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    Deutscher Bundestag 171. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag der Abg. Frau Schanzenbach, Dr. Schellenberg und Frau Brauksiepe . . . . . . . . 9737 A, B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 9737 B Wahl des Abg. Wende als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost 9737 B Erweiterung der Überweisung eines Gesetzentwurfs 9737 C Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 9737 C Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation 1972 (Drucksache V1/3080) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache V1/3156) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag 7. Dezember 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Drucksache VI/3157) — Erste Beratung —, mit Große Anfrage der CDU/CSU betr. Deutschland- und Außenpolitik — Drucksachen VI/2700, VI/2828 — und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen — Drucksache VI/1523 — Brandt, Bundeskanzler . 9739 D, 9791 B, 9814 C Scheel, Bundesminister 9742 D Dr. Barzel (CDU/CSU) . 9752 C, 9796 C, 9814C, 9815B Wehner (SPD) 9764 B Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . 9784 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 9798 A Mischnick (FDP) . . . . . . . 9799 B Stücklen (CDU/CSU) 9804 B Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 9814 D Borm (FDP) . . . . . . . . 9815 C Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU/CSU) 9820 B Fragestunde (Drucksache V1/3165) Frage des Abg. Dr. Böhme (CDU/CSU) : Immobilienfonds der Landeszentralbank Nordrhein-Westfalen Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär 9771 B, C, D Dr. Böhme (CDU/CSU) . . . 9771 B, C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Verfahren und Methoden zur Preiserhebung Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9771 D, 9772 B, C Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9772 B, C Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Miete eines bundeseigenen Hauses in Köln durch Bundesminister Schiller Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9772 C, D, 9773 A Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 9772 C, D Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) 9773 A Frage des Abg. Dr. Fuchs (CDU/CSU) : Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in den ostbayerischen Landkreisen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9773 B, C, D Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . . . 9773 C, D Fragen des Abg. Kiechle (CDU/CSU): Beseitigung der zehnjährigen Grundsteuerfreiheit der Zweitwohnungen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9774 A, C, D Kiechle (CDU/CSU) 9774 C Frage des Abg. Dichgans (CDU/CSU) : Anerkennung von Ausgaben für den Erwerb von Kunstwerken als steuerlich abzugsfähige Spenden Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9774 D, 9775 A, B Dichgans (CDU/CSU) 9775 A, B Frage des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) : Freigabe des Militärhospitals der französischen Garnison in Tübingen Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9775 C, D, 9776 A Pfeifer (CDU/CSU) 9775 D Maucher (CDU/CSU) 9776 A Frau Funcke, Vizepräsident . . . 9776 B Fragen des Abg. Härzschel (CDU/CSU) : Situation der Rentner in Alters- und Pflegeheimen Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9776 C, D, 9777 A, B Härzschel (CDU/CSU) . 9776 C, D, 9777 B Fragen des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) : Finanzierung der Krankenhausversorgung bis 1975 Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . 9777 C, D, 9778 B, C, D, 9779 A Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein (CDU/CSU) . 9778 A, B, C Dr. Fuchs (CDU/CSU) 9778 D Frage des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Studie über den Einfluß von Gewalttätigkeit und Brutalität im Fernsehen auf Straßenspiele der Kinder Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . 9779 A, B, C Rollmann (CDU/CSU) 9779 B Hansen (SPD) 9779 C Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) : Erhöhung der finanziellen Leistungen für das Deutsch-Französische Jugendwerk Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . 9779 C, D, 9780 A, B, C Baier (CDU/CSU) . . . 9779 D, 9780 A Rollmann (CDU/CSU) 9780 B Dr. Fuchs (CDU/CSU) 9780 C Fragen des Abg. Reddemann (CDU/CSU) : Zeugnisverweigerungsrecht der Redakteure Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9780 D, 9781 A, B, C Reddemann (CDU/CSU) . . . . 9781 B, C Frage des Abg. Walkhoff (SPD) : Umgehung des Verbots der Aufhebung von Mietverhältnissen durch Abbruch der Mietwohnungen und Neubau von Eigentumswohnungen Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 9781 D, 9782 A Walkhoff (SPD) . . . . . . . . 9782 A Frage der Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Inanspruchnahme der Krebsvorsorgeuntersuchung der Krankenkassen — Erfahrungen hinsichtlich ausreichender Fachärzte und Laboreinrichtungen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 9782 B, D, 9783 A Frau Lauterbach (SPD) . 9782 C, 9783 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 III Fragen des Abg. Maucher (CDU/CSU) : Rehabilitationszentrum für erwachsene Hirngeschädigte Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9783 B, C, D, 9784 A Maucher (CDU/CSU) . 9783 C, D, 9784 A Frage des Abg. Frau Lauterbach (SPD) : Prämienzahlungen für nicht benutzte Krankenscheine Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 9784 A Nächste Sitzung 9826 A Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 9827 A Anlage 2 Entschließung des Bundesrates zum Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) . . . . . . . . 9827 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Breidbach (CDU/CSU) betr. Lage der westdeutschen Alluminiumindustrie 9827 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) betr. Abschluß eines Abkommens über den Welthandel mit Textilien 9828 C Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Funcke (FDP) betr. Steuerfreiheit für Fehlgeldentschädigung von Omnibusfahrern im Liniendienst . . 9828 D Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Ahrens (SPD) betr. beispielgebende Wirkung des Gesetzes über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken auf Bundesländer und Gemeinden . . . . . . . . . 9829 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Krockert (SPD) betr. Verwendung von thailändischem Tiefentorf und Island-Moos bei der Herstellung von Tabakerzeugnissen . . . . . . . . 9829 B Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schlaga (SPD) betr. Erfassung der von Selbstdrehern hergestellten Zigaretten im Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes . . . . . . . . . 9829 D Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Sperling (SPD) betr. steuerliche Begünstigung der Zigaretten, Zigarren und Rauchtabake, die aus anderen Stoffen als Tabak bestehen . . . 9829 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Löffler (SPD) betr. Erhöhung des von den Mineralölfirmen dem Tankstellengewerbe gewährten Bonus 9830 A Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Dr. Orth (SPD) betr. unterschiedliche Handhabung des Mehrwertsteuerzuschlags für landwirtschaftliche Veredlungserzeugnisse . . . 9830 C Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Peiter (SPD) betr. Benachteiligung der pflichtversicherten Handwerker und der freiwillig Versicherten in der ehemaligen französischen Zone durch § 32 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes . . . 9831 A Anlage 13 Zusätzliche Schriftliche Antwort auf die Frage des Abg. Dr. Götz (CDU/CSU) betr. Pensionierung von Beamten auf Lebenszeit mit dem vollendeten 62. Lebensjahr und Höhe der Pensionslast 9831 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9737 171. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Bals *** 25. 2. Bredl 4. 3. Breidbach 23. 2. Dasch 3. 3. Frau Dr. Diemer-Nicolaus *** 26. 2. Dr. Dittrich 25. 2. Draeger *** 25. 2. Freiherr von und zu Guttenberg 4. 3. Frau Dr. Henze 18. 3. Kahn-Ackermann *** 26. 2. Kriedemann * 23. 2. Lautenschlager * 24. 2. Lenze (Attendorn) *** 25. 2. Lücker (München) * 24. 2. Memmel * 25. 2. Mertes 25. 2. Müller (Remscheid) 25. 2. Pöhler *** 25. 2. Richarts 25. 2. Rinderspacher *** 25. 2. Dr. Schober 23. 2. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 25. 2. Dr. Seume 25. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, 9. Februar 1972 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 376. Sitzung am 9. Februar 1972 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 26. Januar 1972 verabschiedeten Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) gemäß Artikel 84 Abs. 1, 104 a Abs. 4 und 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat die aus der Anlage ersichtliche Entschließung angenommen. Heinz Kühn Anlagen zum Stenographischen Bericht Bonn, den 9. Februar 1972 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 28. Januar 1972 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Heinz Kühn Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 9. Februar 1972 an den Bundeskanzler Entschließung zum Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz 1971) Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, daß durch nationale Maßnahmen von EWG-Mitgliedstaaten den deutschen Seehäfen Wettbewerbsnachteile erwachsen, und vermag kein Verständnis dafür aufzubringen, daß durch das vorliegende Gesetz die Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der deutschen Seehäfen noch weiter verschärft werden. Der Bundesrat nimmt Bezug darauf, daß der zuständige Bundesminister für Verkehr den deutschen Seehäfen nationale Maßnahmen zum Ausgleich der Wettbewerbsverzerrungen in Aussicht gestellt hat, wenn die wettbewerbsnachteiligen Maßnahmen der in Frage kommenden EWG-Mitgliedstaaten nicht abgebaut werden. Unter Bezug hierauf bittet der Bundesrat die Bundesregierung, 1. im Rahmen der EWG mit Nachdruck darauf hinzuwirken, daß eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen im Bereich des Verkehrswesens herbeigeführt wird, 2. im Zuge dieser Bemühungen alle Möglichkeiten auszunutzen, um durch nationale Maßnahmen schwere Schäden von der deutschen Verkehrswirtschaft abzuwenden. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Breidbach (CDU/CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 60 und 61): Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage der westdeutschen Aluminiumindustrie? Welche Prognose für den Aluminiumverbrauch pro Einwohner kann für die nächsten Jahre abgegeben werden? 9828 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Die westdeutsche Aluminiumindustrie befindet sich gegenwärtig in einer recht ernsten Lage, die in erster Linie aus einer internationalen Überproduktion und einem entsprechenden Preisverfall resultiert. Auch in der Bundesrepublik sind in den letzten Jahren wegen der Verfügbarkeit billigeren Kernkraftstroms und im Vertrauen auf einen weiteren kräftigen Nachfrageanstieg neue Aluminiumkapazitäten entstanden. Die Hüttenproduktion stieg dadurch im abgelaufenen Jahr um 38 %auf 427 000 t, von denen ein Teil unabsetzbar blieb. Bei den Aluminiumlegierungen belief sich der Produktionsanstieg auf 6 % Da auch in der westlichen Welt insgesamt die Aluminiumnachfrage — wie schon 1970 — unter der Weltproduktion blieb, fielen im internationalen Handel die Preise unter die Gestehungskosten der meisten Produzenten, so daß gegenwärtig wenigstens die deutsche Produktion ein Verlustgeschäft geworden ist. Trotz des Kampfes um die Marktanteile sind 87 000 t im Frühjahr 1971 fertiggestellte Kapazitäten nicht in Betrieb genommen worden. Im Januar d. J. wurden weitere 33 000 t Kapazitäten älterer Werke abgeschaltet. Ungeachtet der großen gegenwärtigen Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung — wie auch die Aluminiumwirtschaft — die Aluminiumindustrie mittel- bis langfristig als ausgesprochene Wachstumsindustrie an. Das temporäre Überangebot sollte, wofür international auf breiter Front plädiert wird, durch geringere Kapazitätsausnutzungen überwunden werden können. Verbauchsprognosen für einzelne Jahre unterliegen großen Fehlermöglichkeiten, wie aus folgender Übersicht über die letzten Jahre hervorgeht: Aluminiumverbrauch je Kopf in der Bundesrepublik Deutschland in kg 1965 8,9 1966 9,4 1967 9,0 1968 11,4 1969 13,5 1970 13,5 1971 13,6 Auf einen 50%igen Anstieg zwischen 1967 und 1969 folgte eine über zwei Jahre gehende Stagnation. Bislang ist der Aluminiumverbrauch mittelfristig doppelt so stark gestiegen wie das Sozialprodukt. Das mag für die nächsten 5 bis 6 Jahre, gestützt durch Überlegungen über den Verbrauch in einzelnen Fachrichtungen, noch zutreffen. Danach ist eine leichte Abflachung denkbar. Man kann deshalb bis 1976 mit einem Verbrauchsanstieg je Kopf von 7,5 bis 8 % in der Bundesrepublik Deutschland rechnen. Für das Endjahr ergäbe das einen Verbrauch in der Bundesrepublik Deutschland von 1,2 Millionen t, je Kopf von 18,0 kg. Die USA hatten 1969 einen je Kopf-Verbrauch von 22,4 und 1970 von 20,9 kg. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/ CSU) (Drucksache VI/3165 Frage A 62) : Ist die Bundesregierung bereit, das Petitum des Verbandes der Europäischen Bekleidungsindustrie an das Generalsekretariat des GATT über den baldigen Abschluß eines Abkommens über den Welthandel mit Textilien zu unterstützen? Für Baumwolltextilien besteht bekanntlich bereits eine multilaterale Vereinbarung im Rahmen des GATT (Weltbaumwoliwarenabkommen). Was den Abschluß eines dem Weltbaumwollwarenabkommens analogen Abkommens für Non-Cotton-Textil- und Bekleidungserzeugnisse anbetrifft, wie es bereits 1969 von den USA vorgeschlagen wurde, so hat die Bundesrepublik — ebenso wie auch andere Länder — hiergegen Bedenken geäußert, weil sie in einer derart umfassenden Handelsbeschränkung ein gefährliches Präjudiz auch für andere Sektoren befürchtet, das schließlich zu einer Bedrohung des gesamten freien Welthandels führen könnte. In jedem Falle sollte daher nach Auffassung der Bundesregierung vor einer weltweiten Regelung für Non-Cotton-Textil- und Bekleidungserzeugnisse zunächst eine genaue Durchleuchtung der Handels- und wirtschaftspolitischen Situation dieses Sektors erfolgen. Die Bundesregierung hat sich deshalb vor längerer Zeit im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, die für derartige handelspolitische Arrangements zuständig wäre, für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim GATT ausgesprochen, welche die bestehenden Probleme untersuchen soll. Die EG hat ihre Bereitschaft hierzu schon anläßlich der Zusammenkunft der Vertreter der wichtigsten Welthandelsländer im Sommer 1970 und erneut im Frühjahr 1971 in Genf zum Ausdruck gebracht. Wegen des Widerstandes oder mangelnden Interesses anderer Welthandelsländer ist diese Arbeitsgruppe jedoch bisher nicht eingesetzt worden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksache VI/3165 Frage A 65) : Ist die Bundesregierung bereit, den Omnibusfahrern im Liniendienst, die neben dem Führen des Fahrzeugs den Kassendienst versehen und für die unter Berücksichtigung des Fahrgastandrangs, der Verkehrsbehinderung beim Halten und der Verpflichtung, den Fahrplan einzuhalten, die Gefahr von Kassenfehlbeträgen besonders groß ist, auch wenn der Gesamtumsatz beim Kassieren von Kleinbeträgen relativ gering ist, im gleichen Umfang Steuerfreiheit für Fehlgeldentschädigung zu gewähren wie den Arbeitnehmern, die der Regelung von Abschnitt 2 Abs. 2 Buchstabe a der Lohnsteuerriditlinien unterliegen? Ich beantworte Ihre mündliche Anfrage mit „nein". Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9829 Der Bargeldumsatz der Omnibusfahrer im Liniendienst ist — verglichen mit anderem Kassendienst — normalerweise so gering, daß trotz des von Ihnen erwähnten größeren Verlustrisikos Steuerfreiheit für eine höhere Fehlgeldentschädigung nicht gerechtfertigt erscheint. Im übrigen hätte die Bundesregierung auch Bedenken, als Kriterium für die Höhe der steuerfreien Fehlgeldentschädigung neben dem Umfang des Bargeldumsatzes auch risikoerhöhende Umstände in Betracht zu ziehen. Hierfür ließen sich nur schwer allgemeingültige Abgrenzungsmerkmale finden. Das Problem besteht ja nicht nur bei Omnibusfahrern, sondern auch in anderen Berufen, wie z. B. bei Kassiererinnen in Lebensmittelgeschäften. Selbst bei Omnibusfahrern müßte man vielleicht unterscheiden zwischen Stadtverkehr und ruhigem Überlandverkehr. Ich möchte aber noch darauf hinweisen, daß Kassenverluste, die die Fehlgeldentschädigung übersteigen, als Werbungskosten geltend gemacht werden können, so daß den Busfahrern trotz der Begrenzung der steuerfreien Fehlgeldentschädigung auf 10 DM monatlich vielfach keine steuerlichen Nachteile entstehen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretär Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Ahrens (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 66 und 67) : Hat sich die Hoffnung der Bundesregierung auf eine beispielgebende Wirkung des Gesetzes über die verbilligte Veräußerung, Vermietung und Verpachtung von bundeseigenen Grundstücken auf die Bundesländer und Gemeinden erfüllt? In welchen Bundesländern sind entsprechende Gesetze erlassen worden oder in Vorbereitung? Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung zu einem Bericht über die von Ihnen gestellten Fragen aufgefordert. Die dazu notwendigen Stellungnahmen der Bundesländer und Gemeinden habe ich zum 1. März d. J. erbeten. Bislang hat sich nur ein Teil der angeschriebenen Stellen geäußert. Eine Beantwortung Ihrer Fragen ist daher zur Zeit noch nicht möglich. Sobald mir alle Stellungnahmen vorliegen, werde ich den Bericht an den Haushaltsausschuß erstatten und Ihnen eine Durchschrift des Berichts übersenden. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Krockert (SPD) (Drucksache 171/3165 Frage A 68) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die noch nicht bekannten, möglicherweise gesundheitsgefährdenden Wirkungen derjenigen Tabakwaren (im Sinne des § 2 Abs. 6 des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes in Drucksache VI/3048), wie zum Beispiel des unter Sachkundigen bekannten thailändischen Tiefentorfs oder des Island-Mooses, zu erforschen und bekanntzumachen, und hält es die Bundesregierung nicht für angebracht, diejenigen Tabakwaren, die nicht aus Tabak bestehen (§ 2 Abs. 6 des o. a. Entwurfs), steuerlich stärker zu belasten, um auf diese Weise der weiteren Verbreitung dieser möglicherweise die gesundheitsgefährdende Wirkung des Nikotins übertreffenden Stoffe vorzubeugen? Thailändischer Tiefentorf und Island-Moos werden in der Bundesrepublik bei der Herstellung von Tabakerzeugnissen nicht verwendet. Es gibt auch keinen Grund zu der Annahme, daß die deutsche Tabakindustrie künftig Torf und Moos verarbeiten wird. Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlaß, Forschungen über etwaige schädliche Wirkungen dieser Stoffe anzustellen. Die Frage, ob zum Rauchen bestimmte Erzeugnisse, die nicht aus Tabak bestehen, steuerlich stärker belastet werden sollen, hat sich bisher nicht gestellt, weil es solche Erzeugnisse zur Zeit auf dem deutschen Markt nicht gibt. Die Bestimmung des § 2 Abs. 6 ist bereits vor einiger Zeit in das Tabaksteuergesetz aufgenommen worden, um Substitutionsprodukte, wie z. B. Zigaretten mit synthetischem Inhalt — an entsprechenden Versuchen wird im Ausland gearbeitet — ggf. ebenso besteuern zu können wie die ersetzten Naturprodukte. Für eine Erhöhung ides Steuersatzes für Substitutionsprodukte sieht die Bundesregierung unter den gegebenen Umständen z. Z. keinen Anlaß. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schlaga (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 69) : Ist die Bundesregierung bereit, auch solche Zigaretten als Zigaretten im Sinne des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache VI/3048; dort § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 3) zu erfassen, die von sogenannten „Selbstdrehern" unter Mißachtung der im § 2 Abs. 1 Nr. 2 geforderten Parallelität der Naht der Tabakfolie zur Längsachse des nicht aus Feinschnitt bestehenden Tabakstrangs hergestellt wurden, auch wenn sie ansonsten die Auflagen nach Stück gewicht und Hüllenmaterial beachten? Die in der Frage angeführten Bestimmungen des Tabaksteuergesetzes haben mit dem sog. Selbstdrehen von Zigaretten nichts zu tun. Sie dienen der begrifflichen Abgrenzung der Zigarette von der Zigarre. Im übrigen brauchen selbstgedrehte Zigaretten nicht versteuert zu werden, weil sie aus versteuertem Feinschnitt und versteuerten Zigarettenhüllen bestehen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündliche Frage des 9830 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache VI/3165 Frage A 70) : Halt es die Bundesregierung — ins Sinne der durch das Bundesministerium für Familie, Jugend und Gesundheit angeregten und geführten Kampagne gegen das durch Nikotin und andere Stoffe gesundheitsgefährdende Rauchen von Tabakwaren und insbesondere von Zigaretten — nicht für sinnvoll, eine steuerliche Bevorzugung derjenigen Zigaretten, Zigarren und Rauchtabake im Sinne der Definition des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache VI/2899 in der Fassung der Beschlüsse des Finanzausschusses in Drucksache VI/3048; dort § 2 Abs. 1 bis 5) zu erwägen, soweit diese entsprechend § 2 Abs. 6 des gleichen Entwurfs ganz aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, und ist die Bundesregierung bereit, den Abgeordneten des Bundestages eine Zusammenstellung derjenigen Tabakwaren zukommen zu lassen, die nicht aus Tabak bestehen (§ 2 Abs. 6 des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes in Drucksache VI/3048)? Der Forschung ist es bis heute nicht gelungen, einen Ersatzstoff für Tabak zu finden, der nicht schädlich ist. Es gibt daher keinen Anlaß, die Frage einer steuerlichen Bevorzugung solcher Erzeugnisse zu prüfen. Zigaretten, Zigarren und Rauchtabak aus anderen Stoffen als Tabak sind zur Zeit nicht auf dem deutschen Markt. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Löffler (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 71 und 72) : Glaubt die Bundesregierung, daß das von den Mineralölfirmen an das Tankstellengewerbe gerichtete Angebot, nach dem sich der Bonus pro Liter lediglich um 0,2 Pf bei Normalbenzin und um 0,8 Pf bei Super erhöhen soll, den steigenden Kosten im Tankstellengewerbe gerecht wird? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, während der z. Z. laufenden Verhandlungen über Konditionsverbesserungen auf die Mineralölfirmen dahin gehend einzuwirken, daß diese dem Tankstellengewerbe einen Bonus gewähren, der die selbständige wirtschaftliche Basis dieses Gewerbes sichert? Die Bundesregierung verfügt über keine repräsentativen Unterlagen, die eine Beurteilung der Kostensituation des Tankstellengewerbes und der Angemessenheit der Provisionsvorschläge der Mineralölgesellschaften zuließen. Bei der Wertung der gegenwärtig zwischen den Mineralölgesellschaften und den Tankstellenverbänden geführten Verhandlungen glaubt die Bundesregierung, angesichts der wechselseitigen Interessenverflechtung beider Wirtschaftsgruppen davon ausgehen zu können, daß ein für beide Seiten befriedigendes Ergebnis ausgehandelt werden kann. Dabei müssen sich zwangsläufig die Mineralölgesellschaften von dem Interesse leiten lassen, ein funktions- und leistungsfähiges Tankstellengewerbe für den Absatz ihrer Produkte zur Verfügung zu haben. Die nachhaltigen Anstrengungen in dieser Richtung kommen unter anderem darin zum Ausdruck, daß der durchschnittliche Kraftstoffabsatz je Tankstelle von 33 500 Litern im Jahre 1970 auf rd. 42 500 Liter zu Anfang des Jahres 1972 gestiegen ist. Damit sind auch die Provisionseinkommen der Tankstelleninhaber gestiegen. Der darin deutlich werdende Rationalisierungseffekt ist nicht zuletzt durch eine Konzentrierung des Absatzes auf modernere und leistungsfähigere Anlagen erreicht worden. Nach Auffassung der Bundesregierung können in der in der Bundesrepublik bestehenden Wirtschaftsordnung die unterschiedlichen Interessen von Mineralölgesellschaften und Tankstellengewerbe am ehesten und am besten durch unmittelbare Verhandlungen zwischen beiden Wirtschaftsgruppen ausgeglichen werden, wie das auch in der Vergangenheit der Fall war. Das schließt nicht die Bereitschaft der Bundesregierung zu vermittelnden Gesprächen aus. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die wiederholten Gespräche im BMWF, durch die in der Vergangenheit das Zustandekommen einvernehmlicher Regelungen zwischen beiden Wirtschaftsgruppen gefördert worden ist. Bei diesen Gesprächen hat sich das BMWF davon leiten lassen, — die Rationalisierungsbemühungen beider Parteien zu unterstützen, — die sozialen Anliegen des Tankstellengewerbes gewahrt zu sehen, — die Interessen der Verbraucher an einer preisgünstigen Versorgung zur Geltung zu bringen. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Orth (SPD) (Drucksache VI/3165 Fragen A 73 und 74): Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Mehrwertsteuerzuschlag für landwirtschaftliche Veredlungserzeugnisse unterschiedlich gehandhabt wird, indem einmal der Bruttoerlös von allen Kosten bereinigt wird und dann erst der Mehrwertsteuerzuschlag erfolgt, während ein anderes Mal die Mehrwertsteuer dem Bruttoerlös zugeschlagen wird und dann erst die Kosten abgezogen werden? Sieht es die Bundesregierung nicht für erforderlich an, daß, uni Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, hier nach einheitlichen Regelungen verfahren werden müßte? Der Bundesregierung .ist bekannt, daß die Verrechnung von Aufwendungen, deren Erstattung der Abnehmer landwirtschaftlicher Erzeugnisse vom Lieferer verlangen kann, unterschiedlich gehandhabt wird. Diese Unterschiede sind jedoch sachlich gerechtfertigt. Sind die Aufwendungen durch Zahlungen entstanden, die der Abnehmer für eigene Rechnung — d. h. auf Grund eigener Verpflichtung — an Dritte geleistet hat, so mindert die Erstattung das Entgelt für die Lieferung. Die Verrechnung kann daher vor Berechnung der Umsatzsteuer vorgenommen werden. Bei nachträglicher Erstattung muß der Erstattungsbetrag in eine Minderung des Entgelts und eine anteilige Minderung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer aufgeteilt werden. Dagegen gehören Zahlungen, die der Abnehmer für Rechnung des Lieferers leistet — durch die er also den Lieferer von einer Verpflichtung gegenüber Dritten befreit — zum Entgelt für die Lieferung. Die Erstattung derartiger Zahlungen ist nur durch Verrechnung mit dem Preis der Lieferung, d. h. nur nach Berechnung der Umsatzsteuer zulässig. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9831 Die Bundesregierung hält es für erforderlich, daß nach den eben dargelegten Grundsätzen verfahren wird. Soweit ihr bekanntgeworden ist, daß sachlich nicht gerechtfertigte, sondern auf uneinheitlicher Rechtsanwendung beruhende Unterschiede gemacht worden sind, hat sie bereits im Einvernehmen mit den Obersten Finanzbehörden der Länder für eine einheitliche Regelung gesorgt, wie z. B. bei den Beiträgen zum Absatzfonds oder der Produktionsabgabe Zucker. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 23. Februar 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache VI/ 3165 Fragen 82 und 83) : Ist die Bundesregierung bereit, nunmehr die Gesetzeslücke zu schließen, die dadurch entstanden ist, daß in § 32 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes 1957 für die pflichtversicherten Handwerker und freiwillig Versicherten in der damaligen französischen Zone die gleichen Werteinheiten festgelegt wurden wie für die Versicherten in der ehemaligen englischen und amerikanischen Zone, obwohl der oben genannte Personenkreis im Markenverfahren in der Zeit vom 1. Juni 1946 bis 31. Oktober 1949 auf Grund der Verordnung Nr. 38 des Oberbefehlshabers der französischen Besatzungszone erheblich höhere Beiträge geleistet hat? Ist der Bundesregierung bekannt, daß von dieser Benachteiligung etwa 25 000 Personen aus der damaligen französischen Zone betroffen sind? Der von Ihnen genannte Sachverhalt geht auf die geltende Rentenformel zurück. Danach werden der Rentenberechnung die versicherten Bruttoarbeitsentgelte oder Bruttoarbeitseinkommen zugrunde gelegt, und zwar gleichermaßen in der Pflichtversicherung wie auch in der freiwilligen Weiterversicherung. Hierbei werden die versicherten Bruttoarbeitsentgelte und Bruttoarbeitseinkommen für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik einheitlich bewertet. Diese grundlegende Regelung wirkt sich nicht allein auf den von Ihnen angesprochenen Personenkreis aus. Beispielsweise war der Beitragssatz in der Vergangenheit sowohl im zeitlichen Ablauf als auch teilweise in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten unterschiedlich hoch. Auch diese Sachverhalte bleiben bei der Berechnung der durch die geltende Rentenformel begründeten lohnbezogenen Rente unberücksichtigt. Zu Ihrer zweiten Frage darf ich noch ergänzend mitteilen, daß genaue Zahlen unserem Hause nicht vorliegen. Der Beitragssatz galt seinerzeit nicht nur für die pflichtversicherten Handwerker und für die freiwillig Versicherten, sondern für alle Versicherten. Anlage 13 Zusätzliche Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 16. Februar 1972 auf die Frage des Abgeordneten Dr. Götz (CDU/ CSU) *) Im Schlußabsatz meiner schriftlichen Antwort auf ihre Fragen habe ich zugesagt, daß ich mich bemühen werde, Zahlen für die Bereiche zu ermitteln, in denen statistisch aufgeschlüsselte Unterlagen vorhanden sind. Nach meinen Feststellungen sind solche Zahlenangaben zu einem Teil für die Bereiche Deutsche Bundesbahn und Deutsche Bundespost vorhanden. Der anliegenden Übersicht**) ist zu entnehmen, wieviel Beamte innerhalb der vorgenannten Bereiche in den Kalenderjahren 1962 bis 1971 nach Vollendung des 62. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden sind und welche Erhöhung der Versorgungslasten sich dadurch in den entsprechenden Kalenderjahren ergibt. Ergänzend bemerke ich, daß im Bereich der Deutschen Bundesbahn nach einer im Jahre 1967 durchgeführten Repräsentativerhebung rund 55 v. H. der auf eigenen Antrag nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten nicht mehr dienstfähig gewesen sind. Im Bereich der Deutschen Bundespost sind in den Jahren 1962, 1968, 1969 und 1971 keine statistischen Erhebungen angestellt worden. Außerdem konnte die Erhöhung der Versorgungslasten mangels Unterlagen nur geschätzt werden. Insbesondere ist dabei nicht berücksichtigt worden, daß ein großer Teil der nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten bereits dauernd dienstunfähig war. Nach einer 1968 angestellten Erhebung betrug im Jahre 1967 der Anteil der nicht mehr dienstfähigen Beamten an der Gesamtzahl der nach § 42 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzten Beamten nur etwa 60 bis 70 v. H. *) Siehe 154. Sitzung Seite 8903 A **) Übersicht über Ruhestandsversetzungen nach § 42 Abs. 3 BBG Bereich der Bereich der Deutschen Deutschen Bundesbahn Bundespost Jahr Zahl der Versorgungsaufwand im Zahl der Versorgungsaufwand im Ruhestandsversetzungen Jahr der Ruhestands- Jahr der Ruhestandsversetzung versetzungen Ruhestandsversetzung in Millionen i in Millionen DM DM 1962 529 3,11 1) — - 1963 532 3,44 1 356 7,4 1964 623 4,14 1 316 7,5 1965 593 4,35 1 263 7,7 1966 472 3,79 1 065 6,8 1967 413 3,35 1 060 7,1 1968 353 3,16 1) — — 1969 454 4,18 1) — - 1970 518 5,38 1 053 10,4 1971 645 10,21 1) — — 1) Es sind keine statistische Erhebungen erstellt worden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schmitt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.
    Wehner {SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein verehrter Herr Vorredner hat über vieles gesprochen. Es ist auch zuzugeben, daß bei einer solchen Entscheidung vieles bedacht und auch vieles von dem, was man bedacht hat, besprochen werden muß. Über eines allerdings hat Herr Dr. Barzel nicht gesprochen, was nämlich seinerseits, in der CDU/CSU, geschehen wird, wenn die Verträge ratifiziert sein werden. Ich gebe zu, Herr Dr. Barzel, daß Sie jetzt taktisch den Eindruck erwecken wollen und auch müssen, daß es gar nicht dazu kommt. Sie haben eine probate Möglichkeit, die sozusagen zwischen Ja und Nein liegen soll, Ihr Angebot nämlich, die Verträge liegenzulassen.

