ausländischer Staaten überprüft. Das Ergebnis der Auswertung des umfangreichen Materials wird in diesen Tagen dem Sonderausschuß zugeleitet werden. Aufgrund des meinem Hause vorliegenden Materials wird davon auszugehen sein, daß unter Psychologen und bei der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis weitgehend Übereinstimmung darüber besteht, daß Kinder und Heranwachsende psychischen Belastungen ausgesetzt sein können, wenn sie in dem nachfolgenden Strafverfahren wegen eines an ihnen begangenen Sittlichkeitsdelikts als Zeugen vernommen werden. Dabei birgt insbesondere die wiederholte Vernehmung des kindlichen oder jugendlichen Zeugen die Gefahr eines schädigenden Einflusses in sich. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9939 Um diese Gefahr auszuschließen, wäre an sich eine Regelung erstrebenswert, die im Prinzip nur eine richterliche Vernehmung des kindlichen oder jugendlichen Zeugen zuläßt und als Regelfall die Verlesung dieser Vernehmungsniederschrift in der Hauptverhandlung vorsieht. Eine entsprechende Regelung erscheint allerdings nicht unproblematisch. Sie wird von der gerichtlichen Praxis einhellig abgelehnt. Eine entsprechende gesetzliche Bestimmung würde einen tiefgreifenden Eingriff in die Struktur des Strafprozesses bedeuten, da damit der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme durchbrochen würde. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zählt aber zu den wichtigsten Prinzipien unseres Strafverfahrensrechts. Er gewährleistet, daß das erkennende Gericht von den zur Rekonstruierung des Sachverhalts benutzten Beweismitteln in unmittelbar eigener sinnlicher Wahrnehmung Kenntnis erlangt. Dies ist gerade von besonderer Bedeutung in Strafverfahren wegen Sittlichkeitsdelikten, in denen kindliche oder jugendliche Opfer oft als einzige Zeugen, zumindest aber als Hauptbelastungszeugen auftreten. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß dem berechtigten Wunsch nach besonderem Schutz kindlicher und jugendlicher Zeugen vor schädlichen Nebenwirkungen des Strafverfahrens die rechtsstaatliche gegründete Forderung nach unbeschränkter Verteidigung des Angeklagten gegenübersteht. Diese Antinomie dürfte nicht ohne eine schwer zu vertretende Beschränkung des Rechts der Verteidigung aufgelöst werden können. Die Bundesregierung wird jedoch im Rahmen der bereits in Angriff genommenen Reform des Strafverfahrensrechts mit Vorrang auf eine gesetzliche Regelung hinwirken, die der besonderen psychischen Situation des kindlichen und jugendlichen Opfers von Sittlichkeitsdelikten im anschließenden Strafverfahren gerecht wird. Welcher gesetzgeberischen Lösung angesichts der hier nur kurz aufgezeigten Schwierigkeiten der Vorzug zu geben ist, bedarf noch weiterer eingehender Überlegungen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Rohwedder vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 58 und 59) : Welche Auswirkungen hatten nach Auffassung der Bundesregierung die Folgen der Sprengstoffexplosionen in den Kompressoranlagen der Niederländischen Gasunion in Ravenstein und Ommen auf die Belieferung der Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland? Was hat die Bundesregierung getan bzw. was gedenkt sie zu veranlassen, um Vorsorge für den Fall des Entstehens von in den Niederlanden verursachten Versorgungsschwierigkeiten für die Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland zu treffen? Die Sprengstoffexplosionen in den Kompressoranlagen der Niederländischen Gas-Union hatten auf die Belieferung der Letztabnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik keine nennenswerten Auswirkungen. Lediglich solche Abnehmer haben Liefereinschränkungen hinnehmen müssen, bei denen Lieferunterbrechungen vertraglich zulässig sind. Die Bundesregierung betrachtet gerade die niederländischen Erdgasvorkommen als eine sehr sichere Energiequelle für den deutschen Energiemarkt. Sie wird in dieser Auffassung dadurch noch bestärkt, daß die niederländische Regierung unverzüglich Sicherheitsmaßnahmen beschlossen hat, um auch außergewöhnliche Vorkommnisse wie Sprengstoffanschläge für die Zukunft zu verhindern. Wirksamster Schutz auch gegen solche Versorgungsstörungen ist im übrigen nach Auffassung der Bundesregierung eine Politik der Diversifikation der Bezugsquellen sowie der weitere Ausbau des Erdgas-Verbundsystems, das wechselseitige Aushilfen der Verbundpartner, auch über die Staatsgrenzen hinweg, ermöglicht. Die Versorgungssicherheit der Verbundpartner wird um so größer, je mehr Erdgasquellen und Erdgasspeicher in dieses System eingebunden werden. Die Bundesregierung ermutigt alle Bemühungen, die auf die Erschließung neuer Lieferquellen, auf die Anlage von Erdgasspeichern und auf den Ausbau eines umfassenden europäischen Erdgas-Verbundsystems gerichtet sind. Dies ist ein Weg, auf dem die deutsche Gaswirtschaft schon ein gutes Stück vorangekommen ist. Für den Fall gleichwohl eintretender Versorgungsstörungen liegen schließlich bei den einzelnen Ferngasgesellschaften bis ins einzelne ausgearbeitete Abschaltpläne vor, um nach Maßgabe der geringsten Beeinträchtigung die Auswirkungen einer solchen Störung in möglichst engen Grenzen zu halten. Dabei wird der Versorgung der Kommunen und damit der privaten Haushalte sowie der Belieferung der Abnehmer, die nicht auf andere Energiearten ausweichen können, Vorrang eingeräumt. