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    Deutscher Bundestag 171. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag der Abg. Frau Schanzenbach, Dr. Schellenberg und Frau Brauksiepe . . . . . . . . 9737 A, B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 9737 B Wahl des Abg. Wende als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost 9737 B Erweiterung der Überweisung eines Gesetzentwurfs 9737 C Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 9737 C Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1972 (Drucksache V1/3080) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache V1/3156) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksache VI/3157) — Erste Beratung —, mit Große Anfrage der CDU/CSU betr. Deutschland- und Außenpolitik — Drucksachen VI/2700, VI/2828 — und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen — Drucksache VI/1523 — Brandt, Bundeskanzler . 9739 D, 9791 B, 9814 C Scheel, Bundesminister 9742 D Dr. Barzel (CDU/CSU) . 9752 C, 9796 C, 9814C, 9815B Wehner (SPD) 9764 B Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . 9784 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 9798 A Mischnick (FDP) . . . . . . . 9799 B Stücklen (CDU/CSU) 9804 B Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 9814 D Borm (FDP) . . . . . . . . 9815 C Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU/CSU) 9820 B Fragestunde (Drucksache V1/3165) Frage des Abg. Dr. Böhme (CDU/CSU) : Immobilienfonds der Landeszentralbank Nordrhein-Westfalen Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär 9771 B, C, D Dr. Böhme (CDU/CSU) . . . 9771 B, C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Verfahren und Methoden zur Preiserhebung Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9771 D, 9772 B, C Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9772 B, C Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Miete eines bundeseigenen Hauses in Köln durch Bundesminister Schiller Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9772 C, D, 9773 A Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 9772 C, D Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) 9773 A Frage des Abg. Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in den ostbayerischen Landkreisen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9773 B, C, D Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . . . 9773 C, D Fragen des Abg. Kiechle (CDU/CSU): Beseitigung der zehnjährigen Grundsteuerfreiheit der Zweitwohnungen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9774 A, C, D Kiechle (CDU/CSU) 9774 C Frage des Abg. Dichgans (CDU/CSU) : Anerkennung von Ausgaben für den Erwerb von Kunstwerken als steuerlich abzugsfähige Spenden Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9774 D, 9775 A, B Dichgans (CDU/CSU) 9775 A, B Frage des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) : Freigabe des Militärhospitals der französischen Garnison in Tübingen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9775 C, D, 9776 A Pfeifer (CDU/CSU) 9775 D Maucher (CDU/CSU) 9776 A Frau Funcke, Vizepräsident . . . 9776 B Fragen des Abg. Härzschel (CDU/CSU) : Situation der Rentner in Alters- und Pflegeheimen Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9776 C, D, 9777 A, B Härzschel (CDU/CSU) . 9776 C, D, 9777 B Fragen des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) : Finanzierung der Krankenhausversorgung bis 1975 Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . 9777 C, D, 9778 B, C, D, 9779 A Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein (CDU/CSU) . 9778 A, B, C Dr. Fuchs (CDU/CSU) 9778 D Frage des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Studie über den Einfluß von Gewalttätigkeit und Brutalität im Fernsehen auf Straßenspiele der Kinder Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9779 A, B, C Rollmann (CDU/CSU) 9779 B Hansen (SPD) 9779 C Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) : Erhöhung der finanziellen Leistungen für das Deutsch-Französische Jugendwerk Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . 9779 C, D, 9780 A, B, C Baier (CDU/CSU) . . . 9779 D, 9780 A Rollmann (CDU/CSU) 9780 B Dr. Fuchs (CDU/CSU) 9780 C Fragen des Abg. Reddemann (CDU/CSU) : Zeugnisverweigerungsrecht der Redakteure Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9780 D, 9781 A, B, C Reddemann (CDU/CSU) . . . . 9781 B, C Frage des Abg. Walkhoff (SPD) : Umgehung des Verbots der Aufhebung von Mietverhältnissen durch Abbruch der Mietwohnungen und Neubau von Eigentumswohnungen Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 9781 D, 9782 A Walkhoff (SPD) . . . . . . . . 9782 A Frage der Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Inanspruchnahme der Krebsvorsorgeuntersuchung der Krankenkassen — Erfahrungen hinsichtlich ausreichender Fachärzte und Laboreinrichtungen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9782 B, D, 9783 A Frau Lauterbach (SPD) . 9782 C, 9783 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 III Fragen des Abg. Maucher (CDU/CSU) : Rehabilitationszentrum für erwachsene Hirngeschädigte Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9783 B, C, D, 9784 A Maucher (CDU/CSU) . 9783 C, D, 9784 A Frage des Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Prämienzahlungen für nicht benutzte Krankenscheine Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 9784 A Nächste Sitzung 9826 A Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 9827 A Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) . . . . . . . . 9827 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Breidbach (CDU/CSU) betr. Lage der westdeutschen Alluminiumindustrie 9827 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) betr. Abschluß eines Abkommens über den Welthandel mit Textilien 9828 C Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Funcke (FDP) betr. Steuerfreiheit für Fehlgeldentschädigung von Omnibusfahrern im Liniendienst . . 9828 D Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Ahrens (SPD) betr. beispielgebende Wirkung des Gesetzes über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken auf Bundesländer und Gemeinden . . . . . . . . . 9829 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Krockert (SPD) betr. Verwendung von thailändischem Tiefentorf und Island-Moos bei der Herstellung von Tabakerzeugnissen . . . . . . . . 9829 B Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schlaga (SPD) betr. Erfassung der von Selbstdrehern hergestellten Zigaretten im Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes . . . . . . . . . 9829 D Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Sperling (SPD) betr. steuerliche Begünstigung der Zigaretten, Zigarren und Rauchtabake, die aus anderen Stoffen als Tabak bestehen . . . 9829 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Löffler (SPD) betr. Erhöhung des von den Mineralölfirmen dem Tankstellengewerbe gewährten Bonus 9830 A Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Dr. Orth (SPD) betr. unterschiedliche Handhabung des Mehrwertsteuerzuschlags für landwirtschaftliche Veredlungserzeugnisse . . . 9830 C Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Peiter (SPD) betr. Benachteiligung der pflichtversicherten Handwerker und der freiwillig Versicherten in der ehemaligen französischen Zone durch § 32 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes . . . 9831 A Anlage 13 Zusätzliche Schriftliche Antwort auf die Frage des Abg. Dr. Götz (CDU/CSU) betr. Pensionierung von Beamten auf Lebenszeit mit dem vollendeten 62. Lebensjahr und Höhe der Pensionslast 9831 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9737 171. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Bals *** 25. 2. Bredl 4. 3. Breidbach 23. 2. Dasch 3. 3. Frau Dr. Diemer-Nicolaus *** 26. 2. Dr. Dittrich 25. 2. Draeger *** 25. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 4. 