    (Abg.. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Bis zur deutschen Regelung! — Abg. Rösing: Das ist ein großer Unterschied!)

    Das ist also die dritte Möglichkeit, weder Mann noch Frau, sondern eine dritte Möglichkeit.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Herr Dr. Barzel! Sie haben selbst von einer geschichtlichen Bedeutung gesprochen, die der Entscheidung zukomme, die hier zu treffen ist. Meinen Sie, daß das Liegenlassen von geschichtlicher Bedeutung wäre oder so definiert werden könnte? Sie haben hier eine Menge dessen, was veränderungsbedürftig und was anzupacken notwendig ist, gesagt, manchmal im Tone des Anklägers, so als ob das, was Sie da sagen — ein Teil dessen —, nicht auch von anderen als anzupacken für richtig gehalten wird. Aber natürlich muß die Pose des Anklägers bei dem Sprecher der Opposition auch vorhanden sein. Sie haben darüber, worum es hier geht, nämlich um diese konkreten Verträge und ihre Ratifikation, die wir mit dieser ersten Lesung eingeleitet haben, nachdem die andere 'Kammer, „das Herrenhaus", der Bundesrat, sie schon im ersten Durchgang behandelt hat, so gut wie nicht gesprochen. Sie haben das verdeckt durch Beteuerungen und durch — ich danke! — Belehrungen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)


