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    Deutscher Bundestag 171. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag der Abg. Frau Schanzenbach, Dr. Schellenberg und Frau Brauksiepe . . . . . . . . 9737 A, B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 9737 B Wahl des Abg. Wende als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost 9737 B Erweiterung der Überweisung eines Gesetzentwurfs 9737 C Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 9737 C Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1972 (Drucksache V1/3080) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache V1/3156) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksache VI/3157) — Erste Beratung —, mit Große Anfrage der CDU/CSU betr. Deutschland- und Außenpolitik — Drucksachen VI/2700, VI/2828 — und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen — Drucksache VI/1523 — Brandt, Bundeskanzler . 9739 D, 9791 B, 9814 C Scheel, Bundesminister 9742 D Dr. Barzel (CDU/CSU) . 9752 C, 9796 C, 9814C, 9815B Wehner (SPD) 9764 B Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . 9784 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 9798 A Mischnick (FDP) . . . . . . . 9799 B Stücklen (CDU/CSU) 9804 B Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 9814 D Borm (FDP) . . . . . . . . 9815 C Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU/CSU) 9820 B Fragestunde (Drucksache V1/3165) Frage des Abg. Dr. Böhme (CDU/CSU) : Immobilienfonds der Landeszentralbank Nordrhein-Westfalen Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär 9771 B, C, D Dr. Böhme (CDU/CSU) . . . 9771 B, C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Verfahren und Methoden zur Preiserhebung Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9771 D, 9772 B, C Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9772 B, C Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Miete eines bundeseigenen Hauses in Köln durch Bundesminister Schiller Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9772 C, D, 9773 A Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 9772 C, D Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) 9773 A Frage des Abg. Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in den ostbayerischen Landkreisen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9773 B, C, D Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . . . 9773 C, D Fragen des Abg. Kiechle (CDU/CSU): Beseitigung der zehnjährigen Grundsteuerfreiheit der Zweitwohnungen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9774 A, C, D Kiechle (CDU/CSU) 9774 C Frage des Abg. Dichgans (CDU/CSU) : Anerkennung von Ausgaben für den Erwerb von Kunstwerken als steuerlich abzugsfähige Spenden Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9774 D, 9775 A, B Dichgans (CDU/CSU) 9775 A, B Frage des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) : Freigabe des Militärhospitals der französischen Garnison in Tübingen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9775 C, D, 9776 A Pfeifer (CDU/CSU) 9775 D Maucher (CDU/CSU) 9776 A Frau Funcke, Vizepräsident . . . 9776 B Fragen des Abg. Härzschel (CDU/CSU) : Situation der Rentner in Alters- und Pflegeheimen Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9776 C, D, 9777 A, B Härzschel (CDU/CSU) . 9776 C, D, 9777 B Fragen des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) : Finanzierung der Krankenhausversorgung bis 1975 Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . 9777 C, D, 9778 B, C, D, 9779 A Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein (CDU/CSU) . 9778 A, B, C Dr. Fuchs (CDU/CSU) 9778 D Frage des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Studie über den Einfluß von Gewalttätigkeit und Brutalität im Fernsehen auf Straßenspiele der Kinder Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9779 A, B, C Rollmann (CDU/CSU) 9779 B Hansen (SPD) 9779 C Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) : Erhöhung der finanziellen Leistungen für das Deutsch-Französische Jugendwerk Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . 9779 C, D, 9780 A, B, C Baier (CDU/CSU) . . . 9779 D, 9780 A Rollmann (CDU/CSU) 9780 B Dr. Fuchs (CDU/CSU) 9780 C Fragen des Abg. Reddemann (CDU/CSU) : Zeugnisverweigerungsrecht der Redakteure Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9780 D, 9781 A, B, C Reddemann (CDU/CSU) . . . . 9781 B, C Frage des Abg. Walkhoff (SPD) : Umgehung des Verbots der Aufhebung von Mietverhältnissen durch Abbruch der Mietwohnungen und Neubau von Eigentumswohnungen Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 9781 D, 9782 A Walkhoff (SPD) . . . . . . . . 9782 A Frage der Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Inanspruchnahme der Krebsvorsorgeuntersuchung der Krankenkassen — Erfahrungen hinsichtlich ausreichender Fachärzte und Laboreinrichtungen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9782 B, D, 9783 A Frau Lauterbach (SPD) . 9782 C, 9783 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 III Fragen des Abg. Maucher (CDU/CSU) : Rehabilitationszentrum für erwachsene Hirngeschädigte Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9783 B, C, D, 9784 A Maucher (CDU/CSU) . 9783 C, D, 9784 A Frage des Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Prämienzahlungen für nicht benutzte Krankenscheine Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 9784 A Nächste Sitzung 9826 A Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 9827 A Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) . . . . . . . . 9827 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Breidbach (CDU/CSU) betr. Lage der westdeutschen Alluminiumindustrie 9827 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) betr. Abschluß eines Abkommens über den Welthandel mit Textilien 9828 C Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Funcke (FDP) betr. Steuerfreiheit für Fehlgeldentschädigung von Omnibusfahrern im Liniendienst . . 9828 D Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Ahrens (SPD) betr. beispielgebende Wirkung des Gesetzes über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken auf Bundesländer und Gemeinden . . . . . . . . . 9829 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Krockert (SPD) betr. Verwendung von thailändischem Tiefentorf und Island-Moos bei der Herstellung von Tabakerzeugnissen . . . . . . . . 9829 B Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schlaga (SPD) betr. Erfassung der von Selbstdrehern hergestellten Zigaretten im Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes . . . . . . . . . 9829 D Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Sperling (SPD) betr. steuerliche Begünstigung der Zigaretten, Zigarren und Rauchtabake, die aus anderen Stoffen als Tabak bestehen . . . 9829 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Löffler (SPD) betr. Erhöhung des von den Mineralölfirmen dem Tankstellengewerbe gewährten Bonus 9830 A Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Dr. Orth (SPD) betr. unterschiedliche Handhabung des Mehrwertsteuerzuschlags für landwirtschaftliche Veredlungserzeugnisse . . . 9830 C Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Peiter (SPD) betr. Benachteiligung der pflichtversicherten Handwerker und der freiwillig Versicherten in der ehemaligen französischen Zone durch § 32 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes . . . 9831 A Anlage 13 Zusätzliche Schriftliche Antwort auf die Frage des Abg. Dr. Götz (CDU/CSU) betr. Pensionierung von Beamten auf Lebenszeit mit dem vollendeten 62. Lebensjahr und Höhe der Pensionslast 9831 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9737 171. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Bals *** 25. 2. Bredl 4. 3. Breidbach 23. 2. Dasch 3. 3. Frau Dr. Diemer-Nicolaus *** 26. 2. Dr. Dittrich 25. 2. Draeger *** 25. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 4. 3. Frau Dr. Henze 18. 3. Kahn-Ackermann *** 26. 2. Kriedemann * 23. 2. Lautenschlager * 24. 2. Lenze (Attendorn) *** 25. 2. Lücker (München) * 24. 2. Memmel * 25. 2. Mertes 25. 2. Müller (Remscheid) 25. 2. Pöhler *** 25. 2. Richarts 25. 2. Rinderspacher *** 25. 2. Dr. Schober 23. 2. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 25. 2. Dr. Seume 25. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, 9. Februar 1972 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 376. Sitzung am 9. Februar 1972 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 26. Januar 1972 verabschiedeten Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) gemäß Artikel 84 Abs. 1, 104 a Abs. 4 und 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat die aus der Anlage ersichtliche Entschließung angenommen. Heinz Kühn Anlagen zum Stenographischen Bericht Bonn, den 9. Februar 1972 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 28. Januar 1972 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Heinz Kühn Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 9. Februar 1972 an den Bundeskanzler Entschließung zum Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, daß durch nationale Maßnahmen von EWG-Mitgliedstaaten den deutschen Seehäfen Wettbewerbsnachteile erwachsen, und vermag kein Verständnis dafür aufzubringen, daß durch das vorliegende Gesetz die Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der deutschen Seehäfen noch weiter verschärft werden. Der Bundesrat nimmt Bezug darauf, daß der zuständige Bundesminister für Verkehr den deutschen Seehäfen nationale Maßnahmen zum Ausgleich der Wettbewerbsverzerrungen in Aussicht gestellt hat, wenn die wettbewerbsnachteiligen Maßnahmen der in Frage kommenden EWG-Mitgliedstaaten nicht abgebaut werden. Unter Bezug hierauf bittet der Bundesrat die Bundesregierung, 1. im Rahmen der EWG mit Nachdruck darauf hinzuwirken, daß eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen im Bereich des Verkehrswesens herbeigeführt wird, 2. im Zuge dieser Bemühungen alle Möglichkeiten auszunutzen, um durch nationale Maßnahmen schwere Schäden von der deutschen Verkehrswirtschaft abzuwenden. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Breidbach (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 60 und 61): Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage der westdeutschen Aluminiumindustrie? Welche Prognose für den Aluminiumverbrauch pro Einwohner kann für die nächsten Jahre abgegeben werden? 