3. Frau Dr. Henze 18. 3. Kahn-Ackermann *** 26. 2. Kriedemann * 23. 2. Lautenschlager * 24. 2. Lenze (Attendorn) *** 25. 2. Lücker (München) * 24. 2. Memmel * 25. 2. Mertes 25. 2. Müller (Remscheid) 25. 2. Pöhler *** 25. 2. Richarts 25. 2. Rinderspacher *** 25. 2. Dr. Schober 23. 2. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 25. 2. Dr. Seume 25. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, 9. Februar 1972 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 376. Sitzung am 9. Februar 1972 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 26. Januar 1972 verabschiedeten Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) gemäß Artikel 84 Abs. 1, 104 a Abs. 4 und 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat die aus der Anlage ersichtliche Entschließung angenommen. Heinz Kühn Anlagen zum Stenographischen Bericht Bonn, den 9. Februar 1972 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 28. Januar 1972 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Heinz Kühn Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 9. Februar 1972 an den Bundeskanzler Entschließung zum Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, daß durch nationale Maßnahmen von EWG-Mitgliedstaaten den deutschen Seehäfen Wettbewerbsnachteile erwachsen, und vermag kein Verständnis dafür aufzubringen, daß durch das vorliegende Gesetz die Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der deutschen Seehäfen noch weiter verschärft werden. Der Bundesrat nimmt Bezug darauf, daß der zuständige Bundesminister für Verkehr den deutschen Seehäfen nationale Maßnahmen zum Ausgleich der Wettbewerbsverzerrungen in Aussicht gestellt hat, wenn die wettbewerbsnachteiligen Maßnahmen der in Frage kommenden EWG-Mitgliedstaaten nicht abgebaut werden. Unter Bezug hierauf bittet der Bundesrat die Bundesregierung, 1. im Rahmen der EWG mit Nachdruck darauf hinzuwirken, daß eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen im Bereich des Verkehrswesens herbeigeführt wird, 2. im Zuge dieser Bemühungen alle Möglichkeiten auszunutzen, um durch nationale Maßnahmen schwere Schäden von der deutschen Verkehrswirtschaft abzuwenden. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Breidbach (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 60 und 61): Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage der westdeutschen Aluminiumindustrie? Welche Prognose für den Aluminiumverbrauch pro Einwohner kann für die nächsten Jahre abgegeben werden? 9828 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Die westdeutsche Aluminiumindustrie befindet sich gegenwärtig in einer recht ernsten Lage, die in erster Linie aus einer internationalen Überproduktion und einem entsprechenden Preisverfall resultiert. Auch in der Bundesrepublik sind in den letzten Jahren wegen der Verfügbarkeit billigeren Kernkraftstroms und im Vertrauen auf einen weiteren kräftigen Nachfrageanstieg neue Aluminiumkapazitäten entstanden. Die Hüttenproduktion stieg dadurch im abgelaufenen Jahr um 38 %auf 427 000 t, von denen ein Teil unabsetzbar blieb. Bei den Aluminiumlegierungen belief sich der Produktionsanstieg auf 6 % Da auch in der westlichen Welt insgesamt die Aluminiumnachfrage — wie schon 1970 — unter der Weltproduktion blieb, fielen im internationalen Handel die Preise unter die Gestehungskosten der meisten Produzenten, so daß gegenwärtig wenigstens die deutsche Produktion ein Verlustgeschäft geworden ist. Trotz des Kampfes um die Marktanteile sind 87 000 t im Frühjahr 1971 fertiggestellte Kapazitäten nicht in Betrieb genommen worden. Im Januar d. J. wurden weitere 33 000 t Kapazitäten älterer Werke abgeschaltet. Ungeachtet der großen gegenwärtigen Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung — wie auch die Aluminiumwirtschaft — die Aluminiumindustrie mittel- bis langfristig als ausgesprochene Wachstumsindustrie an. Das temporäre Überangebot sollte, wofür international auf breiter Front plädiert wird, durch geringere Kapazitätsausnutzungen überwunden werden können. Verbauchsprognosen für einzelne Jahre unterliegen großen Fehlermöglichkeiten, wie aus folgender Übersicht über die letzten Jahre hervorgeht: Aluminiumverbrauch je Kopf in der Bundesrepublik Deutschland in kg 1965 8,9 1966 9,4 1967 9,0 1968 11,4 1969 13,5 1970 13,5 1971 13,6 Auf einen 50%igen Anstieg zwischen 1967 und 1969 folgte eine über zwei Jahre gehende Stagnation. Bislang ist der Aluminiumverbrauch mittelfristig doppelt so stark gestiegen wie das Sozialprodukt. Das mag für die nächsten 5 bis 6 Jahre, gestützt durch Überlegungen über den Verbrauch in einzelnen Fachrichtungen, noch zutreffen. Danach ist eine leichte Abflachung denkbar. Man kann deshalb bis 1976 mit einem Verbrauchsanstieg je Kopf von 7,5 bis 8 % in der Bundesrepublik Deutschland rechnen. Für das Endjahr ergäbe das einen Verbrauch in der Bundesrepublik Deutschland von 1,2 Millionen t, je Kopf von 18,0 kg. Die USA hatten 1969 einen je Kopf-Verbrauch von 22,4 und 1970 von 20,9 kg. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/ CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 62) : Ist die Bundesregierung bereit, das Petitum des Verbandes der Europäischen Bekleidungsindustrie an das Generalsekretariat des GATT über den baldigen Abschluß eines Abkommens über den Welthandel mit Textilien zu unterstützen? Für Baumwolltextilien besteht bekanntlich bereits eine multilaterale Vereinbarung im Rahmen des GATT (Weltbaumwoliwarenabkommen). Was den Abschluß eines dem Weltbaumwollwarenabkommens analogen Abkommens für Non-Cotton-Textil- und Bekleidungserzeugnisse anbetrifft, wie es bereits 1969 von den USA vorgeschlagen wurde, so hat die Bundesrepublik — ebenso wie auch andere Länder — hiergegen Bedenken geäußert, weil sie in einer derart umfassenden Handelsbeschränkung ein gefährliches Präjudiz auch für andere Sektoren befürchtet, das schließlich zu einer Bedrohung des gesamten freien Welthandels führen könnte. In jedem Falle sollte daher nach Auffassung der Bundesregierung vor einer weltweiten Regelung für Non-Cotton-Textil- und Bekleidungserzeugnisse zunächst eine genaue Durchleuchtung der Handels- und wirtschaftspolitischen Situation dieses Sektors erfolgen. Die Bundesregierung hat sich deshalb vor längerer Zeit im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, die für derartige handelspolitische Arrangements zuständig wäre, für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim GATT ausgesprochen, welche die bestehenden Probleme untersuchen soll. Die EG hat ihre Bereitschaft hierzu schon anläßlich der Zusammenkunft der Vertreter der wichtigsten Welthandelsländer im Sommer 1970 und erneut im Frühjahr 1971 in Genf zum Ausdruck gebracht. Wegen des Widerstandes oder mangelnden Interesses anderer Welthandelsländer ist diese Arbeitsgruppe jedoch bisher nicht eingesetzt worden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksache VI/3165 Frage A 65) : Ist die Bundesregierung bereit, den Omnibusfahrern im Liniendienst, die neben dem Führen des Fahrzeugs den Kassendienst versehen und für die unter Berücksichtigung des Fahrgastandrangs, der Verkehrsbehinderung beim Halten und der Verpflichtung, den Fahrplan einzuhalten, die Gefahr von Kassenfehlbeträgen besonders groß ist, auch wenn der Gesamtumsatz beim Kassieren von Kleinbeträgen relativ gering ist, im gleichen Umfang Steuerfreiheit für Fehlgeldentschädigung zu gewähren wie den Arbeitnehmern, die der Regelung von Abschnitt 2 Abs. 2 Buchstabe a der Lohnsteuerriditlinien unterliegen? Ich beantworte Ihre mündliche Anfrage mit „nein". Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9829 Der Bargeldumsatz der Omnibusfahrer im Liniendienst ist — verglichen mit anderem Kassendienst — normalerweise so gering, daß trotz des von Ihnen erwähnten größeren Verlustrisikos Steuerfreiheit für eine höhere Fehlgeldentschädigung nicht gerechtfertigt erscheint. Im übrigen hätte die Bundesregierung auch Bedenken, als Kriterium für die Höhe der steuerfreien Fehlgeldentschädigung neben dem Umfang des Bargeldumsatzes auch risikoerhöhende Umstände in Betracht zu ziehen. Hierfür ließen sich nur schwer allgemeingültige Abgrenzungsmerkmale finden. Das Problem besteht ja nicht nur bei Omnibusfahrern, sondern auch in anderen Berufen, wie z. B. bei Kassiererinnen in Lebensmittelgeschäften. Selbst bei Omnibusfahrern müßte man vielleicht unterscheiden zwischen Stadtverkehr und ruhigem Überlandverkehr. Ich möchte aber noch darauf hinweisen, daß Kassenverluste, die die Fehlgeldentschädigung übersteigen, als Werbungskosten geltend gemacht werden können, so daß den Busfahrern trotz der Begrenzung der steuerfreien Fehlgeldentschädigung auf 10 DM monatlich vielfach keine steuerlichen Nachteile entstehen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretär Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Ahrens (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 66 und 67) : Hat sich die Hoffnung der Bundesregierung auf eine beispielgebende Wirkung des Gesetzes über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken auf die Bundesländer und Gemeinden erfüllt? In welchen Bundesländern sind entsprechende Gesetze erlassen worden oder in Vorbereitung? Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung zu einem Bericht über die von Ihnen gestellten Fragen aufgefordert. Die dazu notwendigen Stellungnahmen der Bundesländer und Gemeinden habe ich zum 1. März d. J. erbeten. Bislang hat sich nur ein Teil der angeschriebenen Stellen geäußert. Eine Beantwortung Ihrer Fragen ist daher zur Zeit noch nicht möglich. Sobald mir alle Stellungnahmen vorliegen, werde ich den Bericht an den Haushaltsausschuß erstatten und Ihnen eine Durchschrift des Berichts übersenden. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Krockert (SPD) (Drucksache 171/3165 Frage A 68) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die noch nicht bekannten, möglicherweise gesundheitsgefährdenden Wirkungen derjenigen Tabakwaren (im Sinne des § 2 Abs. 6 des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes in Drucksache VI/3048), wie zum Beispiel des unter Sachkundigen bekannten thailändischen Tiefentorfs oder des Island-Mooses, zu erforschen und bekanntzumachen, und hält es die Bundesregierung nicht für angebracht, diejenigen Tabakwaren, die nicht aus Tabak bestehen (§ 2 Abs. 6 des o. a. Entwurfs), steuerlich stärker zu belasten, um auf diese Weise der weiteren Verbreitung dieser möglicherweise die gesundheitsgefährdende Wirkung des Nikotins übertreffenden Stoffe vorzubeugen? Thailändischer Tiefentorf und Island-Moos werden in der Bundesrepublik bei der Herstellung von Tabakerzeugnissen nicht verwendet. Es gibt auch keinen Grund zu der Annahme, daß die deutsche Tabakindustrie künftig Torf und Moos verarbeiten wird. Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlaß, Forschungen über etwaige schädliche Wirkungen dieser Stoffe anzustellen. Die Frage, ob zum Rauchen bestimmte Erzeugnisse, die nicht aus Tabak bestehen, steuerlich stärker belastet werden sollen, hat sich bisher nicht gestellt, weil es solche Erzeugnisse zur Zeit auf dem deutschen Markt nicht gibt. Die Bestimmung des § 2 Abs. 6 ist bereits vor einiger Zeit in das Tabaksteuergesetz aufgenommen worden, um Substitutionsprodukte, wie z. B. Zigaretten mit synthetischem Inhalt — an entsprechenden Versuchen wird im Ausland gearbeitet — ggf. ebenso besteuern zu können wie die ersetzten Naturprodukte. Für eine Erhöhung ides Steuersatzes für Substitutionsprodukte sieht die Bundesregierung unter den gegebenen Umständen z. Z. keinen Anlaß. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schlaga (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 69) : Ist die Bundesregierung bereit, auch solche Zigaretten als Zigaretten im Sinne des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache VI/3048; dort § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 3) zu erfassen, die von sogenannten „Selbstdrehern" unter Mißachtung der im § 2 Abs. 1 Nr. 2 geforderten Parallelität der Naht der Tabakfolie zur Längsachse des nicht aus Feinschnitt bestehenden Tabakstrangs hergestellt wurden, auch wenn sie ansonsten die Auflagen nach Stück gewicht und Hüllenmaterial beachten? Die in der Frage angeführten Bestimmungen des Tabaksteuergesetzes haben mit dem sog. Selbstdrehen von Zigaretten nichts zu tun. Sie dienen der begrifflichen Abgrenzung der Zigarette von der Zigarre. Im übrigen brauchen selbstgedrehte Zigaretten nicht versteuert zu werden, weil sie aus versteuertem Feinschnitt und versteuerten Zigarettenhüllen bestehen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des 9830 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 70) : Halt es die Bundesregierung — ins Sinne der durch das Bundesministerium für Familie, Jugend und Gesundheit angeregten und geführten Kampagne gegen das durch Nikotin und andere Stoffe gesundheitsgefährdende Rauchen von Tabakwaren und insbesondere von Zigaretten — nicht für sinnvoll, eine steuerliche Bevorzugung derjenigen Zigaretten, Zigarren und Rauchtabake im Sinne der Definition des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache VI/2899 in der Fassung der Beschlüsse des Finanzausschusses in Drucksache VI/3048; dort § 2 Abs. 1 bis 5) zu erwägen, soweit diese entsprechend § 2 Abs. 6 des gleichen Entwurfs ganz aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, und ist die Bundesregierung bereit, den Abgeordneten des Bundestages eine Zusammenstellung derjenigen Tabakwaren zukommen zu lassen, die nicht aus Tabak bestehen (§ 2 Abs. 6 des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes in Drucksache VI/3048)? Der Forschung ist es bis heute nicht gelungen, einen Ersatzstoff für Tabak zu finden, der nicht schädlich ist. Es gibt daher keinen Anlaß, die Frage einer steuerlichen Bevorzugung solcher Erzeugnisse zu prüfen. Zigaretten, Zigarren und Rauchtabak aus anderen Stoffen als Tabak sind zur Zeit nicht auf dem deutschen Markt. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Löffler (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 71 und 72) : Glaubt die Bundesregierung, daß das von den Mineralölfirmen an das Tankstellengewerbe gerichtete Angebot, nach dem sich der Bonus pro Liter lediglich um 0,2 Pf bei Normalbenzin und um 0,8 Pf bei Super erhöhen soll, den steigenden Kosten im Tankstellengewerbe gerecht wird? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, während der z. Z. laufenden Verhandlungen über Konditionsverbesserungen auf die Mineralölfirmen dahin gehend einzuwirken, daß diese dem Tankstellengewerbe einen Bonus gewähren, der die selbständige wirtschaftliche Basis dieses Gewerbes sichert? Die Bundesregierung verfügt über keine repräsentativen Unterlagen, die eine Beurteilung der Kostensituation des Tankstellengewerbes und der Angemessenheit der Provisionsvorschläge der Mineralölgesellschaften zuließen. Bei der Wertung der gegenwärtig zwischen den Mineralölgesellschaften und den Tankstellenverbänden geführten Verhandlungen glaubt die Bundesregierung, angesichts der wechselseitigen Interessenverflechtung beider Wirtschaftsgruppen davon ausgehen zu können, daß ein für beide Seiten befriedigendes Ergebnis ausgehandelt werden kann. Dabei müssen sich zwangsläufig die Mineralölgesellschaften von dem Interesse leiten lassen, ein funktions- und leistungsfähiges Tankstellengewerbe für den Absatz ihrer Produkte zur Verfügung zu haben. Die nachhaltigen Anstrengungen in dieser Richtung kommen unter anderem darin zum Ausdruck, daß der durchschnittliche Kraftstoffabsatz je Tankstelle von 33 500 Litern im Jahre 1970 auf rd. 42 500 Liter zu Anfang des Jahres 1972 gestiegen ist. Damit sind auch die Provisionseinkommen der Tankstelleninhaber gestiegen. Der darin deutlich werdende Rationalisierungseffekt ist nicht zuletzt durch eine Konzentrierung des Absatzes auf modernere und leistungsfähigere Anlagen erreicht worden. Nach Auffassung der Bundesregierung können in der in der Bundesrepublik bestehenden Wirtschaftsordnung die unterschiedlichen Interessen von Mineralölgesellschaften und Tankstellengewerbe am ehesten und am besten durch unmittelbare Verhandlungen zwischen beiden Wirtschaftsgruppen ausgeglichen werden, wie das auch in der Vergangenheit der Fall war. Das schließt nicht die Bereitschaft der Bundesregierung zu vermittelnden Gesprächen aus. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die wiederholten Gespräche im BMWF, durch die in der Vergangenheit das Zustandekommen einvernehmlicher Regelungen zwischen beiden Wirtschaftsgruppen gefördert worden ist. Bei diesen Gesprächen hat sich das BMWF davon leiten lassen, — die Rationalisierungsbemühungen beider Parteien zu unterstützen, — die sozialen Anliegen des Tankstellengewerbes gewahrt zu sehen, — die Interessen der Verbraucher an einer preisgünstigen Versorgung zur Geltung zu bringen. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Orth (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 73 und 74): Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Mehrwertsteuerzuschlag für landwirtschaftliche Veredlungserzeugnisse unterschiedlich gehandhabt wird, indem einmal der Bruttoerlös von allen Kosten bereinigt wird und dann erst der Mehrwertsteuerzuschlag erfolgt, während ein anderes Mal die Mehrwertsteuer dem Bruttoerlös zugeschlagen wird und dann erst die Kosten abgezogen werden? Sieht es die Bundesregierung nicht für erforderlich an, daß, uni Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, hier nach einheitlichen Regelungen verfahren werden müßte? Der Bundesregierung .ist bekannt, daß die Verrechnung von Aufwendungen, deren Erstattung der Abnehmer landwirtschaftlicher Erzeugnisse vom Lieferer verlangen kann, unterschiedlich gehandhabt wird. Diese Unterschiede sind jedoch sachlich gerechtfertigt. Sind die Aufwendungen durch Zahlungen entstanden, die der Abnehmer für eigene Rechnung — d. h. auf Grund eigener Verpflichtung — an Dritte geleistet hat, so mindert die Erstattung das Entgelt für die Lieferung. Die Verrechnung kann daher vor Berechnung der Umsatzsteuer vorgenommen werden. Bei nachträglicher Erstattung muß der Erstattungsbetrag in eine Minderung des Entgelts und eine anteilige Minderung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer aufgeteilt werden. Dagegen gehören Zahlungen, die der Abnehmer für Rechnung des Lieferers leistet — durch die er also den Lieferer von einer Verpflichtung gegenüber Dritten befreit — zum Entgelt für die Lieferung. Die Erstattung derartiger Zahlungen ist nur durch Verrechnung mit dem Preis der Lieferung, d. h. nur nach Berechnung der Umsatzsteuer zulässig. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9831 Die Bundesregierung hält es für erforderlich, daß nach den eben dargelegten Grundsätzen verfahren wird. Soweit ihr bekanntgeworden ist, daß sachlich nicht gerechtfertigte, sondern auf uneinheitlicher Rechtsanwendung beruhende Unterschiede gemacht worden sind, hat sie bereits im Einvernehmen mit den Obersten Finanzbehörden der Länder für eine einheitliche Regelung gesorgt, wie z. B. bei den Beiträgen zum Absatzfonds oder der Produktionsabgabe Zucker. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache VI/ 3165 Fragen 82 und 83) : Ist die Bundesregierung bereit, nunmehr die Gesetzeslücke zu schließen, die dadurch entstanden ist, daß in § 32 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes 1957 für die pflichtversicherten Handwerker und freiwillig Versicherten in der damaligen französischen Zone die gleichen Werteinheiten festgelegt wurden wie für die Versicherten in der ehemaligen englischen und amerikanischen Zone, obwohl der oben genannte Personenkreis im Markenverfahren in der Zeit vom 1. Juni 1946 bis 31. Oktober 1949 auf Grund der Verordnung Nr. 38 des Oberbefehlshabers der französischen Besatzungszone erheblich höhere Beiträge geleistet hat? Ist der Bundesregierung bekannt, daß von dieser Benachteiligung etwa 25 000 Personen aus der damaligen französischen Zone betroffen sind? Der von Ihnen genannte Sachverhalt geht auf die geltende Rentenformel zurück. Danach werden der Rentenberechnung die versicherten Bruttoarbeitsentgelte oder Bruttoarbeitseinkommen zugrunde gelegt, und zwar gleichermaßen in der Pflichtversicherung wie auch in der freiwilligen Weiterversicherung. Hierbei werden die versicherten Bruttoarbeitsentgelte und Bruttoarbeitseinkommen für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik einheitlich bewertet. Diese grundlegende Regelung wirkt sich nicht allein auf den von Ihnen angesprochenen Personenkreis aus. Beispielsweise war der Beitragssatz in der Vergangenheit sowohl im zeitlichen Ablauf als auch teilweise in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten unterschiedlich hoch. Auch diese Sachverhalte bleiben bei der Berechnung der durch die geltende Rentenformel begründeten lohnbezogenen Rente unberücksichtigt. Zu Ihrer zweiten Frage darf ich noch ergänzend mitteilen, daß genaue Zahlen unserem Hause nicht vorliegen. Der Beitragssatz galt seinerzeit nicht nur für die pflichtversicherten Handwerker und für die freiwillig Versicherten, sondern für alle Versicherten. Anlage 13 Zusätzliche Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 16. Februar 1972 auf die Frage des Abgeordneten Dr. Götz (CDU/ CSU) *) Im Schlußabsatz meiner schriftlichen Antwort auf ihre Fragen habe ich zugesagt, daß ich mich bemühen werde, Zahlen für die Bereiche zu ermitteln, in denen statistisch aufgeschlüsselte Unterlagen vorhanden sind. Nach meinen Feststellungen sind solche Zahlenangaben zu einem Teil für die Bereiche Deutsche Bundesbahn und Deutsche Bundespost vorhanden. Der anliegenden Übersicht**) ist zu entnehmen, wieviel Beamte innerhalb der vorgenannten Bereiche in den Kalenderjahren 1962 bis 1971 nach Vollendung des 62. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden sind und welche Erhöhung der Versorgungslasten sich dadurch in den entsprechenden Kalenderjahren ergibt. Ergänzend bemerke ich, daß im Bereich der Deutschen Bundesbahn nach einer im Jahre 1967 durchgeführten Repräsentativerhebung rund 55 v. H. der auf eigenen Antrag nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten nicht mehr dienstfähig gewesen sind. Im Bereich der Deutschen Bundespost sind in den Jahren 1962, 1968, 1969 und 1971 keine statistischen Erhebungen angestellt worden. Außerdem konnte die Erhöhung der Versorgungslasten mangels Unterlagen nur geschätzt werden. Insbesondere ist dabei nicht berücksichtigt worden, daß ein großer Teil der nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten bereits dauernd dienstunfähig war. Nach einer 1968 angestellten Erhebung betrug im Jahre 1967 der Anteil der nicht mehr dienstfähigen Beamten an der Gesamtzahl der nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten nur etwa 60 bis 70 v. H. *) Siehe 154. Sitzung Seite 8903 A **) Übersicht über Ruhestandsversetzungen nach § 42 Abs. 3 BBG Bereich der Bereich der Deutschen Deutschen Bundesbahn Bundespost Jahr Zahl der Versorgungsaufwand im Zahl der Versorgungsaufwand im Ruhestandsversetzungen Jahr der Ruhestands- Jahr der Ruhestandsversetzung versetzungen Ruhestandsversetzung in Millionen i in Millionen DM DM 1962 529 3,11 1) — - 1963 532 3,44 1 356 7,4 1964 623 4,14 1 316 7,5 1965 593 4,35 1 263 7,7 1966 472 3,79 1 065 6,8 1967 413 3,35 1 060 7,1 1968 353 3,16 1) — — 1969 454 4,18 1) — - 1970 518 5,38 1 053 10,4 1971 645 10,21 1) — — 1) Es sind keine statistische Erhebungen erstellt worden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Jaeger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Abgeordneter Stücklen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mattick?