    (Zuruf von der CDU/CSU: Dann haben Sie geschlafen!)

    — Keineswegs. Mir wäre wohler, verehrter Herr, wenn ich hätte schlafen können. Aber wie sollte ich denn das angesichts einer solchen Attraktion, die wir heute hier hatten!

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nein, nein, das ist es nicht. Ich nehme an, daß ein folgender Redner noch einen weiteren Stein, den er schon in der Tasche hat, werfen wird. Vielleicht ist das sogar der Herr Dr. Jaeger höchst selbst, der die-



    Wehner
    ser Tage die Ostverträge - ich muß das zitieren, weil dieser Ausdruck bei Herrn Dr. Barzel allerdings fehlte — so qualifiziert hat: „Die Ostverträge drohen für das deutsche Volk nicht nur territorial, sondern auch finanziell zu einem Super-Versailles zu werden."

    (Oh- und Pfui-Rufe von der SPD.)

    — Da würde ich gar nicht „Pfui" rufen. Dies sage ich an die Adresse meiner eigenen Richtung. — Das ist nämlich berechnet, das ist eine Spekulation auf Wirkungen, wie sie die Versailles-Legende der Deutschnationalen in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg gezeitigt hat.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU.)

    — Das können Sie gern haben, Herr Rösing; wenn das in Ihre Zuständigkeit fällt, leihe ich Ihnen das.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Dr. Barzel selbst hat von einer unterschwelligen Propaganda draußen gesprochen. Das ist sicher etwas, dem man zu Leibe gehen sollte. Ich denke, daß dann auch jene Flugblätter mit drankommen, von denen ich hier ein Mappe habe — ich mache sie im Augenblick nicht auf, Herr Barzel —, jene Mappe mit Flugblättern in der Lesart von „AKON" oder „GOG" oder wie diese eigentümlichen Splitter rechts draußen heißen, die von Ihnen angezogen werden, wie ein Magnet solche Splitter anzieht, und mit denen nun nicht nur eine unterschwellige, sondern eine direkte, hetzerische, eine Haßpropaganda betrieben wird. — Sicher, einige von Ihnen lachen darüber, weil sie ja auch bei Schlimmerem schon gelacht haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich wollte nur sagen, Herr Barzel: ich habe sehr gut verstanden, daß Sie vor dieser Debatte öffentlich zur Sachlichkeit gemahnt haben und daß Sie sich dieser sicher auch befleißigen. Da steht es mir nicht zu, Zensuren zu geben.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Aber glauben Sie bitte nicht, daß man es sich so einfach machen kann, daß man, weil man zur Sachlichkeit aufgerufen hat, sich nachher fast alles erlauben kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das paßt auch nicht zueinander.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich bedauere z. B. sehr, daß auch eine Persönlichkeit — deren Integrität ich sehr hoch schätze und respektiere, ungeachtet völlig konträrer Auffassungen, die wir in Fragen der Politik haben — wie der. Freiherr von und zu Guttenberg — —

    (Abg. Dr. Aigner: Fragen Sie ihn mal, was er von Ihnen heute denkt!)