9828 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Die westdeutsche Aluminiumindustrie befindet sich gegenwärtig in einer recht ernsten Lage, die in erster Linie aus einer internationalen Überproduktion und einem entsprechenden Preisverfall resultiert. Auch in der Bundesrepublik sind in den letzten Jahren wegen der Verfügbarkeit billigeren Kernkraftstroms und im Vertrauen auf einen weiteren kräftigen Nachfrageanstieg neue Aluminiumkapazitäten entstanden. Die Hüttenproduktion stieg dadurch im abgelaufenen Jahr um 38 %auf 427 000 t, von denen ein Teil unabsetzbar blieb. Bei den Aluminiumlegierungen belief sich der Produktionsanstieg auf 6 % Da auch in der westlichen Welt insgesamt die Aluminiumnachfrage — wie schon 1970 — unter der Weltproduktion blieb, fielen im internationalen Handel die Preise unter die Gestehungskosten der meisten Produzenten, so daß gegenwärtig wenigstens die deutsche Produktion ein Verlustgeschäft geworden ist. Trotz des Kampfes um die Marktanteile sind 87 000 t im Frühjahr 1971 fertiggestellte Kapazitäten nicht in Betrieb genommen worden. Im Januar d. J. wurden weitere 33 000 t Kapazitäten älterer Werke abgeschaltet. Ungeachtet der großen gegenwärtigen Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung — wie auch die Aluminiumwirtschaft — die Aluminiumindustrie mittel- bis langfristig als ausgesprochene Wachstumsindustrie an. Das temporäre Überangebot sollte, wofür international auf breiter Front plädiert wird, durch geringere Kapazitätsausnutzungen überwunden werden können. Verbauchsprognosen für einzelne Jahre unterliegen großen Fehlermöglichkeiten, wie aus folgender Übersicht über die letzten Jahre hervorgeht: Aluminiumverbrauch je Kopf in der Bundesrepublik Deutschland in kg 1965 8,9 1966 9,4 1967 9,0 1968 11,4 1969 13,5 1970 13,5 1971 13,6 Auf einen 50%igen Anstieg zwischen 1967 und 1969 folgte eine über zwei Jahre gehende Stagnation. Bislang ist der Aluminiumverbrauch mittelfristig doppelt so stark gestiegen wie das Sozialprodukt. Das mag für die nächsten 5 bis 6 Jahre, gestützt durch Überlegungen über den Verbrauch in einzelnen Fachrichtungen, noch zutreffen. Danach ist eine leichte Abflachung denkbar. Man kann deshalb bis 1976 mit einem Verbrauchsanstieg je Kopf von 7,5 bis 8 % in der Bundesrepublik Deutschland rechnen. Für das Endjahr ergäbe das einen Verbrauch in der Bundesrepublik Deutschland von 1,2 Millionen t, je Kopf von 18,0 kg. Die USA hatten 1969 einen je Kopf-Verbrauch von 22,4 und 1970 von 20,9 kg. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/ CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 62) : Ist die Bundesregierung bereit, das Petitum des Verbandes der Europäischen Bekleidungsindustrie an das Generalsekretariat des GATT über den baldigen Abschluß eines Abkommens über den Welthandel mit Textilien zu unterstützen? Für Baumwolltextilien besteht bekanntlich bereits eine multilaterale Vereinbarung im Rahmen des GATT (Weltbaumwoliwarenabkommen). Was den Abschluß eines dem Weltbaumwollwarenabkommens analogen Abkommens für Non-Cotton-Textil- und Bekleidungserzeugnisse anbetrifft, wie es bereits 1969 von den USA vorgeschlagen wurde, so hat die Bundesrepublik — ebenso wie auch andere Länder — hiergegen Bedenken geäußert, weil sie in einer derart umfassenden Handelsbeschränkung ein gefährliches Präjudiz auch für andere Sektoren befürchtet, das schließlich zu einer Bedrohung des gesamten freien Welthandels führen könnte. In jedem Falle sollte daher nach Auffassung der Bundesregierung vor einer weltweiten Regelung für Non-Cotton-Textil- und Bekleidungserzeugnisse zunächst eine genaue Durchleuchtung der Handels- und wirtschaftspolitischen Situation dieses Sektors erfolgen. Die Bundesregierung hat sich deshalb vor längerer Zeit im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, die für derartige handelspolitische Arrangements zuständig wäre, für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim GATT ausgesprochen, welche die bestehenden Probleme untersuchen soll. Die EG hat ihre Bereitschaft hierzu schon anläßlich der Zusammenkunft der Vertreter der wichtigsten Welthandelsländer im Sommer 1970 und erneut im Frühjahr 1971 in Genf zum Ausdruck gebracht. Wegen des Widerstandes oder mangelnden Interesses anderer Welthandelsländer ist diese Arbeitsgruppe jedoch bisher nicht eingesetzt worden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksache VI/3165 Frage A 65) : Ist die Bundesregierung bereit, den Omnibusfahrern im Liniendienst, die neben dem Führen des Fahrzeugs den Kassendienst versehen und für die unter Berücksichtigung des Fahrgastandrangs, der Verkehrsbehinderung beim Halten und der Verpflichtung, den Fahrplan einzuhalten, die Gefahr von Kassenfehlbeträgen besonders groß ist, auch wenn der Gesamtumsatz beim Kassieren von Kleinbeträgen relativ gering ist, im gleichen Umfang Steuerfreiheit für Fehlgeldentschädigung zu gewähren wie den Arbeitnehmern, die der Regelung von Abschnitt 2 Abs. 2 Buchstabe a der Lohnsteuerriditlinien unterliegen? Ich beantworte Ihre mündliche Anfrage mit „nein". Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9829 Der Bargeldumsatz der Omnibusfahrer im Liniendienst ist — verglichen mit anderem Kassendienst — normalerweise so gering, daß trotz des von Ihnen erwähnten größeren Verlustrisikos Steuerfreiheit für eine höhere Fehlgeldentschädigung nicht gerechtfertigt erscheint. Im übrigen hätte die Bundesregierung auch Bedenken, als Kriterium für die Höhe der steuerfreien Fehlgeldentschädigung neben dem Umfang des Bargeldumsatzes auch risikoerhöhende Umstände in Betracht zu ziehen. Hierfür ließen sich nur schwer allgemeingültige Abgrenzungsmerkmale finden. Das Problem besteht ja nicht nur bei Omnibusfahrern, sondern auch in anderen Berufen, wie z. B. bei Kassiererinnen in Lebensmittelgeschäften. Selbst bei Omnibusfahrern müßte man vielleicht unterscheiden zwischen Stadtverkehr und ruhigem Überlandverkehr. Ich möchte aber noch darauf hinweisen, daß Kassenverluste, die die Fehlgeldentschädigung übersteigen, als Werbungskosten geltend gemacht werden können, so daß den Busfahrern trotz der Begrenzung der steuerfreien Fehlgeldentschädigung auf 10 DM monatlich vielfach keine steuerlichen Nachteile entstehen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretär Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Ahrens (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 66 und 67) : Hat sich die Hoffnung der Bundesregierung auf eine beispielgebende Wirkung des Gesetzes über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken auf die Bundesländer und Gemeinden erfüllt? In welchen Bundesländern sind entsprechende Gesetze erlassen worden oder in Vorbereitung? Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung zu einem Bericht über die von Ihnen gestellten Fragen aufgefordert. Die dazu notwendigen Stellungnahmen der Bundesländer und Gemeinden habe ich zum 1. März d. J. erbeten. Bislang hat sich nur ein Teil der angeschriebenen Stellen geäußert. Eine Beantwortung Ihrer Fragen ist daher zur Zeit noch nicht möglich. Sobald mir alle Stellungnahmen vorliegen, werde ich den Bericht an den Haushaltsausschuß erstatten und Ihnen eine Durchschrift des Berichts übersenden. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Krockert (SPD) (Drucksache 171/3165 Frage A 68) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die noch nicht bekannten, möglicherweise gesundheitsgefährdenden Wirkungen derjenigen Tabakwaren (im Sinne des § 2 Abs. 6 des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes in Drucksache VI/3048), wie zum Beispiel des unter Sachkundigen bekannten thailändischen Tiefentorfs oder des Island-Mooses, zu erforschen und bekanntzumachen, und hält es die Bundesregierung nicht für angebracht, diejenigen Tabakwaren, die nicht aus Tabak bestehen (§ 2 Abs. 6 des o. a. Entwurfs), steuerlich stärker zu belasten, um auf diese Weise der weiteren Verbreitung dieser möglicherweise die gesundheitsgefährdende Wirkung des Nikotins übertreffenden Stoffe vorzubeugen? Thailändischer Tiefentorf und Island-Moos werden in der Bundesrepublik bei der Herstellung von Tabakerzeugnissen nicht verwendet. Es gibt auch keinen Grund zu der Annahme, daß die deutsche Tabakindustrie künftig Torf und Moos verarbeiten wird. Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlaß, Forschungen über etwaige schädliche Wirkungen dieser Stoffe anzustellen. Die Frage, ob zum Rauchen bestimmte Erzeugnisse, die nicht aus Tabak bestehen, steuerlich stärker belastet werden sollen, hat sich bisher nicht gestellt, weil es solche Erzeugnisse zur Zeit auf dem deutschen Markt nicht gibt. Die Bestimmung des § 2 Abs. 6 ist bereits vor einiger Zeit in das Tabaksteuergesetz aufgenommen worden, um Substitutionsprodukte, wie z. B. Zigaretten mit synthetischem Inhalt — an entsprechenden Versuchen wird im Ausland gearbeitet — ggf. ebenso besteuern zu können wie die ersetzten Naturprodukte. Für eine Erhöhung ides Steuersatzes für Substitutionsprodukte sieht die Bundesregierung unter den gegebenen Umständen z. Z. keinen Anlaß. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schlaga (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 69) : Ist die Bundesregierung bereit, auch solche Zigaretten als Zigaretten im Sinne des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache VI/3048; dort § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 3) zu erfassen, die von sogenannten „Selbstdrehern" unter Mißachtung der im § 2 Abs. 1 Nr. 2 geforderten Parallelität der Naht der Tabakfolie zur Längsachse des nicht aus Feinschnitt bestehenden Tabakstrangs hergestellt wurden, auch wenn sie ansonsten die Auflagen nach Stück gewicht und Hüllenmaterial beachten? Die in der Frage angeführten Bestimmungen des Tabaksteuergesetzes haben mit dem sog. Selbstdrehen von Zigaretten nichts zu tun. Sie dienen der begrifflichen Abgrenzung der Zigarette von der Zigarre. Im übrigen brauchen selbstgedrehte Zigaretten nicht versteuert zu werden, weil sie aus versteuertem Feinschnitt und versteuerten Zigarettenhüllen bestehen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des 9830 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 70) : Halt es die Bundesregierung — ins Sinne der durch das Bundesministerium für Familie, Jugend und Gesundheit angeregten und geführten Kampagne gegen das durch Nikotin und andere Stoffe gesundheitsgefährdende Rauchen von Tabakwaren und insbesondere von Zigaretten — nicht für sinnvoll, eine steuerliche Bevorzugung derjenigen Zigaretten, Zigarren und Rauchtabake im Sinne der Definition des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache VI/2899 in der Fassung der Beschlüsse des Finanzausschusses in Drucksache VI/3048; dort § 2 Abs. 1 bis 5) zu erwägen, soweit diese entsprechend § 2 Abs. 6 des gleichen Entwurfs ganz aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, und ist die Bundesregierung bereit, den Abgeordneten des Bundestages eine Zusammenstellung derjenigen Tabakwaren zukommen zu lassen, die nicht aus Tabak bestehen (§ 2 Abs. 6 des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes in Drucksache VI/3048)? Der Forschung ist es bis heute nicht gelungen, einen Ersatzstoff für Tabak zu finden, der nicht schädlich ist. Es gibt daher keinen Anlaß, die Frage einer steuerlichen Bevorzugung solcher Erzeugnisse zu prüfen. Zigaretten, Zigarren und Rauchtabak aus anderen Stoffen als Tabak sind zur Zeit nicht auf dem deutschen Markt. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Löffler (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 71 und 72) : Glaubt die Bundesregierung, daß das von den Mineralölfirmen an das Tankstellengewerbe gerichtete Angebot, nach dem sich der Bonus pro Liter lediglich um 0,2 Pf bei Normalbenzin und um 0,8 Pf bei Super erhöhen soll, den steigenden Kosten im Tankstellengewerbe gerecht wird? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, während der z. Z. laufenden Verhandlungen über Konditionsverbesserungen auf die Mineralölfirmen dahin gehend einzuwirken, daß diese dem Tankstellengewerbe einen Bonus gewähren, der die selbständige wirtschaftliche Basis dieses Gewerbes sichert? Die Bundesregierung verfügt über keine repräsentativen Unterlagen, die eine Beurteilung der Kostensituation des Tankstellengewerbes und der Angemessenheit der Provisionsvorschläge der Mineralölgesellschaften zuließen. Bei der Wertung der gegenwärtig zwischen den Mineralölgesellschaften und den Tankstellenverbänden geführten Verhandlungen glaubt die Bundesregierung, angesichts der wechselseitigen Interessenverflechtung beider Wirtschaftsgruppen davon ausgehen zu können, daß ein für beide Seiten befriedigendes Ergebnis ausgehandelt werden kann. Dabei müssen sich zwangsläufig die Mineralölgesellschaften von dem Interesse leiten lassen, ein funktions- und leistungsfähiges Tankstellengewerbe für den Absatz ihrer Produkte zur Verfügung zu haben. Die nachhaltigen Anstrengungen in dieser Richtung kommen unter anderem darin zum Ausdruck, daß der durchschnittliche Kraftstoffabsatz je Tankstelle von 33 500 Litern im Jahre 1970 auf rd. 42 500 Liter zu Anfang des Jahres 1972 gestiegen ist. Damit sind auch die Provisionseinkommen der Tankstelleninhaber gestiegen. Der darin deutlich werdende Rationalisierungseffekt ist nicht zuletzt durch eine Konzentrierung des Absatzes auf modernere und leistungsfähigere Anlagen erreicht worden. Nach Auffassung der Bundesregierung können in der in der Bundesrepublik bestehenden Wirtschaftsordnung die unterschiedlichen Interessen von Mineralölgesellschaften und Tankstellengewerbe am ehesten und am besten durch unmittelbare Verhandlungen zwischen beiden Wirtschaftsgruppen ausgeglichen werden, wie das auch in der Vergangenheit der Fall war. Das schließt nicht die Bereitschaft der Bundesregierung zu vermittelnden Gesprächen aus. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die wiederholten Gespräche im BMWF, durch die in der Vergangenheit das Zustandekommen einvernehmlicher Regelungen zwischen beiden Wirtschaftsgruppen gefördert worden ist. Bei diesen Gesprächen hat sich das BMWF davon leiten lassen, — die Rationalisierungsbemühungen beider Parteien zu unterstützen, — die sozialen Anliegen des Tankstellengewerbes gewahrt zu sehen, — die Interessen der Verbraucher an einer preisgünstigen Versorgung zur Geltung zu bringen. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Orth (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 73 und 74): Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Mehrwertsteuerzuschlag für landwirtschaftliche Veredlungserzeugnisse unterschiedlich gehandhabt wird, indem einmal der Bruttoerlös von allen Kosten bereinigt wird und dann erst der Mehrwertsteuerzuschlag erfolgt, während ein anderes Mal die Mehrwertsteuer dem Bruttoerlös zugeschlagen wird und dann erst die Kosten abgezogen werden? Sieht es die Bundesregierung nicht für erforderlich an, daß, uni Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, hier nach einheitlichen Regelungen verfahren werden müßte? Der Bundesregierung .ist bekannt, daß die Verrechnung von Aufwendungen, deren Erstattung der Abnehmer landwirtschaftlicher Erzeugnisse vom Lieferer verlangen kann, unterschiedlich gehandhabt wird. Diese Unterschiede sind jedoch sachlich gerechtfertigt. Sind die Aufwendungen durch Zahlungen entstanden, die der Abnehmer für eigene Rechnung — d. h. auf Grund eigener Verpflichtung — an Dritte geleistet hat, so mindert die Erstattung das Entgelt für die Lieferung. Die Verrechnung kann daher vor Berechnung der Umsatzsteuer vorgenommen werden. Bei nachträglicher Erstattung muß der Erstattungsbetrag in eine Minderung des Entgelts und eine anteilige Minderung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer aufgeteilt werden. Dagegen gehören Zahlungen, die der Abnehmer für Rechnung des Lieferers leistet — durch die er also den Lieferer von einer Verpflichtung gegenüber Dritten befreit — zum Entgelt für die Lieferung. Die Erstattung derartiger Zahlungen ist nur durch Verrechnung mit dem Preis der Lieferung, d. h. nur nach Berechnung der Umsatzsteuer zulässig. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9831 Die Bundesregierung hält es für erforderlich, daß nach den eben dargelegten Grundsätzen verfahren wird. Soweit ihr bekanntgeworden ist, daß sachlich nicht gerechtfertigte, sondern auf uneinheitlicher Rechtsanwendung beruhende Unterschiede gemacht worden sind, hat sie bereits im Einvernehmen mit den Obersten Finanzbehörden der Länder für eine einheitliche Regelung gesorgt, wie z. B. bei den Beiträgen zum Absatzfonds oder der Produktionsabgabe Zucker. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache VI/ 3165 Fragen 82 und 83) : Ist die Bundesregierung bereit, nunmehr die Gesetzeslücke zu schließen, die dadurch entstanden ist, daß in § 32 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes 1957 für die pflichtversicherten Handwerker und freiwillig Versicherten in der damaligen französischen Zone die gleichen Werteinheiten festgelegt wurden wie für die Versicherten in der ehemaligen englischen und amerikanischen Zone, obwohl der oben genannte Personenkreis im Markenverfahren in der Zeit vom 1. Juni 1946 bis 31. Oktober 1949 auf Grund der Verordnung Nr. 38 des Oberbefehlshabers der französischen Besatzungszone erheblich höhere Beiträge geleistet hat? Ist der Bundesregierung bekannt, daß von dieser Benachteiligung etwa 25 000 Personen aus der damaligen französischen Zone betroffen sind? Der von Ihnen genannte Sachverhalt geht auf die geltende Rentenformel zurück. Danach werden der Rentenberechnung die versicherten Bruttoarbeitsentgelte oder Bruttoarbeitseinkommen zugrunde gelegt, und zwar gleichermaßen in der Pflichtversicherung wie auch in der freiwilligen Weiterversicherung. Hierbei werden die versicherten Bruttoarbeitsentgelte und Bruttoarbeitseinkommen für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik einheitlich bewertet. Diese grundlegende Regelung wirkt sich nicht allein auf den von Ihnen angesprochenen Personenkreis aus. Beispielsweise war der Beitragssatz in der Vergangenheit sowohl im zeitlichen Ablauf als auch teilweise in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten unterschiedlich hoch. Auch diese Sachverhalte bleiben bei der Berechnung der durch die geltende Rentenformel begründeten lohnbezogenen Rente unberücksichtigt. Zu Ihrer zweiten Frage darf ich noch ergänzend mitteilen, daß genaue Zahlen unserem Hause nicht vorliegen. Der Beitragssatz galt seinerzeit nicht nur für die pflichtversicherten Handwerker und für die freiwillig Versicherten, sondern für alle Versicherten. Anlage 13 Zusätzliche Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 16. Februar 1972 auf die Frage des Abgeordneten Dr. Götz (CDU/ CSU) *) Im Schlußabsatz meiner schriftlichen Antwort auf ihre Fragen habe ich zugesagt, daß ich mich bemühen werde, Zahlen für die Bereiche zu ermitteln, in denen statistisch aufgeschlüsselte Unterlagen vorhanden sind. Nach meinen Feststellungen sind solche Zahlenangaben zu einem Teil für die Bereiche Deutsche Bundesbahn und Deutsche Bundespost vorhanden. Der anliegenden Übersicht**) ist zu entnehmen, wieviel Beamte innerhalb der vorgenannten Bereiche in den Kalenderjahren 1962 bis 1971 nach Vollendung des 62. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden sind und welche Erhöhung der Versorgungslasten sich dadurch in den entsprechenden Kalenderjahren ergibt. Ergänzend bemerke ich, daß im Bereich der Deutschen Bundesbahn nach einer im Jahre 1967 durchgeführten Repräsentativerhebung rund 55 v. H. der auf eigenen Antrag nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten nicht mehr dienstfähig gewesen sind. Im Bereich der Deutschen Bundespost sind in den Jahren 1962, 1968, 1969 und 1971 keine statistischen Erhebungen angestellt worden. Außerdem konnte die Erhöhung der Versorgungslasten mangels Unterlagen nur geschätzt werden. Insbesondere ist dabei nicht berücksichtigt worden, daß ein großer Teil der nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten bereits dauernd dienstunfähig war. Nach einer 1968 angestellten Erhebung betrug im Jahre 1967 der Anteil der nicht mehr dienstfähigen Beamten an der Gesamtzahl der nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten nur etwa 60 bis 70 v. H. *) Siehe 154. Sitzung Seite 8903 A **) Übersicht über Ruhestandsversetzungen nach § 42 Abs. 3 BBG Bereich der Bereich der Deutschen Deutschen Bundesbahn Bundespost Jahr Zahl der Versorgungsaufwand im Zahl der Versorgungsaufwand im Ruhestandsversetzungen Jahr der Ruhestands- Jahr der Ruhestandsversetzung versetzungen Ruhestandsversetzung in Millionen i in Millionen DM DM 1962 529 3,11 1) — - 1963 532 3,44 1 356 7,4 1964 623 4,14 1 316 7,5 1965 593 4,35 1 263 7,7 1966 472 3,79 1 065 6,8 1967 413 3,35 1 060 7,1 1968 353 3,16 1) — — 1969 454 4,18 1) — - 1970 518 5,38 1 053 10,4 1971 645 10,21 1) — — 1) Es sind keine statistische Erhebungen erstellt worden.
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    Rede von Dr. William Borm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Dies geschah in geduldigen Verhandlungen und beispielhafter Zusammenarbeit mit den drei Westmächten.
    Was wurde bis jetzt erreicht? Ich nenne nur vier Hauptpunkte.
    Erstens. Seit 1948 hat die Sowjetunion erstmals wieder die Viermächteverantwortung für Berlin als Ganzes anerkannt; lesen Sie die Präambel des Berlin-Abkommens. Damit sind die Rechte der Drei Mächte für West-Berlin nicht mehr bestritten, und diese Rechte waren einstmals Anlaß für die Berlin-Blockade und für das Chruschtschow-Ultimatum.
    Zweitens. Die Bindung Berlins an den Bund, die 20 Jahre lang umstritten war, ist vertraglich festgelegt worden. Die Vertretung der Interessen West-Berlins und seiner Bewohner wird künftig durch die Bundesregierung auch in den Ländern des Ostens übernommen. Die Einbeziehung in die internationalen Verträge der Bundesrepublik ist gesichert.
    Drittens. Erstmals überhaupt wurde von den Vier Mächten die vertragliche Grundlage für den zivilen Personen- und Güterverkehr von und nach West-Berlin geschaffen und zwischen Bonn und Ost-Berlin im einzelnen ausgehandelt. 25 Jahre — prüfen wir uns doch — schien eine solche politische Übereinkunft zwischen beiden deutschen Staaten undenkbar. Undenkbar schien es auch, daß der Osten jemals das Druckmittel eines nicht geregelten zivilen Verkehrs aus der Hand geben würde.
    Und endlich viertens: Erstmals seit 20 Jahren besteht für die Westberliner wieder die vertraglich gesicherte Möglichkeit, Ost-Berlin und die DDR zu besuchen. — Nun wissen wir, daß die DDR gestern einseitig die Möglichkeit eröffnet hat, daß die Westberliner den Ostteil ihrer Stadt besuchen. Und, meine Damen und Herren, ich habe gestern im Fernsehen gesehen, daß ein prominentes Mitglied der Opposition erklärte, das sei eine Folge der Härte. Meine Damen und Herren, das ist eine Folge der geschlossenen Verträge!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Verträge haben nach Jahren die Mauer endlich wieder einmal von West nach Ost durchlässig gemacht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und von Ost nach West?)