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Fragen A 89 und 90) : Wird die Bundesregierung Landwirten, die sich bei der Einführung der Altershilfe für die Landwirtschaft von den Beitragszahlungen befreien ließen, eine Nachversicherungsmoglichkeit einräumen? Wie groß ist der oben angesprochene Personenkreis? Bei der vorgesehenen Novellierung der Altershilfe für Landwirte wird die Bundesregierung auch die Möglichkeiten für einen Verzicht auf die Befreiung von der Beitragspflicht und die damit verbundene Frage der Nachentrichtung von Beiträgen prüfen. Dabei ist jedoch eine differenzierte Betrachtung erforderlich, da es sich um unterschiedliche Befreiungstatbestände mit entsprechend unterschiedlichen Motivationen handelt. Und zwar sind diejenigen Personen, die sich bei Einführung der Altershilfe für Landwirte im Jahre 9940 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 1957 auf Grund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages haben befreien lassen, von jenen Personen zu unterscheiden, die wegen einer anderweitigen gesetzlichen Versicherung oder Versorgung befreit worden sind. Im ersten Fall ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen der Entschluß zur Befreiung seinerzeit gefaßt worden ist, nicht so verändert sind, daß eine Korrektur der damaligen Entscheidung ermöglicht werden sollte. Im zweiten Fall haben die Versicherungs- und Versorgungsansprüche an der allgemeinen Fortentwicklung teilgenommen, so daß er sich in einem anderen Licht darstellt. Soweit es die Zahlen angeht, möchte ich folgendes anmerken: Nach der Quartalstatistik der landwirtschaftlichen Alterskassen (Stichtag 31. Dezember 1971), die vom Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen herausgegeben wird, beträgt die Zahl der beitragsbefreiten Landwirte insgesamt 60 422. Die Zahl derjenigen, die auf Grund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages befreit worden sind, dürfte bei 2 500 liegen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Ehmke vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 117) : Entsprechen die Auffassungen, die Bundesminister Ehmke in einem Interview mit dem Bonner „General-Anzeiger" vom 7. Januar 1972 — auch nachgedruckt im Bulletin vom 8. Januar 1972 — zu den Problemen der Massenmedien darlegte, den in den zuständigen Bundesministerien entwickelten Vorstellungen, und teilt die Bundesregierung insbesondere die Behauptungen des Bundesministers "Hinsichtlich der Pressekonzentration -muß man sich klarmachen, daß ein Teil des Konzentrationsvorgangs allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen notwendig ist und daß die Zusammenlegung oft zu einem besseren Niveau der Zeitungen führt. Man muß auch lokale Zeitungsmonopole durch den Ausbau regionaler Rundfunk- und Fernsehsender auszugleichen suchen. Dennoch ist der Gedanke einer als öffentlich-rechtliche Körperschaft organisierten Zeitung ein interessantes theoretisches Modell, wenn wir nämlich unterstellen, daß es am Ende des Konzentrationsprozesses nur noch eine Zeitung mit einer absoluten Monopolstellung geben könnte. Wir sollten es aber auf keinen Fall zu einer solchen Situation kommen lassen, in der die Frage verneint werden muß, ob Zeitungen überhaupt noch auf privater Basis gemacht werden dürfen."? In dem von Ihnen zitierten Interview habe ich ausgeführt, daß ein Teil der Konzentrationsbewegung in der Presse auf betriebswirtschaftliche Zwänge zurückzuführen ist. Es handelt sich hierbei um eine Feststellung, die schon im Schlußbericht der Pressekommission vom 22. Mai 1968 dargelegt ist. Ein gewisses Maß von Konzentration kann aber durchaus dem Informationsinteresse des Bürgers dienen, soweit nämlich leistungsschwache und überalterte Pressebetriebe durch leistungsstarke und rationell arbeitende Betriebe ersetzt werden, die eine zuverlässigere und vielseitigere Information bieten können. Hiervon ausgehend habe ich weiter die Auffassung vertreten, daß der Pressekonzentration dann entgegengewirkt werden muß, wenn eine ausreichende Meinungsvielfalt in der Presse nicht mehr gewährleistet ist. Diese Auffassung deckt sich nicht nur mit der der Bundesregierung; ich gehe sogar davon aus, daß auch Sie ihr zustimmen. Falls es einmal dazu kommen sollte, daß die Vielfalt der Presse aufgrund der wirtschaftlichen Konzentration Meinungsmonopolen weichen müßte, dann stünde als Ausweg zur Erhaltung der Meinungsvielfalt das Denkmodell einer als öffentlich-rechtlichen Körperschaft organisierten Zeitung zur Debatte. Diese Frage, die mir in jenem Interview gestellt wurde, ist heute nicht akut, und ich hoffe, daß sie nie akut wird.
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    Rede von Dr. Ernst Achenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Schulze-Vorberg, lassen Sie mich zu Ende reden; nachher gern. Ich bin gerade gut im Zug!
    Auf der Basis dieser Interpretation des Moskauer
    Vertrages und nach der Lektüre des Textes — die
    Leute draußen müssen ja auch wissen, worum es
    geht, und bisher wußten sie es gar nicht so genau;