    — Ich bitte Sie; das kann ja sein, daß Sie neuerdings ganz intim sind, nachdem er seine Auffassungen über bestimmte Personen in der CSU offensichtlich ein wenig geändert hat. Aber das ist nicht meine Sache, darüber zu befinden. Ich habe da schon
    Worte -gehört, die ich jetzt auf andere angewandt höre, nämlich daß Gegner summarisch als „Faschisten" und das, was sie wollen, als „roter Faschismus" bezeichnet werden. Wenn man damit anfängt, verliert man insgesamt das Augenmaß für die konkrete Wirklichkeit. Ich will hier keine Retourkutsche fahren; ich warne Sie nur davor. Das haben andere schon gemacht, die dann jeden Gegner, besonders wenn er ihnen gewachsen zu sein schien, als „Faschisten" und das, was er wollte, als „Faschismus" bezeichnet haben. Das geht ganz schlimm aus.
    Im übrigen aber auch noch folgendes zu diesen Klagen. Ich unterstelle keinem, Herr Dr. Barzel - ich meine, keinem auf Ihrer Seite —, daß er Krieg wolle oder daß er mit einer Politik auf Krieg spekuliere. Das ist eine Sache, bei der wir auch im größten Zorn und in der höchsten Erregung keine Konzession machen sollten.

    (Zuruf von ,der CDU/CSU.)

    — Lassen Sie sich das doch einmal gesagt sein, verehrter Herr! Sie können sich, ich weiß nicht, wie viele Stunden — die Stunden sind ja ausgerechnet, in denen man sich austoben kann —, jedenfalls noch viele Stunden bis Freitagnachmittag hier produzieren, und es wird immer wunderbar sein. Nein, nein, wir machen das so lange, bis wir uns gegenseitig völlig zum Halse heraushängen werden.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Das ist auch eine Therapie.
    Ich möchte nur sagen: es wäre verhängnisvoll, wenn die deutsche Politik oder deutsche Politik überhaupt etwa in der Vorstellung betrieben würde, daß man zunächst damit beginnen könnte, sich sozusagen die Eskalation von Konflikten Dritter oder an anderen Stellen, möglichst weit weg, zunutze zu machen. Manche Begründungen für die Notwendigkeit, jetzt nicht nur eine Ost-, sondern auch eine Fernostpolitik zu machen, also uns sozusagen zu überspielen, was ich jedem gönne, sind nicht ganz frei von der Vorstellung, daß es, da es zwei recht bedeutende Mächte gibt, die miteinander zerstritten sind, gut wäre, doch einmal zu sehen, ob es nicht möglich ist, auch zu den anderen einen Faden zu bekommen. Ich sehe hier noch zwei Herren, die 1964 dafür verantwortlich waren; Sie nicht, der Sie gerade den Kopf schütteln; Sie waren damals bei der FDP, Sie sind jetzt bei der CDU.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Sie sind damals nach Washington gekommen, der eine etwas später als der andere, und da hatte der andere schon dem damaligen Präsidenten Johnson zugestanden, daß aus dem damals im Werden befindlichen und weitgehend unterzeichnungsreifen Abkommen mit Peking nichts würde. Sie kennen das. Jetzt wollen Sie, daß wir uns hier beeilen. 1964 haben Sie das stillschweigend begraben, weil jemand mit dem Finger drohte. Das waren damals die Amerikaner. Und weil diese nun nach Peking gegangen sind, müssen wir nicht unbedingt auch gleich dort sein. Wir wollen normale Beziehungen. Wir wollen da, wo es geht, auch freundliche Be-
    9766 Deutscher Bundestag 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972
    Wehner
    ziehungen, aber m i t jemandem und nicht mit jemandem gegen andere, z. B. mit den einen gegen jene und mit den anderen gegen andere.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube, daß wir uns in dieser Beziehung auch noch finden werden.
    Außerdem haben Sie vorher, Herr Dr. Barzel, noch die Sache mit der CSU auszutragen, die bis jetzt die Verbindung zu Taiwan gepflegt hat, die ja keine offizielle diplomatische ist, sondern diese Verbindung haben die Herren, die hier sitzen, die freundlichen Reisenden, gepflegt,

    (Abg. Stücklen: Von Ihrer Seite auch!)

    und sie haben es sich gegönnt, auch einmal einen von der CDU mit den Haxen zu stoßen,

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien) weil er in dieser Frage anderer Meinung war.


    (Abg. Stücklen: Sie wissen gar nicht, wer von Ihrer Fraktion alles nach Taiwan reist!)

    — Ach ja, aus jeder Fraktion! Sie erfahren allerdings am meisten, weil Sie die meiste Zeit beim Skatspielen verbringen. Darum beneide ich Sie so,

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien)

    weil die anderen etwas profanere Arbeiten zu leisten haben. Nein, nein, das ist es nicht. Diese Beziehungen sind ein heikles Kapitel, und man sollte sehr behutsam damit umgehen. Ich glaube, daß die Regierung in dieser Beziehung keine Leichtfertigkeiten und auch keine Nachlässigkeiten dulden wird.
    Aber ich möchte an diesem Tage Ihnen, Herr Dr. Barzel, etwas zu treuen Händen zurückgeben, was mir am 30. Juni 1960 Ihr Mitvorsitzender im anderen Teil Ihrer CDU/CSU, nämlich der Herr Franz Josef Strauß, ein wenig verklausuliert gesagt hat. Da sagte er zu meinen damaligen konkreten Vorschlägen, die ich als Sprecher der Opposition in einer Lage, die schwierig war, machte: Es gibt eine normative Kraft des Faktischen — das haben wir erlebt —, aberes gibt keine faktenersetzende Kraft des Phraseologischen. Das, Herr Kollege Barzel, gebe ich Ihnen zu treuen Händen zurück.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Strauß, der es mir damals geschenkt hat, wird mir nicht böse sein, daß es mir so teuer war, daß ich es jetzt einem, der ihm am nächsten steht, überreiche.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. Zuruf des Abg. Strauß.)

    Wenn man so eine Weile lebt, hat man Gelegenheit, das, was in verschiedenen Zeiten, bei verschiedenen Zeitumständen kommt, ein wenig miteinander in Berührung zu bringen. Ich jedenfalls bin in dem entscheidenden Punkt anderer Meinung als Sie, Herr Dr. Barzel. Ich sage das als jemand, der sich viele Jahre bemüht hat, in der Opposition gegenüber einer Regierung und gegenüber Regierungsparteien stehend, die es mit der Opposition nicht immer gerade sehr fair trieben - -

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Das sage ich doch ohne Bitterkeit. Das sehe ich sozusagen im Abendsonnenschein, meine verehrten jüngeren Kollegen, die Sie schon so alle mit den Hufen trappeln.

    (Heiterkeit.)

    Wir haben uns immer bemüht, ein Viermächtedach für unsere Vorschläge zustande zu bringen. Ich denke noch an eine der Unterredungen, die mein leider verstorbener verehrter Freund Ollenhauer zusammen mit mir mit dem leider verstorbenen verehrten Kollegen von Brentano vor einer der bedeutenden Genfer Konferenzen hatte. Unsere Vorschläge, sagte Herr von Brentano, seien sehr, sehr wichtig und sehr gut, man könne vielleicht auch auf sie zurückkommen; man sollte sie jedenfalls gewissermaßen bewahren, vor allem weil wir damals immer ganz korrekt und sorgfältig, den Veränderungen gegenüber früheren Konferenzen entsprechend, weil ja immer weiter erudierte, was man die deutsche Frage nannte, ein für die Zeit noch passendes Viermächtedach oder eine Viermächtebezugsstelle geschaffen und, wenn es notwendig war, konstruiert haben. Immer ging es dabei um die Regelungen zwischen den Teilen Deutschlands.
    Jetzt, wo es endlich ein solches Dach gibt und Sie in der Opposition stehen, Herr Dr. Barzel, versagt sich die nunmehrige Opposition. Sie fragen: Wo ist der Vertrag? Sie haben schon einmal gesagt, erst müßten außer dem Moskauer und dem Warschauer Vertrag — wo Sie gesagt haben: Die sind schlecht — noch Verträge mit Prag und den anderen Ländern und ein unwiderruflicher innerer Vertrag vorliegen, dann würden Sie darüber befinden, w ie Sie zu dem Moskauer Vertrag Stellung nehmen. Das haben Sie auch schon einmal anders gesagt. Sie wollten es damals auch liegenlassen, bis weitere Verhandlungen mit anderen über andere Verträge gemacht worden seien. Nun fragen Sie heute: Wo ist denn der innerdeutsche Vertrag? Ich sage in dem Zusammenhang, es wäre an der Zeit, all denen zu danken, die das Viermächteabkommen über Berlin und auch die ergänzenden Vereinbarungen möglich gemacht und zustande gebracht haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das sollte man nicht so beiseite tun. Was immer gegen den Moskauer Vertrag eingewandt werden mag, was immer seitens der Opposition dagegen eingewandt worden ist, daß die Verträge von Moskau und Warschau vor dem Zustandekommen einer Berlin-Regelung unterzeichnet worden seien, die Tatsache ist jedenfalls nicht mehr zu leugnen, daß das Berlin-Abkommen der Vier zustande gekommen ist und daß die zwischen den deutschen Seiten auszuhandelnden ergänzenden Vereinbarungen schließlich, wenn auch unter Knirschen, ebenfalls zustande gekommen sind. Da haben Sie etwas, was es bis dahin nie gegeben hat.
    Ich bin der Überzeugung, daß das ohne des Bundeskanzlers und des Außenministers Unterschriften unter den Moskauer Vertrag so nicht möglich ge-
    Deutscher Bundestag— 6. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Februar 1972 9767
    Wehner
    worden wäre. Damit schmälere ich keine andere Initiative bzw. keinen anderen Beitrag, beispielsweise den von Präsident Nixon, der damals bei Siemens den Anstoß dazu gegeben hat, und anderer. Keineswegs! Nur haben auch ausländische Diplomaten, darunter einer, der kürzlich Bonn verlassen hat und dem ich einen dicken Dank für das mit nach Hause gegeben habe, was er geleistet hat

