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    Deutscher Bundestag 172. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 9833 A Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1972 (Drucksache VI/3080) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache VI/3156) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksache VI/3157) — Erste Beratung —, mit Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Deutschland- und Außenpolitik (Drucksachen VI/2700, VI/2828) und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen (Drucksache VI/ 1523) — Fortsetzung der Aussprache — Franke, Bundesminister 9833 D Dr. von Weizsäcker (CDU/CSU) . 9837 C Mattick (SPD) 9843 A Amrehn (CDU/CSU) 9849 B Dr. Achenbach (FDP) . . . . . . 9853 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 9859 B Heyen (SPD) . . . . . . . . . 9869 D Dr. Ehmke, Bundesminister . . . . 9885 C Windelen (CDU/CSU) . . . . . . 9897 A Genscher, Bundesminister . . . . 9905 D Strauß (CDU/CSU) . . . . . . . 9909 C Schmidt, Bundesminister . 9916 A, 9934 C Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 9929 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . 9933 C Dr. Wörner (CDU/CSU) . . . . 9935 A Fragestunde (Drucksache VI/3165) Frage des Abg. Cramer (SPD) : Anspruch mongoloider Kinder auf Ausstellung von Schwerbeschädigtenausweisen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 9872 B, C, D Cramer (SPD) . . . . . . . 9872 C, D Fragen des Abg. Vogt (CDU/CSU) : Vorlage des Vermögensbildungsberichts und des Sparförderungsberichts Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . 9872 D, 9873 A, B , C, D Vogt (CDU/CSU) . . . . . . 9873 B, C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Fragen des Abg. Varelmann (CDU CSU) : Einschränkung der von den Landesversicherungsanstalten gewährten Leistungen für Zahnersatz Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9873 D, 9874 A, C, D, 9875A Varelmann (CDU/CSU) . . . 9874 B, C, D, 9875 A Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Anzeigenaktion der Bundesregierung über die Erweiterung der EWG Ahlers, Staatssekretär 9875 B, C, D, 9876 A, B Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 9875 C, D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . . 9875 D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9876 A Damm (CDU/CSU) 9876 B Fragen des Abg. Engholm (SPD) : Vorschriften über die Haarlänge der Beamten des Bundesgrenzschutzes — Zurverfügungstellung von Haarnetzen und Vorgehen gegen Beamte mit langen Haaren Genscher, Bundesminister 9876 C, D, 9877 A Engholm (SPD) 9876 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 9877 A Fragen der Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) und Niegel (CDU/CDU) : Errichtung von Betreuungsstellen und Regionalsektionen der Kommunistischen Partei Italiens in der Bundesrepublik Genscher, Bundesminister . . . 9877 B, C, 9878 D, 9879 A, B, C , D, 9880 A, B , C, D, 9881 A Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9878 D, 9879 A Niegel (CDU/CSU) 9879 B, C Brück (Köln) (CDU/CSU) . . . 9879 D Matthöfer (SPD) . . . . . . . 9879 D von Thadden (CDU/CSU) . . . 9880 A Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . 9880 B Dr. Miltner (CDU/CSU) . . . . 9880 C Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 9880 D Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . 9880 D Frage des Abg. Büchner (Speyer) (SPD) : Angabe von Orden und Ehrenzeichen in Personalbogen des öffentlichen Dienstes Genscher, Bundesminister . . . 9881 B, C Büchner (Speyer) (SPD) . . . . 9881 B, C Frage des Abg. Offergeld (SPD) : Erkenntnisse über die Wirkungen von Naßkühltürmen auf Klima und Luft — Kühlsysteme der Kernkraftwerke Kaiseraugst und Leibstadt Genscher, Bundesminister . . . . 9881 D, 9882 A, B Offergeld (SPD) . . . . . . . . 9882 A Josten (CDU/CSU) . . . . . . . 9882 B Frage des Abg. Schlee (CDU/CSU) : Verletzung der Gebietshoheit und des Asylrechts der Bundesrepublik am 2. Februar 1972 an der deutsch-tschechoslowakischen Grenze Genscher, Bundesminister . . . 9882 C, D, 9883 A Schlee (CDU/CSU) 9882 D Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) 9883 A Fragen des Abg. Müller (Mülheim) (SPD) : Zielsetzung des Umweltforums und in ihm vertretene Organisationen — Stand der Vorbereitungen Genscher, Bundesminister . , 9883 B, C, D, 9884 A Müller (Mülheim) (SPD) . . . 9883 B, C, D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9883 D Fragen des Abg. Dr. Häfele (CDU/CSU) : Einführung von Bewirtschaftungszuschüssen in landwirtschaftlichen Problemgebieten Ertl, Bundesminister . . . . 9884 B, C, D Dr. Häfele (CDU/CSU) . . . . 9884 C, D Frage des Abg. Höcherl (CDU/CSU) : Erklärung des Bundesministers Ertl in der Agrardebatte der Beratenden Versammlung des Europarates über Inflationsraten Ertl, Bundesminister . . . . 9885 A, B, C Höcherl (CDU/CSU) . . . . . 9885 B, C Nächste Sitzung 9935 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 III Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 9937 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Brauksiepe (CDU/ CSU) betr. Förderung der Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerks . . . . 9937 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. politische Extremisten im öffentlichen Dienst . . . . . . . 9937 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Pieroth (CDU/CSU) betr Zahl der unbearbeiteten Anträge bei den Ausgleichsämtern 9937 D Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. einheitliches Urheberrecht für EDV-Programme 9938 A Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Zander (SPD) betr. Ermittlungsverfahren gegen Monika Berberich als Gegenstand der Tätigkeit der Organisation Amnesty International . . 9938 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. wiederholte Vernehmung von Kindern und Heranwachsenden in Strafverfahren wegen an ihnen begangener Sittlichkeitsdelikte . . . . 9938 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Kater (SPD) betr. Auswirkungen der Explosionen in den Anlagen der Niederländischen Gas-Union auf die Belieferung der Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik . . . . 9939 B Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Nachentrichtung von Beiträgen und Novellierung der Altershilfe für Landwirte 9939 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) betr. Interview des Bundesministers Ehmke bezüglich der Konzentrationsbewegung in der Presse . . . 