Rede von Kurt Mattick
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Stücklen, können Sie sich daran erinnern, daß die deutsche Bundesregierung auf Grund dieses Verfahrens mit der Sowjetunion einen Konsularvertrag abgeschlossen hat? Und erinnern Sie sich auch an die klassischen Worte Ihres Staatssekretärs, des Herrn Lahr, damals im Auswärtigen Ausschuß, daß es den Berlinern wohl zuzumuten ist, auch in Zukunft auf die Konsularverträge der deutschen Bundesregierung zu verzichten?

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das werden wir morgen auch zitieren!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Kollege Mattick, ich hätte es gern gesehen, wenn wir die Debatte jetzt auf den Bereich beschränkt hätten, den ich angeführt habe. Den anderen Bereich, auf den Sie sich jetzt beziehen, habe ich nicht angeführt. Ich habe auch die entsprechenden Unterlagen nicht mit. Ich höre aber mit großer Befriedigung, daß mein Kollege Marx morgen auch auf diese Frage eingehen wird.
    Ich möchte eine Ausführung, die heute unser Fraktionsvorsitzender, Herr Dr. Barzel, hier gemacht hat, noch einmal unterstreichen und mit besonderem Nachdruck vortragen: In jenem Brief Bulganins ist uns von sowjetischer Seite das Recht auf staatliche Einheit, auf Wiedervereinigung zugestanden worden. Diese Position, die Adenauer gegenüber der Sowjetunion errungen hat, ist von dieser Regierung leichtfertig wieder preisgegeben worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Stücklen
    Der CSU-Vertragsentwurf stellt eindeutig fest, daß es zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion strittige und unterschiedlich bewertete Fragen gibt, zu deren späterer friedlicher Lösung der erklärte Ausschluß der Gewaltanwendung beitragen soll. Hier zeigt sich deutlich die Kontinuität des CSU-Vertragsentwurfes mit der deutschen Friedenspolitik von Adenauer, Erhard und Kiesinger. Ich möchte mich hier noch auf eine Erklärung des damaligen Außenministers Willy Brandt vom 13. Dezember 1967 vor dem Deutschen Bundestag beziehen. Da der Bundeskanzler nicht dasein kann, möchte ich es mir ersparen, hier zu zitieren. Ich möchte die Erklärung nur inhaltlich wiedergeben. Willy Brandt war der Meinung, daß die strittigen Fragen nicht präjudiziert werden dürften und daß ein Klima geschaffen werden sollte, daß der Lösung der eigentlichen Sachprobleme dienlich sei. Diese Politik hat der Außenminister Willy Brandt in der letzten Legislaturperiode vertreten, aber in dieser Legislaturperiode als Kanzler aufgegeben.
    Die Sowjetunion sieht in dem Moskauer Vertrag eine endgültige Lösung von Sachfragen. Dafür gibt es Stimmen aus der Sowjetunion und aus dem kommunistischen Machtbereich, aus dem Machtbereich des Warschauer Paktes. Es ist eben nicht interessant genug, daß Herr Mischnick hier eine andere eindeutige Auslegung vertritt. Ich versage es mir, hier Zitate anzuführen, angefangen vom Bundeskanzler und von Kurt Schumacher, der in einer Erklärung zum Ausdruck gebracht hat: „Die Sozialdemokraten haben als erste erklärt, daß sie niemals die OderNeiße-Linie anerkennen." Ich verzichte auch darauf, in vollem Umfange das Zitat zu bringen, in dem Herr Brandt, Herr Wehner und Herr Ollenhauer anläßlich des Schlesier-Treffens erklärt haben, Verzicht sei Verrat. Ich möchte auch nicht das Zitat von Ihnen bringen, Herr Kollege Wehner, in dem Sie gesagt haben, wer auf diese Gebiete verzichte, sei ein Strolch.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte aber ein Zitat hier vortragen — und das muß ich wörtlich bringen — über die Grenzfrage. So sagte Bundeskanzler Brandt, damals Parteivorsitzender, noch nicht Außenminister: „Über die Grenzfrage wird sich eine von der SPD gebildete Bundesregierung nicht äußern und auch keinen Verzicht anbieten." Und das in Pirmasens am 23. Mai 1965. Ich frage mich nur: Wenn die Versicherungen von gestern so schnell vergessen sind bei diesem Bundeskanzler, wie lange gelten dann seine Beteuerungen von heute?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    In dem Vertragsentwurf der CSU heißt es jedenfalls in Übereinstimmung mit der bisher auch von Ihnen — von der Regierung und von der SPD — vertretenen Politik, daß die spätere Lösung strittiger Fragen zu einer Verwirklichung des Rechtes auf Selbstbestimmung der geteilten deutschen Nation führen muß. Die Gewaltverzichtsklausel bezieht sich in unserem Entwurf ausdrücklich auf alle strittigen Fragen einschließlich der Fragen, die Grenzen und Demarkationslinien betreffen. Im Moskauer Vertrag fehlt eine solche Formel, da er von der durch die Stalinsche Expansionspolitik geschaffenen, in diesem Raum bestehenden wirklichen Lage ausgeht. Damit sanktioniert der Moskauer Vertrag die Kriegsbeute Stalins.
    Dem von der CDU/CSU-Fraktion einstimmig gebilligten Vertragsentwurf geht es bei dem Bestreben, friedliche Beziehungen zwischen den europäischen Staaten zu entwickeln, um den zügigen Ausbau der Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet sowie um die Öffnung aller Grenzen für einen ungehinderten Reiseverkehr. Auch diese Formel fehlt in dem von der Regierung ausgehandelten Moskauer Vertrag. Auch hier hat diese Bundesregierung die Linie einer Politik der Freiheit zum mindesten fahrlässig verlassen.