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und was die Botschafter insgesamt geleistet haben, gesagt, daß man das nie hätte erwarten können. Ich meine Herrn Rush, der jetzt zu anderen Verrichtungen nach Washington zurückgegangen ist. Die Diplomaten waren also einsichtig und überzeugt, daß ohne des Bundeskanzlers und des Außenministers Unterschriften unter den Moskauer Vertrag das Abkommen so nicht möglich geworden wäre.
    Deswegen meine ich: Über das Berlin-Abkommen sollten alle froh sein. Es sollte auch niemand aus Gegnerschaft gegen unsere Bundesregierung — es ist ja erlaubt, gegen sie zu sein — die Freude über das Berlin-Abkommen verdrängen zu müssen meinen. Man kann doch das eine ablehnen und gleichzeitig sagen: Aber das hier ist eine gute Sache. Dabei können Sie ja ruhig sagen: Die ist nur zustande gekommen, weil die Vier so bedeutend daran gewirkt haben. Das würden wir Ihnen gar nicht übelnehmen. Nur fällt das Abkommen selber, Herr Dr. Barzel, eigentlich unter das, wovon Sie sagen, Sie redeten darüber nicht öffentlich, um nicht durch eine Interpretation, die Negatives ausdrückt, etwas zu schädigen.
    Wer das Abkommen — das wollte ich nämlich sagen — negativ bewertet oder interpretiert - —

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Nun, nein, gar nicht! So schnell geht das bei uns nicht. In bezug auf inquisitorische Regeln — wie man das macht — sind Sie ja viel erfahrener, als wir es sein könnten. Da bin ich ein Amateur. Entschuldigen Sie mal! Wer es negativ bewertet

    (Unruhe bei der CDU/CSU)

    — Sie haben es wohl gemerkt; ich bin wohl auf eine lange Zehe getreten — oder interpretiert, daß nunmehr die Einwohner von Berlin-West ohne Behinderungen aus humanitären, familiären, religiösen, kulturellen oder kommerziellen Gründen oder als Touristen in die ihnen bisher verschlossen gewesenen Gebiete reisen und sie besuchen können, und zwar unter Bedingungen, die denen vergleichbar sind, die für andere in diese Gebiete einreisende Personen gelten, wer dies, aus welchen Gründen auch immer, negativ bewertet oder interpretiert, muß sich wohl sagen lassen, daß er damit, wenn vielleicht auch ungewollt, den Gegnern der Entspannung Wasser auf die Mühlen leitet.
    Es hat vor diesem Berlin-Abkommen kein vergleichbares Abkommen der Vier Mächte und keine entsprechenden ergänzenden Vereinbarungen der beiden Regierungen in Deutschland und des Senats von Berlin gegeben, durch die der Berlin-Verkehr von zivilen Personen und Gütern geregelt wurde.
    Aber es hat schlimme Zeiten, die viele von Ihnen sicher genauso sehen wie ich, und Unheil verkündende Abkommen auf der anderen Seite gegeben, die z. B. so weit geführt hatten, daß man deklarierte, Berlin-West gehöre geographisch und rechtlich zur DDR. Das ist ja nun nicht mehr so. Seien wir deshalb auch froh darüber, daß die Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich als aufrechtzuerhalten und als zu entwickeln anerkannt worden sind. Hier ist einmal etwas Vernünftiges anerkannt worden. Daß die Bundesrepublik die konsularische Betreuung für Personen mit ständigem Wohnsitz in den Westsektoren Berlins ausüben kann, daß völkerrechtliche Vereinbarungen und Abmachungen, die die Bundesrepublik schließt, auf die Westsektoren Berlins ausgedehnt werden können und daß die Bundesrepublik die Interessen der Westsektoren Berlins in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen vertreten kann. Das wäre nicht? Daraufhin könnte man fragen: Wo ist denn der Vertrag? Wir werden noch sehen, daß sich um dieses Abkommen und das ergänzende Abkommen eben das entwickelt, was Sie einen Vertrag nennen, der vorher da sein sollte.
    Es ist ja auch so, daß Personen mit ständigem Wohnsitz in den Westsektoren Berlins nunmehr gemeinsam mit Teilnehmern aus der Bundesrepublik am internationalen Austausch und an internationalen Ausstellungen teilnehmen können, daß Tagungen internationaler Organisationen und internationaler Konferenzen sowie Ausstellungen mit internationaler Beteiligung in den Westsektoren Berlins durchgeführt werden können. Dies und noch manches weitere löst Verhältnisse ab, die unleidlich und schmerzhaft gewesen sind. Dafür sollten wir denen danken, die das nun so geregelt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, unterschätzen wir das doch, bitte, nicht! Das sind unbestreitbare Fortschritte. Das Berlin-Abkommen, welches ohne die Unterschriften unter den Moskauer und den Warschauer Vertrag nicht zustande gekommen wäre, bedeutet eine Wendemarke, sowohl für die Beteiligten, die es zustande gebracht haben, als auch für die von ihm Betroffenen — im übertragenen Sinn gemeint. Das Viermächteabkommen kennzeichnet zwar keine Stunde null — so etwas gibt es nicht mehr —, von der aus etwa alles neu beginnen könnte, aber es kennzeichnet die Bedingungen, unter denen es möglich ist, daß die an diesem Abkommen Beteiligten und die von ihm Betroffenen so miteinander auskommen, wie das in einer von Massenvernichtungswaffen starrenden und von Gegensätzen häufig geschüttelten Welt überhaupt möglich ist, allerdings nur, wenn die Beteiligten und Betroffenen auch in einem Punkt übereinstimmen — das gehört dazu —, nämlich darin, Berlin in Ruhe leben und arbeiten zu lassen und von Berlin aus nicht zusätzlich Zündstoff zu verheerender Wirkung kommen zu lassen. Ich gehe davon aus, daß es in diesem Punkt Übereinstimmung gibt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß Motive und Interessen nicht völlig übereinstimmen. Wenn das so wäre, brauchte
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    man keine Verträge. Entscheidend werden die Unbefangenheit und die Bestimmtheit sein, mit der Beteiligte und Betroffene sich dafür einsetzen, das, worin sie übereinstimmen, mit Hilfe der im Viermächteabkommen gefundenen Regeln wirksam werden zu lassen und festzuhalten. Insofern werden im Laufe der Zeit die am Viermächteabkommen unmittelbar Beteiligten und die von ihm Betroffenen gleichermaßen interessierte Beteiligte an der Realisierung des Abkommens sein.
    Natürlich kommt der Einwand: Da ist die Mauer, da ist der Schießbefehl. Die Mauer und was zu ihr an Abschreckungs- und Einschüchterungsversuchen gehört, werden sowohl unmittelbar als auch mittelbar störende Faktoren und Ärgernis bilden. Sie sind Attribute des kalten Krieges, die das Finden und das Praktizieren des Modus vivendi erschweren und wahrscheinlich auch oft in Frage stellen werden. Und dennoch erlanbe ich mir, zu sagen: Es wird nicht hilfreich sein, wenn sich etwa beide Seiten darin erschöpfen sollten, gegeneinander aufzurechnen, wessen Schwächen und wessen Aggressivität sich in der Mauer niedergeschlagen haben und sie aufrechterhalten. Nur in, dem Maße, in dem es gelingen kann, die Mauer durch die Regeln des Viermächteabkommens — wenn man das so sagen darf zunächst zu relativieren und das Dennoch-Miteinanderleben zu humanisieren, wird die Mauer mit ihren Begleiterscheinungen allmählich die Bedeutung verlieren, die sie als Denk- und Mahnmal des kalten Krieges im blutigen Sinne des Wortes noch immer wieder und manchmal gar über Nacht hat.
    Ich weiß, daß es eine ganz andere Betrachtungsweise gibt, nämlich die, solche Wunde immer brennend zu halten. Nur, ich halte sie nicht für die unserem geographischen Standort und den machtpolitischen Gegebenheiten entsprechende.
    Es wird sicher — das gestehe ich — prinzipielle Einwände gegen meine Vermutung und gegen die Erwartung geben, die ich soeben ausgesprochen habe. Es wird solche geben, die es für unsittlich und unmoralisch halten, weniger zu verlangen als das Verschwinden des Monstrums. Es gibt andere, die das Wort, von dem ich sprach, das bei aller Behutsamkeit leicht mißverstanden werden kann, relativieren, für gleichbedeutend halten mit dem Sichabfinden. Weitere wird es geben, die es für sinnvoll und für wirkungsvoll halten, die Mauer so schrill wie möglich als das Wahrzeichen des Systems auf der anderen Seite anzuprangern. Und nicht zu vergessen die Resignierenden. Ich nehme jeden dieser Einwände ernst. Aber ich halte die Überwindung des Mauerverhältnisses, zunächst gesagt, für das schwierigste Unterfangen, bin aber überzeugt, daß es möglich ist, durch die Anwendung der Regeln des Berlin-Abkommens zu einem humaneren Miteinanderleben zu gelangen.
    Niemand — sofern er nicht ein Katastrophe auslösen möchte — wird doch die Mauer ungeschehen machen können. Sonst mußte man uns sagen, wie es geschehen sollte.
    Immerhin war die Kehrseite der unmenschlichen Wirkung dieses Monstrums die Intensität, mit der ein Mann wie Willy Brandt darüber gedacht und daran gearbeitet hat, mindestens die Wirkungen allmählich mehr und mehr einzuschränken. Man sollte es jedenfalls ernsthaft versuchen. Sonst kommt man wohl in die Kategorie derer, von denen gesagt werden darf, sie wollten einfach Empörung wachhalten. Das ist aber für die vielen keine Lösung und bringt keine Lösung.
    Hier sind Störungsfaktoren, die dieses Abkommen sicher zeitweise hart angehen könnten. Es sind in der Regel Störungsfaktoren innenpolitischer Art. Sie können in jedem der Länder, die an der Entstehung beteiligt gewesen sind und die Garantien für die Ausführung des Berlin-Abkommens übernommen haben, vorkommen. Das ist sicherlich nicht auszuschließen. Wir haben hier also wahrscheinlich genügend zu tun, um das Austragen solcher Gegensätze sich nicht a conto dieses Abkommens entwickeln zu lassen und unsere eigenen Auseinandersetzungen darüber auch so zu führen.
    Alles ist schwierig. Auf der anderen Seite ist es anders als auf unserer. Hier auf unserer Seite können z. B. Kommunisten oder andersgeartete Parteigänger des Regimes von der anderen Seite ihre Auffassung aussprechen, geltend machen, sofern sie sich dabei und damit innerhalb der vom Grundgesetz gegebenen Regeln halten. Auf der anderen Seite dürfen Sozialdemokraten oder andersgeartete Parteigänger unserer Form politischen Miteinanderlebens ihre Auffassungen dort nicht unverblümt aussprechen oder gar geltend machen. Das bleibt ein wesentlicher Unterschied. Beide Seiten werden unter Beweis steilen müssen — und ich hoffe, sie werden es auch können —, daß sie sich dennoch imstande sehen, das Abkommen der Vier vom 3. September 1971 und die zusätzlichen Vereinbarungen vom Dezember 1971 in Wirkung zu setzen und zu halten — notfalls unter Zuhilfenahme der von den Vier Mächten unterschriftlich bekräftigen Konsultationsprozedur. Ich glaube, Fortschritte im Verhalten zueinander werden daran gemessen werden können, in welchem Ausmaß auf die Inanspruchnahme dieser Prozedur verzichtet werden kann.
    In dem Maße, in dem im jeweiligen Geltungsbereich der Verfassungen der beiden deutschen Staaten die spezielle Stellung Berlins praktisch respektiert wird und jede Seite das ihre dazu beiträgt, das Abkommen, Berlin betreffend, auch zu erfüllen, in dem Maße drückt sich aus, was es im getrennten Deutschland an Souveränität in der Tat gibt. Die Gleichberechtigung beider Staaten drückt sich aus im gemeinsamen Nenner, der im Berlin-Abkommen der Vier gesucht und gefunden worden ist. Die moralische und die politische Wertung der in den Geltungsbereichen der beiden Verfassungen herrschenden Verhältnisse muß und darf nicht die Fähigkeit zur Erfüllung des Abkommens über Berlin beeinträchtigen oder stören, es wäre denn, auf der einen oder auf der anderen Seite würden Kräfte die Oberhand gewinnen, die es darauf anlegen, innenpolitische Gegensätze in einer oder in jeder der Vier Mächte — ihren Ländern, meine ich damit — und außenpolitische Spannungen zwischen ihnen ungünstig auf die Entwicklung wirken zu lassen, die



