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    Deutscher Bundestag 171. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag der Abg. Frau Schanzenbach, Dr. Schellenberg und Frau Brauksiepe . . . . . . . . 9737 A, B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 9737 B Wahl des Abg. Wende als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost 9737 B Erweiterung der Überweisung eines Gesetzentwurfs 9737 C Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 9737 C Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1972 (Drucksache V1/3080) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache V1/3156) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksache VI/3157) — Erste Beratung —, mit Große Anfrage der CDU/CSU betr. Deutschland- und Außenpolitik — Drucksachen VI/2700, VI/2828 — und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen — Drucksache VI/1523 — Brandt, Bundeskanzler . 9739 D, 9791 B, 9814 C Scheel, Bundesminister 9742 D Dr. Barzel (CDU/CSU) . 9752 C, 9796 C, 9814C, 9815B Wehner (SPD) 9764 B Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . 9784 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 9798 A Mischnick (FDP) . . . . . . . 9799 B Stücklen (CDU/CSU) 9804 B Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 9814 D Borm (FDP) . . . . . . . . 9815 C Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU/CSU) 9820 B Fragestunde (Drucksache V1/3165) Frage des Abg. Dr. Böhme (CDU/CSU) : Immobilienfonds der Landeszentralbank Nordrhein-Westfalen Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär 9771 B, C, D Dr. Böhme (CDU/CSU) . . . 9771 B, C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Verfahren und Methoden zur Preiserhebung Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9771 D, 9772 B, C Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9772 B, C Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Miete eines bundeseigenen Hauses in Köln durch Bundesminister Schiller Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9772 C, D, 9773 A Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 9772 C, D Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) 9773 A Frage des Abg. Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in den ostbayerischen Landkreisen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9773 B, C, D Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . . . 9773 C, D Fragen des Abg. Kiechle (CDU/CSU): Beseitigung der zehnjährigen Grundsteuerfreiheit der Zweitwohnungen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9774 A, C, D Kiechle (CDU/CSU) 9774 C Frage des Abg. Dichgans (CDU/CSU) : Anerkennung von Ausgaben für den Erwerb von Kunstwerken als steuerlich abzugsfähige Spenden Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9774 D, 9775 A, B Dichgans (CDU/CSU) 9775 A, B Frage des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) : Freigabe des Militärhospitals der französischen Garnison in Tübingen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9775 C, D, 9776 A Pfeifer (CDU/CSU) 9775 D Maucher (CDU/CSU) 9776 A Frau Funcke, Vizepräsident . . . 9776 B Fragen des Abg. Härzschel (CDU/CSU) : Situation der Rentner in Alters- und Pflegeheimen Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9776 C, D, 9777 A, B Härzschel (CDU/CSU) . 9776 C, D, 9777 B Fragen des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) : Finanzierung der Krankenhausversorgung bis 1975 Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . 9777 C, D, 9778 B, C, D, 9779 A Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein (CDU/CSU) . 9778 A, B, C Dr. Fuchs (CDU/CSU) 9778 D Frage des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Studie über den Einfluß von Gewalttätigkeit und Brutalität im Fernsehen auf Straßenspiele der Kinder Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9779 A, B, C Rollmann (CDU/CSU) 9779 B Hansen (SPD) 9779 C Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) : Erhöhung der finanziellen Leistungen für das Deutsch-Französische Jugendwerk Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . 9779 C, D, 9780 A, B, C Baier (CDU/CSU) . . . 9779 D, 9780 A Rollmann (CDU/CSU) 9780 B Dr. Fuchs (CDU/CSU) 9780 C Fragen des Abg. Reddemann (CDU/CSU) : Zeugnisverweigerungsrecht der Redakteure Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9780 D, 9781 A, B, C Reddemann (CDU/CSU) . . . . 9781 B, C Frage des Abg. Walkhoff (SPD) : Umgehung des Verbots der Aufhebung von Mietverhältnissen durch Abbruch der Mietwohnungen und Neubau von Eigentumswohnungen Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 9781 D, 9782 A Walkhoff (SPD) . . . . . . . . 9782 A Frage der Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Inanspruchnahme der Krebsvorsorgeuntersuchung der Krankenkassen — Erfahrungen hinsichtlich ausreichender Fachärzte und Laboreinrichtungen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9782 B, D, 9783 A Frau Lauterbach (SPD) . 9782 C, 9783 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 III Fragen des Abg. Maucher (CDU/CSU) : Rehabilitationszentrum für erwachsene Hirngeschädigte Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9783 B, C, D, 9784 A Maucher (CDU/CSU) . 9783 C, D, 9784 A Frage des Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Prämienzahlungen für nicht benutzte Krankenscheine Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 9784 A Nächste Sitzung 9826 A Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 9827 A Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) . . . . . . . . 9827 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Breidbach (CDU/CSU) betr. Lage der westdeutschen Alluminiumindustrie 9827 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) betr. Abschluß eines Abkommens über den Welthandel mit Textilien 9828 C Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Funcke (FDP) betr. Steuerfreiheit für Fehlgeldentschädigung von Omnibusfahrern im Liniendienst . . 9828 D Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Ahrens (SPD) betr. beispielgebende Wirkung des Gesetzes über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken auf Bundesländer und Gemeinden . . . . . . . . . 9829 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Krockert (SPD) betr. Verwendung von thailändischem Tiefentorf und Island-Moos bei der Herstellung von Tabakerzeugnissen . . . . . . . . 9829 B Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schlaga (SPD) betr. Erfassung der von Selbstdrehern hergestellten Zigaretten im Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes . . . . . . . . . 9829 D Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Sperling (SPD) betr. steuerliche Begünstigung der Zigaretten, Zigarren und Rauchtabake, die aus anderen Stoffen als Tabak bestehen . . . 9829 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Löffler (SPD) betr. Erhöhung des von den Mineralölfirmen dem Tankstellengewerbe gewährten Bonus 9830 A Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Dr. Orth (SPD) betr. unterschiedliche Handhabung des Mehrwertsteuerzuschlags für landwirtschaftliche Veredlungserzeugnisse . . . 9830 C Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Peiter (SPD) betr. Benachteiligung der pflichtversicherten Handwerker und der freiwillig Versicherten in der ehemaligen französischen Zone durch § 32 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes . . . 9831 A Anlage 13 Zusätzliche Schriftliche Antwort auf die Frage des Abg. Dr. Götz (CDU/CSU) betr. Pensionierung von Beamten auf Lebenszeit mit dem vollendeten 62. Lebensjahr und Höhe der Pensionslast 9831 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9737 171. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Bals *** 25. 2. Bredl 4. 3. Breidbach 23. 2. Dasch 3. 3. Frau Dr. Diemer-Nicolaus *** 26. 2. Dr. Dittrich 25. 2. Draeger *** 25. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 4. 3. Frau Dr. Henze 18. 3. Kahn-Ackermann *** 26. 2. Kriedemann * 23. 2. Lautenschlager * 24. 2. Lenze (Attendorn) *** 25. 2. Lücker (München) * 24. 2. Memmel * 25. 2. Mertes 25. 2. Müller (Remscheid) 25. 2. Pöhler *** 25. 2. Richarts 25. 2. Rinderspacher *** 25. 2. Dr. Schober 23. 2. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 25. 2. Dr. Seume 25. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, 9. Februar 1972 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 376. Sitzung am 9. Februar 1972 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 26. Januar 1972 verabschiedeten Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) gemäß Artikel 84 Abs. 1, 104 a Abs. 4 und 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat die aus der Anlage ersichtliche Entschließung angenommen. Heinz Kühn Anlagen zum Stenographischen Bericht Bonn, den 9. Februar 1972 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 28. Januar 1972 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Heinz Kühn Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 9. Februar 1972 an den Bundeskanzler Entschließung zum Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, daß durch nationale Maßnahmen von EWG-Mitgliedstaaten den deutschen Seehäfen Wettbewerbsnachteile erwachsen, und vermag kein Verständnis dafür aufzubringen, daß durch das vorliegende Gesetz die Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der deutschen Seehäfen noch weiter verschärft werden. Der Bundesrat nimmt Bezug darauf, daß der zuständige Bundesminister für Verkehr den deutschen Seehäfen nationale Maßnahmen zum Ausgleich der Wettbewerbsverzerrungen in Aussicht gestellt hat, wenn die wettbewerbsnachteiligen Maßnahmen der in Frage kommenden EWG-Mitgliedstaaten nicht abgebaut werden. Unter Bezug hierauf bittet der Bundesrat die Bundesregierung, 1. im Rahmen der EWG mit Nachdruck darauf hinzuwirken, daß eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen im Bereich des Verkehrswesens herbeigeführt wird, 2. im Zuge dieser Bemühungen alle Möglichkeiten auszunutzen, um durch nationale Maßnahmen schwere Schäden von der deutschen Verkehrswirtschaft abzuwenden. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Breidbach (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 60 und 61): Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage der westdeutschen Aluminiumindustrie? Welche Prognose für den Aluminiumverbrauch pro Einwohner kann für die nächsten Jahre abgegeben werden? 