9940 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9833 17 2. Sitzung Bonn, den 24. Februar 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9937 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Bals *** 25. 2. Bredl 4. 3. Dasch 3.3. Dr. Dittrich 25. 2. Draeger *** 25. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 4. 3. Frau Dr. Henze 18. 3. Kahn-Ackermann *** 26. 2. Lautenschlager * 24. 2. Lenze (Attendorn) *** 25. 2. Lücker (München) * 24. 2. Mertes 25. 2. Pöhler *** 25. 2. Richarts 25. 2. Rinderspacher *** 25. 2. Schulte (Schwäbisch-Gmünd) 25. 2. Dr. Seume 25. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 22. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Brauksiepe (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Fragen A 4 und 5) : Hält die Bundesregierung - in Anbetracht der Tatsache, daß in deutschen Jugendherbergen im Jahre 1971 eine Gesamtzahl von fast 9 Millionen Übernachtungen erreicht wurde, darunter etwa eine Million Übernachtungen junger Ausländer - die Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerks für eine vorrangig zu fördernde Aufgabe der Jugendarbeit, insbesondere im Hinblick auf die vielfältige und nachhaltige Gelegenheit internationaler Begegnungen? Ist sie bereit und sieht sie eine Möglichkeit, den Bundesjugendplan dahin gehend zu überprüfen und die Arbeit des Jugendherbergwerks wirksamer als bisher finanziell zu unterstützen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Arbeit des Deutschen Jugendherbergwerkes eine besonders förderungswürdige Aufgabe der Jugendarbeit darstellt. Dies wird durch die Tatsache belegt, daß die Förderung sowohl des Baues von Jugendherbergen als auch der Jugendarbeit in den Jugendherbergen in den vergangenen Jahren beträchtlich verstärkt worden ist. Die Bundesregierung ist bereit, das Deutsche Jugendherbergwerk bei dem Ausbau des Jugendherbergnetzes weiterhin nachhaltig zu unterstützen. Dafür wurden bisher alljährlich 2,8 Mio DM zur Verfügung gestellt, wozu Ländermittel in zumindest gleicher Höhe kamen. Bereits im vergangenen Haushaltsjahr konnten im Rahmen des Zonenrandförderungsgesetzes dem Deutschen Jugendherbergwerk Anlagen zum Stenographischen Bericht zusätzliche Mittel in erheblichem Ausmaß (ca. 2,5 Mio DM) zur Verfügung gestellt werden. Diese zusätzliche Förderung wird 1972 fortgesetzt und findet auch in der Finanzplanung Berücksichtigung. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 43) : In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung der durch Bundesinnenminister Genscher wiederholt erteilten Absage an politische Extremisten im öffentlichen Dienst Rechnung zu tragen? Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder haben bei ihrer Konferenz in Bonn am 28. Januar 1972 eine gemeinsame Erklärung darüber abgegeben, welche Maßnahmen nach dem geltenden Recht zu treffen sind. Nach den dort formulierten Grundsätzen werden die Bundesbehörden verfahren. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesminister Genscher vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pieroth (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 49) : Hat die Bundesregierung einen Überblick über die Zahl der unbearbeiteten Anträge bei den Ausgleichsämtern, insbesondere auch über Altersstruktur der wartenden Antragsteller? Von den 7 103 372 Anträgen auf Feststellung von Vertreibungsschäden, Kriegsschäden und Ostschäden nach dem Feststellungsgesetz waren Ende 1971 308 234 Anträge (= 4,31 v. H.) noch nicht abschließend bearbeitet. Im Zuerkennungsverfahren waren 69 174 Fälle (= 1,3 v. H.) noch nicht abgeschlossen. Von den 4 255 301 zuerkannten Ansprüchen auf Hauptentschädigung waren 161 587 (= 3,9 v. H.) noch nicht erfüllt. In 597 961 Fällen konnten die zuerkannten Hauptentschädigungsansprüche nicht oder nur teilweise erfüllt werden, weil die Erfüllung wegen noch laufender Kriegsschadenrente oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen gesperrt ist. Ein höherer Bearbeitungsrückstand ergibt sich bei den Anträgen auf Feststellung von Vermögensschäden in Mitteldeutschland und im Gebiet von Berlin (Ost) nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz (BFG) vom 22. Mai 1965. Hier sind bis zum 31. Dezember 1971 insgesamt 384 079 Feststellungsanträge eingereicht worden, von denen bis dahin 264 434 Anträge (= 69,1 v. H.) noch in Bearbeitung waren. 9938 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 Von den 81 637 im Feststellungsverfahren positiv erledigten Anträgen sind 25 777 Fälle (= 31 v. H.) im Zuerkennungsverfahren noch unerledigt. Von den zuerkannten Ansprüchen auf Hauptentschädigung waren 35 156 voll erfüllt. 20 481 Ansprüche konnten nicht oder nur teilweise erfüllt werden, weil wegen der Gewährung laufender Beihilfe oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen eine Auszahlung nicht möglich war. Einen Überblick über die Altersstruktur der wartenden Antragsteller hat die Bundesregierung nicht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Lenzer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 50) : Wie beurteilt die Bundesregierung ein einheitliches Urheberrecht für EDV-Programme, und was hat sie in dieser Hinsicht bisher unternommen? Die Frage des Schutzes der EDV-Programme wird zur Zeit von der Weltorganisation für geistiges Eigentum im Auftrage der Vereinten Nationen untersucht. Dabei wird insbesondere auch geprüft, ob für EDV-Programme ein Schutz durch das Urheberrecht, durch Patente oder Gebrauchsmuster oder aufgrund der Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb ausreichend und angemessen ist oder ob es zweckmäßig erscheint, ein neues Schutzrecht für EDV-Programme zu schaffen. Die Bundesregierung hält es für angebracht, zunächst das Ergebnis dieser Untersuchung abzuwarten, da angesichts der internationalen Bedeutung des Problems des Schutzes der EDV-Programme eine Rechtsangleichung sehr erwünscht ist. Sofortige Maßnahmen auf nationaler Ebene sind nach Auffassung der Bundesregierung nicht erforderlich. EDV-Programme genießen, soweit sie persönliche geistige Schöpfungen sind, den Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz. Im übrigen greift ergänzend der Schutz des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ein, wenn EDV-Programme von Dritten in unlauterer Weise ausgenutzt werden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Zander (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 53) : Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus der Tatsache zu ziehen, daß die zur Hilfe für politische Häftlinge gegründete Organisation Amnesty International den Fall Monika Berberich aufgreifen will? Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, aufgrund der Tatsache, daß Amnesty International das Ermittlungsverfahren gegen Monika Berberich zum Gegenstand seiner Tätigkeit gemacht hat, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Dies ist schon deswegen nicht erforderlich, weil die Bundesanwaltschaft am 18. Februar 1972 den Generalsekretär von Amnesty International auf dessen Wunsch ausführlich über den bisherigen Verlauf des Verfahrens informiert und dabei insbesondere auch die Gründe für die Dauer der Untersuchungshaft erörtert hat. Der Generalsekretär von Amnesty-International hat aufgrund dieser Informationen am gleichen Tage in Karlsruhe auf einer Pressekonferenz im Namen seiner Organisation erklärt, daß Beanstandungen gegen die bisherige Behandlung des Verfahrens nicht zu erheben seien. Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren an die Strafverfolgungsbehörden Berlin abgegeben. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache V1/3165 Frage A 55) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß Kinder und Heranwachsende schweren psychischen Belastungen ausgesetzt sind, wenn sie in dem Strafverfahren wegen eines an ihnen begangenen Sittlichkeitsdeliktes mehrmals als Zeugen vernommen werden, und ist sie bereit, durch eine Gesetzesinitiative sicherzustellen, daß von weiteren Zeugeneinvernahmen bei späteren Beweisaufnahmen dann abzusehen ist, wenn bereits eine gerichtlich protokollierte Aussage vorliegt? Ich darf mir vorweg den Hinweis erlauben, daß das von Ihnen angeschnittene Problem bereits Gegenstand von Erörterungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform ist. Anläßlich der Beratungen über das 4. Strafrechtsreformgesetz hat der Sonderausschuß hierzu eine an den Bundesminister der Justiz gerichtete Entschließung gefaßt und den Bundesminister der Justiz gebeten, zu dem in der Entschließung enthaltenen Fragenkatalog Stellung zu nehmen. Mein Haus hat über die Landesjustizverwaltungen die gerichtliche und staatsanwaltliche Praxis zu diesen Fragen gehört und entsprechende gesetzliche Regelungen ausländischer Staaten überprüft. Das Ergebnis der Auswertung des umfangreichen Materials wird in diesen Tagen dem Sonderausschuß zugeleitet werden. Aufgrund des meinem Hause vorliegenden Materials wird davon auszugehen sein, daß unter Psychologen und bei der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis weitgehend Übereinstimmung darüber besteht, daß Kinder und Heranwachsende psychischen Belastungen ausgesetzt sein können, wenn sie in dem nachfolgenden Strafverfahren wegen eines an ihnen begangenen Sittlichkeitsdelikts als Zeugen vernommen werden. Dabei birgt insbesondere die wiederholte Vernehmung des kindlichen oder jugendlichen Zeugen die Gefahr eines schädigenden Einflusses in sich. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 9939 Um diese Gefahr auszuschließen, wäre an sich eine Regelung erstrebenswert, die im Prinzip nur eine richterliche Vernehmung des kindlichen oder jugendlichen Zeugen zuläßt und als Regelfall die Verlesung dieser Vernehmungsniederschrift in der Hauptverhandlung vorsieht. Eine entsprechende Regelung erscheint allerdings nicht unproblematisch. Sie wird von der gerichtlichen Praxis einhellig abgelehnt. Eine entsprechende gesetzliche Bestimmung würde einen tiefgreifenden Eingriff in die Struktur des Strafprozesses bedeuten, da damit der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme durchbrochen würde. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zählt aber zu den wichtigsten Prinzipien unseres Strafverfahrensrechts. Er gewährleistet, daß das erkennende Gericht von den zur Rekonstruierung des Sachverhalts benutzten Beweismitteln in unmittelbar eigener sinnlicher Wahrnehmung Kenntnis erlangt. Dies ist gerade von besonderer Bedeutung in Strafverfahren wegen Sittlichkeitsdelikten, in denen kindliche oder jugendliche Opfer oft als einzige Zeugen, zumindest aber als Hauptbelastungszeugen auftreten. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß dem berechtigten Wunsch nach besonderem Schutz kindlicher und jugendlicher Zeugen vor schädlichen Nebenwirkungen des Strafverfahrens die rechtsstaatliche gegründete Forderung nach unbeschränkter Verteidigung des Angeklagten gegenübersteht. Diese Antinomie dürfte nicht ohne eine schwer zu vertretende Beschränkung des Rechts der Verteidigung aufgelöst werden können. Die Bundesregierung wird jedoch im Rahmen der bereits in Angriff genommenen Reform des Strafverfahrensrechts mit Vorrang auf eine gesetzliche Regelung hinwirken, die der besonderen psychischen Situation des kindlichen und jugendlichen Opfers von Sittlichkeitsdelikten im anschließenden Strafverfahren gerecht wird. Welcher gesetzgeberischen Lösung angesichts der hier nur kurz aufgezeigten Schwierigkeiten der Vorzug zu geben ist, bedarf noch weiterer eingehender Überlegungen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Rohwedder vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 58 und 59) : Welche Auswirkungen hatten nach Auffassung der Bundesregierung die Folgen der Sprengstoffexplosionen in den Kompressoranlagen der Niederländischen Gasunion in Ravenstein und Ommen auf die Belieferung der Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland? Was hat die Bundesregierung getan bzw. was gedenkt sie zu veranlassen, um Vorsorge für den Fall des Entstehens von in den Niederlanden verursachten Versorgungsschwierigkeiten für die Abnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland zu treffen? Die Sprengstoffexplosionen in den Kompressoranlagen der Niederländischen Gas-Union hatten auf die Belieferung der Letztabnehmer von Erdgas in der Bundesrepublik keine nennenswerten Auswirkungen. Lediglich solche Abnehmer haben Liefereinschränkungen hinnehmen müssen, bei denen Lieferunterbrechungen vertraglich zulässig sind. Die Bundesregierung betrachtet gerade die niederländischen Erdgasvorkommen als eine sehr sichere Energiequelle für den