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    sie hatten zwar den Text früher einmal in der Zeitung gelesen, aber Zeitungen pflegt man ja nicht aufzuheben, und man hat sie auch nicht ständig vor sich liegen — frage ich mich nun, ob diese Kategorie der Befürchtungen, die Sie aussprechen, richtig ist. Was die Befürchtung angeht, daß unsere westlichen Verbündeten nicht mehr zum Vertrag stehen, so muß ich die westlichen Verbündeten in Schutz nehmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn dem so wäre, taugte das ganze Bündnis nichts. Wir stehen treu zum Bündnis — das haben wir auch immer gesagt —; infolgedessen stehen die anderen auch treu dazu. Sonst hat die ganze Sache doch keinen Sinn.
    Es geht doch in erster Linie um folgendes. In diesem Vertrag haben wir das Versprechen der Westmächte in bezug auf einen frei ausgehandelten Friedensvertrag. Vom Osten hatten wir das bisher noch nicht, vielleicht auch ein ganz kleines bißchen aus eigener Schuld, denn wir sind ja auf die Vorschläge, die von östlicher Seite gemacht wurden, nicht echt eingegangen, weil wir meinten, der richtige Moment wäre noch nicht gekommen. Jetzt haben wir nichts anderes als einen Modus vivendi. Aber eines möchte ich ganz klar sagen — auch im Hinblick auf das, was
    Herr von Weizsäcker sagt —: ich bin der festen Überzeugung, daß diese Regierung, die ich unterstütze — für mich kann ich das ganz verbindlich sagen, aber für die anderen sicher auch; das wird mir Walter Scheel bestimmt bestätigen —, selbstverständlich für die staatliche Einheit Deutschlands ist. Ich habe den Kollegen in Moskau unwidersprochen sagen können,