    Wehner
    mit dem Berlin-Abkommen markiert worden ist. Meiner Meinung nach sollte das Viermächteabkommen über Berlin von den entspannungsbewußten Kräften auf beiden Seiten gehütet werden als ein Unterpfand und als ein Mittel, die deutschen Beiträge zum Frieden real wirken zu lassen, ungeachtet aller prinzipiellen und ideologischen Gegensätze und Ansprüche.
    Wir sind — das ist zuzugeben — in einer Situation, in der diejenigen, die in Deutschland nebeneinander zu leben haben, völlig unterschiedliche und miteinander nicht zu vereinbarende Zielvorstellungen über die Vereinigung Deutschlands haben. Die unsere paßt nicht zu der anderen, und deren paßt nicht zu der unseren. Keine Seite kann der anderen ihre Auffassung aufnötigen. Dafür wird immer zu sorgen sein.
    Abgrenzung sollten wir deshalb ein wenig versachlicht behandeln. Denn Abgrenzung vorzunehmen und staatliche Zusammenarbeit gleichzeitig nicht zu verweigern ist durchaus denkbar. Es wird längerer Zeit bedürfen, bis es ohne so viel Knirschen wie jetzt geht; aber es wird gehen. Bei aller Gegnerschaft zwischen uns und jenen, die jenseits der Mauer regieren — und auch umgekehrt —, wird durch die Erfüllung des Berlin-Abkommens und seiner Bestimmungen allmählich etwas zustande kommen, von dem man wohl sagen kann, daß nicht mehr völlige Ignoranz die Feder führen kann, wenn es sich um Regelungen des weiterführenden Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Seiten handelt.
    In dieser Richtung sehe ich auch die Bedeutung des Berlin-Abkommens und seiner ergänzenden Bestimmungen für die Konferenz für die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, über die seit 1969 diskutiert wird, über die ,es unterschiedliche Meinungen gegeben hat und von der wir — diejenigen, für die ich hier spreche immer gesagt haben: Wir wollen nicht die sein, die eine solche Konferenz scheitern lassen oder an denen sie scheitert. Nur, sie soll einen Sinn haben: über Sicherheit und Zusammenarbeit tatsächlich zu sprechen. Wir haben keine Bedingungen gestellt, aber wir waren froh, als deutlich war, daß sich das westliche Bündnis die Auffassung zu eigen macht, daß nach dem In-Geltung-Treten des Berlin-Abkommens die Erörterungen über eine europäische Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit munter aufgehen könnten.
    Meine Damen und Herren, vom vorigen Bundeskanzler, dem Kollegen Kurt Georg Kiesinger, stammt das Wort von der Notwendigkeit des Bemühens um einen Interessenausgleich zwischen den Bündnissen von West und Ost, von der Notwendigkeit nämlich im Interesse des Friedens in der Welt und auch im Interesse des deutschen Volkes, von dem er, der Kollege Kiesinger, am 17. Juni 1967 in einer nachdenkenswerten Rede gesagt hat — und ich zitiere ihn —, daß Deutschland — nämlich ein wiedervereinigtes Deutschland — eine kritische Größenordnung habe, denn es sei zu groß, um in der Belance der Kräfte keine Rolle zu spielen, und zu klein, um die Kräfte um sich herum selbst im Gleichgewicht zu halten.
    Es ist daher in der Tat nur schwer vorstellbar, —so schrieb er weiter — daß sich ganz Deutschland bei einer Fortdauer der gegenwärtigen politischen Struktur in Europa der einen oder der anderen Seite ohne weiteres zugesellen könnte. Eben darum könne man das Zusammenwachsen der getrennten Teile Deutschlands nur eingebettet sehen in den Prozeß der Überwindung des Ost-West-Konflikts in Europa.
    Was der Kollege Kiesinger — in einer Beziehung jedenfalls Vorgänger Willy Brandts, als Bundeskanzler - in Worten als unvermeidlich erkannt hatte, was er aber — so sehe ich es mit seinem Konservieren des Alleinvertretungsanspruchs der Bundesrepublik nicht in praktische Politik umzusetzen vermochte — leider nicht , das hat der Bundeskanzler Willy Brandt mit den Erfahrungen als Regierender Bürgermeister von Berlin und als Bundesminister des Auswärtigen behutsam in konkrete politische Schritte gebracht.
    Das Berlin-Abkommen bekam seinen entscheidenden Impuls durch die Unterzeichnung des Vertrags mit der Sowjetunion am 12. August 1970 in Moskau durch Brandt und Scheel und durch die Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen in Warschau am 7. Dezember 1970, ebenso durch Brandt und Scheel. Das ist das, worüber nun zu befinden sein wird.
    Der Deutsche Bundestag steht tatsächlich vor einer grundlegenden Entscheidung. Sagt er nämlich ja zum Moskauer Vertrag, so eröffnet er die Möglichkeit zur Verbesserung der Beziehungen in Europa, ausgehend von der Lage der Staaten und Grenzen, wie sie heute sind; anders kann das nicht gemacht werden. Er sagt ja dazu, daß beide Staaten ihre Streitfragen ausschließlich mit friedlichen Mitteln lösen und die Verpflichtung erfüllen, sich in Fragen, die die Sicherheit in Europa und die internationale Sicherheit berühren, sowie in ihren gegenseitigen Beziehungen gemäß Art. 2 der Charta der Vereinten Nationen der Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt zu enthalten. Er sagt auch ja dazu, daß beide sich verpflichten, die territoriale Integrität aller Staaten in Europa in ihren heutigen Grenzen uneingeschränkt zu achten, daß sie keine Gebietsansprüche gegen irgend jemanden haben und solche in Zukunft auch nicht erheben werden. Und durch unser Ja, meine Damen und Herren, wird der 1954 in den Westverträgen verbriefte Verzicht auf Androhung und Anwendung von Gewalt auch gegenüber dem Osten vertraglich besiegelt.
    Unser Ja schließt auch ein, daß durch diesen Vertrag nicht die von beiden Partnern früher abgeschlossenen zweiseitigen und mehrseitigen Verträge und Vereinbarungen berührt werden. Und hier, sehr verehrter Herr Kollege Barzel, verstehe ich nicht, warum Sie immer wieder herumhämmern auf den Römischen Verträgen und darauf, daß die Sowjetunion dazu gebracht werden müßte, die EWG anzuerkennen. Ich bitte Sie: Manchmal kommt es mir — entschuldigen Sie — so vor, als spürten Sie, daß dort ja wohl, weil man diese Entwicklung der