deutschen Energiemarkt. Sie wird in dieser Auffassung dadurch noch bestärkt, daß die niederländische Regierung unverzüglich Sicherheitsmaßnahmen beschlossen hat, um auch außergewöhnliche Vorkommnisse wie Sprengstoffanschläge für die Zukunft zu verhindern. Wirksamster Schutz auch gegen solche Versorgungsstörungen ist im übrigen nach Auffassung der Bundesregierung eine Politik der Diversifikation der Bezugsquellen sowie der weitere Ausbau des Erdgas-Verbundsystems, das wechselseitige Aushilfen der Verbundpartner, auch über die Staatsgrenzen hinweg, ermöglicht. Die Versorgungssicherheit der Verbundpartner wird um so größer, je mehr Erdgasquellen und Erdgasspeicher in dieses System eingebunden werden. Die Bundesregierung ermutigt alle Bemühungen, die auf die Erschließung neuer Lieferquellen, auf die Anlage von Erdgasspeichern und auf den Ausbau eines umfassenden europäischen Erdgas-Verbundsystems gerichtet sind. Dies ist ein Weg, auf dem die deutsche Gaswirtschaft schon ein gutes Stück vorangekommen ist. Für den Fall gleichwohl eintretender Versorgungsstörungen liegen schließlich bei den einzelnen Ferngasgesellschaften bis ins einzelne ausgearbeitete Abschaltpläne vor, um nach Maßgabe der geringsten Beeinträchtigung die Auswirkungen einer solchen Störung in möglichst engen Grenzen zu halten. Dabei wird der Versorgung der Kommunen und damit der privaten Haushalte sowie der Belieferung der Abnehmer, die nicht auf andere Energiearten ausweichen können, Vorrang eingeräumt. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Fragen A 89 und 90) : Wird die Bundesregierung Landwirten, die sich bei der Einführung der Altershilfe für die Landwirtschaft von den Beitragszahlungen befreien ließen, eine Nachversicherungsmoglichkeit einräumen? Wie groß ist der oben angesprochene Personenkreis? Bei der vorgesehenen Novellierung der Altershilfe für Landwirte wird die Bundesregierung auch die Möglichkeiten für einen Verzicht auf die Befreiung von der Beitragspflicht und die damit verbundene Frage der Nachentrichtung von Beiträgen prüfen. Dabei ist jedoch eine differenzierte Betrachtung erforderlich, da es sich um unterschiedliche Befreiungstatbestände mit entsprechend unterschiedlichen Motivationen handelt. Und zwar sind diejenigen Personen, die sich bei Einführung der Altershilfe für Landwirte im Jahre 9940 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1972 1957 auf Grund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages haben befreien lassen, von jenen Personen zu unterscheiden, die wegen einer anderweitigen gesetzlichen Versicherung oder Versorgung befreit worden sind. Im ersten Fall ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen der Entschluß zur Befreiung seinerzeit gefaßt worden ist, nicht so verändert sind, daß eine Korrektur der damaligen Entscheidung ermöglicht werden sollte. Im zweiten Fall haben die Versicherungs- und Versorgungsansprüche an der allgemeinen Fortentwicklung teilgenommen, so daß er sich in einem anderen Licht darstellt. Soweit es die Zahlen angeht, möchte ich folgendes anmerken: Nach der Quartalstatistik der landwirtschaftlichen Alterskassen (Stichtag 31. Dezember 1971), die vom Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen herausgegeben wird, beträgt die Zahl der beitragsbefreiten Landwirte insgesamt 60 422. Die Zahl derjenigen, die auf Grund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages befreit worden sind, dürfte bei 2 500 liegen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Ehmke vom 24. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 117) : Entsprechen die Auffassungen, die Bundesminister Ehmke in einem Interview mit dem Bonner „General-Anzeiger" vom 7. Januar 1972 — auch nachgedruckt im Bulletin vom 8. Januar 1972 — zu den Problemen der Massenmedien darlegte, den in den zuständigen Bundesministerien entwickelten Vorstellungen, und teilt die Bundesregierung insbesondere die Behauptungen des Bundesministers "Hinsichtlich der Pressekonzentration -muß man sich klarmachen, daß ein Teil des Konzentrationsvorgangs allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen notwendig ist und daß die Zusammenlegung oft zu einem besseren Niveau der Zeitungen führt. Man muß auch lokale Zeitungsmonopole durch den Ausbau regionaler Rundfunk- und Fernsehsender auszugleichen suchen. Dennoch ist der Gedanke einer als öffentlich-rechtliche Körperschaft organisierten Zeitung ein interessantes theoretisches Modell, wenn wir nämlich unterstellen, daß es am Ende des Konzentrationsprozesses nur noch eine Zeitung mit einer absoluten Monopolstellung geben könnte. Wir sollten es aber auf keinen Fall zu einer solchen Situation kommen lassen, in der die Frage verneint werden muß, ob Zeitungen überhaupt noch auf privater Basis gemacht werden dürfen."? In dem von Ihnen zitierten Interview habe ich ausgeführt, daß ein Teil der Konzentrationsbewegung in der Presse auf betriebswirtschaftliche Zwänge zurückzuführen ist. Es handelt sich hierbei um eine Feststellung, die schon im Schlußbericht der Pressekommission vom 22. Mai 1968 dargelegt ist. Ein gewisses Maß von Konzentration kann aber durchaus dem Informationsinteresse des Bürgers dienen, soweit nämlich leistungsschwache und überalterte Pressebetriebe durch leistungsstarke und rationell arbeitende Betriebe ersetzt werden, die eine zuverlässigere und vielseitigere Information bieten können. Hiervon ausgehend habe ich weiter die Auffassung vertreten, daß der Pressekonzentration dann entgegengewirkt werden muß, wenn eine ausreichende Meinungsvielfalt in der Presse nicht mehr gewährleistet ist. Diese Auffassung deckt sich nicht nur mit der der Bundesregierung; ich gehe sogar davon aus, daß auch Sie ihr zustimmen. Falls es einmal dazu kommen sollte, daß die Vielfalt der Presse aufgrund der wirtschaftlichen Konzentration Meinungsmonopolen weichen müßte, dann stünde als Ausweg zur Erhaltung der Meinungsvielfalt das Denkmodell einer als öffentlich-rechtlichen Körperschaft organisierten Zeitung zur Debatte. Diese Frage, die mir in jenem Interview gestellt wurde, ist heute nicht akut, und ich hoffe, daß sie nie akut wird.
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    Rede von Franz Amrehn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich glaube, das, was ich gegenüber der einen Seite erklärt habe, muß ich nun für alle Seiten gelten lassen.