    Aber in diesem Zusammenhang gestatten Sie mir bitte, zu sagen: wir alle wollen die Mauer weghaben, aber wir bekommen sie niemals von West nach Ost, sondern nur von Ost nach West weg. Und darüber müssen wir mit ihnen reden.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

    Das alles ist — der Bundesaußenminister sagte es — gewiß noch keine Berlin-Lösung, aber es ist eine Berlin-Regelung, die die Lebensfähigkeit dieser Stadt wiederherstellt und uns eine Atempause sichert, daß wir in Ruhe bis zur endgültigen Entscheidung warten können. Das ist gewiß kein Grund zum Jubeln — das will man uns fälschlich unterstellen —, aber es ist ein Ausgangspunkt geschaffen worden, eine Chance für weitere positive Entwicklungen.
    Natürlich wünschen wir uns mehr, natürlich wünschen wir den freien Verkehr nach beiden Richtungen. Aber was wir erreichten, war das heute möglich Gebliebene, und es ist sehr viel mehr, als viele zu hoffen wagten. Wer das Gegenteil behauptet, tut es wider besseres Wissen oder weil er sich niemals richtig informiert hat.
    Wir freuen uns — ich sagte es —, daß manche unserer Argumente auch von der Opposition —



    Borm
    wenigstens zum Teil — anerkannt und gewürdigt werden.
    So Kollege Dr. Schröder im Deutschlandfunk am 5. September: Er sieht reale Lebenserleichterungen für die Berliner; er sieht die Verantwortlichkeit der drei Westmächte für das freie Berlin gesichert; er begrüßt, daß keine Bundesbediensteten aus Berlin abgezogen werden; er sieht die enge Bindung zwischen Bund und West-Berlin gesichert; er begrüßt, daß wir Berliner nach wie vor hierbleiben können, was bekanntlich oft genug umstritten war; er hält die gesamte Berlin-Regelung für akzeptabel, wenn die innerdeutschen Gespräche mit vernünftigen Lösungen enden. Meine Damen und Herren, sie haben mit vernünftigen Lösungen geendet, und so haben wir gehandelt.
    Herr Kollege von Wrangel in der „Welt" vom 11. September 1931: Die Außenvertretung entspricht den CDU-Vorstellungen.
    Der Vorsitzende der CSU sieht den Personen- und Warenverkehr ohne menschliche und bürokratische Schikanen sowie gleichberechtigte Behandlung der Berliner als seiner Zustimmung würdig.
    Kollege Marx hält Transitverkehr mit plombierten Wagen und durchgehenden Zügen, Personenverkehr und die Einrichtung von Rastmöglichkeiten für vernünftige Regelungen.
    Und nicht zuletzt der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, Herr Lummer, der die Dinge sicherlich sehr eingehend geprüft hat! Er sagt, es stehe ganz außer Frage, daß eine Reihe von Verbesserungen erreicht werde, wenn die Praxis dem Buchstaben entspreche. Hier, meine Damen und Herren, muß ich allerdings Herrn Lummer beipflichten: wenn die Praxis dem Buchstaben entspricht. Im Gegensatz zu manchem tun wir, tut die Regierung alles, was in ihren Kräften steht, um diese Übereinstimmung nicht zu behindern. Herr Lummer sagt, er könne diese Berlin-Verträge fast als befriedigend ansehen.
    Nun ist es das Wesen einer Opposition, daß ihre Vertreter jeweils behaupten, sie hätten mehr erreichen können, und die Gegenseite sei mit weniger zufrieden gewesen. Aber gerade diese Opposition hier in diesem Hohen Haus dürfte es schwer haben, die deutsche und die internationale Öffentlichkeit von ihren Fähigkeiten gerade in diesem Bereich zu überzeugen. Sie haben doch in 20 Jahren Regierungsverantwortung nicht verhindern können, daß sich die politische Lage Berlins laufend verschlechterte. Auch die wirtschaftliche Lage blieb trotz aller Hilfsmaßnahmen ständig bedroht und labil.
    Nun spricht man von den steigenden Investitionen, von denen Sie sicher auch noch einen Teil zu Ihrem Vorteil abbuchen möchten — warum auch nicht —, aber sie waren doch nur möglich, weil sich bereits seit Jahren 'ein Klima der Entspannung anzubahnen anfing. De facto wurde von Ihnen doch stets nur an den Symptomen herumkuriert. Das Übel an der Wurzel haben Sie niemals angepackt. Sie haben reagiert, Sie haben nie versucht, das Gesetz des Handelns an sich zu reißen. Das hat aber die Regierung jetzt getan.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Selbstverständlich weiß auch ich um die internationale Verflechtung des Berlin-Problems. Das ist nun einmal nicht jederzeit und nicht isoliert anzupacken. Schon zu Ihrer Regierungszeit war aber der weltweite Wunsch nach Entspannung deutlich sichtbar geworden. Die darauf schon seit Jahren basierende Politik der Weltmächte hätte Berlin auch schon früher eine Chance, zu einer grundsätzlichen Regelung zu kommen, gegeben.
    Das hätte möglicherweise — ich greife einige Vorwürfe auf, die Sie hier heute erhoben haben — in der Tat sogar unter besseren Voraussetzungen von Ihnen, meine Herren Kollegen, genutzt werden können, wenn es nur rechtzeitig, wenn es methodisch richtig und wenn es konsequent betrieben worden wäre. Das aber haben Sie nicht getan. Unser Kollege Professor Erhard hat zwar einen Versuch in dieser Richtung gemacht, 'es blieb aber bei einer anerkennenswerten Absichtserklärung. Dieser blieb auch in der Erweiterung durch den Kollegen Kiesinger, der bereit war, die DDR als gleichberechtigten Gesprächspartner zu akzeptieren, der Erfolg versagt, weil man die Konsequenzen dieser Absicht scheute, nämlich den Weg über Moskau und den schmerzlichen Prozeß, unserem Volk seine wahre Lage darzulegen. Man hat die verbliebenen Möglichkeiten und Grenzen deutscher Politik frei von Illusionen und frei von trügerischen Hoffnungen nicht genutzt. Diese sozialliberale Koalition hat diesen Mut gehabt, und sie hat zugleich die Chance genutzt, die uns die weltpolitische Entwicklung jetzt noch — ich wiederhole: jetzt noch — bietet. Das könnte sich aber sehr schnell ändern, und die Entwicklung könnte an uns vorbei- oder über uns hinweggehen.
    Es ist wenig überzeugend, wenn Herr Ministerpräsident Filbinger darauf hinweist, daß die neue Entwicklung in Ostasien zu späterer Zeit bessere Chancen bieten müsse. Auch Kollege Dr. Barzel — er ist jetzt nicht hier — will die China-Karte, und zwar schon jetzt, ins Spiel gebracht wissen. Meine Damen und Herren, natürlich wird die Regierung das Verhältnis zu China, das Verhältnis zur dritten Weltmacht normalisieren,