9828 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Die westdeutsche Aluminiumindustrie befindet sich gegenwärtig in einer recht ernsten Lage, die in erster Linie aus einer internationalen Überproduktion und einem entsprechenden Preisverfall resultiert. Auch in der Bundesrepublik sind in den letzten Jahren wegen der Verfügbarkeit billigeren Kernkraftstroms und im Vertrauen auf einen weiteren kräftigen Nachfrageanstieg neue Aluminiumkapazitäten entstanden. Die Hüttenproduktion stieg dadurch im abgelaufenen Jahr um 38 %auf 427 000 t, von denen ein Teil unabsetzbar blieb. Bei den Aluminiumlegierungen belief sich der Produktionsanstieg auf 6 % Da auch in der westlichen Welt insgesamt die Aluminiumnachfrage — wie schon 1970 — unter der Weltproduktion blieb, fielen im internationalen Handel die Preise unter die Gestehungskosten der meisten Produzenten, so daß gegenwärtig wenigstens die deutsche Produktion ein Verlustgeschäft geworden ist. Trotz des Kampfes um die Marktanteile sind 87 000 t im Frühjahr 1971 fertiggestellte Kapazitäten nicht in Betrieb genommen worden. Im Januar d. J. wurden weitere 33 000 t Kapazitäten älterer Werke abgeschaltet. Ungeachtet der großen gegenwärtigen Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung — wie auch die Aluminiumwirtschaft — die Aluminiumindustrie mittel- bis langfristig als ausgesprochene Wachstumsindustrie an. Das temporäre Überangebot sollte, wofür international auf breiter Front plädiert wird, durch geringere Kapazitätsausnutzungen überwunden werden können. Verbauchsprognosen für einzelne Jahre unterliegen großen Fehlermöglichkeiten, wie aus folgender Übersicht über die letzten Jahre hervorgeht: Aluminiumverbrauch je Kopf in der Bundesrepublik Deutschland in kg 1965 8,9 1966 9,4 1967 9,0 1968 11,4 1969 13,5 1970 13,5 1971 13,6 Auf einen 50%igen Anstieg zwischen 1967 und 1969 folgte eine über zwei Jahre gehende Stagnation. Bislang ist der Aluminiumverbrauch mittelfristig doppelt so stark gestiegen wie das Sozialprodukt. Das mag für die nächsten 5 bis 6 Jahre, gestützt durch Überlegungen über den Verbrauch in einzelnen Fachrichtungen, noch zutreffen. Danach ist eine leichte Abflachung denkbar. Man kann deshalb bis 1976 mit einem Verbrauchsanstieg je Kopf von 7,5 bis 8 % in der Bundesrepublik Deutschland rechnen. Für das Endjahr ergäbe das einen Verbrauch in der Bundesrepublik Deutschland von 1,2 Millionen t, je Kopf von 18,0 kg. Die USA hatten 1969 einen je Kopf-Verbrauch von 22,4 und 1970 von 20,9 kg. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/ CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 62) : Ist die Bundesregierung bereit, das Petitum des Verbandes der Europäischen Bekleidungsindustrie an das Generalsekretariat des GATT über den baldigen Abschluß eines Abkommens über den Welthandel mit Textilien zu unterstützen? Für Baumwolltextilien besteht bekanntlich bereits eine multilaterale Vereinbarung im Rahmen des GATT (Weltbaumwoliwarenabkommen). Was den Abschluß eines dem Weltbaumwollwarenabkommens analogen Abkommens für Non-Cotton-Textil- und Bekleidungserzeugnisse anbetrifft, wie es bereits 1969 von den USA vorgeschlagen wurde, so hat die Bundesrepublik — ebenso wie auch andere Länder — hiergegen Bedenken geäußert, weil sie in einer derart umfassenden Handelsbeschränkung ein gefährliches Präjudiz auch für andere Sektoren befürchtet, das schließlich zu einer Bedrohung des gesamten freien Welthandels führen könnte. In jedem Falle sollte daher nach Auffassung der Bundesregierung vor einer weltweiten Regelung für Non-Cotton-Textil- und Bekleidungserzeugnisse zunächst eine genaue Durchleuchtung der Handels- und wirtschaftspolitischen Situation dieses Sektors erfolgen. Die Bundesregierung hat sich deshalb vor längerer Zeit im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, die für derartige handelspolitische Arrangements zuständig wäre, für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim GATT ausgesprochen, welche die bestehenden Probleme untersuchen soll. Die EG hat ihre Bereitschaft hierzu schon anläßlich der Zusammenkunft der Vertreter der wichtigsten Welthandelsländer im Sommer 1970 und erneut im Frühjahr 1971 in Genf zum Ausdruck gebracht. Wegen des Widerstandes oder mangelnden Interesses anderer Welthandelsländer ist diese Arbeitsgruppe jedoch bisher nicht eingesetzt worden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksache VI/3165 Frage A 65) : Ist die Bundesregierung bereit, den Omnibusfahrern im Liniendienst, die neben dem Führen des Fahrzeugs den Kassendienst versehen und für die unter Berücksichtigung des Fahrgastandrangs, der Verkehrsbehinderung beim Halten und der Verpflichtung, den Fahrplan einzuhalten, die Gefahr von Kassenfehlbeträgen besonders groß ist, auch wenn der Gesamtumsatz beim Kassieren von Kleinbeträgen relativ gering ist, im gleichen Umfang Steuerfreiheit für Fehlgeldentschädigung zu gewähren wie den Arbeitnehmern, die der Regelung von Abschnitt 2 Abs. 2 Buchstabe a der Lohnsteuerriditlinien unterliegen? Ich beantworte Ihre mündliche Anfrage mit „nein". Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9829 Der Bargeldumsatz der Omnibusfahrer im Liniendienst ist — verglichen mit anderem Kassendienst — normalerweise so gering, daß trotz des von Ihnen erwähnten größeren Verlustrisikos Steuerfreiheit für eine höhere Fehlgeldentschädigung nicht gerechtfertigt erscheint. Im übrigen hätte die Bundesregierung auch Bedenken, als Kriterium für die Höhe der steuerfreien Fehlgeldentschädigung neben dem Umfang des Bargeldumsatzes auch risikoerhöhende Umstände in Betracht zu ziehen. Hierfür ließen sich nur schwer allgemeingültige Abgrenzungsmerkmale finden. Das Problem besteht ja nicht nur bei Omnibusfahrern, sondern auch in anderen Berufen, wie z. B. bei Kassiererinnen in Lebensmittelgeschäften. Selbst bei Omnibusfahrern müßte man vielleicht unterscheiden zwischen Stadtverkehr und ruhigem Überlandverkehr. Ich möchte aber noch darauf hinweisen, daß Kassenverluste, die die Fehlgeldentschädigung übersteigen, als Werbungskosten geltend gemacht werden können, so daß den Busfahrern trotz der Begrenzung der steuerfreien Fehlgeldentschädigung auf 10 DM monatlich vielfach keine steuerlichen Nachteile entstehen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretär Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Ahrens (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 66 und 67) : Hat sich die Hoffnung der Bundesregierung auf eine beispielgebende Wirkung des Gesetzes über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken auf die Bundesländer und Gemeinden erfüllt? In welchen Bundesländern sind entsprechende Gesetze erlassen worden oder in Vorbereitung? Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung zu einem Bericht über die von Ihnen gestellten Fragen aufgefordert. Die dazu notwendigen Stellungnahmen der Bundesländer und Gemeinden habe ich zum 1. März d. J. erbeten. Bislang hat sich nur ein Teil der angeschriebenen Stellen geäußert. Eine Beantwortung Ihrer Fragen ist daher zur Zeit noch nicht möglich. Sobald mir alle Stellungnahmen vorliegen, werde ich den Bericht an den Haushaltsausschuß erstatten und Ihnen eine Durchschrift des Berichts übersenden. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Krockert (SPD) (Drucksache 171/3165 Frage A 68) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die noch nicht bekannten, möglicherweise gesundheitsgefährdenden Wirkungen derjenigen Tabakwaren (im Sinne des § 2 Abs. 6 des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes in Drucksache VI/3048), wie zum Beispiel des unter Sachkundigen bekannten thailändischen Tiefentorfs oder des Island-Mooses, zu erforschen und bekanntzumachen, und hält es die Bundesregierung nicht für angebracht, diejenigen Tabakwaren, die nicht aus Tabak bestehen (§ 2 Abs. 6 des o. a. Entwurfs), steuerlich stärker zu belasten, um auf diese Weise der weiteren Verbreitung dieser möglicherweise die gesundheitsgefährdende Wirkung des Nikotins übertreffenden Stoffe vorzubeugen? Thailändischer Tiefentorf und Island-Moos werden in der Bundesrepublik bei der Herstellung von Tabakerzeugnissen nicht verwendet. Es gibt auch keinen Grund zu der Annahme, daß die deutsche Tabakindustrie künftig Torf und Moos verarbeiten wird. Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlaß, Forschungen über etwaige schädliche Wirkungen dieser Stoffe anzustellen. Die Frage, ob zum Rauchen bestimmte Erzeugnisse, die nicht aus Tabak bestehen, steuerlich stärker belastet werden sollen, hat sich bisher nicht gestellt, weil es solche Erzeugnisse zur Zeit auf dem deutschen Markt nicht gibt. Die Bestimmung des § 2 Abs. 6 ist bereits vor einiger Zeit in das Tabaksteuergesetz aufgenommen worden, um Substitutionsprodukte, wie z. B. Zigaretten mit synthetischem Inhalt — an entsprechenden Versuchen wird im Ausland gearbeitet — ggf. ebenso besteuern zu können wie die ersetzten Naturprodukte. Für eine Erhöhung ides Steuersatzes für Substitutionsprodukte sieht die Bundesregierung unter den gegebenen Umständen z. Z. keinen Anlaß. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schlaga (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 69) : Ist die Bundesregierung bereit, auch solche Zigaretten als Zigaretten im Sinne des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache VI/3048; dort § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 3) zu erfassen, die von sogenannten „Selbstdrehern" unter Mißachtung der im § 2 Abs. 1 Nr. 2 geforderten Parallelität der Naht der Tabakfolie zur Längsachse des nicht aus Feinschnitt bestehenden Tabakstrangs hergestellt wurden, auch wenn sie ansonsten die Auflagen nach Stück gewicht und Hüllenmaterial beachten? Die in der Frage angeführten Bestimmungen des Tabaksteuergesetzes haben mit dem sog. Selbstdrehen von Zigaretten nichts zu tun. Sie dienen der begrifflichen Abgrenzung der Zigarette von der Zigarre. Im übrigen brauchen selbstgedrehte Zigaretten nicht versteuert zu werden, weil sie aus versteuertem Feinschnitt und versteuerten Zigarettenhüllen bestehen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des 9830 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 70) : Halt es die Bundesregierung — ins Sinne der durch das Bundesministerium für Familie, Jugend und Gesundheit angeregten und geführten Kampagne gegen das durch Nikotin und andere Stoffe gesundheitsgefährdende Rauchen von Tabakwaren und insbesondere von Zigaretten — nicht für sinnvoll, eine steuerliche Bevorzugung derjenigen Zigaretten, Zigarren und Rauchtabake im Sinne der Definition des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache VI/2899 in der Fassung der Beschlüsse des Finanzausschusses in Drucksache VI/3048; dort § 2 Abs. 1 bis 5) zu erwägen, soweit diese entsprechend § 2 Abs. 6 des gleichen Entwurfs ganz aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, und ist die Bundesregierung bereit, den Abgeordneten des Bundestages eine Zusammenstellung derjenigen Tabakwaren zukommen zu lassen, die nicht aus Tabak bestehen (§ 2 Abs. 6 des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes in Drucksache VI/3048)? Der Forschung ist es bis heute nicht gelungen, einen Ersatzstoff für Tabak zu finden, der nicht schädlich ist. Es gibt daher keinen Anlaß, die Frage einer steuerlichen Bevorzugung solcher Erzeugnisse zu prüfen. Zigaretten, Zigarren und Rauchtabak aus anderen Stoffen als Tabak sind zur Zeit nicht auf dem deutschen Markt. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Löffler (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 71 und 72) : Glaubt die Bundesregierung, daß das von den Mineralölfirmen an das Tankstellengewerbe gerichtete Angebot, nach dem sich der Bonus pro Liter lediglich um 0,2 Pf bei Normalbenzin und um 0,8 Pf bei Super erhöhen soll, den steigenden Kosten im Tankstellengewerbe gerecht wird? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, während der z. Z. laufenden Verhandlungen über Konditionsverbesserungen auf die Mineralölfirmen dahin gehend einzuwirken, daß diese dem Tankstellengewerbe einen Bonus gewähren, der die selbständige wirtschaftliche Basis dieses Gewerbes sichert? Die Bundesregierung verfügt über keine repräsentativen Unterlagen, die eine Beurteilung der Kostensituation des Tankstellengewerbes und der Angemessenheit der Provisionsvorschläge der Mineralölgesellschaften zuließen. Bei der Wertung der gegenwärtig zwischen den Mineralölgesellschaften und den Tankstellenverbänden geführten Verhandlungen glaubt die Bundesregierung, angesichts der wechselseitigen Interessenverflechtung beider Wirtschaftsgruppen davon ausgehen zu können, daß ein für beide Seiten befriedigendes Ergebnis ausgehandelt werden kann. Dabei müssen sich zwangsläufig die Mineralölgesellschaften von dem Interesse leiten lassen, ein funktions- und leistungsfähiges Tankstellengewerbe für den Absatz ihrer Produkte zur Verfügung zu haben. Die nachhaltigen Anstrengungen in dieser Richtung kommen unter anderem darin zum Ausdruck, daß der durchschnittliche Kraftstoffabsatz je Tankstelle von 33 500 Litern im Jahre 1970 auf rd. 42 500 Liter zu Anfang des Jahres 1972 gestiegen ist. Damit sind auch die Provisionseinkommen der Tankstelleninhaber gestiegen. Der darin deutlich werdende Rationalisierungseffekt ist nicht zuletzt durch eine Konzentrierung des Absatzes auf modernere und leistungsfähigere Anlagen erreicht worden. Nach Auffassung der Bundesregierung können in der in der Bundesrepublik bestehenden Wirtschaftsordnung die unterschiedlichen Interessen von Mineralölgesellschaften und Tankstellengewerbe am ehesten und am besten durch unmittelbare Verhandlungen zwischen beiden Wirtschaftsgruppen ausgeglichen werden, wie das auch in der Vergangenheit der Fall war. Das schließt nicht die Bereitschaft der Bundesregierung zu vermittelnden Gesprächen aus. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die wiederholten Gespräche im BMWF, durch die in der Vergangenheit das Zustandekommen einvernehmlicher Regelungen zwischen beiden Wirtschaftsgruppen gefördert worden ist. Bei diesen Gesprächen hat sich das BMWF davon leiten lassen, — die Rationalisierungsbemühungen beider Parteien zu unterstützen, — die sozialen Anliegen des Tankstellengewerbes gewahrt zu sehen, — die Interessen der Verbraucher an einer preisgünstigen Versorgung zur Geltung zu bringen. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Orth (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 73 und 74): Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Mehrwertsteuerzuschlag für landwirtschaftliche Veredlungserzeugnisse unterschiedlich gehandhabt wird, indem einmal der Bruttoerlös von allen Kosten bereinigt wird und dann erst der Mehrwertsteuerzuschlag erfolgt, während ein anderes Mal die Mehrwertsteuer dem Bruttoerlös zugeschlagen wird und dann erst die Kosten abgezogen werden? Sieht es die Bundesregierung nicht für erforderlich an, daß, uni Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, hier nach einheitlichen Regelungen verfahren werden müßte? Der Bundesregierung .ist bekannt, daß die Verrechnung von Aufwendungen, deren Erstattung der Abnehmer landwirtschaftlicher Erzeugnisse vom Lieferer verlangen kann, unterschiedlich gehandhabt wird. Diese Unterschiede sind jedoch sachlich gerechtfertigt. Sind die Aufwendungen durch Zahlungen entstanden, die der Abnehmer für eigene Rechnung — d. h. auf Grund eigener Verpflichtung — an Dritte geleistet hat, so mindert die Erstattung das Entgelt für die Lieferung. Die Verrechnung kann daher vor Berechnung der Umsatzsteuer vorgenommen werden. Bei nachträglicher Erstattung muß der Erstattungsbetrag in eine Minderung des Entgelts und eine anteilige Minderung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer aufgeteilt werden. Dagegen gehören Zahlungen, die der Abnehmer für Rechnung des Lieferers leistet — durch die er also den Lieferer von einer Verpflichtung gegenüber Dritten befreit — zum Entgelt für die Lieferung. Die Erstattung derartiger Zahlungen ist nur durch Verrechnung mit dem Preis der Lieferung, d. h. nur nach Berechnung der Umsatzsteuer zulässig. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9831 Die Bundesregierung hält es für erforderlich, daß nach den eben dargelegten Grundsätzen verfahren wird. Soweit ihr bekanntgeworden ist, daß sachlich nicht gerechtfertigte, sondern auf uneinheitlicher Rechtsanwendung beruhende Unterschiede gemacht worden sind, hat sie bereits im Einvernehmen mit den Obersten Finanzbehörden der Länder für eine einheitliche Regelung gesorgt, wie z. B. bei den Beiträgen zum Absatzfonds oder der Produktionsabgabe Zucker. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache VI/ 3165 Fragen 82 und 83) : Ist die Bundesregierung bereit, nunmehr die Gesetzeslücke zu schließen, die dadurch entstanden ist, daß in § 32 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes 1957 für die pflichtversicherten Handwerker und freiwillig Versicherten in der damaligen französischen Zone die gleichen Werteinheiten festgelegt wurden wie für die Versicherten in der ehemaligen englischen und amerikanischen Zone, obwohl der oben genannte Personenkreis im Markenverfahren in der Zeit vom 1. Juni 1946 bis 31. Oktober 1949 auf Grund der Verordnung Nr. 38 des Oberbefehlshabers der französischen Besatzungszone erheblich höhere Beiträge geleistet hat? Ist der Bundesregierung bekannt, daß von dieser Benachteiligung etwa 25 000 Personen aus der damaligen französischen Zone betroffen sind? Der von Ihnen genannte Sachverhalt geht auf die geltende Rentenformel zurück. Danach werden der Rentenberechnung die versicherten Bruttoarbeitsentgelte oder Bruttoarbeitseinkommen zugrunde gelegt, und zwar gleichermaßen in der Pflichtversicherung wie auch in der freiwilligen Weiterversicherung. Hierbei werden die versicherten Bruttoarbeitsentgelte und Bruttoarbeitseinkommen für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik einheitlich bewertet. Diese grundlegende Regelung wirkt sich nicht allein auf den von Ihnen angesprochenen Personenkreis aus. Beispielsweise war der Beitragssatz in der Vergangenheit sowohl im zeitlichen Ablauf als auch teilweise in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten unterschiedlich hoch. Auch diese Sachverhalte bleiben bei der Berechnung der durch die geltende Rentenformel begründeten lohnbezogenen Rente unberücksichtigt. Zu Ihrer zweiten Frage darf ich noch ergänzend mitteilen, daß genaue Zahlen unserem Hause nicht vorliegen. Der Beitragssatz galt seinerzeit nicht nur für die pflichtversicherten Handwerker und für die freiwillig Versicherten, sondern für alle Versicherten. Anlage 13 Zusätzliche Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 16. Februar 1972 auf die Frage des Abgeordneten Dr. Götz (CDU/ CSU) *) Im Schlußabsatz meiner schriftlichen Antwort auf ihre Fragen habe ich zugesagt, daß ich mich bemühen werde, Zahlen für die Bereiche zu ermitteln, in denen statistisch aufgeschlüsselte Unterlagen vorhanden sind. Nach meinen Feststellungen sind solche Zahlenangaben zu einem Teil für die Bereiche Deutsche Bundesbahn und Deutsche Bundespost vorhanden. Der anliegenden Übersicht**) ist zu entnehmen, wieviel Beamte innerhalb der vorgenannten Bereiche in den Kalenderjahren 1962 bis 1971 nach Vollendung des 62. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden sind und welche Erhöhung der Versorgungslasten sich dadurch in den entsprechenden Kalenderjahren ergibt. Ergänzend bemerke ich, daß im Bereich der Deutschen Bundesbahn nach einer im Jahre 1967 durchgeführten Repräsentativerhebung rund 55 v. H. der auf eigenen Antrag nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten nicht mehr dienstfähig gewesen sind. Im Bereich der Deutschen Bundespost sind in den Jahren 1962, 1968, 1969 und 1971 keine statistischen Erhebungen angestellt worden. Außerdem konnte die Erhöhung der Versorgungslasten mangels Unterlagen nur geschätzt werden. Insbesondere ist dabei nicht berücksichtigt worden, daß ein großer Teil der nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten bereits dauernd dienstunfähig war. Nach einer 1968 angestellten Erhebung betrug im Jahre 1967 der Anteil der nicht mehr dienstfähigen Beamten an der Gesamtzahl der nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten nur etwa 60 bis 70 v. H. *) Siehe 154. Sitzung Seite 8903 A **) Übersicht über Ruhestandsversetzungen nach § 42 Abs. 3 BBG Bereich der Bereich der Deutschen Deutschen Bundesbahn Bundespost Jahr Zahl der Versorgungsaufwand im Zahl der Versorgungsaufwand im Ruhestandsversetzungen Jahr der Ruhestands- Jahr der Ruhestandsversetzung versetzungen Ruhestandsversetzung in Millionen i in Millionen DM DM 1962 529 3,11 1) — - 1963 532 3,44 1 356 7,4 1964 623 4,14 1 316 7,5 1965 593 4,35 1 263 7,7 1966 472 3,79 1 065 6,8 1967 413 3,35 1 060 7,1 1968 353 3,16 1) — — 1969 454 4,18 1) — - 1970 518 5,38 1 053 10,4 1971 645 10,21 1) — — 1) Es sind keine statistische Erhebungen erstellt worden.
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    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt wieder einige Kollegen, die der Meinung sind, es sei besser, Gegenargumente nicht zu hören, damit ihre vorgefaßte Meinung nicht erschüttert wird.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rawe: Da muß schon einer kommen, der Argumente hat!)