    (Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Welchen Kollegen?)

    daß, wenn wir schon von Realitäten sprächen, sie ja wohl zugeben müßten, daß die Deutschen ihr Land nicht selber gespalten hätten, sondern daß andere das für sie besorgt hätten;

    (Beifall bei den Regierungsparteien — Zurufe von der CDU/CSU.)

    und nun seien wir zwar keine Weltmacht, auch nicht eine Großmacht, aber wir hätten doch ein bißchen Selbstachtung, und das gefalle uns nicht, deshalb wollten wir die deutsche Einheit wieder haben und mit ihnen darüber sprechen. Deshalb hat Walter Scheel auch diesen Brief geschrieben, und sie haben ihn akzeptiert.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun wären wir alle gut beraten — das sage ich Ihnen in der heutigen Zeit —,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    wenn wir diesen Modus vivendi nicht ansähen als etwas, was für zehn, zwanzig Jahre dauern soll, — nein, das soll die Grundlage schaffen, um auf ihr von diesem Modus vivendi aus zu einem frei ausgehandelten Friedensvertrag zu kommen, der die Zukunft Europas auf Dauer sichert. Das ist das Ziel, das ich jedenfalls vertrete. Ich hoffe, daß da die meisten Leute derselben Meinung sind. Ich bin überzeugt, Walter Scheel vertritt dieses Ziel auch.
    So, nun habe ich das Gefühl, ich rede schon ein bißchen arg lang.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Daß Sie der Meinung sind, ist ja klar. — Der Kollege Strauß spricht doch fließend Latein, soweit ich weiß. Er wird sich erinnern — er hat es sicher einigen Kindern beigebracht; ich nehme es an, Herr Kollege Strauß —, da gibt es den berühmten Satz: „Dum spiro spero" — „Solange ich atme, hoffe ich."

    (Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)

    Das schließt nicht aus, daß ich gleichzeitig sehr wachsam bin.

    (Abg. Dr. Barzel: Sperare contra spem! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Nun gibt es zwei Haltungen. Der eine sagt: „Solange ich atme, hoffe ich, bin aber dabei wachsam, damit ich nicht betuppt werde", und der andere sagt: „Solange ich atme, habe ich Befürchtungen" — auch wenn es staatsmännische sind.

    (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Da muß man nun die Wahl treffen. Ich sage Ihnen
    ehrlich: ich bin dafür, es bei dem alten lateinischen



    Dr. Achenbach
    Satz zu belassen und, was die Befürchtungen angeht, sie natürlich sehr wachsam zu prüfen, aber erstens sie nicht zu beschreien und zweitens genau aufzupassen.
    Lassen Sie mich deshalb jetzt schließen, weil ich auch müde werde, ehrlich gesagt; denn ich gehöre ja, wie Sie wisen, mit Ihnen, Herr Schröder, zu der Minderheit in diesem Hause, die älter als 60 Jahre ist. Ein beklagenswerter Zustand!

    (Heiterkeit.)

    Deshalb hat es mich so gefreut, daß Sie gestern einen solchen Beifall bekamen; denn in unserem Alter freut man sich, wenn die Leute nett zu einem sind.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Zum Schluß möchte ich aber noch begründen, warum ich für diesen Satz bin, daß man hoffen soll und hoffen muß und beharrlich sein muß wie Wilhelm der Schweiger, der ja aus den Siegerländer Wäldern kommt. Ich habe einmal von diesem Platz aus — da haben Sie ein bißchen gelacht, das ist ja schon zehn Jahre her, ich hoffe, Sie lachen heute nicht den schönen Vers zitiert, der lautet:
    Drum mutig drein und nimmer bleich, denn Gott ist allenthalben,
    die Freiheit und das Himmelreich gewinnen keine Halben.
    So ist es.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marx.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Marx


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Außenminister, Sie haben eben Ihrem Fraktionskollegen glückwünschend die Hand geschüttelt.