    (Abg. Kiep: Um nichts anderes geht es ja!) aber nicht mit vordergründigen Aspekten.

    Können wir uns denn wirklich vorstellen, daß die von uns allen so sehr gewünschte dauerhafte und friedliche Neuordnung Europas aus dem Spannungsverhältnis zwischen zwei Weltmächten auf dieser so klein gewordenen Erde erwachsen könnte? Können wir wirklich erwarten, daß man dann uns als lachendem Dritten das Geschenk der Wiedervereinigung — in welchen Grenzen auch immer — präsentieren würde? Können wir erwarten, daß dieses Abwarten und dieses politische Kalkül der Interessenlage unserer Verbündeten entsprechen? Das sind doch Denkkategorien aus einer Geschichtsepoche, die hinter dem Atompilz über dem BikiniAtoll untergegangen ist. Das sind doch sehr gefähr-



    Borm
    liche Spekulationen! Vor ihnen können wir nicht genug warnen.
    Leider tragen viele kritische Bemerkungen der Opposition zum Berlin-Vertrag lediglich polemischen Charakter und haben keinen substantiellen Bezug, so z. B. wenn Kollege Marx sagt „Auch in Berlin wird nur sowjetische Westpolitik getrieben" oder: „Die Einschränkungen für die Westberliner sind unerträglich.".

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Wo haben Sie denn dieses Zitat her?)

    Dabei sollten Sie doch alle wissen, daß nach dem Wortlaut — —

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sie müssen doch wenigstens zitieren können! Wo haben Sie so ein Zitat her?)

    — Ich sage es Ihnen nachher, Herr Kollege.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Jetzt! — Vor der Öffentlichkeit!)

    — Sie haben gesagt: Auch in Berlin wird sowjetische Westpolitik getrieben. Das habe ich selber in der Zeitung gelesen.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Und was haben Sie eben zitiert? Wiederholen Sie es noch einmal!)

    — Ich habe gesagt: Auch in Berlin wird nur sowjetische Westpolitik getrieben.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : „Nur" haben Sie gesagt!)

    - Ich habe des weiteren gesagt, daß Sie gesagt
    hätten, die Einschränkungen für die Westberliner seien unerträglich — und dies, Herr Kollege Marx, obgleich Sie genau wissen, daß, wenn das Abkommen verifiziert ist und in Kraft tritt, die Bedingungen, unter denen die Westberliner in die DDR und nach Ost-Berlin einreisen können, zwar nicht befriedigend sind, obwohl aber noch besser als die Bedingungen für die übrigen Bundesbürger.
    Kollege Wohlrabe geht so weit, von einer „doppelt unbefriedigenden Blamage" zu sprechen, da für die Westberliner weniger erreicht worden sei, als von den Alliierten, von der Bundesregierung und vom Senat vorausgesetzt worden wäre. Meine Damen und Herren, das ist objektiv nicht richtig; es ist unwahr. Der subjektive Informationsstand des Kollegen Wohlrabe ist mir allerdings unbekannt.
    Herr Kollege von Guttenberg will glauben machen, daß die Sowjets nunmehr erstmals eine vertragliche Grundlage gewonnen hätten, die politische Trennung West-Berlins vom Bund weiter zu betreiben. Meine Kollegen, dem steht doch der klare, ausdrückliche Text des Viermächteabkommens entgegen. Dieser spricht nämlich davon, daß die bestehenden Bindungen ausgebaut werden können. Solche polemischen Äußerungen sind doch letztlich von überholten Vorstellungen geprägt.
    Thomas Mann sprach vom Antikommunismus — er meinte damit diesen als Prinzip und als Maxime politischen Handelns — als der Grundtorheit unseres Jahrhundert, die keine Chance mehr habe. Die Welt hat dann auch längst die Konsequenzen daraus gezogen. Präsident Nixon ist heute in Peking und in Binger Zeit in Moskau, und dort wohnen bekanntlich ja Kommunisten.
    Ebenso falsch wird auch der Sachzusammenhang zwischen dem Moskauer Vertrag und den Berlin-Vereinbarungen dargestellt. Die drei verbündeten Westmächte und die Bundesregierung trugen diesem Sachverhalt Rechnung, um ein für uns positives Berlin-Abkommen zu erreichen. Denn zweifellos konnte erst auf dieser Basis die Einigung zwischen den drei Westmächten und der Sowjetunion erfolgen. Im übrigen ging Kollege Barzel von den gleichen Gedankengängen aus, als er am 27. Mai vor diesem Hohen Hause ausführte:
    Sollte die Bundesregierung beabsichtigen, den Vertrag mit der Sowjetunion abzuschließen, bevor die Gespräche der Alliierten in Berlin zu greifbaren positiven Ergebnissen geführt haben, so würde dies die Zukunft Berlins gefährden.
    Also auch er erkannte den ursächlichen Zusammenhang.
    Die Opposition oder doch Kräfte in ihr möchten nun die UdSSR von vornherein für vertragsbrüchig erklären, weil sie ihrerseits — notabene: erst nachträglich, als die Opposition aus allen Rohren gegen die Verträge zu schießen begonnen hatte — angeblich ein Junktim herstellte, um die Bundesregierung zu bewegen, den Moskauer Vertrag ratifizieren zu lassen, wie es heute eingeleitet worden ist. Wir sollten die Interessenlage der Sowjetunion begreifen. Vielleicht geschah es auch, um die DDR zu beruhigen, die das Berlin-Abkommen intern für sich negativ interpretiert. Die Chinesen sprachen sogar davon — diesmal die Chinesen auch von mir ins Feld geführt —, daß die Sowjetunion die DDR an die Bundesrepublik ausgeliefert habe.
    Die CSU hält nach den Worten ihres Vorsitzenden dagegen das Berlin-Abkommen für so einseitig im Interesse der Sowjetunion gelegen, daß er am 17. Oktober 1971 auf dem CSU-Parteitag feststellte, die Sowjetunion werde dieses Abkommen auch dann nicht aufs Spiel setzen, wenn die Verträge nicht ratifiziert würden. Was soll das? Kann das jemand im Ernst wirklich glauben.
    Der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU, Herr Lummer — ich sagte das bereits -, hält die Verträge für fast befriedigend und stößt sich lediglich an der Verbindung mit dem Moskauer Vertrag.
    Welche Anhäufung widersprüchlicher Aussagen! Wie stark muß der durch keine Argumente zu erschütternde Wille der Opposition sein, nein und nur nein zu den Verträgen zu sagen, wenn auch widersprüchlichste Argumente immer nur zum vorgeplanten Nein führen können! Das erinnert doch fatal an die Haltung des Abtes in „Nathan der Weise", dem es kompromißlos nur auf Nathans Tod ankam. Hier drängt sich ebenso wie bei dem sogenannten Alternativentwurf der CDU/CSU der Eindruck auf, daß außen- und innenpolitischen Motivationen in gefährlicher Weise vermischt werden. Jeder von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, wird sich fragen müssen, ob er das mitmachen kann angesichts unserer Verantwortung aus der geographi-