    (Zurufe von der SPD.) Ich bitte um Nachsicht.

    Bis zur Stunde hat sich überhaupt noch nichts geändert. Wir haben inzwischen die Erklärung über die beiden deutschen Staaten abgegeben, wir haben die Interzonenhandelskredite ungeheuer erweitert, und wir haben die Zusicherung gegeben, die Aufnahme in die UNO zu betreiben.
    Gestern hat hier ein Redner erklärt, die Pauschalierung der Gebühren wäre, käme sie zustande, eine große Sache. Die Pauschalierung ist von uns vorgenommen worden. Wir haben die Jahreszahlung übernommen. Aber auf den Autobahnen hat sich daraus bis zur Stunde nicht die geringste Erleichterung hinsichtlich der Kontrollen oder eine schnellere Abfertigung nur als Geste des guten Willens ergeben.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Daran muß man die Ergebnisse der Verhandlungen doch auch ein wenig messen.
    Wenn nun jemand sagt, im Telefon- und Postverkehr habe sich aber etwas gebessert, dann muß ich natürlich daran erinnern, daß wir erstens auch finanziell eine ganze Menge dafür leisten

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr wahr! — Abg. Wohlrabe: 250 Millionen!)

    und daß zweitens West-Berlin als Antwort darauf zum Ausland erklärt worden ist. Heute muß man auf einen Brief nach Berlin eine Auslandsbriefmarke kleben.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Außerdem ist die Gebühr für ein Telefongespräch
    von Ost-Berlin nach West-Berlin für die Dauer von