    Meine Damen und Herren! Herr Kollege Barzel hat eben davon gesprochen, die Opposition kämpfe für ihre Überzeugung. Das ist nicht nur ihr gutes Recht, das ist nicht nur ihre Pflicht, sondern wir geben ihr in der Verfahrensweise dieser Debatte auch jede Möglichkeit dazu. Ich wäre sehr froh gewesen, wenn es während unserer Oppositionszeit immer so selbstverständlich gewesen wäre, daß der Opposition — wie wir das heute Ihnen gegenüber getan haben — jedesmal die Antwortchance gegeben wurde.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Barzel, Sie haben eben noch einmal die Notwendigkeit der Gemeinsamkeit beschworen. Wir geben Ihnen recht, daß es gut wäre, wenn wir hier wirklich gemeinsam die gemeinsamen Fragen behandeln könnten. Sie haben heute vormittag so in etwa die Behauptung aufgestellt, in dem Brief, den der Außenminister an die Fraktionsvorsitzenden gerichtet hat, Vertreter für die Teilnahme an den Verhandlungen in Moskau zu benennen, wäre so eine Art unterschwelliger Absage enthalten gewesen. Das ist nicht der Fall.

    (Zuruf des Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Nicht unterschwellig, das war genau zu lesen!)

    — Das steht weder genau darin noch unterschwellig, denn den gleichen Brief, den Sie, Herr Kollege Barzel, erhalten haben, haben der Kollege Wehner und ich erhalten. Allerdings steht ein Satz darin, der deutlich sagt, daß die Bundesregierung nicht davon ausgeht, daß eine Teilnahme der Opposition für sie etwa bedeute, damit auch verpflichtet zu sein, die Ergebnisse mittragen zu müssen. Das scheint mir eine sehr faire Art gewesen zu sein, das deutlich zu machen.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : In den letzten drei Minuten!)

    — Nicht in den letzten drei Minuten; das war bereits im Juli.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern].)

    Herr Kollege Dr. Barzel, wenn Sie hier wieder davon sprechen, die gemeinsame Grundlage sei von Ihnen angeboten worden, kann ich nur sagen: wenn wir die Maßstäbe für die Voraussetzungen für eine gemeinsame Arbeit anwendeten, die ein Kollege von Ihnen dafür gesetzt hat, sähe das ganz anders aus. Er schrieb:
    In allen funktionierenden Demokratien der Erde gibt es eine parlamentarische Diskussion über die Wege der Außenpolitik. Sie wird hier schärfer und dort weniger erbittert geführt. Die Opposition sollte aber dabei niemals so weit gehen, der legitimen Vertretung ihrer Regierung bei der Vertretung ihrer Politik gegenüber anderen Mächten in den Arm zu fallen oder sie gar zu verdächtigen, in Wahrheit das Gegenteil von dem zu wollen, was sie erklärt, denn nach dem Grundgesetz ist der Kanzler der Vollstrekker der deutschen Politik. Alles Gerede über eine gemeinsame Außenpolitik bleibt daher so lange leer und unglaubwürdig, wie die Opposition dem ersten Bevollmächtigten der deutschen Demokratie das persönliche Vertrauen verweigert.
    So schrieb in der „Politischen Meinung" in Heft 5 im Jahre 1960 Herr Kollege von Guttenberg.

    (Abg. Dorn: Hört! Hört!)