    (Zuruf von der SPD: Wo denn?)

    — Hier, als Herr Achenbach eben dieses Pult verließ. Aber ich glaube, Herr Kollege Achenbach, ich muß sagen, daß ich bei den vielen hundert Diskussionen über dieses so ernste und uns alle so bedrückende Thema selten eine Rede gehört habe,

    (Zurufe von den Regierungsparteien)

    die sich auszeichnete durch ein so hohes Maß an
    Leichtfertigkeit und — entschuldigen Sie bitte —

    (Pfui-Rufe und Unruhe bei der SPD. — Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was Herr Kollege Achenbach hier zu weiten Teilen — indem er den Text, wie er sagte, interpretierte — vorgetragen hat, läßt mich erst begreifen, warum der Text dieses Vertrages so ist, wie er ist, wenn er in Moskau beraten hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Achenbach, man könnte hinzufügen:
    Vielleicht bekommen Sie dann auch noch einige
    Nachweise dafür, daß die abendliche Lachstunde in der sowjetischen Botschaft um zweieinhalb Minuten verlängert wird.
    Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU hat am 14. Oktober des vergangenen Jahres ihre Große Anfrage zur Deutschland- und Außenpolitik eingebracht. Sie sagte dort in der Begründung:
    Die Außenpolitik der Bundesregierung, insbesondere die Verträge von Moskau und Warschab und die Krimreise des Bundeskanzlers haben erhebliche Unklarheiten hervorgerufen und Anlaß zu schwerwiegenden Bedenken gegeben.
    Unsere Befürchtungen und Sorgen haben sich seither nicht verringert, im Gegenteil, sie sind -- im Zusammenhang mit den vielen zusätzlich abgegebenen Erklärungen, Erläuterungen und Interpretationen — gewachsen; sie haben sich erhärtet. Wer einmal genau nachliest, was auch in dieser Debatte hier von seiten der Regierung gesagt worden ist, dem wird deutlich, wie sehr sich die Widersprüche potenzieren, und zwar einmal die Widersprüche von der Regierung selbst und zum anderen dort, wo sie die Texte erläutert und wo ihre kommunistischen Partner die gleichen Texte und die gleichen Begriffe ganz anders erläutern.
    Unser erster Vorwurf an den Bundeskanzler — er is nicht da, doch soll diese Rede eine Auseinandersetzung mit ihm und seiner Politik sein — ist, daß er die Kontinuität der deutschen Politik durchbrochen hat, daß seine Behauptung von den „beiden Staaten auf deutschem Boden" die bisherige Deutschlandpolitik, die bisherige Ostpolitik aus den Angeln gehoben hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Damals ist mit der Regierungserklärung am 28. Oktober die Wende der deutschen Politik markiert worden. Seither läuft der Kurs unserer Politik in eine andere Richtung.
    Der Bundeskanzler sagt, sie laufe auf den Frieden zu. Ich antworte: der Kurs der deutschen Politik läuft seit Ende des zweiten Weltkrieges auf Frieden und Freiheit zu.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    — Sie, Herr Bundeskanzler, sagen, es sei Ihr Wunsch, so wie es Adenauer im Westen gelungen ist, jetzt mit dem Osten Ausgleich zu finden. Da antworten wir: dies ist unser gemeinsamer Wille. Aber Ausgleich setzt voraus, daß beide Seiten ausgleichen wollen, daß beide Seiten aufeinander zugehen wollen. Seit 1969 hat allerdings diese Bundesregierung begonnen, jene sowjetischen Forderungen Stück um Stück zu akzeptieren, durch die die Sowjetunion ihre Art von Frieden ansteuert.
    Ausgleich mit den Staaten des Ostens ist möglich — davon sind wir überzeugt —, wenn zwischen ihnen und uns auf der Basis der Menschenrechte — ich wiederhole: auf der Basis der Menschenrechte — Vereinbarungen getroffen werden, bei denen Dauerhaftigkeit und friedliches Zusammenwirken die notwendig zu leistenden Opfer bald vergessen machen.