    Borm
    schen Lage unseres Landes, angesichts unseres wirtschaftlichen und politischen Gewichts und angesichts unserer Bedeutung für das westliche Bündnissystem. Jeder wird sich fragen müssen, ob er das mitmachen kann in einer Phase weltpolitischer Entwicklung, die von uns sicher schwere, aber klare und eindeutig motivierte sachbezogene, nur sachbezogene Entscheidungen fordert.
    Kritische Äußerungen der Opposition sprechen im Hinblick auf Berlin von einem Status quo minus. Dafür werden hauptsächlich zwei Argumente ins Feld geführt, mit denen ich mich auseinanderzusetzen habe.
    Erstens. Es sei die folgenschwerste Bestimmung des Viermächteabkommens, daß die Berliner Westsektoren kein Land, kein konstitutiver Teil der Bundesrepublik seien und daß diese von den Alliierten gewünschte Formel — so Kollege Marx in der „Welt" vom 6. September 1971 — jetzt in ein internationales Abkommen eingeführt sei; diese Formel habe bisher nur intern zwischen uns und den Westalliierten existiert. Ebenfalls Kollege Marx am 19. Februar 1972 im ZDF-Hearing. — Wollen Sie im Ernst behaupten, wir hätten diese von den Alliierten gewünschte Formel mitsamt den ursprünglichen Vorstellungen. der UdSSR über Berlin als einem dritten deutschen Staat überspielen und West-Berlin vertraglich als ein Land der Bundesrepublik deklarieren lassen können?
    Glaubt die Oppositin etwa im Ernst, daß die Alliierten, wenn es nicht zum Abschluß des Viermächteabkommens gekommen wäre und wenn die Spannungen in Berlin fortbestehen würden, jemals bereit wären, einer vollen Einbeziehung West-Berlins als elftes Bundesland in die Bundesrepublik zuzustimmen? Eine solche Annahme kann doch nur illusionär sein. Insoweit ist also keine Änderung der realen Lage durch das Viermächteabkommen erfolgt.
    Nach dem Viermächteabkommen können die Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik nicht nur aufrechterhalten, sondern weiterentwickelt werden. Es bleibt die Bundespräsenz mit den Ausschußsitzungen des Bundestages und des Bundesrates sowie den Sitzungen der Fraktionen. Kein Bundesbediensteter wird aus Berlin abgezogen. Wir bleiben hier. Zudem wird die Bundesrepublik nunmehr West-Berlin außenpolitisch auch gegenüber dem Osten vertreten. Das alles läßt zwar noch Wünsche übrig, aber man kann doch dann gegenüber der jetzigen Lage nicht von einem Status quo minus sprechen.
    Sie wissen genau, daß die vertraglichen Festlegungen, die das Abkommen enthält, von der Sowjetunion bisher als mit dem sogenannten internationalen Status Berlins nicht vereinbar bezeichnet wurden. Jetzt ist die Sowjetunion zur Unterschrift bereit. Das hat bisher keine andere Politik erreicht.
    Zweitens. Die Opposition führt das vorgesehene sowjetische Generalkonsulat in Berlin als weiteren Beweis für den Status quo minus an. Sie wissen genau, daß dieses Generalkonsulat das Äquivalent dafür ist, daß die Sowjetunion die Vertretung und
    Betreuung der West-Berliner durch die entsprechenden Institutionen der Bundesregierung in den osteuropäischen Staaten nicht mehr in Frage stellt. Sie wissen, daß damit West-Berlin aus der Zuständigkeit der sowjetischen Botschaft bei der DDR herausgenommen wird. Das ist das Entscheidende. Sie wissen, daß dieses Generalkonsulat bei den drei Westmächten akkreditiert werden soll. Das unterstreicht doch wohl deutlich die Tatsache, daß die Sowjetunion die alleinige Oberhoheit der drei Westmächte für West-Berlin ausdrücklich anerkennt, unbeschadet der weiter bestehenden Vier-MächteVerantwortung für ganz Berlin.
    Schließlich ist ein sowjetisches Generalkonsulat, das noch dazu in seinem Personalbestand vertraglich begrenzt ist, nicht als ein Minus für eine Stadt anzusehen, die nach unser aller Wunsch gerade durch die Vertragswerke in eine neue zukunftsträchtige Funktion zwischen West und Ost hineinwachsen soll. Oder wollen Sie z. B. in einem sowjetischen Generalkonsulat in Hamburg auch einen sowjetischen Machtzuwachs sehen?
    Noch eins: Uns wird gelegentlich vorgeworfen, wir würden Positionen und Ansprüche für ein Linsengericht aufgeben. Ich darf daran erinnern, daß der frühere Bundeskanzler Kollege Kiesinger bereit war, auf die Bundesversammlung im Jahre 1969 in Berlin zu verzichten, wenn dafür seitens Ost-Berlins Passierscheine gewährt worden wären. Er motivierte am 3. März 1969 in der ZDF-Sendung „Bonner Perspektiven" diese Bereitschaft so: „Es ist kein Tauschmittel, sondern es ist einfach die Frage: was ist besser für Berlin und die Berliner, daß wir als ein Symbol der politischen Zusammenarbeit die Bundesversammlung dort abhalten oder daß wir etwas für sie herausholen, was für die Dauer ihre Position verbessert? Das ist die ganze Frage." In der Tat, das ist die Frage. So handeln wir.
    Meine Damen und Herren, niemand von uns wäre bereit, diese — zur Zeit ruhende — Funktion, den Anspruch Berlins als deutscher Hauptstadt, aufzugeben. Aber dieser Anspruch ist durch die Verträge ebensowenig berührt wie alle anderen Fragen, die für eine friedensvertragliche Regelung ausdrücklich offengehalten sind. Es liegt jetzt an uns und an niemand anderem, aus West-Berlin eine attraktive Weststadt zu machen, solange es noch nicht wieder deutsche Hauptstadt sein kann.
    Herr Dr. Barzel, Sie befürchten, daß West-Berlin durch die ständige Aufwertung — das sind Ihre Worte — Ost-Berlins mehr und mehr verkümmern müsse. In der Tat, ohne diese Ostverträge würde ich diese Befürchtung nach den Erfahrungen der Vergangenheit vielleicht sogar teilen. Jetzt aber, da die Verträge die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Stadt sichern sollen, wird mit deren Ratifizierung neuer Raum für neues Denken und Handeln geschaffen. Sie, Herr Kollege Barzel, wetteifern doch geradezu — erfreulicherweise, darf ich sagen —mit der Bundesregierung, dem Westberliner Senat und seinem Regierenden Bürgermeister in bezug auf Vorschläge, wie man diese Stadt Berlin für uns alle und für seine Bewohner attraktiver machen könnte. Nur, Herr Kollege, die Schlüsselfrage, die



    Borm
    Conditio sine qua non, sollten Sie nicht übersehen: Realisierbar werden alle diese Gedanken erst durch ein Ja zu den Ostverträgen. Ein Nein würde Berlin nicht nur wieder in den Zustand latenter Spannungen und stets möglicher Krisen zurückwerfen, die jede Bemühung um seine Lebensfähigkeit und seine innere Ruhe in Frage stellen. Ein Nein würde nicht nur das Klima der Entspannung, in dem wir jetzt schon leben und von dem wir schon profitieren, wieder zerstören. Ein Nein würde auch — und das wiegt am schwersten — die weltweite Politik unserer Verbündeten, die wie noch nie in der Nachkriegszeit auch in der Berlin-Frage mit der Bundesregierung konform läuft, empfindlich stören. Ein Nein würde jenen Kräften in der DDR, die den Entspannungsverträgen inneren Widerstand entgegensetzen, neuen Auftrieb geben. Die Folgen eines Nein wären unabsehbar. Es wäre einfach apolitisch, wenn man glauben wollte, daß ein Nein nur eine vorübergehende, leichte internationale Unruhe auslösen würde, für die dann die jetzige Bundesregierung und ihre Verbündeten allein verantwortlich wären. So leicht macht es die Geschichte an einem Kreuzweg, am möglichen Beginn einer neuen Epoche, niemandem, auch nicht der Partei, die jetzt in der Opposition steht.
    Vergessen Sie auch nicht, daß es die vier Alliierten waren, die das Abkommen über Berlin abgeschlossen haben, das durch interdeutsche Verhandlungen lediglich ergänzt worden ist. Wollen Sie unsere Verbündeten desavouieren? Glauben Sie im Ernst, daß Sie, wenn Sie in der Regierungsverantwortung gestanden hätten, mehr hätten erreichen können als die USA, Großbritannien und Frankreich zusammen? Diese Frage sollten Sie sich vorlegen.
    Wir alle, meine Kollegen, tragen vor unserem Volk und vor der europäischen Geschichte eine schwere Verantwortung. Meine Entscheidung basiert auf den Erfahrungen eines langen Lebens. Sie basiert auf den Lehren aus zwei Weltkriegen. Sie basiert auf schweren persönlichen Erlebnissen. Nicht jeder von Ihnen, Gott sei Dank, brauchte dies alles zu durchleben. Das aber enthebt niemanden der Verantwortung. Hier ist der einzelne gefordert. Daran sollten Sie denken, meine Kollegen von der Opposition.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gerhard Schröder.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich zunächst ein Wort an die Adresse des Kollegen Borm sagen. Seine Ausführungen über Berlin, das Viermächteabkommen und die damit zusammenhängenden Probleme bedürfen einer eingehenden Kommentierung und Behandlung. Sie wird morgen von meinen beiden Berliner Kollegen vorgenommen werden. Ich möchte mich damit jetzt im Augenblick nicht im einzelnen beschäftigen.
    Erlauben Sie mir in der kurzen Zeit, die bleibt, noch einmal die Gesamtthematik zu behandeln. Ich möchte mit dem Punkt beginnen, von dem ich annehme, daß er für uns alle hier unsere tiefste Sorge bedeutet, nämlich die Teilung unseres Landes.
    Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hatte die Freundlichkeit, sich am 9. Februar im Bundesrat mit den Sorgen zu beschäftigen, die ich kürzlich zur Ost- und Deutschlandpolitik der Bundesregierung dargelegt habe. Sie haben, Herr Bundesminister, Bezug genommen auf meine Feststellung, unser schwerstes Bedenken gegen den Moskauer Vertrag sei es, daß durch ihn die Teilung Deutschlands vertieft werde. Sie haben dazu bemerkt — mich hat das etwas erstaunt —, die Teilung Deutschlands hänge doch nicht davon ab, ob die Zentralafrikanische Republik die DDR anerkenne oder nicht. Sie werden doch nicht im Ernst annehmen, daß das von Ihnen erwähnte Beispiel den Kern unserer Sorge trifft.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Frage, Herr Bundesminister, um die es hier geht und die nicht mit so leichter Hand vom Tisch gewischt werden darf, ist doch die: Wie wird sich die staatliche Aufwertung, die internationale Etablierung der DDR auf die Teilung Deutschlands auswirken?