    Wenn wir diese Maßstäbe zur Voraussetzung der Gemeinsamkeit gemacht hätten, wäre es überhaupt nicht zu einem Angebot gekommen.
    Wir gehen davon aus, daß Sie eigene Vorstellungen haben. Wenn Sie aber, Herr Kollege Barzel, immer davon sprechen, wir hofften jetzt, daß etwas



    Mischnick
    kommt, nachdem alles weggegeben sei, dann ist genau diese Formulierung „alles weggegeben sei" das Gegenteil von dem, was sie selbst für diese Debatte gefordert haben, nämlich eine faire Diskussion zu führen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Barzel, Sie haben sich eben darüber beklagt, daß so viele ausländische Stimmen herangezogen würden, um die Richtigkeit unserer Politik zu unterstreichen oder um zu beweisen, daß wir in Übereinstimmung mit unseren Verbündeten sind. Das wäre doch gar nicht notwendig, wenn Sie nicht ständig hier und draußen im Lande die falsche Behauptung aufstellten, die europäische Politik, der Zusammenhalt im Bündnis würde durch die Verträge gefährdet. Das ist doch Ihre Behauptung, nicht unsere Behauptung.
    Wenn Sie eben davon sprachen, da sei falsch aus einem Kommuniqué zitiert worden oder das sei nicht enthalten, so möchte ich Ihnen einige Zitate aus der Rede des amerikanischen Präsidenten Nixon vortragen. Ich füge hinzu, die Übersetzung erfolgte durch den „Amerika-Dienst" der US-Botschaft, damit Sie nicht etwa wieder bezweifeln, ob das authentisch sei. Es sind Zitate gerade zu der Frage, wieweit die europäische Politik, wieweit das Bündnis gefestigt oder gefährdet sei. Präsident Nixon hat in seiner Erklärung im Januar 1972 zur Lage der Welt unter anderem gesagt:
    Die Einigung Westeuropas machte einen großen Fortschritt, als im vorigen Jahr die entscheidenden Schritte in Richtung auf eine Mitgliedschaft Großbritanniens, Irlands, Dänemarks und Norwegens in der Europäischen Gemeinschaft getan wurden.
    Mit den Verträgen und nicht gegen die Verträge ist das erreicht worden.
    Er sagte ferner:
    Unsere Verbündeten verstärkten ihren Truppenbeitrag zur gemeinsamen Verteidigung.
    Er fügte hinzu:
    Die Vier Mächte erzielten ein Abkommen über Berlin, das die ständigen Krisen der Nachkriegszeit bezüglich dieser Stadt beenden und die Situation der tapferen Bevölkerung West-Berlins auf konkrete Weise verbessern soll.
    Wenn der amerikanische Präsident das betont, sind doch Ihre Zweifel, daß das Bündnis gefährdet ist, wirklich völlig aus der Luft gegriffen. Sie haben keine anderen Argumente mehr gegen die Verträger und flüchten sich jetzt in Behauptungen, die Sie nicht beweisen können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Apel: Genauso ist es!)

    Natürlich werden in dieser Debatte, in der wir die Ostverträge diskutieren, Weichen für die Zukunft gestellt werden. Dies ist eine Stunde, in der vorentschieden wird, ob diese Bundesrepublik Deutschland im Fluß des weltpolitischen Geschehens mit eigenem, selbstsicherem und kraftvollem Handeln mitwirkt, ob diese Bundesrepublik Deutschland in der Lage ist, die Möglichkeiten, die ihr noch gegeben sind, zum Nutzen der Menschen in Deutschland und auch zur Sicherung des Friedens in Europa zu ergreifen. Es geht um mehr als um die Gewinnung des einen oder des anderen taktischen parteipolitischen Vorteils. Es geht — ich sage das bewußt so, nicht etwa, um pathetisch zu werden — um ganz Deutschland in dieser Frage. Ich wähle diesen Gesamtbegriff, weil eben zur Debatte steht: Wie steht ganz Deutschland, wie stehen die beiden deutschen Staaten zu dieser Entspannungspolitik in der Zukunft?
    Gleichzeitig steht die Frage vor uns: Können wir, wollen wir die Chance nutzen — ich meine, wir müssen es tun —, bewußt etwas zur Wahrung der deutschen Nation zu tun, und zwar dadurch, daß wir unseren Beitrag dazu leisten, die Klammer um Berlin jetzt auch vertragsmäßig festzulegen und zu verstärken, um ein Klima zu schaffen, das die Verhandlungen, die Gespräche zwischen den beiden Staaten in Deutschland möglich macht und fördert? Nur so lassen sich doch auf die Dauer sinnvolle Ergebnisse erzielen. Nur auf diesem Wege, nur auf dem Weg über Verhandlungen und Verträge können wir doch die Erleichterungen für die Menschen in Deutschland ermöglichen. Nur so kommen sich die Menschen in Deutschland wieder näher, bleiben die Bindungen und Verbindungen bestehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles formelle Bestehen auf vertraglichen Vereinbarungen nützt uns in dem Augenblick nichts mehr, da die Entfremdung zwischen den Menschen so weit fortgeschritten ist, daß sie gar nicht mehr verstehen, was ein ganzes Deutschland sein kann. Deshalb ist es notwendig, diesen freilich mühsamen Prozeß in Gang zu bringen und nach dem jahrelangen passiven Verharren, das uns keinen Schritt weitergebracht hat, aktiv zu werden und mit den Verträgen, mit den Vereinbarungen eine allmähliche Verbesserung unserer Lage zu erreichen.
    Herr Kollege Barzel hat schon davon gesprochen, daß es nicht nur um das geht, was hier im Deutschen Bundestag und was im Bundesrat gesagt wird, sondern daß es auch um das geht, was — leider oft mit gespaltener Zunge — draußen im Land gesagt wird. Da wird die Behauptung aufgestellt, diese Politik, die wir, diese Koalition heute treiben, sei nicht eine kontinuierliche Fortsetzung dessen, was die Freien Demokraten früher einmal verlangt haben. Das Gegenteil ist der Fall. Tatsache ist doch — das möchte ich hier einmal in die Erinnerung zurückrufen —, daß Pfleiderer als damaliger Bundestagsabgeordneter hier von diesem Pult aus bereits in den Jahren 1952 bis 1954 davon sprach, daß die weißen Flecken auf der Landkarte verschwinden müßten, daß diplomatische Beziehungen mit osteuropäischen Ländern aufgenommen werden müßten. Und wie schwer hat man sich getan, diesen Schritt dann endlich zu tun!
    Ich denke an die harte und tagelange Debatte 1958 über die Frage: ja oder nein zur atomaren Bewaffnung? Ich denke daran, wie damals ein entsprechender Dissens zwischen Regierung und Oppositionsparteien SPD und FDP über die Frage war: gibt es einen sowjetischen Vorschlag, einen einzigen Frie-



    Mischnick
    densvertrag mit ganz Deutschland abzuschließen? Aus dem Aide-mémoire der Sowjetunion ging hervor, daß sie zu diesem Zeitpunkt noch bereit war, einen einzigen Friedensvertrag mit ganz Deutschland abzuschließen. Sie haben zu diesen Vorschlägen Nein gesagt.
    Oder denken Sie daran, daß 1963 — Kollege Wehner sprach schon davon — im damaligen Kabinett Adenauer der Gedanke diskutiert und ein entsprechender Beschluß gefaßt wurde, unter dem Dach der Vier Mächte, im Auftrag der Vier Mächte oder mit ihrer Duldung — wie es später hieß — paritätisch besetzte gesamtdeutsche Kommissionen einzurichten. Das stieß auf Widerstand in Ihren Reihen. Allerdings, heute — obwohl es schon im Kabinett Adenauer beschlossen wurde — wollen Sie plötzlich von diesen paritätisch besetzten Kommissionen nichts mehr wissen.
    Wir können mit Befriedigung feststellen, daß seit Beginn dieser Regierungskoalition, seit diese Bundesregierung im Amt ist, unsere Forderungen, die wir vor der Bundestagswahl 1969 aufgestellt haben, nämlich einen Vertrag zwischen den beiden deutschen Staaten zustande zu bringen, für Berlin eine vertragliche Regelung zu finden und einen Gewaltverzichtsvertrag zu erreichen, mit den vorliegenden Verträgen in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Wir stellen auch fest, daß unsere Forderung — auch hier ist die Kontinuität ebenfalls voll bewiesen —, daß europäische Lösungen an territorialen Fragen nicht scheitern dürfen, Eingang in die Vertragstexte gefunden hat.
    Nun hat der Kollege Kiesinger genauso wie andere aus der CDU/CSU-Fraktion davon gesprochen, die Verträge seien zu schnell ausgehandelt worden. Die tatsächliche Entwicklung sieht doch ganz anders aus. Vom Bundesaußenminister ist das nicht nur heute, sondern vielfach dargelegt worden. Ich möchte gerade Sie, die Kollegen von der CDU/CSU, an das Memorandum erinnern, das am 9. April 1968 von der damaligen Regierung dem sowjetischen Botschafter übergeben wurde. Darin waren folgende Punkte enthalten:
    Die Bundesrepublik Deutschland erhebt keine Gebietsansprüche gegen irgend jemand.
    Weite Schichten des deutschen Volkes begreifen heute besser als früher den Wunsch des polnischen Volkes, in gesicherten Grenzen zu leben.
    Die Grenzen eines wiedervereinigten Deutschland können nur in einer frei vereinbarten Regelung