    Dr. Marx (Kaiserslautern)

    Noch zur Zeit der Großen Koalition hat die Sowjetunion unsere auf Selbstbestimmung, Freiheit und Wiedervereinigung ausgerichtete friedliche Politik wider besseres Wissen als „aggressiv" bezeichnet. Der Bundeskanzler rühmt sich heute, daß solche Diffamierungen seit seiner Moskauer Unterschrift weggefallen seien. Wir müssen ihn fragen, ob er bedacht hat: Warum wohl? Die kommunistischen Partner haben die Verträge als einen Sieg der konsequenten Politik des sozialistischen Lagers bezeichnet. Sie haben darüber gespottet, daß man, wie sie sagen, „an den Ufern des Rheins" begonnen habe, „realistisch" zu sein, daß man die „aggressive" Forderung — die „aggressive" Forderung! — nach Selbstbestimmung, Freiheit, Menschenrecht und Wiedervereinigung aufgegeben habe. So versteht man in der Sowjetunion die Verträge, und ich bedaure, daß der Bundeskanzler gestern in seiner Erklärung einen Satz — neben anderen, aber diesen zitiere ich — vorgetragen hat, der diese Interpretation zu stützen scheint. Er sagte nämlich:
    Unser friedliches Streben nach deutscher Einheit und europäischer Einigung wird durch diese Verträge dem Vorwurf der Friedensstörung entzogen.
    Mit anderen Worten: man glaubt nicht, daß wir alle von einem Streben nach Frieden und Freiheit erfüllt sind, sondern man nimmt an, daß man Verträge dieser Art braucht, damit die andere Seite gnädig bereit ist, uns zu glauben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir sagen Ihnen, was Zeitwahl, Ansatz und Durchführung dieser Art von Ostpolitik anlangt, daß sie auf einer verfehlten Einschätzung des Gegners beruht, daß sie leichtfertig, daß sie abenteuerlich ist und daher von uns als unverantwortlich angesehen wird.

    (Abg. Mattick: Anmaßung!)

    Wir sagen, daß damit die Erfüllung der sowjetischen Wünsche, ihre Hegemonie über Europa zu stärken, erleichtert wird, und wir sehen auch die ersten Auswirkungen, nämlich Angst, Unsicherheit und enorm gesteigerte kommunistische Aktivität im eigenen Land.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Deshalb bekämpfen wir diese Politik. Ich füge hinzu: wir sind auch mißtrauisch, weil die Bundesregierung draußen und drinnen zu vielen Vorgängen, die diese Politik begleiten, nicht immer die Wahrheit gesagt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir sind mißtrauisch, Herr Bundesaußenminister — ich spreche Sie jetzt einmal stellvertretend für die ganze Regierung an —, weil für Sie oft das heute Gesagte schon morgen nicht mehr gilt und weil Sie mit einem ärgerlichen Schulterzucken das abtun, was Sie gestern noch feierlich in Ihren eigenen Festreden verkündet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Des Bundeskanzlers Emissär wurde nach Moskau geschickt, ohne daß er eingehende, klare Weisungen des verantwortlichen Kabinetts

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    über den Inhalt seiner Gespräche und Verhandlungen erhalten hatte. Jedenfalls ist diesem Hause, seinen Ausschüssen und der Bevölkerung dieses Landes nichts davon gesagt worden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist es leider!)

    Die Experten des Auswärtigen Amtes waren weder gefragt noch unterrichtet, ja sogar die Mitglieder Ihres Kabinetts, Herr Bundeskanzler, wußten oft nur schemenhaft, was in ihrem eigenen Namen in Moskau diskutiert wurde.

    (Abg. Dr. Barzel: Sie wissen es ja bis heute nicht!)