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Welche Folgen wird es haben, wenn beide Teile Deutschlands Mitglieder der Vereinten Nationen werden? Welche Konsequenzen werden sich ergeben, wenn die DDR weltweit völkerrechtlich anerkannt sein wird? Was wird sein, wenn unsere Partner beim Deutschlandvertrag, wenn Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika in Ost-Berlin Botschaften errichten werden? Welchen politischen Wert werden dann die feingesponnenen rechtlichen Vorbehalte der Bundesregierung noch haben, einer Bundesregierung übrigens, die den Wert anderer, von uns aufrechterhaltener und wesentlich kräftigerer Rechtspositionen ja sehr gering veranschlagt hat? Auf diese Fragen kommt es an. Die Regierung, so fürchte ich, geht bei ihrer Beantwortung einen Weg, der mit Illusionen gepflastert ist.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, die harte und langwierige Auseinandersetzung um die deutsche Ostpolitik und um die Ostverträge ist ein Vorgang, der für ein demokratisches System normal ist. Die Debatte verlangt von uns allen große Klarheit. Sie braucht sachliche und nicht persönliche Härte. Sie muß der anderen Seite den guten Willen zubilligen, und „andere Seite" heißt natürlich: vice versa. Wir sollten unter der Voraussetzung sprechen, daß auf beiden Seiten Patrioten stehen, die unter den gegebenen Bedingungen das Beste für unser Land und Volk wollen. Niemand sollte in dieser Diskussion verteufelt werden. Diese Kontroverse darf nicht in einen Glaubenskrieg ausarten. Dabei sollte Klarheit darüber bestehen, daß eine besonders große Verantwortung vor allem die Regierung selbst und die sie tragenden parlamentarischen Kräfte haben, eine besonders große Verantwortung einfach deswegen,



    Dr. Schröder (Düsseldorf)

    weil die Regierung und die sie tragenden parlamentarischen Kräfte die größeren Aktionsmöglichkeiten haben. Das sind aber nicht nur größere Aktionsmöglichkeiten, sondern ist auch eine weitaus größere Verantwortung.
    Wir haben, meine Damen und Herren, häufiger gesagt — und möchten es wiederholen —, daß der Versuch der Lösung so schwieriger Probleme besser auf eine gemeinsame Grundlage gestellt worden wäre. Es mag sein, daß die Regierung ursprünglich einmal etwas Derartiges geplant hat. Der Herr Bundeskanzler hat in der Aussprache über die Regierungserklärung 1969 gesagt:
    Diese Regierung wird in allen Lebensfragen der Nation die Meinung der Opposition nicht nur hören, sondern sie auch in ihre Politik einbeziehen.
    Nun, meine Damen und Herren, was ist aus solchen Ankündigungen geworden?!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Leider — ich sage: leider — gab es keine ausreichenden Bemühungen der Bundesregierung um Gemeinsamkeit. Offenbar war die Bundesregierung entschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen. Im Grunde hatte sie diesen eigenen Weg bereits in der Regierungserklärung von 1969 mit der Formulierung von den „zwei Staaten in Deutschland" beschritten. Die entscheidende Veränderung der deutschen Politik in der jüngeren Zeit liegt also bereits vor der oder in der Regierungserklärung selbst.
    Wir wollen heute hier mit Klarheit und Nachdruck aussprechen, daß die bis 1969 gemeinsam verfolgte Linie der Ost- und Deutschlandpolitik von der Regierung ohne eine Fühlungnahme und ohne Übereinstimmung mit der Opposition verlassen worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich weiß, daß das ein harter Vorwurf ist. Wenn der Außenminister gegenüber diesem Vorwurf darauf verweist, er habe doch auch die Opposition eingeladen, Vertreter zu den Abschlußbesprechungen mit nach Moskau und Warschau zu entsenden, so fällt es bei aller Zurückhaltung, so muß ich sagen, schwer, dieses Argument ernst zu nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Als diese Einladung erging, waren alle entscheidenden Festlegungen bereits getroffen. Aber einen Teil der Dekoration oder ein Stück der Statisterie bei den Schlußakten zu bilden war sicherlich nicht das, was unter gemeinsamer Grundlage und gemeinsamem Handeln verstanden werden sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben also als erstes festzustellen, daß die Bundesregierung eine neue Ost- und Deutschlandpolitik eingeschlagen hat. Sie selbst verfährt dabei in ihrer Argumentation allerdings nicht einheitlich. Je nach Bedarf hebt sie hervor, daß die frühere Politik in eine Sackgasse geführt habe oder — so sagt sie noch gröber 20 Jahre lang nichts geschehen sei; erst jetzt werde aktive deutsche Politik nach Osten betrieben. Oder aber sie nimmt für sich in Anspruch, ihre Politik stehe in der Kontinuität und sei die Fortsetzung der früher unter unserer Führung verfolgten Linie.
    Nun, meine Damen und Herren, von Kontinuität kann sicherlich nicht gesprochen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Politik dieser Bundesregierung hat wesentliche
    Teile und wesentliche Positionen der früheren Politik aufgegeben oder hat sie auf Formalien reduziert.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es gibt trotzdem eine Übereinstimmung, die im Interesse unseres Landes sowohl nach draußen wie nach drinnen betrachtet nachdrücklich unterstrichen werden muß. Diese Gemeinsamkeit besteht und muß bestehen bleiben trotz aller Fehler, die gemacht worden sein mögen. Es besteht eine Gemeinsamkeit im Ziel der Ost- und Deutschlandpolitik, wenn man darunter dreierlei verstehen will: Das Festhalten am Selbstbestimmungsrecht aller Deutschen, friedliche Beziehungen, Verständigung, Zusammenarbeit auch mit den Staaten Osteuropas einschließlich der Sowjetunion und schließlich — das ist der dritte Punkt — den Verzicht auf Androhung und Anwendung von Gewalt. Dies alles sind Elemente einer Politik, die wir über viele Jahre verfolgt haben. Als Außenminister der Jahre 1961 bis 1966 möchte ich hier mit allein Nachdruck feststellen, daß die genannten drei Ziele, von denen ich hoffe, daß wir nach wie vor in ihnen einig sind, in den Jahren unserer Regierungsführung gegolten haben. Ich möchte gleichzeitig sagen, daß sie nach unserer Meinung weiter gelten und gelten müssen und daß wir im deutschen Interesse alles Erdenkliche tun müssen, diese Überzeugung als eine gemeinsame Überzeugung von Opposition mit Regierung nach drinnen und draußen festzuhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wenn ich das nachdrücklich unterstreiche, möchte ich ebenso klar Bemerkungen zurückweisen — es sind Bemerkungen, die im Bundesrat gefallen sind — wie z. B. die, daß wir in erstarrten Denkkategorien, in einer Art „Maginot-Denken" — so hat es der Außenminister formuliert — befangen gewesen seien. Derlei Unterstellungen und Bemerkungen tragen zur Sachlichkeit der Auseinandersetzung nicht bei.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung mag für sich in Anspruch nehmen, daß ihre heutige Politik richtig sei. Das ist ihr gutes und von uns nicht bestrittenes Recht. Aber wir wehren uns gegen jede Schwarz-Weiß-Malerei, etwa in dem Stile: hier eine neue Ostpolitik, dort alter Immobilismus!

    (Sehr war! bei der CDU/CSU.)

    Diese Schwarz-Weiß-Malerei dient weder den Interessen unseres Landes noch trägt sie zu einem guten Stil der Diskussion bei.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Dr. Schröder (Düsseldorf)

    Aber lassen Sie mich zu einem etwas heiteren Bild übergehen: Der Herr Bundesaußenminister hat im Bundesrat in Antwort auf Ausführungen von Ministerpräsident Filbinger lange über das Verhalten des Weines gesprochen. Mit dem Zeitfaktor, so meinte er, bei diplomatischen Verhandlungen sei es wie mit dem Wein: Auch da sei die Zeit ein wichtiger Faktor. Es gebe Rotweine — die Verantwortung für diese Feststellung trägt er —,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    die immer besser würden, je älter sie seien, und die immer besser würden, je länger man damit warte, sie zu trinken. Aber der Bundesaußenminister spricht dann von einem Zeitpunkt des Umschlagens der Weine, wenn man zu lange warte, und kommt dann mit diesem Bild wieder zu den diplomatischen Verhandlungen; wenn man nämlich den rechten Zeitpunkt, die Chance zu verhandeln, nicht nutze, sei sie unwiderbringlich dahin. Nach seiner Behauptung hat die Bundesregierung in den Verhandlungen mit der Sowjetunion und mit Polen genau den Zeitpunkt gewählt,

    (Bundesminister Scheel: So ist es!)

    der der geeignetste gewesen sei, um ein Ergebnis zu erreichen, das für beide Seiten akzeptabel sei und auch von beiden Seiten getragen werde.