    (Abg. Dr. Barzel: Das ist es!)

    mit einer gesamtdeutschen Regierung festgelegt werden.
    — In den Verträgen steht nichts anderes, Herr Kollege Barzel. —
    Das unter Androhung von Gewalt zustande gekommene Münchner Abkommen ist nicht mehr gültig.
    Und die Feststellung:
    Die Bundesrepublik Deutschland respektiert den gegenwärtigen Status von Berlin, die Rechte und Pflichten der Vier Mächte.
    Alle diese Argumente, die damals von Ihnen gemeinsam mit getragen worden sind, haben heute Eingang in die Verträge gefunden. Ich habe wenig Verständnis dafür, daß Sie jetzt plötzlich, weil Sie nicht an der Regierung beteiligt sind, diese Elemente nicht mehr wahrhaben wollen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Eines allerdings ist eine entscheidende Änderung: offensichtlich waren für Sie damals das alles nur verbale Ankündigungen, hinter denen nicht der Wille stand, das, was gesagt wurde, durch Verhandlungen auch in die Tat umzusetzen. Das unterscheidet uns ja gerade von Ihnen, daß wir das, was wir verkünden, jetzt auch in die Tat umsetzen.

    (Beifall bei der FDP und Abgeordneten der SPD.)

    In der Politik nützt es natürlich gar nichts auf die Dauer, wenn man, wie Sie es immer tun, richtige Prinzipien, über die wir gar nicht verschiedener Meinung sind, nur ständig wiederholt, sondern es gilt, praktische Konsequenzen daraus zu ziehen. Wenn wir das nicht getan hätten, wäre — darüber ist sich doch jeder, der die Situation nüchtern beurteilt, völlig im klaren — die Entwicklung in der Entspannnugspolitik längst über uns hinweggegangen.
    Herr Kollege Barzel, als Sie davon sprachen — ich zitiere wörtlich; Sie haben das heute wiederholt —: „Die DDR, wie sie ist, ist eine politische Realität", glaubte ich, das sei nun der gemeinsame Weg. — Wenn Sie in Zweifel sind, lesen Sie es in Ihrem Artikel vom 4. Januar 1972 im „DeutschlandUnion-Dienst" nach.

    (Abg. Dr. Barzel: Aber ,dort geht der Satz weiter, lieber Herr Mischnick!)

    — Natürlich. Ich sage ja: die Hoffnung — jetzt kommt nämlich leider die Enttäuschung —, ,daß wir nun auf einen gemeinsamen Weg wären. Wie so oft haben Sie zwar diesen Satz gesagt und geschrieben, aber leider daraus nicht die Konsequenzen in Ihrem praktischen Handeln gezogen.

    (Abg. Dr. Barzel: Aber der Satz geht doch weiter!)

    Das ist doch der entscheidende Punkt. Sie haben wieder einmal, wie so oft, Deklamation und nicht Handeln als das Wichtigere angesehen.
    Heute haben wir erneut in dieser Debatte gehört: Die Vertragsverhandlungen sind abgeschlossen, aber noch ist die Mauer nicht weg, noch ist der Schießbefehl nicht weg! Lieber Herr Kollege Barzel, in der Kritik an diesen Dingen überbieten Sie niemanden. Die Meinung darüber ist unter uns allen die gleiche. Nur eins: mit der Feststellung von 1961 bis 1969 „Die Mauer muß weg" sind wir keinen Schritt weitergekommen;

    (Beifall bei den Regierungsparteien)




    Mischnick
    mit den heutigen Vereinbarungen haben wir wenigstens Teilerleichterungen erreicht, und ich bin fest überzeugt: das ist der Anfang von den menschlichen Erleichterungen, die wir auf die Dauer durchsetzen werden.
    Hier ist mehrfach betont worden, daß in der Frage des Gewaltverzichts selbstverständlich in diesem Hause eine einhellige Meinung bestehe. Natürlich ist heute, 27 Jahre nach Kriegsende, das Bewußtsein des einzelnen über die verheerenden Wirkungen des Krieges, über die Menschenverluste, über die Zerstörung der Städte nicht mehr so voll präsent. Aber eins hat sich doch gezeigt, nämlich daß alle Verantwortlichen in dieser Welt die Frage der gewaltsamen Auseinandersetzung, der gewaltsamen Lösung von Konflikten politisch, moralisch und völkerrechtlich inzwischen anders beurteilen und bewerten, als das früher der Fall war. Hier ist doch ein großer Fortschritt erzielt worden. Die Erkenntnis ist gewachsen, daß Gewalt und Gewaltandrohung keine Mittel der Politik sein können, da sie nur zur Zerstörung einer Nation führen würden.
    Wenn man bereit ist, Gewaltverzichtsverträge abzuschließen, aber dabei sagt, man müsse sich an das alte deutsche Sprichwort erinnern, Vorsicht sei die Mutter der Porzellankiste, so ist das völlig richtig, nur darf man dann nicht davon ausgehen, ,daß diese Vorsicht nur für einen selbst gilt, sondern muß auch den Verhandlungs-Partnern bei ihren Überlegungen genauso zugestehen, berechtigte Interessen wahrzunehmen, und sie nehmen sie natürlich auch wahr. Wir sehen in dieser Vereinbarung, in diesen Gewaltverzichtsverträgen den Versuch, auf beiden Seiten gleichberechtigt und ausgewogen eine Grundlage dafür zu legen, daß in Zukunft Gewalt und Gewaltandrohung ausgeschlossen werden. Nur auf diesem Wege können wir doch überhaupt hoffen, mit unseren anderen Forderungen zur Deutschlandpolitik weiterzukommen.
    Der Kern des Vertrages mit der UdSSR sind — das ist hier angesprochen worden — die Artikel über den Gewaltverzicht und die Unverletzlichkeit der Grenzen. Die CDU/CSU hat mehrfach behauptet, dieser Vertrag — das ist heute noch nicht in die Debatte eingeführt worden, wird aber voraussichtlich noch eingeführt werden — widerspreche insbesondere dem Art. 3 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Westmächten abgeschlossenen Deutschlandvertrags. Diese Behauptung ist falsch.
    Richtig ist es, daß der deutsch-sowjetische Vertrag keine friedensvertragliche Regelung der deutschen Grenzen vorwegnimmt. Er bestätigt vielmehr die uneingeschränkte Gültigkeit früher abgeschlossener Verträge. Die Attacken, die dagegen geritten werden, sind alles Scheinattacken, denn Sie haben hier tatsächlich keinen Gegner vor sich. Der Vertrag enthält nicht das, was Sie behaupten. Außerdem ist durch den Überleitungssatz in Art. 2 und durch den Art. 4, nämlich die Nichtverletzung bestehender Verträge, sichergestellt, daß der deutsch-sowjetische Vertrag eben keine friedensvertragliche Regelung vorwegnimmt. Ferner ist sichergestellt, daß die Verantwortung der Vier Mächte für ganz Deutschland nicht berührt wird und daß die Festlegung des Art. 3 ein eindeutiger Gewaltverzicht ist.
    Nun wird die Frage gestellt: Ist denn das Ganze für uns tragbar, wird damit nicht noch in irgendeiner Weise etwas endgültig festgelegt? Hier muß ich Sie daran erinnern, daß die Regierung Adenauer anläßlich des Beitritts der Bundesrepublik Deutschland zur NATO am 3. Oktober 1954 in einer offiziellen Note an die drei Westmächte folgendes festgestellt hat — ich zitiere wörtlich —:
    Insbesondere verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland, die Wiedervereinigung Deutschlands oder die Änderung der gegenwärtigen Grenzen der Bundesrepublik niemals mit gewaltsamen Mitteln herbeizuführen und alle zwischen der Bundesrepublik und anderen Staaten gegebenenfalls entstehenden Streitfragen mit friedlichen Mitteln zu lasen.
    Das, was damals, 1954, von Adenauer erklärt worden ist, entspricht genau dem Inhalt der Verträge, die wir hier vorgelegt haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Denkste!)