    — Es mag sein, Herr Barzel, daß es einige bis heute nicht wissen, und ich habe auch aus der Interpretationsrede des Kollegen Achenbach — wenn ich das mit einem etwas lustigen Unterton sagen darf — den Eindruck gewonnen, daß auch einer, der in Moskau dabei war, nicht genau weiß, was dort ausgehandelt worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Als dann jener Vertragsentwurf ans Tageslicht kam, den man Bahr-Papier zu nennen sich angewöhnt hat, war es für substantielle Änderungen zu spät. Die sowjetische Konzeption hatte sich durchgesetzt. Die Möglichkeiten für Sie, Herr Außenminister — geben Sie es doch zu —, waren gering, Ihr Spielraum war allzu eng. Aber das entsprach und entspricht auch heute noch den wahren Machtverhältnissen in dieser Regierung, wo der Staatssekretär des Kanzleramts, einzig gestützt auf das Vertrauen seines Bundeskanzlers, die Dinge fertig macht und der Außenminister nur noch zu einer gewissen kosmetischen Behandlung aufgerufen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist auch ein einmaliger Vorgang in der modernen Diplomatie, daß derjenige, der eine so weittragende und verschlungene Politik erfunden und erdacht hat, über diese Politik als Diplomat selbst verhandelt. Die notwendige Distanz zwischen der politischen Zentrale und dem Unterhändler gibt es nicht mehr. Egon Bahr war alles in einer Person.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Er war bei seiner und bei dieser Regierung politischen Existenz dazu verdammt, das, was diese Regierung „Erfolg" nennt, zu haben, ein Ergebnis auszuhandeln, und zwar rasch.

    (Zuruf von der SPD: Kommen Sie doch mal zum Thema!)

    — Ich merke, daß es einigen, die dazwischenrufen, nicht paßt, daß man einmal die Methode, die hier angewandt wurde, öffentlich und deutlich darlegt. Aber daran kann uns niemand hindern.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Dr. Marx (Kaiserslautern)

    Meine Damen und Herren, hören Sie bitte genau zu! Ich sage: da Egon Bahr dieses undurchsichtige Spiel selbst konzipiert hat, konnte er, als es abgeschlossen war, seine Absichten dem schließlich erreichten Ergebnis anpassen. Er hüllte sich bei den Gesprächen in Moskau und auch hier in den Mantel des Geheimnisträgers, so, als ob es nicht um die wichtigsten, um die vitalsten Dinge unseres Volkes ginge. Ich füge hinzu, daß man in den Zentralkomitees kommunistischer Parteien, ja, sogar in der Deutschen Kommunistischen Partei, alsbald besser über Egon Bahrs Geheimgespräche Bescheid wußte als bei den demokratisch gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dies kann niemand bestreiten, meine Damen und Herren. Dies weiß auch die Regierung, und sie soll wissen, daß wir dies mit ihr als eine unerhöhrte Zumutung und Peinlichkeit empfinden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Vertreter der Regierung gaben einen ganzen Schwall von halbwahren und unwahren Erläuterungen zu Inhalt und Bedeutung des Bahr-Papiers. Sie nannten es einmal Gedankenskizze, mal Gesprächsnotiz, mal Protokollnotiz, mal Ergebnisprotokoll, mal Leitsätze, und sie sagten der Öffentlichkeit und dem Deutschen Bundestag — ich zitiere Sie, Herr Bundesaußenminister —, daß es „auf gar keinen Fall Grundlage von vertraglichen Vereinbarungen" sein könne. So Walter Scheel am 2. Juli 1970 im ZDF.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Und doch, meine Damen und Herren, das Bahr-Papier war nichts anderes, es ist nichts anderes als der Abklatsch jenes Gromyko-Papiers, das — Herr Bundesaußenminister, das werden Sie nicht bestreiten können; wenn Sie es wollen, sagen Sie es diesem Hause — im März 1970 durch Gromyko in die Verhandlungen eingeführt wurde, und zwar als deren Version der vorhergehenden Besprechung.