    Wehner
    Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als eine Realität sieht und einschätzt, sowieso bald etwas positivere Töne kommen werden. Dann können Sie natürlich sagen, Sie hätten diese mit bewirken helfen. Das würde ich Ihnen auch gerne gönnen. Nur hat das mit unseren Verträgen nichts zu tun. Die sind außerhalb dessen. Wir sollten uns auch nicht, wenn auch nicht aus diesem Grunde, sondern aus einem anderen, den ich nicht für geringer halte, plötzlich für Frankreich, für Holland, für die anderen Beneluxländer, und ich weiß nicht, für wen noch, hinstellen und mit der Sowjetunion einen Streit darüber anfangen, daß sie nun endlich die EWG anzuerkennen hätte. Ich weiß nicht, ob wir dafür Prokura haben und ob wir sie ansuchen sollten. Ich nehme an, das wäre politisch nicht sehr gründlich überlegt.
    Meine Damen und Herren, wir ergänzen mit der Entscheidung, vor der wir stehen und über die in den Ausschüssen vieles gesagt werden wird, die Westverträge durch diesen Vertrag und durch den Warschauer Vertrag, der, richtig gesehen, eine Entwicklung unseres Verhältnisses zu Polen einleiten wird, das, historisch und moralisch betrachtet, dem Verhältnis entsprechen kann, das wir zu unserem westlichen Nachbarn Frankreich gefunden haben. Das ist eine gewisse Verwandtschaft zu der Kategorie der Bedeutung dieses Vertrages. Ich danke an dieser Stelle der Regierung für die Begründung, die sie zu dem Ratifikationsgesetz zum Warschauer Vertrag gegeben hat. Die war, auch was das Geschehene betraf, das früher zwischen diesen beiden Völkern stand, richtig getroffen.
    Die Bundesrepublik — und das liegt in der Natur unserer Grenzen — wird die Westgrenzen Polens, die Oder-Neiße-Linie, nicht in Frage stellen. Ich hoffe, vielleicht sollte ich auch sagen, ich wünsche, daß man auch einmal über die Frage der deutschen Selbstbestimmung wird sprechen können. Wer aber diese Diskussion mit der offenen Oder-Neiße-Linie belasten oder befrachten möchte oder es tut, schafft die negative Garantie, daß über Selbstbestimmung nie konkret gesprochen werden wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Da gibt es noch manches Schmerzliche, auch zu der Frage der Familienzusammenführung und der Gewährung von Ausreisegenehmigungen gibt es noch manches Schmerzliche, nur wissen diejenigen bei Ihnen, die nicht nur Negatives sammeln, sondern die auch versuchen, es zu heilen oder zumindest zu mildern oder den Ursachen zu Leibe zu gehen, daß immerhin im vergangenen Jahr 26 237 Menschen gekommen sind. Das ist die höchste Zahl seit dem Jahre 1959. Dazu kommen noch Ausreisen in die DDR, die nach demselben Verfahren erfolgen, aber nach dort, weil dort Familienangehörige sind. Es darf erwartet werden, daß die Schwierigkeiten, die mancherorts Ausreiseantragstellern bereitet worden sind, auszuräumen sind. Je beharrlicher, aber auch je weniger forsch wir in dieser Frage am Mann beiben, um so größer sind die Aussichten, daß vielen geholfen werden kann.
    Es darf aber auch erwartet werden, daß erweiterte Besuchsreisemögichkeiten eröffnet werden, so daß manche Härten zumindest gemildert werden können. Die Tatsache z. B., daß zu Beginn des Jahres 1972 infolge einer Vereinbarung der drei Staaten Polen, CSSR und DDR Besuchsreisen ohne Paß- und Visumvorschriften möglich geworden sind und von mehr als 1 Million Menschen genutzt wurden, ist in Polen sowohl wegen der großen Zahl derer, die davon Gebrauch gemacht haben, als auch deswegen, weil alles reibungslos und, wie sie sagten, ohne Inzident verlief, beachtet worden: Deutsche und Polen, so sagten sie, können also miteinander umgehen, ohne daß es zu Schwierigkeiten kommt. Das alles ist als ein gutes Omen für den sich schließlich auch mit uns, der Bundesrepublik, entwickelnden Reise- und Touristenverkehr gewertet worden.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie uns — bei aller Bescheidenheit dieses Punktes — auch unsererseits dazu unseren Beitrag leisten. Ich war froh, dieser Tage hören zu können, daß Professor Eckert aus Braunschweig, der sich ja bei dem in Übereinstimmung mit anderen vorgenommenen Säubern oder Entrümpeln von Schulbüchern und Unterrichtsmaterial, vor allen Dingen geschichtlicher Darstellungen, schon bei den Holländern und anderen einen guten Namen gemacht hat, sich jetzt mit einer Gruppe des Schulbuchinstituts nach Polen begeben hat. Hier ist also offenbar eine Verständigung darüber getroffen worden, daß man es auch einmal miteinander versuchen will.
    Über diese Dinge werden wir sicher häufig reden müssen, wenn die Verträge ratifiziert sind. Sie werden ratifiziert werden. Bis dahin wird auch unsere verehrte Opposition, die Christlich Demokratische und die Christlich Soziale Union, hinsichtlich dessen klarkommen, was sie politisch tun wird, wenn die Verträge in Kraft gesetzt sein werden. Das ist ja die einzige Frage, die sie bisher sowohl draußen als auch hier umgingen. Ich gebe zu, es ist eine schwierige Frage. Aber Verträge sind Verträge, auch für eine Opposition. Insofern können wir auf Grund von Erfahrungen, die wir gemacht haben, und auf Grund von Erfahrungen, die Sie zu sammeln beginnen, ja miteinander reden. Manches ist dabei schmerzlich, aber man sollte nichts unversucht lassen. Richten Sie sich bitte darauf ein, was Sie tun, wenn die Verträge in Kraft sein werden und Sie in der deutschen Politik und an der Gestaltung der Beziehungen zu anderen mitwirken wollen.
    Was die CSU auf diesem Gebiet getan hat, enthebt uns freilich der Befürchtung, daß etwa Herr Strauß oder ein anderer aus der ersten Reihe sagen könnte: Man darf mit solchen Leuten wie denjenigen, die dort regieren, überhaupt keine Verträge schließen. — Wir haben ja gesehen, daß man Verträge schließen soll. Wie sie entworfen worden sind oder entworfen werden, haben wir auch gesehen. Das ist so eine Art Milchreis mit Zucker und Zimt, Herr Strauß, den Sie da ausgeschenkt haben.

    (Zuruf des Abg. Stücklen.)

    — Ich habe ja nichts dagegen, daß man einmal einen
    Scherz macht. Nur ist das natürlich ein Vertrag, den
    nicht einmal eine Seite, sondern lediglich eine Grup-



    Wehner
    pe aufgestellt hat. Und dann wird es ja erst deftig — das wissen Sie doch ganz genau —, und zwar sowohl innerunionsräumlich als auch dann, wenn es mit anderen Parteien und mit anderen Staaten weitergehen soll. Ich will hier nicht aus der Schule plaudern. Aber ich habe den Eindruck, daß die CSU manchmal zu solchen lehrhaften Darstellungen neigt, wie Politik eigentlich sein müßte. Dann schreibt sie ganze Hefte voll und schickt sie den amtlichen Politikern. Das war auch in der Zeit so, als sie noch mit in der Regierung war.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein und setzen die Sitzung um 14 Uhr mit der Fragestunde fort. Um 15 Uhr fahren wir in der Debatte über die aufgerufenen Tagesordnungspunkte fort.
Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.19 Uhr bis 14.00 Uhr.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Liselotte Funcke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren, die Sitzung wird fortgesetzt mit der
    Fragestunde
    — Drucksache VI/3165 —
    Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ravens anwesend.
    Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Böhme auf:
    hält es die Bundesregierung mit den Prinzipien der Förderung des sozialen Wohnungsbaues für vereinbar und begrüßenswert, daß die von der Landeszentralbank Nordrhein-Westfalen aufgelegten Immobilienfonds die Aufnahme von Objekten, die mit öffentlichen Mitteln gefördert sind oder werden, ablehnen, da sie infolge der aus der Hingabe der öffentlichen Mittel entstehenden oder entstandenen Bindungen zu viele Verfügungsbeschränkungen hätten?
    Bitte sehr, Herr Staatssekretär.