    (Vorsitz: Präsident von Hassel.)

    Im Moskauer Vertrag sind demgegenüber Begriffe enthalten, die wörtlich aus sowjetischen Noten, Reden und Memoranden abgeschrieben sind. Ich erwähne z. B. „Normalisierung der Lage in Europa". Dieser Begriff ist wörtlich abgeschrieben aus dem sowjetischen Memorandum an Bonn vom 12. Oktober 1967.

    (Abg. Wehner: Haben Sie selber gelesen?)

    Das bedeutet nach Moskauer Urteil die Beseitigung alles dessen, was den Normen des Potsdamer Abkommens in der bekannten sowjetischen Auslegung noch nicht entspricht und was der Breschnew-Doktrin und dem uneingeschränkten russischen Kontrollanspruch zuwiderläuft.
    Weiter heißt es im Moskauer Vertrag, daß man „von der in diesem Raume bestehenden wirklichen Lage" ausgehen wolle. Dies ist wörtlich abgeschrieben aus dem sowjetischen Memorandum vorn 21. November 1967. In sowjetischer Auslegung deckt dieser Begriff alle sowjetischen Thesen und Forderungen, die auf eine rechtsgültige Stabilisierung des gegenwärtigen russischen Herrschaftsraumes sowie auf die Ausweitung des sowjetischen Einflusses auf West-Berlin und Westdeutschland abzielen.
    Weiter heißt es im Moskauer Vertrag: „Wenn niemand die gegenwärtigen Grenzen antastet". Dies ist wörtlich abgeschrieben aus der Rede Breschnews in Moskau vom 12. Juni 1970. Im Moskauer Vertrag werden durch diese und andere Formulierungen in Artikel 3 insbesondere auch diejenigen Grenzen als unverletzlich sanktioniert, die 1939 über die Köpfe der betroffenen Völker hinweg im Hitler-Stalin-Pakt festgelegt wurden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich frage: Ist es Aufgabe der Bundesregierung, auch Grenzen von Gebieten für unverletzlich zu erklären, die während oder nach dem Kriege von der Sowjetunion annektiert wurden und in keiner unmittelbaren Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland standen oder stehen?

    (Beifall und Zurufe von der CDU/CSU.)




    Stücklen
    Ich frage weiter: Kann es Aufgabe der Bundesrepublik sein, den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 zumindest moralisch nachträglich noch zu sanktionieren?

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Pfui-Rufe von der SPD.)

    Während man gleichzeitig von östlicher Seite die Forderung hört, das Münchener Abkommen von Anfang an für ungültig zu erklären, höre ich keine Forderungen, diesen völkerrechtswidrigen Vertrag mit dem Geheimabkommen vom August 1939 zwischen Hitler und Stalin für ungültig zu erklären.
    Ferner verlangt der Moskauer Vertrag „die territoriale Integrität" aller Staaten „in ihren heutigen Grenzen" zu achten. Auch dies ist wörtlich aus dem sowjetischen Memorandum vom Oktober 1967 abgeschrieben.
    Weiter heißt es: ,,... keine Gebietsansprüche" zu erheben. Dies ist wörtlich aus dem Memorandum vom November abgeschrieben.
    Schließlich betrachten die Unterzeichner des Moskauer Vertrages „heute und künftig" die Grenzen als „unverletzlich". Dies ist wieder wörtlich aus dem Vertrag zwischen der Sowjetunion und der Tschechoslowakei vom 8. Mai 1970 abgeschrieben.
    Damit ist wohl hinlänglich bewiesen: dieser Vertrag trägt die Handschrift Moskaus.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Im Moskauer Vertrag ist im Gegensatz zum CSU- Vertragsentwurf kein Verzicht auf die sowjetische Interventionsanmaßung gemäß Artikel 53 und 107 der Charta der Vereinten Nationen enthalten.
    Wir haben es für notwendig gehalten, daß die Bundesrepublik Deutschland die von ihr verfolgte Politik der Herstellung eines politisch geeinten Europas bekräftigt. In unserem Vertragsentwurf versichert sie dabei zugleich der Sowjetunion, daß dies ein politisch geeintes unabhängiges Europa sein soll und daß die deutsche Politik zur Herstellung des politisch geeinten Europas gegen niemanden gerichtet ist, da dieses freie politisch geeinte Europa der friedlichen Zusammenarbeit mit allen anderen Staaten der Welt dienen soll. Im Moskauer Vertrag fehlt eine entsprechende Bestimmung oder ein Hinweis auf die Möglichkeit der europäischen Integration völlig. Das Moskauer Vertragswerk soll nach erklärter sowjetischer Überzeugung ein Werk-. zeug sein, um die politische Einigung des freien Europas zu verhindern. Das ist hier von verschiedenen Vertretern der Koalition und auch von seiten der Regierung bestritten worden. Es gibt ganz offizielle Erklärungen. TASS, die amtliche Nachrichtenagentur der Sowjetunion, sagt am 22. Februar 1971:
    Gegenwärtig erhält die Idee der Einberufung eines gesamteuropäischen Forums zu Problemen der Sicherheit und Zusammenarbeit eine immer größere Unterstützung. Die Abhaltung eines solchen Forums würde zweifellos zur Verbesserung des politischen Klimas beitragen und weitgehend Möglichkeiten für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit aller Staaten eröffnen. Doch einer solchen Entwicklung wider-
    spricht unbestreitbar eine Politik, die auf die Festigung geschlossener politischer und wirtschaftlicher Blöcke, wie es die EWG ist, gerichtet ist.
    Damit ist klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, was auch der Fraktionsvorsitzende Dr. Barzel in Moskau aus dem Munde der verantwortlichen Vertreter der sowjetrussischen Regierung selbst gehört hat.
    Ähnlich lautet die Erklärung des Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des Obersten Sowjets, Jurij Schukow, vom 22. September 1970.
    Leider gibt es auch eine Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, die besagt, daß die politische Einigung Europas eine Aufgabe kommender Generationen sein soll.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, im CSU-Vertragsentwurf erklärt die Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zum Moskauer Vertrag, daß sie weiterhin in vollem Umfang das von ihr vertretene und ausgeübte Recht, Selbstbestimmung und Einheit der deutschen Nation als Ziel ihrer Politik mit friedlichen Mitteln zu verfolgen, ausüben wird. Ein solcher Passus fehlt im Moskauer Vertrag vollständig. Die Bundesregierung verzichtet darauf, dieses Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung und auch das Recht auf Einigung der geteilten Nation in den Vertragstext aufzunehmen. Sie begnügt sich mit einem Brief an Gromyko, der nicht Bestandteil des Vertrages ist, obwohl sie gerade in dieser Frage bei der Sowjetunion auf Verständnis hätte stoßen müssen, da die Sowjetunion in den letzten Jahren ein glühender Verfechter des Selbstbestimmungsrechts der neuen afrikanischen Staaten und zuletzt von Bangla Desh war. Wir sind der Meinung, daß das, was den afrikanischen und asiatischen Staaten an Selbstbestimmungsrecht zusteht, auch für das deutsche Volk und die deutsche Nation gelten muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber die Sowjetunion will das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen verhindern, weil seine Verwirklichung gleichbedeutend mit dem Ende der kommunistischen Gewaltherrschaft im anderen Teil Deutschlands wäre.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Deshalb hat die Sowjetunion die Aufnahme des Selbstbestimmungsrechts in den Vertragstext verhindert, und die Bundesregierung hat sich ihr, ich sage, in unverantwortlicher Weise gefügt.
    Unser Vertragsentwurf enthält gegenüber dem Moskauer Vertrag keinerlei Festschreibungen von Grenzen, sondern die Bekräftigung, daß der Friede in Europa nur erhalten werden kann, wenn die Grundsätze des Völkerrechts, der Gleichberechtigung, des Selbstbestimmungsrechts der Völker, der Nichteinmischung sowie der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Rechts auf Freizügigkeit für Menschen und Ideen, überall beachtet werden. Während sich auch hier der Moskauer Vertrag den sowjetischen Forderungen beugt, führt der CSU-Vertragsentwurf die Friedenspolitik