    Amrehn
    sechs Minuten nach den Vereinbarungen von 60 Pf auf 4,60 DM erhöht worden.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Da reden die von Erleichterungen! — Zuruf von der CDU/CSU: Das sind die Realitäten!)

    Meine Damen und Herren, das ist doch im Moment die Wirklichkeit.
    Nun ist gestern in Aussicht gestellt worden, daß es bereits zu Ostern und zu Pfingsten gewisse Erleichterungen auf den Autobahnen und für Besucher geben soll. Wir freuen uns für die Menschen, die davon nach Jahren endlich wieder Gebrauch machen können. Aber ich weigere mich, zuzugeben, daß es sich hierbei um ein Zeichen des behaupteten guten Willens oder um ein Zeichen der politischen Entspannung handelt. Was wir erleben, ist doch nichts anderes als ein willkürlicher, ja, ich sage, ein frivoler Umgang mit menschlichen Gefühlen zu politischen Zwecken.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist der Versuch einer penetranten Einflußnahme auf den Entscheidungswillen dieses Parlaments,

    (erneuter Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    und das, meine Damen und Herren, kann ich nicht als Entspannungswillen bezeichnen. Was ist das für eine Entspannung, bei der uns für eine vorübergehende Zeit das Zuckerbrot der Erleichterung auf den Zufahrtswegen hingehalten wird, während man für die Zeit danach schon wieder mit der Peitsche des Rückfalls in die Unmenschlichkeit droht!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was uns an Erleichterungen geboten werden soll, ist doch in Wahrheit nur die teilweise Milderung von Unrechtsmaßnahmen, die im Laufe der Jahre über West-Berlin verhängt worden sind.

    (Zuruf von der SPD: Dank Ihrer Politik!)

    Ich behaupte nicht, daß es kein Fortschritt wäre, wenn es der Politik gelänge, auch das abzubauen. Aber ob daraus schon eine befriedigende Berlin-Regelung wird,

    (Abg. Wehner: Das beobachten Sie aus der Zuschauerloge!)

    ist wieder eine ganz andere Frage.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich an einem drastischen Beispiel zeigen. In der alliierten Vereinbarung steht, daß die Abfertigung auf den Zufahrtswegen auf die „schnellste, einfachste und günstigste Weise" vor sich gehen soll, die der internationale Verkehr kennt. Ich leugne nicht, daß ich darin eine wirklich vielversprechende und verheißungsvolle Hoffnung erblickt habe. Wenn ich mir nun aber die Ausfüllungsvereinbarungen ansehe, stelle ich fest, daß dort wieder das Visum verankert worden ist, daß es wieder das Fahndungsbuch und auch wieder die Schreibarbeiten gibt. Das hat doch mit der „schnellsten, einfachsten und günstigsten" Abfertigung überhaupt nichts zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dann weiß ich schon heute, daß das alles andere sind als Privilegien, von denen der Herr Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen in diesem Zusammenhang gesprochen hat.
    Meine Damen und Herren, wenn die Verträge überhaupt einen Sinn haben sollen und wenn ihnen die Anerkennung der Realitäten zugrunde gelegt wird und wenn sie Entspannung bringen sollen, dann müßte doch endlich in der Phase der Verhandlungen und schon ganz und gar in der Zeit der parlamentarischen Behandlung dieser Verträge die Rolle Berlins als Druckmittel ein Ende gefunden haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Dann würden Sie sagen, das sei eine versuchte Beeinflussung, Herr Amrehn! Wie man's macht, ist's falsch!)