    (Zuruf des Abg. Mattick.)

    — Das war der Zipfel, über den heute schon gesprochen wurde. Der frühere Bundeskanzler meinte, er sei auf Ihrer Seite nicht erwischt worden. Aber vertiefen wir diese Kontroverse nicht.
    Das ist in der Tat ein wichtiger Gedanke, der dort ausgesprochen worden ist, Herr Bundesminister. Dieser Gedanke leitet zum Kern der Divergenz hin. War dies der richtige Zeitpunkt, so weitgehende Verträge zu schließen? Wir sagen klipp und klar, daß, wenn wir solche Verträge hätten schließen wollen, das schon Jahre vorher möglich gewesen wäre.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir sprechen aus unserer Beurteilung der künftigen weltpolitischen Entwicklung unsere Überzeugung aus, daß auch zu einem späteren Zeitpunkt ein Vertragsabschluß nicht nur dieser Art, sondern besserer Art möglich geworden wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe die Einigkeit im Ziel unterstrichen, aber dieser Einigkeit im Ziel entspricht weder eine Einigkeit über den Weg noch über die Gangart auf diesem Weg. Wie war die Gangart, und durch was war sie charakterisiert? Die Antwort lautet: sie war charakterisiert durch unangemessene Eile, durch den Eindruck von Hektik und durch die Erzeugung von Erfolgszwang. Der Weg ist gekennzeichnet durch die beiden Verträge, und ich stelle nun die Frage: wie sind die Verträge zu bewerten?
    Die Regierung erklärt ihre Motive an verschiedenen Stellen in folgender Weise. Erstens: Es habe eine Bereitschaft der Sowjetunion zum Arrangement mit uns und zu mehr Zusammenarbeit mit dem
    Westen überhaupt gegeben, aus Gründen teils inneupolitischer Natur, teils außenpolitischer Art. Die Gründe innenpolitischer Natur werden zurückgeführt auf die Entwicklung der sowjetischen Industriegesellschaft und ihr natürliches Bedürfnis, einen höheren Lebensstandard zu erzielen und sich dafür der möglichen Hilfsquellen des Westens zu bedienen. Unter den Gründen außenpolitischer Art wird häufig das Stichwort China genannt. Übrigens nicht so sehr von uns — daran denke ich jetzt weniger — als von Regierungsseite. Die Regierung sagt weiter
    das ist der zweite Punkt —, daß die Bundesrepublik Deutschland ihren Beitrag zu den weltweiten, insbesondere auch von der NATO verfolgten Entspannungsbemühungen leisten müsse.
    Zu diesen beiden Argumenten möchte ich sagen: Beide sind als Bewertung wahrscheinlich zutreffend. Als Kommentar muß aber folgendes dazu festgestellt und der Regierung entgegengehalten werden. Erstens: Die Bereitschaft der Sowjetunion zu Abmachungen mit uns war vor, sagen wir, fünf oder sechs Jahren sicherlich geringer als jetzt, ihre Sorgen waren nämlich damals geringer. Wenn also eine gewachsene Bereitschaft der Sowjetunion ihrer veränderten Interessenlage entspricht oder entsprach, so konnte auf unserer Seite mit mehr Geduld, mit mehr Festigkeit und mehr Ausdauer verhandelt werden, statt hastig zuzugreifen, obwohl noch sehr wenig aus dem Tisch lag.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, es ist nicht strittig, daß auch die Bundesrepublik Deutschland einen Beitrag zur Entspannung leisten soll. Daraus ergibt sich aber keineswegs, daß dieser Beitrag so auszusehen hat, wie dies bei den Ostverträgen der Fall ist.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist also nicht angängig, daß die Bundesregierung versucht, den Eindruck zu erwecken, als habe sie mit dem Abschluß des Moskauer Vertrages eine einmalige, sozusagen nicht wiederkehrende Gelegenheit genutzt, als seien Verträge des Inhalts, wie sie jetzt vorliegen, der einzig mögliche Entspannungsbeitrag der Bundesrepublik Deutschland.
    Nach Auffassung der Bundesregierung hat die Sowjetunion, hat aber auch Polen uns gegenüber wichtige Konzessionen gemacht. Sie bestehen oder sollen bestehen in dem Verzicht auf eine formelle völkerrechtliche Anerkennung der DDR, sie sollen bestehen im Verzicht auf eine Anerkennung WestBerlins als selbständiger politischer Einheit, sie sollen bestehen — nach Meinung der Regierung ist das eine Konzession — im Verzicht auf Anwendung der sogenannten Interventionsartikel der UN-Charta gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, worüber heute schon ein paarmal gesprochen wurde. Als wichtige Konzession werden angeführt die Anerkennung des Fortbestehens der Viermächte-Verantwortung für Deutschland als Ganzes und schließlich der Verzicht auf die völkerrechtliche Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültiger Westgrenze Polens.



    Dr. Schröder (Düsseldorf)

    Nun, meine Damen und Herren, hier muß klar gesagt oder klargemacht werden, daß die Erfüllung fast aller dieser sowjetischen bzw. polnischen Forderungen der Bundesregierung aus rechtlichen Gründen, d. h. nach der grundgesetzlichen Lage, gar nicht möglich war und ist. Die Bundesregierung hat also nicht etwa der Gegenseite durch geschickte Verhandlungsführung etwas nicht gegeben oder nicht gewährt, was sie hätte leisten können; sie wäre in all diesen Fragen, die ich gerade aufgeführt habe, mit Sicherheit auf die Schranken des Grundgesetzes gestoßen. Dem mußte sie zu entgehen versuchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Als Vorteile, die weiterhin mit den Verträgen verbunden seien, stellt die Bundesregierung dar: Die Grundlage für den weiteren Ausbau der Beziehungen in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht, die Aussöhnung mit dem Osten, die Entkrampfung der Beziehungen; sie werde im Laufe der Zeit zur Verwirklichung der Grundrechte in ganz Europa, also auch in ganz Deutschland, führen, z. B. zur Wiederherstellung der Freizügigkeit; aus einem geregelten Nebeneinander werde es zu einem Miteinander der beiden Teile Deutschlands kommen; es seien keine endgültigen Grenzregelungen erfolgt, da die Bundesrepublik Deutschland nur sich, nicht aber einen zukünftigen gesamtdeutschen Souverän binden könne; für den weiteren, insbesondere politischen Zusammenschluß Europas sei Voraussetzung, daß die Bundesrepublik Deutschland keine Grenzprobleme im Osten mehr habe. Die Widersprüchlichkeit der beiden letztgenannten Argumente liegt doch wohl klar zutage.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ändert aber nichts daran, daß sie geläufig wiederholt werden.
    Bei Würdigung dieser Argumentation der Bundesregierung möchte ich auf einige Punkte hinweisen, die ich für besonders wichtig halte.
    Die sowjetischen Konzessionen oder die Abwehr sowjetischer Forderungen waren kein Erfolg der Verhandlungsführung, sondern ergaben sich zwingend aus der Rechtslage. Ich denke dabei an die unter anderem von der Regierung in die Materialien eingeführte Bemerkung des sowjetischen Außenministers Gromyko:
    Wir könnten einen Vertrag machen, der das Kreuz über alle Pläne zur Wiedervereinigung Deutschlands setzen würde.
    Wir haben nicht die Antwort, die daraufhin von deutscher Seite gegeben worden ist. War dies eine zynische Bemerkung, oder welche Art von Bemerkung war es? Sie können sie in der ersten Drucksache, die vor Ihnen liegt, nachlesen.
    Ich möchte mit allem Nachdruck betonen, daß ein solcher Vertrag — „Wir könnten einen Vertrag machen" — mit keiner Regierung der Bundesrepublik Deutschland hätte abgeschlossen werden können, solange das Grundgesetz gilt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, zu den Interventionsartikeln der UN-Charta ist zu sagen, und zwar schon seit langem: Die Sicherheit unseres Landes beruht nicht auf dem guten Willen der Sowjetunion, sondern auf der Kraft des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    dem wir angehören dank der Politik, die wir seit vielen Jahren, so darf ich doch wohl sagen, gemeinsam hier betrieben haben.

    (Abg. Strauß: Allein angefangen haben!)

    — Ja, ich weiß, Herr Strauß, aber gemeinsam — das andere stimmt schon — für viele Jahre.
    Die Bundesregierung arbeitet ganz überwiegend mit Hoffnungen und Erwartungen auf die Zukunft. Wir wissen alle, meine Damen und Herren, daß ohne diese Elemente Politik sicherlich nicht möglich ist, da der Politik ihrem Wesen nach etwas Spekulatives innewohnt im Gegensatz zu den exakten Naturwissenschaften, bei denen es sich um berechenbare, meßbare Größen handelt oder handeln soll; lassen wir das offen.
    Aber Verträge, die einen wirklichen Interessenausgleich bringen sollen, müssen aus ihrem Text heraus klar und eindeutig für beide Seiten in ausgewogener Weise Vorteile bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)