    Stücklen
    nicht nur der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch seiner westlichen Alliierten fort. Ich möchte hier nur an das Kommuniqué der letzten NATO- Ministerratstagung vom vergangenen Dezember erinnern, in dem das Recht auf Freizügigkeit für Menschen und Ideen als Grundlage jener europäischen Friedenspolitik über die bestehenden Blöcke hinweg bezeichnet worden ist.
    Eine der schwerwiegendsten Unterlassungen, deren sich die Bundesregierung bei der Abfassung des deutsch-sowjetischen Vertrags schuldig gemacht hat, besteht darin, daß ein Friedensvertragsvorbehalt fehlt. Der von uns vorgelegte Vertragsentwurf stellt fest, daß eine endgültige Regelung der deutschen Frage einschließlich der Grenzen einem Friedensvertrag mit ganz Deutschland vorbehalten bleiben muß. Auch hier befinden wir uns in Übereinstimmung mit nach wie vor gültigem deutschen Vertragsrecht, nämlich mit dem Deutschland-Vertrag.
    Der CSU-Vertragsentwurf stellt abschließend fest, daß durch diesen Vertrag die von den Partnern früher abgeschlossenen zweiseitigen und mehrseitigen Verträge und Vereinbarungen in ihrer Geltung nicht beeinträchtigt werden. Hierdurch ist die volle Fortgeltung früherer Vertragsrechte, wie z. B. des Deutschland-Vertrags, eindeutig gesichert. Das ist beim Moskauer Vertrag nicht der Fall. Auch hier haben wir es wieder mit einer mehrdeutigen Auslegung zu tun.
    Diese Gegenüberstellung des Moskauer Vertrags und des von der CDU/CSU-Fraktion einstimmig verabschiedeten Vertragsentwurfs zeigt mit aller Deutlichkeit, daß die Bundesregierung einen Vertrag nach den Vorstellungen Moskaus unterzeichnet hat, während unser Entwurf einen wirklichen Gewaltverzichtsvertrag zum Inhalt hat.
    Ich weiß, meine Damen und Herren, was mir von der Regierungsseite hierauf entgegnet wird: das sei ein Traumvertrag, sei Wunschträumerei,

    (Abg. Wehner: Ein Alptraum ist ,das!)

    für einen Vertrag bedürfe es auch eines Partners, der gewillt sei, ihn zu unterzeichnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist kein Traumvertrag. Ein Traumvertrag wäre es dann, wenn in diesen Vertrag der Art. 7 des Deutschland-Vertrages im Wortlaut mit aufgenommen worden wäre, d. h. wenn auch die Sowjetunion für die Wiedervereinigung Deutschlands eintreten würde

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Was für ein Tinnef!)

    und eine freiheitliche Verfassung die Verfassung für Gesamtdeutschland sein sollte.
    Ich gebe zu, natürlich wird man einen so ausgewogenen Vertrag nicht unter Dach und Fach bringen, wenn man wie diese Bundesregierung sich ohne Not selbst unter Zeitdruck setzt und in wenigen Monaten in Moskau eine überhastete Vereinbarung schließt. Um einen ausgewogenen, wirklichen Gewaltverzichtsvertrag zu unterzeichnen, bedarf es zäher Verhandlungen. Dazu braucht man Geduld und langen Atem.
    Vor kurzem hat uns gerade Japan eine Lektion erteilt und gezeigt, daß zähes Vertreten von nationalen Interessen und Beharrlichkeit zu einem Nachgeben Moskaus führen können. Nachdem Tokio 27 Jahre auf einen Friedensvertrag mit Moskau gewartet hat, hat der Kreml jetzt endlich seine Bereitschaft zum Abschluß eines Friedensvertrages zu erkennen gegeben. Und dies, seitdem Japan sich anschickt, sein Verhältnis zu Peking zu normalisieren.
    Unseren früheren Bundeskanzler Kiesinger haben Sie hier mit „Peking, Peking" attackiert; Bundeskanzler Brandt hat es getan. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die uns befreundete größte Macht im Westen, die Vereinigten Staaten, ein so hohes Interesse an China entwickelt, dann war es eine weise Voraussicht von Kanzler Kiesinger damals, daß er diese Frage rechtzeitig — —

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Gelächter bei der SPD.)

    Wie sehr wir mit unseren Befürchtungen wegen der verschiedenartigen Auslegungen dieses Vertrages recht haben, zeigen die Ausführungen im „Forum" — ich würde Ihnen dringend empfehlen, sie einmal zu lesen —, die von Ihrem Fraktionskollegen MdB Claus Arndt verfaßt worden sind. Hier steht:
    Selten ist in einem völkerrechtlichen Dokument so deutlich zum Ausdruck gekommen, daß die beiden vertragschließenden Parteien in fast allen wichtigen Fragen des Völker- und Staatsrechts, die sie betreffen, dissentieren und dennoch ungeachtet dessen miteinander praktische Politik betreiben.
    Hier wird bestätigt, daß die Sowjetunion eine andere Interpretation gibt, als sie hier von der Regierung und anderen vertreten worden ist.
    Nichts zeigt im übrigen deutlicher als die Reaktion des Ostblocks, wo die wahren Unterschiede zwischen unserem Entwurf und dem von der Regierung ausgehandelten Moskauer Vertrag liegen. Radio Prag — Sie können nicht sagen: Was interessiert uns Radio Prag? Sie wissen alle, daß in den kommunistischen Staaten der Rundfunk ein staatskontrollierter Rundfunk ist

    (Zurufe von der SPD: Wie in Bayern!)

    — Das ist hochinteressant. Bisher hat uns die SPD insbesondere in Bayern immer vorgehalten, der Bayerische Rundfunk sei ein „schwarzer" Rundfunk. Jetzt sagen Sie plötzlich: Die CSU will sich des Rundfunks bemächtigen. Wenn wir ihn doch schon in der Hand haben, brauchen wir ihn doch nicht mehr eigens mit einer Gesetzesnovelle zu erobern.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Doppelzüngigkeit, die manchmal von Ihrer Seite zu hören ist.
    Radio Prag erklärte am 1. Februar — ich zitiere, und ich würde sehr bitten, wenigstens jetzt einmal aufmerksam zuzuhören —:



    Stücklen
    Seinen
    — d. h. Strauß-
    Vorstellungen zufolge sollte ein Vertrag mit der Sowjetunion bestätigen, daß die deutsche Bundesrepublik auf das sogenannte Recht auf Selbstbestimmung und Einheit der Nation nicht verzichtet, was lediglich eine andere Formulierung der revanchistischen Ansprüche auf eine Revision der Ergebnisse des zweiten Weltkriegs darstellt.
    Wer sich also auf das Selbstbestimmungsrecht beruft, wer das Recht auf Wiedervereinigung verkündet, ist in den Augen zumindest des kommunistischen Senders Radio Prag ein Revanchist. Da ich der Auffassung bin, daß alle Damen und Herren Abgeordneten in diesem Hause das Selbstbestimmungsrecht bejahen, die Wiedervereinigung wollen, sind Sie alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, miteinander Revanchisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Haehser: Ich lasse mich von Ihnen nicht beschimpfen! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Von Radio Prag, nicht von mir! — Wer sich also auf das Selbstbestimmungsrecht beruft, ist ein Revanchist.
    Im Gegensatz zu den Beteuerungen der Bundesregierung wird uns hier vom Osten klar gesagt, was eben nicht im Moskauer Vertrag gesichert ist. Ich zitiere jetzt aus der „Prawda" vom 2. Februar dieses Jahres:
    Der Clou des Straußschen Programms ist die Nichtanerkennung der gegenwärtigen Staatsgrenzen in Europa und daß ihre Festlegung angeblich nicht endgültig sein soll.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, belassen wir es in dieser Stunde bei diesen Zitaten bedeutender Stimmen aus dem Osten!
    Ich möchte zum Schluß kommen.