    — Ich habe, Herr Wehner, nicht gezögert, unter mehreren positiven Punkten die in den Texten zu finden sind, u. a. hervorzuheben, es sei wirklich sehr beachtlich, daß die Sowjetunion sich am 3. September vergangenen Jahres bereit erklärt hat, die Berlin-Regelung zu unterschreiben, wenn die innerdeutschen Vereinbarungen zustanden gekommen sind, und mit der Unterschrift die Berlin-Regelung in Kraft zu setzen, ehe die Bundesregierung überhaupt die Ratifizierung in diesem Hause einleitet. Hierzu hat sich die Sowjetunion per Unterschrift verpflichtet. Sie begeht schon die erste Vertragsverletzung, indem sie das nicht tut.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich frage mich weiter: wieviel darf ich denn von der künftigen Wirklichkeit einer gut geschriebenen Vereinbarung halten, wenn schon am Anfang die Vertragsverletzung steht?
    Das Zweite: Unsere Bundesregierung hat sich am 25. August in voller Kenntnis dieser Vereinbarungen vor dem deutschen Volk im Fernsehen und durch Abdruck im Bulletin dazu verpflichtet, die Ratifizierung erst einzuleiten, wenn die Schlußakte unterschrieben ist. Die Schlußakte ist nicht unterschrieben. Aber die Ratifizierung ist dennoch schon eingeleitet. Der Bundeskanzler hat das gestern mit den Worten erklärt: Es ergibt sich aus der politischen Lage, daß die Ratifizierung eingeleitet wird, bevor die Berlin-Vereinbarung in Kraft tritt. Aber wo kann da unser Vertrauen noch bleiben, wenn so gravierende Festlegungen schlicht übergangen werden und heute nicht mehr gilt, was gestern gelten sollte?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mattick?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Franz Amrehn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich bitte, noch einmal auf meine Bemerkungen verweisen zu dürfen, die ich vorhin gemacht habe.
    Meine Damen und Herren, mit dem, was hier geschieht, wird ein ganz unmittelbarer Druck auf die Entscheidung dieses Parlaments ausgeübt, die Verträge anzunehmen, bevor die Vergünstigungen der Berlin-Vereinbarung in Kraft treten, und das ent-



    Amrehn
    gegen verpfändeten Worten. Müßte nicht eigentlich das ganze Parlament sich dagegen wenden? Müßten wir nicht alle Einspruch erheben gegen dieses Verfahren? Aber wir erleben, daß statt dessen auch von amtlicher Seite dieser Druck der Sowjets auf uns fortgesetzt wird, mitgemacht wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Biehle: Erfüllungsgehilfen!)

    Meine Damen und Herren, die Regelung sollte befriedigend sein. Wir haben es wahrhaftig niemals als die beste Regelung angesehen, daß Berlin entgegen dem, was es durch seine Vertreter im Parlamentarischen Rat wollte, nicht Bundesland im Vollsinne hat werden können. Wir haben immer nur die Motive unserer alliierten Freunde wegen der guten Gesinnung respektieren können, aus der sie ihre Vorbehalte erhoben haben.
    Gestern hat hier Herr Borm erklärt, durch die neue Vereinbarung habe sich daran auch gar nichts geändert. Das ist eben nicht richtig. Von nun an hängt infolge des Berlin-Abkommens die Frage, ob Berlin volles Bundesland werden kann, nicht mehr allein von der Entscheidung der Westmächte und ihrer Freiheit ab, zu sagen: Wir etwickeln dieses Stück zum vollen Bundesland.

    (Zurufe von der SPD.)

    Vielmehr haben wir diese Rechtslage an die Zustimmung der Sowjetunion gebunden. Da kann ich nicht behaupten, daß dies ein Weg hin zur Selbstbestimmung der Berliner sei, — was Sie, Herr Mattick, in diesem Zusammenhang immer gefordert
    haben —, sondern diese Vereinbarung bringt uns ein Stück weiter weg von der Selbstbestimmung der Deutschen, aus Berlin ein Land der Bundesrepublik zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich könnte mich mit einer solchen Regelung versöhnen lassen, wenn gleiches auch für den Ostsektor bestimmt worden wäre.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber hier ist doch eben die Ungleichheit. Darum behaupte ich, daß sich auch im Status in diesem Umfang eine Veränderung ergeben hat, vor der wir nicht die Augen verschließen dürfen.
    Ein zweites. Das Generalkonsulat ist eine sowjetische Forderung gewesen, ohne die eine Berlin-Vereinbarung, wie der amerikanische Botschafter gesagt hat, nicht zustande gekommen wäre. Hier kommen wir doch nicht an dem Tatbestand vorbei, daß die Bundespräsenz, nachdem z. B. die SPD- und die FDP-Fraktion seit zwei Jahren nicht mehr nach Berlin gekommen sind, nicht nur faktisch, sondern auch schriftlich abgebaut wird und statt dessen die sowjetische Präsenz in West-Berlin erhöht wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich weiß natürlich auch, daß in der Vereinbarung steht, das Generalkonsulat dürfe sich nicht politisch betätigen.

    (Lachen in der Mitte.)

    Das tragen Sie einmal vor einer Berliner Versammlung von Menschen aller Schichten vor, und sagen
    Sie, die dürften sich da nicht politisch betätigen! — Und glauben Sie mir: Den Sowjets ist es völlig gleichgültig, auf welche Weise sie ihren Fuß in die Tür bekommen können.

    (Zuruf des Abg. Dorn.) — Ich habe das leider nicht verstanden.