    — Wenn Sie sagen, das sei nicht der Fall, kann ich nur feststellen, daß Sie die Verträge entweder nicht gelesen haben oder wider besseren Wissens bewußt immer wieder falsche Behauptungen aufstellen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was die Auslegung betrifft, wissen Sie ganz genau, daß der Verdacht, hier sei das Grundgesetz verletzt worden, von einer Reihe Staats- und Völkerrechtlern in aller Deutlichkeit zurückgewiesen worden ist. Ich erinnere nur an das, was Professor Kriele dazu gesagt hat, ohne das hier im einzelnen vorzulesen. Sie sagen immer, Unverletzlichkeit bedeute, daß die Grenzen nicht verändert werden könnten. Genau das ist falsch. Richtig ist vielmehr, daß die Sowjetunion solche Forderungen und eine Reihe anderer zwar früher aufgestellt hat, daß diese früheren Forderungen aber gerade durch diesen Vertrag vom Tisch gewischt sind.
    Die Sowjetunion hat einmal einen Katalog von 18 Einzelforderungen aufgestellt und ihre Erfüllung als Voraussetzung für einen Gewaltverzicht bezeichnet. Dazu zählten u. a. die bedingungslose Anerkennung der DDR, die Feststellung — so hatte sie gefordert — der Unveränderlichkeit der Grenzen und die Definition West-Berlins als besondere politische Einheit. Darüber hinaus hat sie noch am 21. November 1967 in einem Memorandum erklärt, daß die Feindstaatenklauseln ihr volle Gültigkeit behalten sollten. Alle diese ursprünglichen Forderungen der Sowjetunion sind in den Verhandlungen in Moskau durch Bahr und Scheel vom Tisch gebracht worden, und im Vertrag ist eben nicht von „Unveränderlichkeit", sondern von „Unverletzlichkeit" der Grenzen die Rede.
    Ich habe diesen Punkt deshalb so breit ausgeführt, weil Sie, meine Damen und Herren von der CDU/ CDU, draußen im Lande im Gegensatz zu dem, was hier gesagt wird, gerade die Frage der Unverletzlichkeit der Grenzen als einen der entscheidenden

    Mischnick
    Punkte herausstellen und die Menschen immer wieder glauben machen wollen, daß mit dieser Bestimmung eine einvernehmliche Änderung der Grenzen, eine Veränderung der Grenzen durch gemeinsames Handeln zweier Staaten, ausgeschlossen sei. Gerade das ist nicht ausgeschlossen. Mit diesen Verträgen ist jede Grenzveränderung, die einvernehmlich geschieht, weiterhin möglich.

    (Abg. Stücklen: So wie Gromyko mit Polen?)

    — Verehrter Herr Kollege Stücklen, wenn Sie sagen: so wie Gromyko mit Polen,

    (Abg. Stücklen: Mehrmals schon geändert!)

    kann ich nur sagen: wenn Sie die politische Arbeit einer deutschen Bundesregierung so beurteilen, dann richten Sie sich damit selbst.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, es ist auch die Forderung aufgestellt worden, in dem Vertrag müsse die Selbstbestimmung aufgeführt werden. Es wird behauptet, diese Verträge ignorierten die Selbstbestimmung. Das trifft nicht zu. In diesem Vertrag ist durch den Bezug auf die Präambel der Charta der Vereinten Nationen und durch den Brief klargestellt worden, daß das Selbstbestimmungsrecht nicht eingeschränkt wird. Durch keinerlei materiellen Beweis können Sie hier der Behauptung Nahrung geben, daß wir mit diesen Verträgen das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes in Frage stellen.

    (Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Haben die Russen die Breschnew-Doktrin im Vertrag aufgegeben?)

    — Verehrter Herr Kollege Kiesinger, Sie sagen, die Russen hätten die Breschnew-Doktrin nicht aufgegeben.

    (Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Ich habe gefragt!)

    — Ich habe nicht gesagt, daß sie sie aufgegeben haben. Ich stelle nur fest, daß die Behauptung falsch ist, wir könnten unser Ziel, die deutsche Einheit zu erreichen, vertraglich nicht weiter verfolgen. Es wurde sogar behauptet, wenn wir das täten, wäre das vertragswidrig. Diese Behauptung ist falsch.
    Sie sagen dann, der Brief, den der Bundesaußenminister heute zitiert hat, habe keine rechtliche Bedeutung, er sei nicht relevant, er sei nicht ausreichend. Ich darf Sie daran erinnern, was Bundeskanzler Adenauer in der 101. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages am 22. September 1955 zur Wirksamkeit des Briefes sagte, den er damals überreichen ließ. Er hat damals im Deutschen Bundestag wörtlich gesagt:
    Bei den Vorbehalten handelt es sich um eine deutsche Rechtsverwahrung. Für eine solche ist eine einseitige Erklärung der Bundesregierung ausreichend. Diese Erklärung muß nur der anderen Seite zugegangen sein. Dies ist geschehen, und die deutschen Vorbehalte sind damit völkerrechtlich wirksam geworden. Die Erklärung muß nicht etwa, um völkerrechtlich wirksam zu sein, von der Gegenseite angenommen werden.
    So hat Adenauer zu dem damaligen Brief im Bundestag Stellung genommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er hat damals nichts verhökert!)

    — Sie sagen: Er hat damals nichts verhökert. Jetzt geht es um die Frage: Ist die Wirksamkeit eines solchen Briefes für Sie etwa davon abhängig, ob Sie selbst in der Regierung sitzen oder nicht? Die Auslegung kann doch nur die gleiche sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, auch bei dem deutschpolnischen Vertrag geht es nicht darum, Grenzen endgültig anzuerkennen oder, wie es manchmal in den öffentlichen Diskussionen gesagt wird, begangenes Unrecht, auch an den Vertriebenen, etwa zu legitimieren. Es geht doch nicht darum, eine Aufrechnung des Unrechts vorzunehmen. Es geht nur darum, mit diesen Verträgen den Versuch zu machen, die Lage in Europa zu verbessern.
    Die Regierung der Volksrepublik Polen ist sich auch bewußt, daß die Regierung der Bundesrepublik keine rechtsverbindlichen Erklärungen für einen möglichen gesamtdeutschen Souverän abgeben kann. Der damalige stellvertretende polnische Außenminister Winiewicz hat im November 1971 vor der Gesellschaft für auswärtige Politik in Bonn wörtlich gesagt — eine Reihe Kollegen haben daran teilgenommen —:
    Dieser Vertrag bindet nur die Bundesrepublik Deutschland. Ob wir jemals zu einer friedensvertraglichen Regelung für Gesamtdeutschland kommen, ist zur Zeit eine rein hypothetische Frage.
    Auf Befragen hat Herr Kollege Schröder dazu gesagt: „Das hat er sehr geschickt gesagt, und das können wir akzeptieren". Wenn Sie das akzeptieren, dann muß aber doch auch endlich Schluß sein mit der Behauptung, mit diesem Vertrag würden endgültige Grenzregelungen vorgenommen. Auch dieser Vertrag läßt Deutschen und Polen die Möglichkeit offen, über diese Frage zu verhandeln, wenn sich diese Möglichkeit aus der weiteren Entwicklung ergibt.
    Nun ist schon davon gesprochen worden, daß die Ausfüllung des deutsch-polnischen Vertrages von beiden Seiten bereits versucht worden sei, daß hier die Familienzusammenführung in Gang gesetzt worden ist, über deren Tempo man unterschiedlicher Meinung sein mag.

    (Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: Das glaube ich nicht! Da sind wir doch alle einer Meinung, Herr Mischnick!)

    — Natürlich sind wir unterschiedlicher Meinung gegenüber Polen. Das ist doch wohl so. — Wir müssen selbstverständlich immer wieder um Verständnis für unser Drängen bitten, allen Ausreisewilligen möglichst schnell die erforderliche Genehmigung zu erteilen.
    Allerdings — und das gehört zur Beurteilung der Fakten — dürfen wir die Probleme nicht verkennen, die für Polen in manchem regionalen Bereich