    (Bravo-Rufe von der SPD.)

    — Sehen Sie, so geteilt ist Ihre Fraktion: Die einen bedauern es, die anderen freuen sich.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Wie man es hier als Oppositionsredner macht, man kann es der SPD einfach nicht recht machen.
    Ich darf noch eine Frage anschneiden, die wir sehr ernst nehmen. Ich sehe nämlich nicht ein, warum man hier nicht eine andere Haltung einnehmen kann: Ich habe von dem Dissens, von den verschiedenartigen Interpretationen, von den unterschiedlichen Auslegungen auf sowjetischer und unserer Seite gesprochen. Nun berufen sich die Staatsmänner des Ostens nicht nur auf den Vertrag, sondern auch auf die Verhandlungen. Deshalb sind Kollege Dr. Barzel und ich wiederholt beim Bundeskanzler und beim Außenminister vorstellig geworden und haben gebeten, Einsicht in die Protokolle bzw. in die Verhandlungsniederschriften zu erhalten. Ich möchte nicht auf das Bahr-Papier eingehen, das es überhaupt nicht gibt, und wenn es das gibt, dann ist es höchstens eine „Notiz". Und wenn „Notiz" nicht mehr ausreicht., dann finden wir im offiziellen Weißbuch der Bundesregierung dieses Papier als Bahr-Papier deklariert. Ich will nicht darauf eingehen, daß man ursprünglich keine Einwendungen dagegen erhoben hat, daß wir diese Notizen als Protokoll bezeichnet haben. Es hat eine Zeit gedauert, bis irgendwo jemand auf die Idee gekommen ist, zu sagen: Wir haben ja gar kein Protokoll. — Also wir wollen uns nicht darauf festlegen, ob wir das „Protokoll" nennen oder ob wir das „Aufzeichnungen über die Verhandlungen" nennen, nur müssen wir es nach wie vor bedauern, daß wir bisher keinen Erfolg mit unseren Anliegen gehabt haben. Dies ist genauso unannehmbar, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie die Tatsache, daß der Parlamentarische Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Herr Moersch, uns einzelne für die Regierung günstige Teile aus den Protokollen selektiv anzudienen versucht, ohne daß wir kontrollieren können, was vor, zwischen und nach den Zitaten steht.

    (Abg. Kiep: Hört! Hört! — Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es geht auch nicht nur, verehrter Herr Außenminister, um Protokolle oder Niederschriften über die Verhandlungen zwischen Ihnen und Gromyko, sondern es geht in viel entscheidenderer Weise um die Protokolle und Niederschriften über die Verhandlungen, die Herr Bahr mit Herrn Gromyko geführt hat.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier hoffen wir endgültig Aufklärung zu finden, ob die sowjetrussische Seite aus Böswilligkeit eine andere Interpretation gibt oder ob aus den Protokollen zu erkennen ist, daß diese Interpretation tatsächlich in den Verhandlungen ermöglicht wurde. Wir bedauern die Ablehnung auch deshalb, weil diese Regierung mehr Demokratie, mehr Transparenz versprochen hat. Was erleben wir? Das Gegenteil! Diese Haltung der Regierung ist eine Zumutung für die parlamentarische Opposition, für die stärkste Fraktion dieses Deutschen Bundestages!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fragen uns, und die Öffentlichkeit wird mit uns die Frage stellen: Was hat denn die Regierung zu verbergen, daß sie sich weigert, uns Einsicht in die Protokolle zu geben?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, mit einem Satz wende ich mich noch an den Bundeskanzler. Da er aber nicht da ist, — —

    (Zurufe: Doch!)

    — Entschuldigung, Herr Bundeskanzler!

    (Abg. Wehner: Wissen Sie: Sie können wenigstens einmal etwas sagen, was übereinstimmt mit der Wahrheit! — Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    — Herr Wehner, wissen Sie: So etwas — —

    (Abg. Wehner: Es ist schamlos, wie Sie Fernsehhetze betreiben! Sie sollten das nicht tun, denn so tief sind doch manche draußen nicht!)




    Stücklen
    — Herr Wehner, Ihre vornehme Zurückhaltung hier im Bundestag

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    ist nicht nur uns von der CDU/CSU bekannt, sondern auch die Fernsehzuschauer wissen, daß Sie sich hier in ganz besonderer Weise produzieren, nicht immer im Stile eines Gentleman.

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Kiep: Sehr vornehm! Abg. Dorn: Das ist aber gut, daß wir Sie hier haben! — Weitere Zurufe von den Regierungsparteien.)

    — Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie mich durch Zwischenrufe nun etwas anheizen, dann entschuldigen Sie bitte: Ich bin noch nicht so alt, daß mein Temparement so weit unten in der Skala liegt, daß ich nicht auch einmal explodieren könnte. Aber eines können Sie bei mir doch immer annehmen, das dürfen Sie mir abnehmen: Ich will persönlich niemandem zu nahe treten.

    (Zuruf von den Regierungsparteien. — Abg. Haehser: Sie haben heute die unverschämteste Rede im Parlament gehalten!)

    Ich sage meine Auffassung mit aller Deutlichkeit, insbesondere auch, nachdem der Herr Bundeskanzler hier, was mich auch etwas überrascht hat, nicht gerade mit Samthandschuhen mit uns umgegangen ist.

    (Widerspruch bei der SPD.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, noch ein Wort an Sie. Ich möchte ganz kurz einen Griff in die Geschichte machen mit einem einzigen Satz, weil hier so viel von Realitäten und Anerkennung der Realitäten die Rede war: Nach der Machtergreifung der NSDAP am 30. Januar 1933 waren auch ein Reichskanzler Hitler und das Dritte Reich Realität. Sie, Herr Brandt ich sage jetzt: Herr Brandt —, haben sich damals nicht dieser Realität gebeugt.

    (Zuruf des Abg. Matthöfer.)

    — Warten Sie doch erst einmal ab, Herr Matthöfer!

    (Abg. Matthöfer: Ja!)

    Sie haben sich dieser Realität nicht gebeugt. Sie sind emigriert und haben diesen Unrechtsstaat, dieses Unrechtsregime bekämpft. Ich frage Sie: Stimmen Sie mit mir überein, wenn ich sage: die Machthaber im anderen Teil Deutschlands haben keine demokratische Legitimation. Stimmen Sie mit mir überein, wenn ich feststelle, daß diese Regierung im anderen Teil Deutschlands nicht vom freien Willen der 17 Millionen Deutschen getragen ist? Und stimmen Sie mit mir überein, wenn ich feststelle, daß die Menschenrechte mit Füßen getreten werden

    (Zurufe von der SPD)

    - das geht doch nicht gegen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren! — daß ideologischer Zwang an Stelle der Freiheit, daß Stacheldraht und Minenfelder an Stelle der Freizügigkeit stehen? Warum, Herr Bundeskanzler, legen Sie heute andere Maßstäbe an als 1933? Doch nicht deshalb, weil das von
    der oder von jener Seite kommt. Lassen Sie mich mit dem Satz schließen: wenn Unrecht nicht mehr Unrecht ist, ganz gleich von welcher politischen Richtung dieses Unrecht zu verantworten ist, wenn brutale Macht Realitäten schafft, die anerkannt werden müssen, so ist das das Ende des Rechts insgesamt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)