    (Zurufe von der FDP und Gegenrufe von der CDU/CSU. — Abg. Dorn meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    Nun noch einige Worte zu dem, was die Bundesregierung in der Antwort an den Bundesrat erklärt hat.

    (Abg. Dorn: Sie wollen also nicht hören, was ich gerufen habe!)

    In der Erklärung, die die Bundesregierung auf die Einwendungen des Bundesrats gegeben hat, heißt es, die Ausfüllung des Berlin-Abkommens gehe noch über den Rahmen dessen hinaus, was uns die Allier-ten dort bereitet hätten. Nichts kann falscher sein als diese Behauptung. Ich bin bereit, Ihnen an Hand von 20 Punkten nachzuweisen, daß das nicht zutrifft.
    Am allerwenigsten trifft das für das Visum zu. Hier hat die innerdeutsche Ausfüllung des Rahmenabkommens etwas eingeführt, was gegen den allierten Vertragstext ist. Es war doch der Regierende Bürgermeister Schütz, der mit uns gefordert hat, es dürfe nur Identitätskontrollen geben. In der Rahmenvereinbarung steht ausdrücklich: In den Bussen darf nur die Identität geprüft werden. Trotzdem hat die innerdeutsche Seite zugestanden, daß in dem Bus mit 50 und mehr Passagieren wieder eine Sammelliste aufgestellt — „schnellste, günstigste und einfachste Abfertigung" — und ein Sammelvisum erteilt werden muß.
    Als Grundbedingung einer befriedigenden Berlin-Regelung ist aufgestellt worden, daß es keine Diskriminierungen mehr geben dürfe. Der Regierende Bürgermeister Schütz hat erklärt, es dürfe insbesondere keinen Unterschied mehr geben für den Besuch des Ostens zwischen den Westberlinern und den Westdeutschen. Wer heute von West-Berlin aus nach Osten gehen will, der bedarf — außer bei Tagesbesuchen in Ost-Berlin ohne Übernachtung — einer Genehmigung der Kommunalbehörde im Osten, um überhaupt einreisen zu dürfen. Selbst wenn er nach Ost-Berlin geht, braucht er im Gegensatz zum Westdeutschen einen Berechtigungsschein, ein Visum zur Ausreise und ein Visum zur Einreise. Das ist alles schlechter und überhaupt nicht mit dem vergleichbar, was der Westbürger in Anspruch nehmen kann. Das ist im Ergebnis auch nicht befriedigend.
    Wir waren einschließlich des Senats gar nicht damit einverstanden, daß es eine Kontingentierung für die Besuche von Westberlinern gibt. Aus dem Grunde hatte der Regierende Bürgermeister die Vereinbarung nicht annehmen wollen; aber es ist bei dieser Diskriminierung und Kontingentierung geblieben.
    Kann man das dann „befriedigend" nennen? Ganz zu schweigen jetzt von den vielen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Mißbrauchsklausel, die in den deutschen Regelungen gegenüber der Schwam-



    Amrehn
    migkeit der alliierten Vereinbarung noch zugunsten der Ostbehörden verschärft worden ist!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Jeder weiß, daß es am einzelnen Beamten hängen wird, ob bei einem Durchreisenden die hohe Wahrscheinlichkeit einer Absicht des Mißbrauchs der Autobahn unterstellt wird. Das hängt nach wie vor von der Beurteilung des einzelnen auf der Autobahn ab.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine Schlußbemerkung machen. Es wird natürlich immer wieder die Frage gestellt: Wenn Sie die Verträge schon ablehnen wollen, können Sie es dann auch auf sich nehmen, die Berlin-Vereinbarung nicht in Kraft treten zu lassen? Nun wäre es eine formale Antwort, zu sagen: die Vierervereinbarung der großen Mächte, die an Berlin beteiligt sind, kann doch nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine bilaterale Vereinbarung in Deutschland zustande kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber lassen Sie es mich auch von der Sache her beurteilen. Um mit einem abgewandelten Kennedy-Wort zu sprechen: Ich kann mich doch nicht mit dem Apfel begnügen, wenn ich einen Obstgarten hingeben soll!

    (Zuruf von der SPD: Wo haben sie den Obstgarten?)

    Das heißt doch: auch West-Berlin kann nicht mit einem Vertrag gedient sein, der in der Welt draußen zumeist als ein Teilungsvertrag verstanden wird. Ein Schritt der deutschen Politik im ganzen in die falsche Richtung kann auch für Berlin nicht richtig sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein Vertrag, mit dem die Deutschen genötigt werden, ihr Recht auf Selbstbestimmung im Text zu verschweigen — und wenn dies auch nicht durch Interpretation anders dargestellt werden kann —, kann allein mit einer Berlin-Regelung nicht gerechtfertigt werden. Ein Vertrag, den wir für Deutschland nicht verantworten können, können wir auch nicht für Berlin verantworten. Auch die Berliner und alle Abgeordneten hier sind doch verpflichtet, das Gesamtinteresse ganz Deutschlands nach bester Überzeugung und nach innerstem Gewissen wahrzunehmen, notfalls auch um den Preis, daß die Berlin-Vereinbarung vorerst nicht in Kraft treten sollte.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Dann wollen Sie aber auch keine Passagierscheine!)