    Mischnick
    daraus entstehen. Wer aber heute den Vertrag mit der Volksrepublik Polen nicht will, muß sich doch wenigstens im klaren darüber sein, daß er die Fronten verhärtet und die Familienzusammenführung damit nicht erleichtert, sondern im Gegenteil behindert.
    Meine Damen und Herren, alles, was wir heute von der Opposition bisher gehört haben, macht deutlich, daß sie auf ihren alten Positionen beharrt. Ich bin nicht davon ausgegangen, daß die heutige Debatte oder vielleicht auch die Beratungen sie grundsätzlich von ihrem Standpunkt abbringen wird. Nur eines muß sich jeder selber als Frage vorlegen: ob er mit der Zustimmung zu den Verträgen den Status quo in Europa überwinden helfen will oder ob er mit der Ablehnung der Verträge, durch Zementierung des Status quo und damit durch den Rückfall in den kalten Krieg, wieder die wenigen Chancen, die sich jetzt bieten, endgültig begraben will.
    Nur mit Rechtsvorbehalten, wie sie hier von der CDU/CSU wiederum geäußert worden sind, kann man keine Politik machen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es geht heute darum, die Grenzen erträglicher zu machen. Das geschieht durch die Verträge.
    In diesem Sinne halten wir die Verträge für richtig, weil notwendig und unseren Interessen förderlich. Das gilt nach unserer festen Überzeugung nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland, sondern das gilt für das ganze deutsche Volk.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Mischnick hat sehr viel Zeit seiner Ausführungen dafür aufgewandt, daß er uns klarmachen wollte, daß dieser Vertrag nur eine Interpretation hat, nur eine Auslegungsmöglichkeit erlaubt. Diese hat er hier in einzelnen Punkten dargelegt. Herr Kollege Mischnick, ich bezweifle gar nicht, daß das Ihre ehrliche Auffassung, Ihre Überzeugung ist. Aber der Vertragspartner, der bisher auch in der Öffentlichkeit eine unterschiedliche Auslegung zu erkennen gegeben hat, sind nicht Sie, Herr Mischnick, sondern ist die Sowjetunion. Und darauf kommt es an, meine sehr verehrten Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Bundeskanzler und der Herr Außenminister haben heute morgen sehr viel von Frieden, Entspannung und Versöhnung gesprochen. Eine Politik dient nur dann dem Frieden, wenn sie darauf gerichtet ist, neben dem Ausschluß von Gewalt auch gleichzeitig das Recht zu wahren und die Freiheit zu sichern. Eine Politik dient nicht nur dann der Entspannung, wenn sie darauf gerichtet ist, die Ursachen der Spannung zu beseitigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eine Politik dient nur dann der Versöhnung, wenn sie es den Menschen ermöglicht, zueinander zu finden, denn es sind die Menschen und nicht die Staaten, die die Versöhnung auf Dauer begründen.
    Ich kenne die Behauptung des Herrn Bundeskanzlers — ich kenne den Grund, warum er im Augenblick nicht anwesend sein kann, ich richte aber trotzdem meine Worte an ihn —, daß diese Verträge den Frieden sicherer machen. Das ist eine Behauptung, die durch nichts und schon gar nicht durch die geschichtliche Entwicklung erwiesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.-Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Eine Propagandaschablone!)

    Ich habe die ernsthafte Befürchtung, daß diese Verträge nicht den Frieden sicherer machen, sondern daß unsere Sicherheit in Freiheit mit diesen Verträgen gefährdet wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Politik führt auch nicht zur Entspannung, denn sie schreibt die Ursachen der Spannungen fest. Diese Ostverträge sind auch kein Beitrag zur Versöhnung, denn sie zementieren die Trennung der Menschen durch Mauer und Stacheldraht. Die Ostpolitik dieser Regierung ist illusionär, weil sie versucht, das Unvereinbare zu vereinen: Eine gesamteuropäische Friedensordnung mit Moskau als Hegemonialmacht, mehr Rechte für den Menschen ohne Achtung der Menschenrechte, mehr Freizügigkeit ohne Durchlässigkeit der Grenzen.
    Heute, wo sich uns die Frage stellt, wohin diese Politik führt, wo wir mit tiefer Sorge in die Zukunft blicken müssen, ist nicht der Tag, um die Vergangenheit zu beschwören. Dennoch ist es notwendig, eines hier festzuhalten: Es war die geschichtliche Leistung von Adenauer, der die Friedenspolitik in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa mitbegründet hat, es war die Leistung von 20 Jahren Politik der CDU/CSU, den Frieden für Deutschland zu sichern und die Freiheit für uns zu bewahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ihre Haltung, Herr Bundeskanzler, die Haltung Ihrer Regierung und Ihrer Partei zu dieser von Konrad Adenauer begründeten Friedenspolitik der CDU/ CSU ist genauso zwiespältig wie Ihre heutige Politik. Einerseits behaupten Sie, Sie führten die Kontinuität jener Politik fort, also die Politik von Adenauer, Erhard und Kiesinger; auf der anderen Seite verketzern Sie diese Politik als Politik der Erstarrung, der Unbeweglichkeit und behaupten, Sie seien es, die Deutschland jetzt aus einer Sackgasse der Stagnation herausführen müßten.

    (Abg. Kiep: Sehr richtig!) Beides ist falsch, meine Damen und Herren!


    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Kiep: Man kann nur eines erreichen!)

    Weder wahren Sie die Kontinuität unserer Friedenspolitik, noch hat diese Friedenspolitik der CDU/CSU je in eine Sackgasse der Stagnation geführt.

    (Abg. Dr. Eppler: Hört! Hört!)




    Stücklen
    Geduld, meine sehr verehrten Damen und Herren und besonders Herr Bundeskanzler und jetzt stellvertretend Herr Außenminister, ist keine Stagnation! Eine Politik ist noch lange nicht schon deswegen gut, weil sie überhastet durchgeführt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nur wenn auf beiden Seiten-das ist eine der
    grundlegenden Fragen, die das gesamte Vertragswerk so schwierig machen, die auch die Verhandlungen so schwierig gestalten mußten — die gleichen Wertvorstellungen über die unverzichtbaren Grundrechte des Menschen und über das Zusammenleben der Völker bestehen, ist eine dauerhafte — ich betone: dauerhafte! — Ordnung in Frieden und Freiheit zu begründen. Ungeachtet der nicht vorhandenen Übereinstimmung in diesen Grundwerten sind wir von der CDU/CSU bereit, im Interesse der Menschen nach Mitteln und Wegen zu suchen, um wenigstens vorläufige Regelungen zu finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Solange aber die andere Seite ihre ideologisch untermauerte Machtpolitik beibehält, ist äußerste Vorsicht am Platze. Sicherheit ist nach wie vor das vordringliche Gebot der Stunde. Wer diese Notwendigkeit in den Hintergrund treten oder gar außer acht läßt, kann plötzlich vor einer verhängnisvollen Entwicklung stehen. Ich weiß, wer heute auf die bolschewistische Gefahr in Deutschland aufmerksam macht, kommt leicht in den Verdacht, ein kalter Krieger zu sein, und wird von bestimmter Seite verketzert und verdammt.

    (Zuruf des Abg. Wehner.)

    — Da ändern auch Sie, Herr Wehner, mit Ihrem Zwischenruf nichts an dieser Situation.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dies wird mich aber nicht abhalten, den Kommunismus so zu sehen und so zu beurteilen, wie er sich verhält und wie er sich programmatisch offenbart. Die Weltrevolution ist nach wie vor das Ziel des Kommunismus. Die Nachkriegspolitik der Sowjetunion liefert dafür eine Reihe unwiderlegbarer Beweise. In all den heute kommunistischen Staaten im Bereich des Warschauer Paktes war die kommunistische Partei jeweils in der Minderheit, und heute ist sie mit sowjetrussischer Unterstützung die allein beherrschende Staatspartei geworden.
    Ich erinnere an die tragischen Schicksalstage, die wir in Europa erlebten. Ich denke an den 17. Juni 1953, an die Niederwerfung des Ungarnaufstandes 1956, den Mauerbau am 13. August 1961 und zuletzt an den 21. August 1968, den völkerrechtswidrigen Überfall auf die Tschechoslowakei. Der Überfall auf einen Verbündeten des Warschauer Paktes erfolgte, obwohl es im Art. 8 dieses Paktvertrages heißt: Die vertragschließenden Seiten erklären, daß sie im Geiste der Freundschaft, Zusammenarbeit für die Weiterentwicklung und Festigung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen untereinander in Befolgung der Grundsätze der gegenseitigen Achtung ihrer Unabhängigkeit und Souveränität und der
    Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten handeln werden.

    (Abg. Matthöfer: Reden Sie über die Verträge, die hier zur Debatte stehen!)

    Herr Breschnew hat noch im Juni 1968 einer tschechoslowakischen Parlamentsdelegation unter Führung des tschechoslowakischen Parlamentspräsidenten Josef Smrkowski angeboten, ein internationaler Gerichtshof möge die Interventionsgelüste, die der Sowjetunion unterstellt werden, überprüfen. Niemals, so erklärte Herr Breschnew damals, habe die Sowjetunion auf die innere Politik ihrer Nachbarn Einfluß nehmen wollen. Sie habe das 1956 in Polen nicht getan. Warum sollte sie es jetzt gegenüber der Tschechoslowakei tun?

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    Zwei Monate später standen die sowjetischen Panzer in Prag.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr! — Abg. Dr. Eppler: Mit denen will die CDU einen Vertrag schließen!)

    - Herr Eppler, ob Sie die kommunistische Gefahr
    so sehen wie ich, ist völlig gleichgültig. Sie müssen mir nur gestatten, daß ich nicht blind über die historischen Daten der letzten 25 Jahre hinweggehe und so tue, als ob es überhaupt keine bolschewistische Gefahr in dieser Welt gäbe.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Eppler: Warum wollen Sie dann mit denen einen Vertrag schließen?)

    Nur dann, wenn wir die Situation richtig einschätzen, können wir Demokraten, die wir doch alle sind — ich mache keinem einzigen hier in diesem Hause einen Vorwurf —, können wir dieser Gefahr auch begegnen.